Püschel 3.1.1 A4 Thema: Molekulare Analyse von Signaltransduktionsprozessen bei der axonalen Navigation 3.3 Stand der Forschung Die Chemotaxis von Zellen spielt eine wichtige Rolle für die Entwicklung und Funktion von Geweben. Eine der komplexesten Navigationsaufgaben muss von Nervenzellen bewältigt werden, die ihre Fortsätze über teilweise grosse Distanzen zu ihren Zielen senden. Dabei orientieren sich die Zellen an Gradienten diffusibler Signale, wobei aber bisher unbekannt ist, wie sie Konzentrationsunterschiede messen und diese in eine gerichtete Bewegung umsetzten. Für die gerichtete Wanderung von Zellen spielt die koordinierte Regulation von Aktinfilamenten und Mikrotubuli (MT) eine wesentliche Rolle (Gordon-Weeks, 1991; Williamson et al., 1996). Die Interaktion mit dem Zellkortex des Leitsaums der Zelle führt zur transienten Stabilisierung dynamischer MT. Dies wird vermutlich durch Proteine vermittelt, die mit dem Plus-Ende der MT bzw. dem Kortex assoziiert sind (Allan and Näthke, 2001; Gundersen, 2002). Ein Beispiel dafür ist das "End-binding" Protein 1 (EB1) und sein Bindungspartner APC (Adenomatous Polyposis Coli Protein). APC ist in Wachtumskegeln und zellulären Ausläufern angereichert und könnte durch die Interaktion mit EB1 die Richtung der Zellwanderung steuern. In Fibroblasten verbindet ein Komplex aus Rac1 oder Cdc42, dem im Leitsaum konzentrierten IQGAP und CLIP170 dynamische MT mit spezialisierten Bereichen des Zellkortex und führt so zu einer polarisierten Anordnung von MT (Fukata et al., 2002). Die Rekrutierung und Stabilisierung dynamischer MT durch diese Komplexe könnte eine wesentliche Komponente bei der Regulation der Wanderungrichtung von Zellen sein. Ähnlich wie die Chemotaxis von Dictyostelium oder Leukocyten beruht die axonalen Wegfindung wahrscheinlich auf einer Umwandlung von räumlichen Unterschieden in der Aktivierung von Rezeptoren auf der Oberfläche des Wachstumskegels in gerichtete Veränderungen des Zytoskeletts (Yu and Bargmann, 2001). Zu den Signalmolekülen, die die axonale Navigation steuern, gehören auch die sezernierten Semaphorine, die sowohl repulsiv als auch attraktiv wirken können (Bagnard et al., 1998; Messersmith et al., 1995; Polleux et al., 2000; Püschel et al., 1995). In Säugern wird die repulsive Wirkung des sezernierten Semaphorins 3A (Sema3A) durch einen Rezeptorkomplex vermittelt, der Neuropilin-1 (Nrp-1) als ligandenbindende und ein Plexin als signaltransduzierende Untereinheit enthält (Tamagnone and Comoglio, 2000; Yu and Bargmann, 2001). Von den neun Mitglieder der 1 A4 Püschel Plexine-Familie dienen die der Klasse A als Untereinheit der Rezeptoren für sezernierte Semaphorine, während Plexin-B1 als Rezeptor für das Membranprotein Sema4D und PlexinC1 als der für Sema7A wirkt (Tamagnone and Comoglio, 2000). Werden sensorische Neurone in vitro mit Sema3A behandelt so kommt es zum vollständigen Kollaps des Wachstumskegels (Fan et al., 1993; Luo et al., 1993). Partieller Kontakt des Wachstumskegels mit immobilisiertem Sema3A führt dagegen zur Änderung der Wachstumsrichtung (Fan and Raper, 1995). Die Aktivierung des Sema3A-Rezeptors induziert eine Depolymerisation von Aktinfilamenten und den Verlust von Fokalkontakten, und damit der Substratadhesion, und führt dadurch zu einem Kollaps von Wachstumskegeln innerhalb von 5 bis 10 Minuten (Fan et al., 1993; Fritsche et al., 1999; Mikule et al., 2002). Dabei spielen wahrscheinlich mindestens zwei Signalkaskaden eine Rolle. Inhibition von 12/15Lipoxygenase verhindert den Verlust von Fokalkontakten, nicht aber den Kollaps des Zytoskeletts (Mikule et al., 2002). Die Interaktion von Plexinen mit der Oxidoreductase MICAL ist ebenfalls essentiell für deren Funktion (Terman et al., 2002). MICAL wurde ursprünglich als CasL-interagierendes Protein isoliert und könnte über CasL ebenfalls an der Regulation der Substratadhesion durch Integrine beteiligt sein. Davon unabhängig scheinen die Effekte von Sema3A auf die Aktinfilamente zu sein, deren Depolymerisation durch GTPasen gesteuert wird. Für den Kollaps von Wachstumskegeln durch Sema3A sind die GTPasen Rho und Rac von essentieller Bedeutung (Liu and Strittmatter, 2001). So unterdrückt dominant-negatives Rac1N17 den Kollaps von Wachstumskegeln durch Sema3A. Das Gleichgewicht von Rho und Rac Aktivität wiederum reguliert über LIM Kinase und Cofilin die Polymerisierung von Aktinfilamenten (Yu and Bargmann, 2001). Zusätzlich interagieren Plexine direkt mit Rhoähnlichen GTPasen, die die Aktivität der Semaphorin-Rezeptoren regulieren (s. 3.4.; Driessens et al., 2001; Hu et al., 2001; Rohm et al., 2000; Vikis et al., 2000, 2002; Zanata et al., 2002). Neben den genannten Faktoren sind zusätzlich eine Reihe weiterer Signalproteine an den durch Sema3A induzierten Reaktionen beteiligt. Dazu gehört auch die Tyrosinkinase Fes/Fps (Fes), die Plexin-A1 und das "Collapse Response Mediator Protein 2" (CRMP2) phosphoryliert (Mitsui et al., 2002). Inhibition von CMRP2 verhindert den Kollaps von Wachstumskegeln (Goshima et al., 1995). Seine Rolle in der Signaltransduktion ist jedoch bisher nicht klar. Sema3A induziert die Rekrutierung von Fes durch Plexin-A1 und aktiviert dessen Kinase-Aktivität. In der Abwesenheit von Nrp-1 kann Fes unabhängig von Sema3A an 2 Püschel A4 Plexin-A1 binden und den Kollaps von COS-7 Zellen und Wachstumskegeln auslösen. Eine Fes Mutante mit einer inaktiven Kinase-Domäne wirkt dominant-negativ und kann den durch Sema3 ausgelösten Kollaps blockieren. Fes scheint somit eine zentrale Rolle in der Signaltransduktion durch Sema3A-Rezeptoren zu spielen. Ungelöst ist bisher die Frage, wie Wachstumskegel einen Sema3A-Gradienten in eine Änderung der Wachstumsrichtung übersetzen. Dabei spielt wahrscheinlich, wie bei der Zellwanderung, die koordinierte Regulation von Aktinfilamenten und MT eine wesentliche Rolle. Ein durch lokale Depolymerisation von Aktinbündeln ausgelöster partieller Kollaps von Wachstumskegeln reicht offenbar aus, eine Richtungsänderung zu bewirken, die einem repulsiven Effekt gleicht (Fan et al., 1993; Zhou et al., 2002). Dabei werden MT aus dem vom Verlust der Aktinbündel betroffenen Bereichen ausgeschlossen, während sie im nicht kollabierten Bereich stabilisiert werden. Dieses Ergebnis bestätigt andere Befunde, dass für eine persistente Änderung der axonalen Wachstumsrichtung der Stablisierung von MT eine grosse Bedeutung zukommt (Gordon-Weeks, 1991; Williamson et al., 1996). CRMP2 könnte an der Koordination von Veränderungen des Aktin- und Tubulin-Zytoskeletts beteiligt sein, da es durch den Rho-Effektor Rho-Kinase (ROCK) phosphoryliert wird und mit MT interagiert. Sema3A induziert nicht nur die Phosphorylierung von CRMP2 sondern aktiviert auch die Ser/Thr-Kinase Glykogensynthase-Kinase 3/ (GSK-3) (Eickholt et al., 2002). Inhibition von GSK-3 verhindert den Kollaps von Wachstumskegeln durch Sema3A. Die Aktivierung von GSK-3 ist aber nicht ausreichend einen Kollaps auszulösen. GSK-3 phosphoryliert u.a. MAP1B und APC und könnte damit die Stabilität von MT regulieren. Inhibition von GSK-3 führt darüber hinaus zu einer verstärkten Assoziation des CLIP-170 bindenden Proteins CLASP2 mit den Plus-Enden von MT und damit ihrer Stabilisierung (Akhmanova et al., 2001). Es bleibt aber noch zu zeigen, dass diese Effekte eine Rolle für die Repulsion oder den Kollaps durch Sema3A spielen. Referenzen: Akhmanova, A., Hoogenraad, C. C., Drabek, K., Stepanova, T., Dortland, B., Verkerk, T., Vermeulen, W., Burgering, B. M., De Zeeuw, C. I., Grosveld, F., and Galjart, N. (2001). Clasps are CLIP-115 and -170 associating proteins involved in the regional regulation of microtubule dynamics in motile fibroblasts. Cell 104, 923-935. Allan, V., and Näthke, I. S. (2001). Catch and pull a microtubule: getting a grasp on the cortex. Nat Cell Biol 3, E226-E228. 3 A4 Püschel Bagnard, D., Lohrum, M., Uziel, D., Püschel, A. W., and Bolz, J. (1998). Semaphorins act as attractive and repulsive guidance signals during the development of cortical projections. Development 125, 5043-5053. Driessens, M. H., Hu, H., Nobes, C. D., Self, A., Jordens, I., Goodman, C. S., and Hall, A. (2001). Plexin-B semaphorin receptors interact directly with active Rac and regulate the actin cytoskeleton by activating Rho. Curr Biol 11, 339-344. Eickholt, B. J., Walsh, F. S., and Doherty, P. (2002). An inactive pool of GSK-3 at the leading edge of growth cones is implicated in Semaphorin 3A signaling. J Cell Biol 157, 211-217. Fan, J., Mansfield, S. G., Redmond, T., Gordon-Weeks, P. R., and Raper, J. A. (1993). The organization of F-actin and microtubules in growth cones exposed to a brain-derived collapsing factor. J Cell Biol 121, 867-878. Fan, J., and Raper, J. A. (1995). Localized collapsing cues can steer growth cones without inducing their full collapse. Neuron 14, 263-274. Fritsche, J., Reber, B. F., Schindelholz, B., and Bandtlow, C. E. (1999). Differential cytoskeletal changes during growth cone collapse in response to hSema III and thrombin. 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Murine semaphorin D/collapsin is a member of a diverse gene family and creates domains inhibitory for axonal extension. Neuron 14, 941-8. Rohm, B., Rahim, B., Kleiber, B., Hovatta, I., and Püschel, A. W. (2000). The semaphorin 3A receptor may directly regulate the activity of small GTPases. FEBS Lett 486, 68-72. Tamagnone, L., and Comoglio, P. M. (2000). Signalling by semaphorin receptors: cell guidance and beyond. Trends Cell Biol 10, 377-383. Terman, J. R., Mao, T., Pasterkamp, R. J., Yu, H.-H., and Kolodkin, A. L. (2002). MICALs, a Family of Conserved Flavoprotein Oxidoreductases, Function in Plexin-Mediated Axonal Repulsion. Cell 109, 887-900. Vikis, H. G., Li, W., and Guan, K. L. (2002). The plexin-B1/Rac interaction inhibits PAK activation and enhances Sema4D ligand binding. Genes Dev 16, 836-845. 4 Püschel A4 Vikis, H. G., Li, W., He, Z., and Guan, K. L. (2000). The semaphorin receptor plexin-B1 specifically interacts with active rac in a ligand-dependent manner. 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Im Mittelpunkt der Arbeiten stehen: 1) Die Aufklärung des molekularen Mechanismus der Regulation von Plexinen durch GTPasen und seiner Funktion für die axonale Navigation. 2) Die Untersuchung der Rolle von einzelnen Komponenten des Zytoskeletts und der beteiligten Signalkaskaden bei der Reaktion von Wachstumskegeln auf Navigationssignale. 3) Die Entwicklung einer Methode zur in vivo Analyse der Funktion von GTPasen in genetischen Mosaiken transgener Mäuse. 3.5.2 Arbeitsprogramm 3.5.2.1 Molekulare Analyse der Interaktion von Plexinen und GTPasen In diesem Teil stehen zwei Fragen im Vordergrund: Was ist der Mechanismus der Wirkung von Rnd1 und RhoD auf Plexin-A1 und wie wird die Aktivität dieser GTPasen reguliert? 3.5.2.1.1 Analyse der Bindung von GTPasen an Plexin-A1 Die antagonistische Wirkung von Rnd1 und RhoD auf Plexin-A1 weist darauf hin, dass diese GTPasen ein zentraler Bestandteil der Signalkaskaden sind, die die repulsive Wirkung von Sema3A vermitteln. Alternativ ist es aber auch möglich, dass sie primär die Aktivität von Plexinen modulieren, ohne selber für die Funktion des Rezeptors notwendig zu sein. Die beiden GTPasen könnten um die Bindung an Plexin-A1 kompetieren, oder durch entgegengesetzte Wirkungen auf die Konformation und Aktivität von Plexin-A1 ihre Bindung gegenseitig beeinflussen. Um dies zu untersuchen, soll getestet werden, ob Plexin-A1 5 A4 Püschel gleichzeitig beide GTPasen binden kann (GST-Pull-down Assay). Zweitens sollen die Bindungsstellen von Rnd1 und RhoD in Plexin-A1 identifiziert werden. Dazu wird die Interaktion der GTPasen mit einer Serie von Deletionsmutanten im Hefe-2-Hybrid System und mit dem GST-Pull-down Assay getestet. Durch Austausch einzelner Aminosäurereste sollen anschliessend Mutationen erzeugt werden, die selektiv die Bindung von Rnd1 oder RhoD blockieren. Diese sollen im COS-Kollaps Assay auf die Fähigkeit untersucht werden, zusammen mit Nrp-1 einen funktionsfähigen Rezeptorkomplex zu bilden (Zanata et al., 2002). Die Signifikanz dieser Ergebnisse werden wir nach Expression der Mutanten in explantierten Ganglien in einer Kokultur mit Sema3A-exprimierenden Zellaggregaten verifizieren (Rohm et al., 2000; Zanata et al., 2002). Ähnlich wie eine Deletion der zytoplasmatischen Domäne (Rohm et al., 2000) sollte eine Plexin-A1 Mutante, die nicht mehr mit Rnd1 interagiert, dominant-negativ wirken und die Repulsion durch Sema3A unterdrücken. Verlust der Interaktion mit RhoD dagegen, könnte möglicherweise sogar einen hyperaktiven Rezeptor erzeugen. Die Interaktion von Plexin-A1 mit Fes führt ähnlich wie die mit Rnd1 zu einem Zellkollaps (s. 3.3). Im Unterschied zu Rnd1 kann dies aber durch die Koexpression von Nrp-1 verhindert werden. Aufgrund der Ähnlichkeit der Effekte soll untersucht werden, ob Bindung von Fes und Rnd1 sich gegenseitig beeinflussen. Dies soll biochemisch, durch Identifizierung der FesBindungsstelle und funktionell im COS-7 Kollaps-Assay geschehen. 3.5.2.1.2 Regulation von Rnd1 und RhoD Unabhängig davon wie Rnd1 und RhoD wirken, ist zu erwarten, dass ihre Aktivität einer genauen Regulation unterliegt. So zeigt Rnd1 im Unterschied zu den meisten GTPasen keine intrinsische GTPase-Aktivität und wird wahrscheinlich durch andere Mechanismen reguliert als katalytisch aktive GTPasen. Um die bisher unbekannten Faktoren zu identifizieren, die die Aktivität dieser GTPasen bestimmen, soll in einem Hefe-2-Hybrid Ansatz nach Rnd1- und RhoD-interagierenden Proteinen gesucht werden. Die entsprechende cDNA-Bank soll mit polyA+ mRNA aus dem embryonalen Rückenmark (E12) der Maus hergestellt werden. Die Spezifität der identifizierten Interaktionen wird anschliessend in Immunfällungen und GSTPull-down Assays überprüft werden. Verifizierte Interaktionspartner sollen zunächst in COS-7 Zellen auf ihre Fähigkeit getestet werden, die Regulation von Plexin-A1 durch Rnd1 oder 6 Püschel A4 RhoD zu beeinflussen. Auf der Basis dieser Versuche sollen polyklonale Antikörper gegen ausgewählte Proteine hergetellt werden, die zum Nachweis einer Interaktion in vivo mittels Immunfällung verwendet werden. Für die weitere Analyse Rnd1- oder RhoD-interagierender Proteine werden wir mit dem Hefe2-Hybrid System die Domänen eingrenzen, die die Interaktion mit den GTPasen vermitteln. In COS-7 Zellen und primären Neuronen soll getestet werden, ob diese isolierten Interaktionsdomänen einen dominant-negativen Effekt auf den Sema3A-induzierten Kollaps ausüben. Bei positiven Ergebnissen wird anschliessend mit transfizierten sensorischen Ganglien im Kokultur-Assay die Funktion der Proteine bei der Repulsion durch Sema3A analysiert. Parallel werden wir über RNAi-Experimente die Folgen eines Funktionsverlustes dieser Proteine studieren. In Säugerzellen kann die Degradation der endogenen RNA nicht nur mit doppelsträngigen RNA-Oligonukleotiden, sondern auch mit einem Vektor erreicht werden, der mit Hilfe eines Polymerase III Promotors kurze RNAs mit einer "Hairpin" Struktur exprimiert (Paddison et al., 2002). Explantierte Ganglien werden mit Hilfe der "Gene Gun" mit diesen Vektoren transfiziert und anschliessend im Kokultur-Assay die Reaktion auf Sema3A quantifiziert (Zanata et al., 2002). Die Effektivität der RNAi wird durch Immunfärbungen überprüft. 3.5.2.2 Analyse der axonalen Navigation in lebenden Zellen Zum Verständnis der Mechanismen, die die Interpretation von Konzentrationsgradienten axonaler Navigationssignale ermöglichen, wollen wir die Reaktion der verschiedenen Komponenten des Zytoskeletts und die Rolle der dabei beteiligten Signalketten aufklären. Zusätzlich soll untersucht werden, welche Rolle die Interaktion von Rnd1, RhoD und Fes mit Plexin-A1 für dessen Wirkung auf Aktinfilamente, MT und Fokalkontakte spielt. 3.5.2.2.1 Analyse des Kollapses von COS-7 Zellen und Wachstumskegeln Um diese Fragen zu beantworten, sollen verschiedene EGFP-Fusionsproteinen in COS-7 Zellen und primären Neuronen exprimiert und ihr Verhalten nach Aktivierung des Sema3ARezeptors durch "Time-lapse" Videomikroskopie analysiert werden. Neben EGFP-Aktin und EGFP-Tubulin sollen Indikatoren zur Markierung von Fokalkontakten (EGFP-Paxillin) oder der Plus-Enden von MT (EGFP-EB1, EGFP-CLIP-170, s. 3.3) und EGFP-Rnd1, EGFP-RhoD oder EGFP-Fes als Bestandteile der von Sema3A aktivierten Signalketten verwendet werden. 7 A4 Püschel Zur Analyse dieser Signalketten wollen wir anschliessend dominant-negativ wirkende Proteine exprimieren (z.B. Mutanten von EB-1, APC, CLIP-170, CLASP-2, Fes oder RhoD- und Rnd1interagierenden Proteinen). Zur gleichzeitigen Verfolgung mehrerer Proteine sollen diese mit einem bicistronischen pIRES Vektor als EYFP- und ECFP-Fusionsproteine koexprimiert werden. Für die Durchführung der "Time-Lapse"-Aufnahmen stehen am Institut ein konfocales Laser-Scanning Mikroskop und ein Fluoreszenzmikroskop mit CCD-Kamera (Till Photonics) zur Verfügung. Die beschriebenen Fusionsproteine sollen zunächst einzeln oder kombiniert zusammen mit Plexin-A1 und Nrp-1 in COS-7 Zellen exprimiert und ihre Verteilung während der Reaktion auf Sema3A untersucht werden. Dabei stehen die folgenden Fragen im Mittelpunkt: 1) Wie sind Veränderungen von Aktin-Filamenten, MT und adhesiven Fokalkontakten miteinander koordiniert? Welche Funktion haben Rnd1, RhoD oder Fes dabei? 2) Ist die Aktivierung von Plexin-A1 mit einer Änderung der subzellulären Lokalisation (z.B. Membranrekrutierung) von Rnd1, Fes oder anderen Komponenten der Signalketten verbunden? 3) Gibt es Effekte auf die Lokalisation von Proteinen, die an das Plus-Ende von MT binden wie EB1, CLASP2 oder CLIP170, und sind diese am Zellkollaps beteiligt? 4) Welche Funktion haben Rnd1- oder RhoD-bindende Proteine (s. 3.2.1.2) beim Kollaps? Proteine, die in COS-7 Zellen eine Veränderung ihrer subzellulären Lokalisation zeigen, sollen anschliessend in primären sensorischen Neuronen exprimiert werden. Dazu werden aus E12,5 Mausembryonen explantierte Ganglien mit Hilfe der "Gene Gun" transfiziert (Rohm et al., 2000). Nach 16 Stunden Kultur wird mit Hilfe einer Mikrokapillare lokal rekombinantes Sema3A appliziert, um den partiellen Kollaps eines Wachstumskegels auszulösen (s. 3.3). Die resultierende Veränderung des Zytoskeletts und die Umverteilung zytosolischer Signalproteine wird mit "Time-Lapse"-Aufnahmen verfolgt. Diese Versuche sollen zunächst bestätigen, ob die in COS-7 Zellen beobachteten Prozesse in vergleichbarer Form auch in Neuronen zu finden sind. Ein besonderes Augenmerk soll hier auf die Rolle dynamischer MT gelegt werden, da es beim Sema3A induzierten Kollaps von Wachstumskegeln auch zu einer Reorganisation der MT kommt. Die geplanten Experimente werden klären, ob dies ein direkter Effekt des Sema3A-Rezeptors ist oder eine indirekte Konsequenz der Depolymerisation von Aktinfilamenten. 8 Püschel A4 3.5.2.2.2 Analyse der Navigation in Gradienten chemotroper Signale Zur Analyse der Reaktion von Wachstumskegeln auf stabile Sema3A- Konzentrationsgradienten soll der von Lohof et al. (1992) beschriebene "Growth Cone Turning"-Assay etabliert werden. In diesem Assay werden mit einer Mikrokapillare durch pulsierte Applikation eines Proteins Gradienten erzeugt, die über einen längeren Zeitraum stabil sind. Um die Stärke der Repulsion durch Sema3A zu quantifizieren, wird der Winkel der Änderung der axonalen Wachstumsrichtung bestimmt (Song et al., 1998). Nach Adaptierung der Methode für die Analyse sensorischer Axone soll zunächst das Verhalten von EGFPAktin, -Tubulin- oder -Paxillin in transfizierten Neuronen analysiert werden. Mit diesen Experimenten wollen wir verstehen, wie Gradienten repulsiver Signale die Verteilung von Aktinfilamenten beeinflussen und welche Rolle Fokalkontakte und MT bei einer Änderung der Wachstumsrichtung spielen. Die in 3.5.2.2.1 beschriebenen EGFP-Fusionsproteine sollen dazu verwendet werden, das Verhalten einzelner Proteine bei der Reaktion auf einen Gradienten zu untersuchen. Wir möchten hier insbesondere den Zusammenhang zwischen Veränderungen des Zytoskeletts bzw. der subzellulären Lokalisation von Signalproteinen in Wachstumskegeln und der Änderung der Wachstumsrichtung analysieren. Dominant-negative Mutanten und RNAi-Konstrukte sollen eingesetzt werden, um die Funktion einzelner Komponenten von Signalkaskaden bei der Interpretation von Sema3A-Gradienten zu untersuchen. Dazu sollen diese Vektoren auf ihre Fähigkeit getestet werden, die Repulsion durch Sema3A zu blockieren. Es soll geklärt werden, welchen Beitrag die untersuchten Proteine für die Festlegung der Wachstumsrichtung leisten und wie sich ihre Inhibition auf die anderen beteiligten Faktoren auswirkt. Mit diesem Ansatz lassen sich auch Faktoren untersuchen, deren Inhibition nur zu einer partiellen Resistenz der Wachstumskegel gegenüber Sema3A führen. 3.5.2.3 Genetische Analyse von rnd1 bei der axonalen Navigation Um die in vivo Funktion von GTPasen bei der Entwicklung neuronaler Schaltkreise zu verstehen, soll eine konditionale Mutante des rnd1 Gens hergestellt werden. Da GTPasen in der Regel mehrere essentielle Funktionen ausüben, ist die Herstellung genetischer Mosaike der vielversprechendste Weg, um die indirekten Effekte einer Mutation zu verringern. Um diese mosaiken Mutanten des rnd1 Gens zu erzeugen, wollen wir das Tamoxifen-induzierbare Cre- 9 A4 Püschel Fusionsproteins (Cre-ERTM) verwenden (Hayashi and McMahon, 2002). Durch Fusion mit einer modifizierten ligandenbindenden Domäne des Estrogen-Rezeptors ist es möglich, die Cre-Rekombinase durch Tamoxifen zu regulieren. Injektion geringer Mengen Tamoxifen aktiviert Cre-ERTM transient in einigen Zellen, wodurch das Zielgen inaktiviert wird (Hayashi and McMahon, 2002). Zur Herstellung der Mutanten sind zwei rnd1 Allele notwendig, ein Null-Allel (rnd1-) und ein Allel mit zwei loxP Sequenzen zur konditionalen Inaktivierung (rnd1lox). Zusätzlich wird in dieses Allel tau-EGFP als transgenes Markergen eingeführt (Abb. 1). Die loxP-Sequenzen sind entgegengesetzt orientiert, so dass die Cre-Rekombinase durch die Inversion der zwischen den loxP-Sequenzen liegende DNA, die Exon 2 enthält, die Inaktivierung des Gens bewirkt (Lam and Rajewsky, 1998). Gleichzeitig wird damit der Splice-Akzeptor des tauEGFP-Markergens in die richtige Orientierung relativ zum Exon 1 gebracht. Das tauEGFP-Markergen wird unter Kontrolle einer IRES-Sequenz translatiert, so dass die Inaktivierung von rnd1 mit der Aktivierung von tauEGFP gekoppelt ist. Die Manipulation von ES-Zellen durch homologe Rekombination ist im Labor etabliert. Das rnd1lox Allel wird durch transiente Expression der Flp-Rekombinase in den ES Zellen (rnd1lox-pgkneo Zellen) durch das Entfernen von Exon 2 und der PGK-NeoR-Kassette erzeugt. Die eingeführten Mutationen werden in Zusammenarbeit mit Herrn Prof. A. Zimmer (Bonn) in die Keimbahn der Maus eingeführt. Die Einkreuzung des rnd1lox-pgkneo Allels in den Deleter-Stamm, der Cre spezifisch in der Keimbahn exprimiert (Tang et al., 2002), führt zur Erzeugung des rnd1 Allels durch Deletion von Exon 2 (Abb. 1). Sema3A spielt eine wichtige Rolle bei der Navigation olfaktorischer Axone im Bulbus olfactorius. Durch Transfektion von ES-Zellen werden wir eine transgene Linie herstellen, die Cre-ERTM unter Kontrolle des OMP-Promotors exprimiert, der spezifisch nur in den sensorischen Neuronen des Reichepithels aktiv ist (Largent et al., 1993). Nach Einkreuzen des OMP-Cre-ERTM Transgens werden rnd1-/lox Tiere mit Tamoxifen behandelt, um das rnd1 Gen gewebespezifisch und zeitlich kontrolliert in wenigen Zellen des Riechepithels zu inaktivieren. Die Expression von tau-EGFP erlaubt es nach einer Immunfärbung mit anti-Nrp-1 Antikörpern die Projektion der Rnd1-defizienten Axone im Vergleich zu heterozygoten Zellen zu untersuchen. Diese Arbeiten sollen in der zweiten Antragsperiode fortgesetzt werden. 10 Püschel A4 1 kb rnd1 rnd1lox-pgkneo HSV-tk tauEGFP PGK-neo FLP Cre rnd1lox Cre Inversion rnd1- Abb. 1. Induzierbarer Knockout des rnd1 Gens. Genstruktur und Aufbau des Targeting Vektors sind schematisch dargestellt. Die Genstruktur von rnd1 wurde mit Hilfe der Sequenz des Mausgenoms ermittelt. Unterhalb der Genstruktur ist die Struktur des durch homologe Rekombination veränderten Gens dargestellt. Dreiecke symbolisieren loxP- und Kreise FRT-Sequenzen. Zusätzlich werden ein tauEGFPMarkergen und die PGK-neo und HSV-tk Selektionskassetten eingeführt. Durch die Expression der Rekombinasen FLP oder Cre werden zwei Allele erzeugt, ein Null-Allel und ein Allel mit zwei loxP-Sequenzen für die konditionale Inaktivierung. Zur Herstellung mosaiker Tiere werden durch Kreuzungen Tiere erzeugt, die ein OMP-Cre-ERTM Transgen und die beiden dargestellten rnd1-Allele tragen. Referenzen: Hayashi, S., and McMahon, A. P. (2002). Efficient recombination in diverse tissues by a tamoxifeninducible form of Cre: a tool for temporally regulated gene activation/inactivation in the mouse. Dev Biol 244, 305-318. Largent, B. L., R.G., S., and Reed, R. R. (1993). Directed expression of an oncogene to the olfactory neuronal lineage in transgenic mice. J Neurosci 13, 300-312. Lam, K. P., and Rajewsky, K. 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