Einführung in die Geometrie

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Dr. Michael Gieding
ph-heidelberg.de/wp/gieding
Einführ ung in die Geometrie
Skript zur gleichnamigen Vorlesung im Wintersemester 2006/2007
Kapitel 0:
Mengen, Relationen, Funktionen
Vo r l e s u n g e n 4 u n d 5 :
Abbildungen und Funktionen
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4
Abbildungen und Funktionen
4.1 Abbildungen
4.1.1
Der umgangssprachliche Gebrauch
Umgangssprachlich ist es üblich, Zeichnungen, Fotografien, Diagramme etc. allgemein
als Abbildungen zu bezeichnen.
Demgegenüber ist der Begriff der Abbildung in der Mathematik anderweitig belegt.
Ohne an dieser Stelle den Begriff schon sauber definieren zu wollen, können wir
Abbildungen im Sinne der Mathematik eher als „Verfahren“ oder auch „Vorschriften“
verstehen, wobei gewisse mathematische Objekte einander zugeordnet werden.
Eng verbunden mit dem Begriff der Abbildung ist der Begriff des Bildes. Weit
verbreitet ist die Redewendung, sich von etwas ein Bild zu machen. Mitunter sind die
gemachten Bilder auch untauglich, man hat etwas zu viel hinein oder überhaupt falsch
projiziert.
Zu den „Vorschriften“ bzw. „Verfahren“ zur Generierung von Bildern geometrischer
Objekte gehören die Projektionen. Im Mathematikunterricht der Schulen BadenWürttembergs wird den Projektionen nur ein äußerst geringer Stellenwert
beigemessen.1
Gerade deshalb erscheinen dem Lehrenden die Projektionen als Gegenstand
hinsichtlich der Erläuterung des mathematischen Abbildungsbegriffs besonders
geeignet: Der Studierende ist in seinem Denken wohl weniger kanalisiert, als er es bei
den bekannten Abbildungen Spiegelung, Drehung etc. mit gewisser Wahrscheinlichkeit
ist.
Ihr Wissen über die Projektionen verdankt die Menschheit insbesondere bildenden
Künstlern der Renaissance. Wir wollen unsere Expedition in das Reich der Projektionen
mit einer Reise in diese Zeitepoche der menschlichen Geschichte beginnen.
4.1.2
Renaissance und Malerei
Unter der Renaissance versteht man die Geschichtsepoche vom Mittelalter bis zur
Neuzeit.
Verbunden mit der Renaissance war ein historischer Prozess von gesellschaftlichen
Umbrüchen, die Friedrich Engels als „... die größte progressive Umwälzung, die die
Menschheit bis dahin erlebt hatte ...“ bezeichnete.
Weiter bei Engels: „... eine Zeit, die Riesen brauchte und Riesen zeugte, Riesen an
Denkkraft, Leidenschaft und Charakter, an Vielseitigkeit und Gelehrsamkeit.“
(Marx/Engels, Gesammelte Werke, Band 20, S. 312)
Hinsichtlich unseres hier zu untersuchenden Schwerpunktes seien stellvertretend die
Namen Filippo Brunelleschi, Leonardo da Vinci und Albrecht Dürer genannt.
1
Ohne dass der Begriff explizit gebraucht wird, tauchen sie z.B. bei der Generierung von Schrägbildern
auf. Letztlich handelt es sich bei den Schrägbildern um die Bilder von geometrischen Objekten bei
schrägen Parallelprojektionen.
1
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Abbildung 1:
Filippo Brunelleschi
(* 1377 in Florenz;
† 15. April 1446 in
Florenz)
Abbildung 2:
Leonardo da Vinci
(* 15. April 1452 in
Anchiano bei Vinci; † 2.
Mai 1519 auf Schloss
Clos Lucé, Amboise)
Abbildung 3:
Albrecht Dürer
(* 21. Mai 1471 in
Nürnberg; † 6. April 1528
in Nürnberg)
Löffler beschreibt in seinem Essay „Über die Auswirkungen der Entdeckung der
Zentralprojektion“ die Kunst der Malerei im Mittelalter wie folgt:
„Abbildende Kunst wurde im Mittelalter zumeist nur zur Illustration wichtiger
Ereignisse wie Krönungen oder Vertragsabschlüssen und selbstverständlich
Bibelstellen verwendet. Dabei wurden auf das flache Papier flache, zweidimensionale
Figuren gezeichnet, eine naturgetreue Abbildung war nicht nötig, denn die Intention
beschränkte sich auf ein Festhalten einer bestimmten Konstellation, die innerhalb der
Lebenswelt eine Relevanz hatte. Man muss sich das Weltbild des Mittelalters vor Augen
führen: Die Erde ist eine Scheibe, Gott waltet über ihr im Himmel. Gott schaut also von
oben hinab und sieht einzelne Ereignispunkte auf der Scheibe, z.B. Menschen oder
Vulkane. Er bestimmt die Dinge und deren Ablauf in einer Weisheit, die für den
Menschen selbst nicht fassbar ist. Ein Geschehen kommt über den Menschen,
unerklärlich, nicht nachvollziehbar. Darum ist es dem klösterlichen Maler des
Mittelalters auch nicht möglich, etwas anderes als ein schlichtes Flachbild zu zeigen, es
geht ihm nur um das Zusammentreffen der mit symbolischen Piktogrammen
bezeichneten Ereignisträger, denn diese wiederum sind auch nur symbolische Träger
des Erdenschicksal bestimmenden Willen Gottes. Proportionalität ergibt sich nur
aufgrund unterschiedlich herausragender Trägerfunktionen, also der Machtverteilung:
Kaiser und Papst und deren Insignien werden gegenüber deren Bediensteten oder
Residenzpalästen übergroß gezeichnet, selbst Gesichter sind kaum voneinander zu
unterscheiden.“ (Löffler, Davor: Über die Auswirkungen der Entdeckung der
Zentralprojektion, http://userpage.fu-berlin.de/~miles/zp.htm)
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Abbildung 4: Beispiel mittelalterliche
Malerei
Die folgende Epoche der Renaissance war eng
mit einem neuen Menschenbild und dem so
genannten Renaissance-Humanismus
verbunden. Man orientierte sich wieder an der
Antike und den großen Philosophen dieser
Zeit. Der römische Philosoph Seneca Lucilius
(1. Jahrhundert n. Chr.) legte in seinem Brief
95 die folgenden Worte als Sollzustand für die
menschliche Gesellschaft nieder: homo homini
sacra res.2 Diese Worte können in gewisser
Weise als Leitidee der Renaissance angesehen
werden.
Das neue Menschenbild der Renaissance
schlug sich auch in der bildenden Kunst nieder.
Man versuchte den Menschen in seiner Welt
darzustellen, als Menschen unter
seinesgleichen. Hierzu bedurfte es neuer
Maltechniken. Das perspektivische Malen
setzte sich durch. Bereits in der Antike gab es
Kenntnisse zur Perspektive, sie wurden
allerdings im Mittelalter nicht weiter verfolgt.
Einer der ersten, die die Gesetze der perspektivischen Darstellung (wieder) erforschten
war der Baumeister, Maler und Architekt Filippo Brunelleschi.
„Dazu nahm er einen Spiegel und zeichnete auf dem Spiegel die Linien und Flächen
des Abbildes des Florentinischen Domes nach. [Laurenza, D.: Leonardo da Vinci Künstler, Forscher, Ingenieur, In: Spektrum der Wissenschaft - Biographie, 1/2000,
S.18] Brunelleschi analysierte die Zeichnungen und verglich sie mit seinen
zentralperspektivischen Versuchsskizzen, womit er sich schließlich der beiden Axiome
der zentralperspektivischen Malerei versicherte: einem Fluchtpunkt hinter dem
Horizont, auf den alles zulaufen zu scheint, und die Proportionsregeln der Größe für
sich entfernende Gegenstände, die mit der Euklidischen Geometrie zu fassen sind.
Damit bestimmte Brunelleschi die Regeln der das echte Sehen simulierenden
Perspektive.“( Löffler, Davor: Über die Auswirkungen der Entdeckung der
Zentralprojektion, http://userpage.fu-berlin.de/~miles/zp.htm)“
Der große deutsche Maler, Grafiker, Mathematiker und Kunsttheoretiker Albrecht
Dürer3 veröffentlichte 1525 sein Buch Underweysung der messung mit dem zirckel un
richtscheyt. Dieses Buch stellt die erste Zusammenfassung der
mathematisch geometrischen Verfahren der Zentralprojektion dar und bildet damit auch
die Grundlage der Darstellenden Geometrie.
Die folgenden Abbildungen stammen aus dem genannten Buch von Albrecht Dürer:
2
Der Mensch ist dem Menschen eine heilige Sache.
In der heutigen Zeit, da dem Gutmenschenpädagogen aus der Weststadt Fingerfarbe als die
materialisierte Kreativität gilt, liest der Autor die Aufzählung Maler, Grafiker, Mathematiker besonders
gern.
3
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Abbildung 5: Abbildungen aus dem Buch „Underweysung der messung mit dem zirckel un richtscheyt“
von Albrecht Dürer
Mit einem der bekanntesten Werke von Albrecht Dürer beenden wir unseren
geschichtlichen Exkurs, um selbst die Gesetze der Zentralprojektion zu untersuchen.
Abbildung 6: Albrecht Dürer, Bildnis der Mutter, Kohlezeichnung, 421x218, Berlin, Kupferstichkabinett,
1514, Das Bild gilt als Spitzenwerk der Porträtkunst, das zu den ergreifendsten künstlerischen
Äußerungen zählt.
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4.1.3
Die Camera obscura
Experimente mittels einer Camera obscura
dienten u.a. der Untersuchung von
Gesetzmäßigkeiten perspektivischer
Darstellungen. Eine Camera obscura ist
nichts anderes als eine dunkle Kammer (lat.
Camera - Kammer; obscura – dunkel) in die
durch ein kleines Loch Licht einfallen kann.
Sie wird auch Lochkamera genannt. Die
Lochkamera ist hervorragend für ein kleines
fächerübergreifendes Projekt (Physik,
Mathematik, Kunst und Geschichte)
geeignet. 4
Abbildung 7: Prinzip der Lochkamera
Eine Lochkamera funktioniert nach dem folgenden Prinzip:
Durch ein Loch (Blende) treten die Strahlen, die vom abzubildenden Objekt ausgesandt
werden, in die Kamera ein und treffen dann in der Kamera auf die Projektionsfläche.
Dort bilden sie das Objekt seitenverkehrt auf dem Kopf stehend ab (Abbildung 7).
4.1.4
Abstraktion von der Lochkamera, die Idee der Zentralprojektion
Eine Abstraktion von diversen physikalischen Gegebenheiten der Lochkamera führt zur
mathematischen Idee der Zentralprojektion. Die Blende der Kamera ist nur noch ein
Punkt, der so genannte Zentralpunkt Z. Wir heben die Begrenzungen der
Projektionsfläche der Kamera auf, indem wir sie durch eine Ebene ersetzen, welche
Bildebene genannt werden soll. Jeder Punkt P des Raumes wird durch die durch P und
Z eindeutig bestimmte Gerade p abgebildet. Das Bild P’ von P ist der Schnittpunkt von
p mit der Bildebene.
Bildebene bzw.
Projektionsebene
A'
B
C
Z
A
C'
Zentralpunkt
B'
Abbildung 8: Zentralprojektion
4
Eine Bauanleitung für eine Lochkamera findet man u.a. unter
http://leifi.physik.uni-muenchen.de/web_ph08/heimversuche/01_bau_lochkamera/lochkamera.htm.
Eine etwas aufwendigere Variante wird unter http://www.gamb.de/photo/loch-k.htm vorgestellt.
Schöne Seite zu Lochkameras: http://www.die-lochkamera.de/
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4.1.5 Zentralprojektionen als spezielle Relationen
Definition: (Zentralprojektion)
Es sei Z ein Punkt des Raumes P,  sei eine Ebene in diesem Raum, die Z nicht enthält.
Die Menge der Punkte des Raumes ohne den Punkt Z sei mit P* bezeichnet. Auf
P*xwird die folgende Relation Zp definiert:
P, P' P * : P, P'  Zp : ZP    P'.
Die Relation Zp heißt Zentralprojektion mit dem Zentralpunkt Z und der Bildebene .
Jede Gerade PZ ist eine Projektionsgerade bei der Zentralprojektion Zp.
Das geordnete Paar von Punkten (P, P’) möge zur Relation Zp gehören.
P’ wird als der Bildpunkt oder das Bild von P bei der Zentralprojektion Zp bezeichnet.
P ist ein Urbildpunkt oder ein Urbild von P’ bei der Zentralprojektion Zp.
Anstelle (P, P’) gehört zur Relation Zp sagt man auch P wird bei Zp auf P’ abgebildet.
Jeder Punkt F von P* , der auf sich selbst abgebildet wird, ist ein Fixpunkt von Zp.
Bemerkungen zu den Zentralprojektionen Zp mit dem Zentralpunkt Z und der
Bildebene :
Bemerkung 1: (zum Gebrauch von bestimmten und unbestimmten Artikeln)
 Da der Zentralpunkt Z außerhalb  liegt, hat jede Projektionsgerade PZ genau
einen gemeinsamen Punkt P’ mit der Bildebene . Der bestimmte Artikel in der
Sprechweise „P’ ist das Bild von P“ bei der Zentralprojektion Zp ist damit
gerechtfertigt.
 Jeder Bildpunkt hat mehrere Urbilder. Die Sprechweise „P ist das Urbild von P’
bei Zp“ ist damit nicht gerechtfertigt.
Bemerkung 2: (Zentralprojektionen als spezielle Relationen)
 Jeder Punkt P der Grundmenge P* der Relation Zp hat einen Bildpunkt bei Zp,
d.h. zu jedem solchen P gibt es ein geordnetes Paar (P, P’), das zur Relation Zp
gehört. Relationen, bei denen jedes Element der Grundmenge an der ersten
Stelle in wenigstens einem geordneten Paar der Relation auftaucht, heißen
linkstotal.
 In Bemerkung 1 wurde schon erläutert, dass jeder Punkt P der Grundmenge P*
genau einen Bildpunkt bei Zp besitzt. Damit tritt jeder Punkt P aus P* in genau
einem geordneten Paar der Relation Zp an der ersten Stelle auf. Diese
Eigenschaft der Relation Zp berechtigt uns, die Relation Zp als rechtseindeutig
zu bezeichnen.
 Relationen, die linkstotal und rechtseindeutig sind, werden wir in Zukunft als
Abbildungen bezeichnen.
4.1.6
Invarianten von Zentralprojektionen
Praktisch dienen Zentralprojektionen dazu, zweidimensionale Bilder von
dreidimensionalen Objekten zu generieren. Der diesbezügliche Einsatz von Spiegeln,
Glasscheiben, Lochkameras etc. ist nicht immer möglich bzw. effizient. Bestimmte
Gesetzmäßigkeiten, die den Zentralprojektionen eigen sind, helfen Bilder von
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dreidimensionalen Objekten zu generieren, ohne dabei auf die genannten Hilfsmittel
zurückzugreifen.
Es wurde bereits erwähnt, dass Relationen, die wie die Zentralprojektion linkstotal und
rechtseindeutig sind, auch Abbildungen genannt werden. Bei Abbildungen ist
insbesondere interessant, ob und wie sich diverse Eigenschaften des Originals auf das
Bild übertragen. Hat das Bild bei einer bestimmten Abbildung f eine Eigenschaft, die
schon dem Original eigen war, so nennt man diese Eigenschaft auch eine Invariante der
Abbildung f.
Kollinearität (Bilder von Geraden)
Zwei Punkte A und B des Raumes P bestimmen immer eindeutig eine Gerade g aus der
Menge aller Geraden G. Für einen dritten Punkt C ist es demgegenüber schon eine
besondere Eigenschaft auch zu dieser Geraden g zu gehören. Wenn mit A und B C auch
zu g gehört spricht man davon, dass die Punkte A, B und C kollinear sind (in Zeichen
koll(A,B,C)).
Definition: (kollinear)
A, B, C  P : koll ( A, B, C ) : g  G : A, B, C  g
Unmittelbar einsichtig ist, dass drei kollineare Punkte bei einer Zentralprojektion Zp auf
drei kollineare Punkte abgebildet werden. Die Kollinearität ist eine Invariante der
Abbildung Zentralprojektion.
Satz: (Kollinearität als Invariante der Zentralprojektion)
Wenn drei Punkte des Raumes P kollinear sind, so sind es auch ihre Bilder bei einer
Zentralprojektion.
Aus diesem Satz kann man folgern, dass bei einer Zentralprojektion das Bild einer
jeden Geraden wiederum eine Gerade sein muss. Bezüglich der Formulierung eines
entsprechenden Satzes muss man jedoch beachten, dass bei bestimmten Lagen im
Raum, eine Gerade auch auf einen Punkt abgebildet werden kann.
Satz: (Geradeninvarianz bei Zentralprojektionen)
Es sei Zp eine Zentralprojektion mit dem Zentralpunkt Z und der Bildebene . Jede
Gerade g, die nicht durch Z geht, wird bei Zp auf eine Gerade abgebildet.
Zwischenrelation: (Bilder von Strecken)
In Vorlesung 3 wurde bereits die Zwischenrelation dreier Punkte aus P angesprochen.
Insbesondere war es uns möglich, mittels der Zwischenrelation zu definieren, dass eine
Strecke aus ihren Endpunkten und allen Punkten besteht, die zwischen den Endpunkten
liegen.
Satz: (Invarianz der Zwischenrelation)
Es seien A, B und C drei Punkte mit Zw(A,B,C). Ferner sei Zp eine Zentralprojektion
mit dem Zentralpunkt Z. A’, B’ und C’ seien die Bilder von A,B und C bei Zp.
Wenn Z nicht auf der Geraden AB liegt, so gilt auch für A’, B’ und C’ Zw(A’,B’,C’).
Aus diesem Satz können wir schlussfolgern, dass bei einer Zentralprojektion das Bild
einer Strecke in der Regel eine Strecke ist.
Dem Nichtmathematiker mag es etwas abstrus vorkommen, solche Trivialitäten wie
eine Gerade wird auf eine Gerade abgebildet zu formulieren. Dem sei
entgegengehalten, dass es schon bei Kreisen mit der Invarianz bezüglich der
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Zentralprojektion nicht mehr funktioniert. Ein Kreis wird in der Regel auf eine Ellipse
abgebildet.
Mittelpunkt einer Strecke:
Die Streckenlänge ist keine Invariante der Zentralprojektion, d.h. nur in dem
Ausnahmefall, dass die abzubildende Strecke Teilmenge der Bildebene ist, wird eine
Strecke durch eine Zentralprojektion auf eine gleich lange Strecke abgebildet. In
diesem Spezialfall wird selbstverständlich auch der Mittelpunkt der Strecke auf sich
selbst abgebildet. Es stellt sich die Frage ob die Eigenschaft eines Punktes Mittelpunkt
der abzubildenden Strecke zu sein, invariant gegenüber einer Zentralprojektion ist.
Leider ist dem auch nur in Spezialfällen so:
Satz: (Abbildung von Streckenmittelpunkten bei Zentralprojektionen)
Es sei Zp eine Zentralprojektion mit dem Zentralpunkt Z und der Bildebene . Ferner
sei M der Mittelpunkt einer Strecke AB . Der Bildpunkt M’ von M bei Zp ist genau dann
der Mittelpunkt der Bildstrecke A' B' , wenn AB parallel zur Bildebene  ist.
Beweis:
Wegen der Formulierung „genau dann, wenn“ in der Satzaussage sind, zwei Beweise
zu führen:
1. 
Es ist zu zeigen, dass unter der Voraussetzung der Parallelität von AB zur
Bildebene b der Punkt M auf den Mittelpunkt der Bildstrecke A' B' abgebildet
wird.
2.

Es ist folgendes zu zeigen: Wenn der Mittelpunkt einer Strecke AB auf den
Mittelpunkt des Bildes dieser Strecke abgebildet wird, so AB parallel zur
Bildebene.
Wir beweisen zunächst 1.
Voraussetzung:
AB || 
Behauptung:
Der Bildpunkt M’ des Mittelpunktes M der Strecke AB ist der Mittelpunkt der
Bildstrecke A' B' .
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Wegen der Abbildungsvorschrift der
Zentralprojektion und der Invarianz von
Kollinearitäten kann die Beweisführung
in der Ebene erfolgen, die durch die
Punkte Z, A und B eindeutig bestimmt
ist (Abbildung 9).
Die Behauptung ergibt sich jetzt
unmittelbar aus dem dritten
Strahlensatz.
A'
A
Z
M'
M
B
B'
Abbildung 9
Beweis von 2.
Voraussetzung:
M, der Mittelpunkt von AB , wird bei Zp auf den Mittelpunkt der Bildstrecke A' B'
abgebildet.
Behauptung:
AB || 
Wir haben die Behauptung gezeigt, wenn die Parallelität von AB zur Bildstrecke A' B'
nachgewiesen ist. Diese ergibt sich unmittelbar aus der Umkehrung des dritten
Strahlensatzes.
4.1.7
Weitere Eigenschaften der Zentralprojektion
Bisher hat uns die Untersuchung von Eigenschaften der Zentralprojektion etwa
bezüglich der Generierung eines zentralperspektivischen Bildes eines Würfels noch
nicht recht weiter geholfen. Dem soll jetzt Abhilfe getan werden.
Die Zentralprojektion ist dem menschlichen Sehvorgang nachempfunden. Räumliche
Eindrücke entstehen für uns insbesondere dadurch, dass von zwei gleich langen
Strecken, diejenige als kürzer empfunden wird, die weiter von unserem Auge entfernt
ist. Bestimmte zueinander parallele Geraden scheinen sich damit in der Ferne zu
schneiden.
Dieser Umstand bildet etwa die Pointe des Witzes
über zwei depperte Diebe, die wahlweise als
Ostfriesen oder Tünnes und Schäl daherkommen
und meinen, sie könnten mit dem Diebesgut nicht
flüchten, weil die Fluchtstraße weiter hinten zu eng
wäre.
Es wäre also interessant zu untersuchen, wie es sich mit der Parallelität von Geraden bei
Zentralprojektionen verhält. Offenbar handelt es sich bei der Geradenparallelität nicht
um eine Invariante der Zentralprojektion.
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Letzteres bedeutet nicht, dass zwei zueinander
parallele Geraden generell auf einander
schneidende Geraden abgebildet werden. Für
zwei parallele Geraden, die auch parallel zur
Bildebene liegen, bleibt die Parallelität in
ihren Bildern erhalten. Rein anschaulich
überzeugt man sich davon, indem man das
Drahtgittermodell eines Würfels mittels einer
punktförmigen Spotlichtes als Schatten an
eine Wand projiziert (Abbildung 105).
Abbildung 10
Die Verlängerungen der anderen Kanten des Würfels, die nicht parallel zur Bildebene
sind, scheinen sich im Bild in genau einem Punkt zu treffen.
Eine genauere Untersuchung der Bilder
parallelen Geraden, die nicht parallel zur
Bildebene sind, scheint lohnenswert.
Offenbar ist es so, dass sich diese Bilder
zweier paralleler Geraden, die nicht
identisch sind, schneiden
(Abbildung 11).
Hinsichtlich eines echten Beweises
dieser Aussage sei auf die einschlägige
Literatur zur Darstellenden Geometrie
verwiesen6.
Abbildung 11
Satz:
Es sei Zp eine Zentralprojektion mit dem Zentralpunkt Z und der Bildebene .
Ferner seien g1 und g2 zwei nicht identische zu einander parallele Geraden, die jedoch
nicht zu  parallel sind. Dann schneiden sich die Bilder von g1 und g2 bei der
Zentralprojektion Zp in genau einem Punkt.
Wir betrachten jetzt die Ebene , die senkrecht auf der Bildebene steht und durch den
Zentralpunkt Z geht.
Wenn sich alle Bilder zueinander paralleler Geraden in genau einem Punkt schneiden,
so muss das auch für die Geraden in der Ebene  gelten. Das Bild der Ebene ist die
Schnittgerade h der Ebene  mit der Bildebene . Zwangsläufig ist der Schnittpunkt Sh
zweier paralleler nicht identischer Geraden g1 und g2 der Ebene  ein Punkt dieser
Schnittgeraden h.
5
Die Abbildung der räumlichen Gegebenheiten in Abbildung 10 wurden selbst mit einer
Zentralprojektion generiert, weshalb gewisse Verzerrungen auftreten. Man orientiere sich an den
„Mauersteinen“ der Bildebene. (Sobald es meine Zeit zulässt werde ich Abbildung 10 noch mal in
Parallelprojektion generieren.)
6
Wird nachgereicht, dem Autor liegen derzeit nur „Werke“ aus seiner eigenen Studienzeit vor, die heute
nicht mehr zu bekommen sind.
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Das Bild einer jeden Geraden g3, die nicht zu  gehört und zu g1 und g2 parallel ist, geht
wegen dieser Parallelität auch durch den Punkt Sh. Damit gilt für beliebige parallele
Geraden, die vermöge einer Zentralprojektion Zp nach obigem Satz auf einander
schneidende Geraden abgebildet werden, dass sich eben dieser Schnittpunkt auf der
genannten Geraden h befindet.
Wegen der besonderen Bedeutung der Geraden h, als Träger aller Schnittpunkte der
Bilder zueinander paralleler Geraden, bekommt sie einen besonderen Namen.
Definition: (Horizont)
Es sei Zp eine Zentralprojektion mit dem Zentralpunkt Z und der Bildebene .
Ferner sei  die zu  senkrechte Ebene, die den Zentralpunkt Z enthält.
Die Schnittgerade h der beiden Ebenen  und  heißt Horizont von Zp.
Definition: (Fluchtpunkt)
Der gemeinsame Schnittpunkt, den die Bilder von zueinander parallelen Geraden bei
einer Zentralprojektion Zp haben, heißt Fluchtpunkt dieser Geraden bei der
Zentralprojektion Zp.
4.1.8
Generierung von zentralperspektivischen Bildern einfacher geometrischer Körper
Geometrieunterricht ist bei vielen Mathematiklehrern insbesondere deshalb unbeliebt,
da er schnell zu einer Materialschlacht mutiert. Besonders schwierig wird es dann,
wenn räumliche Objekte wie Quader, Zylinder, Kegel etc. zu behandeln sind. Die gut
organisierte Materialsammlung birgt sicherlich eine Fülle von Modellen, die nötig und
wichtig sind.
Für die Aufzeichnungen auf zweidimensionalem Papier bedarf es allerdings projizierter
Bilder von den Modellen. 3D-Software wie Cinema 4D, 3DS Max oder auch PovRay
sowie Digitalkameras und Bildbearbeitungssoftware sind hilfreich. Es bedarf allerdings
eines gerüttelten Maßes an Erfahrung im Umgang mit diesen Programmen. Mitunter
reicht die Zeit dann doch nicht, um ein wirklich ansprechendes Arbeitsblatt mittels des
Computers zu generieren.
Der souveräne Mathelehrer kann beides: Computernutzung und Konstruktion von
zweidimensionalen Bildern dreidimensionaler Objekte auf klassische Art und Weise
mit Zirkel und Lineal.
Als Lehrkraft, die insbesondere in den informatischen Bereich involviert ist, kontert der
Autor gern den Hype um die „Neuen Medien“ mit dem folgenden Axiom des
Mathematikunterrichts:
„Tafel und Kreide sind durch nichts zu ersetzen.“
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Wie bekommt man aber schnell
und trotzdem grafisch
überzeugend das
zweidimensionale Bild eines
räumlichen Objekts an die
Tafel? Muss es eigentlich
immer das übliche Schrägbild
sein?
Sie werden sich der
Bewunderung ihrer Schüler
sicher sein können, wenn Sie in
der Lage sind, in kürzester Zeit
das Bild eines Würfels oder
Quaders mit echter
Tiefenwirkung an die Tafel zu
„zaubern“.
h
F1
F2
Abbildung 12
Darüber hinaus haben die zentralperspektivischen Bilder ein echtes Potenzial
hinsichtlich der Bearbeitung eines fächerübergreifenden Projekts: Mathematik, Kunst,
Physik und Geschichte. Lassen Sie Ihre Schüler auf den Spuren da Vincis, Dürers & Co
wandeln.
Mittels der in 4.1.7 aufgezeigten mathematischen Eigenschaften der Zentralprojektion
sowie Abbildung 127 sollte es Ihnen leicht fallen, ein zentralperspektivisches Bild
verschiedener Körper zu konstruieren, die Sie in der Schule zu behandeln haben.
4.1.9
Analytische Betrachtung der Zentralprojektion
Lara Croft ist Archäologin. Natürlich ist Lara Croft auch ein computergerechtes Abbild
gewisser Träume einer Teilmenge der Menge aller Männer. Lara Croft ist nicht
Angelina Jolie. Vielmehr und vor allem ist Lara Croft eine Menge von Polygonen im
3. Jedes Polygon ist u.a. durch die Koordinaten seiner Eckpunkte bestimmt. Da Lara
im 3 lebt8, sind ihre Eckpunktskoordinaten geordnete Tripel von reellen Zahlen. Der
Bildschirm, auf dem ihre Abenteuer und Reize für uns erlebbar werden, kann als
Teilmenge des 2 aufgefasst werden. Wie „beamt“ man Lara vom 3 auf den 2?
Für die Generierung zweidimensionaler Bilder von dreidimensionalen Objekten muss
man diverse Punkte dieser Objekte auf Punkte des 2 abbilden. Am einfachsten gestaltet
sich dieses, wenn man als zweidimensionale Bildebene eine der Koordinatenebenen des
3 auswählt. Wir wollen diesbezüglich die y-z-Ebene auszeichnen.
7
Abbildung 12 wurde mit Scetchpad generiert. Sie können natürlich zur Herleitung einer
Konstruktionsvorschrift mit dieser Datei experimentieren. Zentralprojektion.gsp
Eigentlich lebt Lara auch nicht im 3 sondern in einer erbärmlichen Teilmenge des 3 , nämlich im
Raum der geordneten Tripel von Computerzahlen. Wir gönnen ihr den Luxus und belassen Sie hier im
3.
8
12
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Als Zentralpunkt wählen wir einen Punkt Z(xz,0,0) auf der x-Achse des zugrunde
gelegten Koordinatensystems. Entsprechend der Idee der Zentralprojektion erhält man
unter Berücksichtigung der Strahlensätze die folgenden Abbildungsvorschriften:
8
P'
(0;0;7)
6
4
P
(-4;0;3)
z-Achse bzw. y-z-Ebene von der Seite
2
Z (7;0;0)
-5
x-Achse
P ( x, y, z ) sei ein Originalpunkt. Die
Koordinaten des Bildpunktes
P' ( x' , y ' , z ' ) berechnen sich wie
folgt:
x'  0
y' 
y  xz
xz  x
z' 
z  xz
xz  x
5
-2
Abbildung 13
Mittels der Exceldatei Zentralprojektion.xls können Sie die hergeleiteten
Abbildungsformeln nachvollziehen.
4.2 Funktionen
4.2.1
Sinus und Cosinus im rechtwinkligen Dreieck
Aus dem Matheunterricht der Klasse 10 sind die folgenden Definitionen des Sinus und
des Cosinus eines Winkels im rechtwinkligen Dreieck bekannt:
Definition: (Sinus und Cosinus im rechtwinkligen Dreieck)
Es sei ABC ein Dreieck. ,  und  seien die Innenwinkel dieses Dreiecks, wobei 
den Scheitelpunkt A,  den Scheitelpunkt B und  den Scheitelpunkt C hat. Der Winkel
 sei ein Rechter.
Unter dem Sinus von  versteht man die folgende reelle Zahl: sin  :
BC
AB
Unter dem Cosinus von  versteht man die folgende reelle Zahl: cos  :
Analog lassen sich Cosinus und
Sinus nach dem Schema
Ankathete durch Hypotenuse
bzw. Gegenkathete durch
Hypotenuse für den Winkel 
definieren.
Abbildung 14
13
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CA
AB
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4.2.2
Zugang zur Sinus- und zur Cosinusfunktion über den Einheitskreis
Da die Winkelsumme in jedem Dreieck exakt 180° beträgt, können in einem
rechtwinkligen Dreieck außer dem rechten Winkel nur spitze Winkel als Innenwinkel
auftreten. Mit der Definition aus 4.2.1. wäre damit maximal jedem Winkel  mit
0    90 ein Cosinus- bzw. Sinuswert zugeordnet.9
Für Winkelgrößen, die größer bzw. kleiner (negative Winkelgrößen) als die von spitzen
Winkeln sind, definiert man den Sinus bzw. den Cosinus im Mathematikunterricht der
Schule über den Einheitskreis:
Es sei k ein Einheitskreis in Mittelpunktslage, d.h. der Kreismittelpunkt fällt mit dem
Koordinatenursprung O zusammen und die Radienlänge r von k beträgt 1. Mit x+ sei die
Halbgerade der positiven x-Achse bezeichnet. Zu jeder Winkelgröße  mit
0    360 existiert genau ein Punkt P von k, mit   x OP  .
Es sei jetzt PL das Lot von P auf die x-Achse, wobei L der
Fußpunkt dieses Lotes sein soll.
In Analogie zu Sinus und Cosinus im rechtwinkligen Dreieck
und unter Berücksichtigung der Tatsache r=1 (Hypotenuse im
rechtwinkligen Dreieck LOP ) definiert man jetzt:
sin(  ) : LP und cos( ) : OL .
Anders ausgedrückt sin(  ) ist der Wert der y-Koordinate von
P und cos( ) ist der Wert der x-Koordinate von P.
Abbildung 15

Abbildung 16: Sinus am Einheitskreis: Generierung des Funktionsgrafen
9
Auf einen Nachweis, dass jedem spitzen Winkel über die Definition aus 4.2.1 genau ein Cosinus- bzw.
Sinuswert zugeordnet wird, verzichten wir hier. Diesbezügliche sei auf die einschlägigen
Mathematiklehrbücher (Klasse 10) für Gymnasien verwiesen.
14
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4.2.3
Sinus und Cosinus als Fun ktion
Jedem Winkel  mit 0    360 ist vermöge der in 4.2.2 dargestellten Vorschrift
genau ein Sinuswert und genau ein Cosinuswert zugeordnet. Zuordnen bedeutet nichts
anderes als die Bildung von geordneten Paaren wobei an der ersten Stelle eines jeden
Paares eine Winkelgröße aus dem abgeschlossenen Intervall 0, 360 und an zweiter
Stelle eine reelle Zahl aus dem abgeschlossenen Intervall  1, 1 steht.
Ebenso wie eine Abbildung ist eine Funktion10 nichts anderes als eine spezielle
Relation.
Relationen sind Teilmengen aus Kreuzprodukten. Für unsere bisherigen Betrachtungen
zur Sinusfunktion bildeten wir das Kreuzprodukt der folgenden beiden Mengen:
Φ :   |   
, 0    360 und S : x | x  , 1  x  1
Die Relation sin ist eine Teilmenge des Kreuzproduktes Φ  S ., wobei alle die Paare
(, sin) zur Relation gehören. Grafisch darstellen lässt sich das Kreuzprodukt Φ  S
mittels eines Koordinatensystems. Die grafische Darstellung aller geordneten Paare, die
zur Relation sin gehören, liefert den so genannten Funktionsgrafen der Sinusfunktion
(Abbildung 16).
Funktion dürfen wir die Relation sin aus den folgenden Gründen nennen:
1. sin ist linkstotal, d.h. jedem möglichen Wert aus der Menge Φ wird ein Wert
aus der Menge S zugeordnet.11
2. sin ist rechtseindeutig, d.h. jedem möglichen Wert aus der Menge Φ wird
höchstens ein Wert aus der Menge S zugeordnet.
1. und 2. zusammengefasst: Jedem möglichen Wert aus der Menge Φ wird genau ein
Wert aus der Menge S zugeordnet.
Wegen unserer bisherigen Einschränkungen der Mengen Φ und S ist unsere Definition
der Sinusfunktion sogar umkehrbar eindeutig bzw. eineindeutig:12 Zu jeder reellen Zahl
x mit 1  x  1 existiert genau ein  mit sin = x.
In Analogie zu linkstotal und rechtseindeutig könnten wir die letztgenannte Eigenschaft
auch als rechtstotal und linkseindeutig bezeichnen. Dagegen spricht nur, dass diese
Begriffe im Zusammenhang mit Abbildungen und Funktionen nicht gebräuchlich sind.
Durchgesetzt haben sich demgegenüber die Bezeichnungen surjektiv und injektiv.
Dafür, dass eine Relation Funktion bzw. Abbildung genannt werden darf, ist es nicht
nötig, dass sie rechtstotal oder linkseindeutig ist.
Wir kennen das bereits aus der Schule von der allgemeinen Sinusfunktion. Diese
erhalten wir durch Erweiterung unseres bisherigen Definitionsbereichs Φ auf die
Menge aller reellen Zahlen. Ebenso lassen wir für den Wertebereich alle reellen Zahlen
zu und erhalten damit die Sinusfunktion als eine Funktion von  in : sin:   .
Hinsichtlich der Definition dieser Funktion für Winkelgrößen größer als 360° bzw.
10
Im nächsten Abschnitt wird sich herausstellen, dass die Begriffe Abbildung und Funktion synonym zu
verstehen sind. Für welche Bezeichnung man sich entscheidet, hat eher didaktische Bedeutung.
Anders ausgedrückt: Jedes mögliche taucht wenigstens einmal an erster Stelle in einem geordneten
Paar der Relation sin auf.
12
Später werden wir derartige Funktionen und Abbildungen Biketionen nennen.
11
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kleiner als 0° sei auf die Schulkenntnisse verwiesen. Der folgende Funktionsgraf zeigt
deutlich, dass die so definierte Sinusfunktion weder injektiv noch surjektiv ist:
1,5
1
0,5
0
-720
-630
-540
-450
-360
-270
-180
-90
0
90
180
270
360
450
540
630
720
-0,5
-1
-1,5
Abbildung 17: Graf der Sinusfunktion
5
Abbildungen und Funktionen: Definitionen
5.1 Definition der Begriffe Abbildung bzw. Funktion
Definition: (linkstotale Relation)
Eine Relation R  M  N heißt linkstotal, wenn für alle Elemente m aus der Menge M
wenigstens ein n aus der Menge N derart existiert, dass m, n  R gilt.
Definition: (rechtseindeutige Relation)
Eine Relation R  M  N heißt rechtseindeutig, wenn für jedes Element m der Menge
M höchstens ein n aus der Menge N derart existiert, dass m, n  R gilt.
Definition :(Abbildung bzw. Funktion)
Eine Relation f  M  N heißt Abbildung oder Funktion von M in N, wenn sie
linkstotal und rechtseindeutig ist.
M heißt dann Definitionsbereich oder auch Urbildbereich von f. Die Menge N wird
Wertebereich, Wertevorrat oder Bildbereich von f genannt.
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Übliche Schreib- und Sprechweisen:
 Für f  M  N schreibt man auch f : M  N
Sprechweise: Funktion f von M nach N
 Für m, n  f schreibt man auch f : m  f (m) oder n  f (m)
Sprechweisen:
o m wird auf f von m abgebildet,
o m wird f von m zugeordnet,
o n ist f von m,
o n ist das Bild von m bei der Abbildung f,
o m ist Urbild von n bei der Funktion f.
5.2 Eigenschaften von Abbildungen
Definition: (Injektivität)
Eine Funktion f : X  Y heißt injektiv, wenn für jedes y  Y höchstens ein x mit
f(x)=y existiert:
x1, x2  X : f ( x1 )  f ( x2 )  x1  x2 .
Definition: (Surjektivität)
Eine Funktion f : X  Y heißt surjektiv, wenn für jedes y  Y mindestens ein x mit
f(x)=y existiert:
y  Y : x  X : f ( x)  y .
5.3 Spezielle Abbildungen
Definition: (Identität, bzw. identische Abbildung)
Eine Funktion f : A  A heißt identische Abbildung oder auch Identität, wenn für alle
Elemente a aus A f(a)=a gilt.
Die Identität werden wir häufig durch das Kürzel fid kennzeichnen.
Definition: (Umkehrabbildung)
Es sei f : A  B eine Abbildung. Existiert eine Abbildung f 1 : B  A mit
f 1 ( f (a))  a für alle a aus A , so heißt f 1 Umkehrabbildung oder auch inverse
Abbildung von f.
Bemerkung: Es gibt Abbildungen, für die keine Umkehrabbildung existiert.
Demgegenüber hat jede bijektive Abbildung eine Umkehrabbildung.
Definition: (Bijektion)
Eine injektive und surjektive Abbildung f ist bijektiv. f wird dann auch Bijektion
genannt.
Satz:
Jede Bijektion hat eine Umkehrabbildung.
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