Männliche Geschlechtsorgane PD Dr. Dirk Theegarten – Institut für Pathologie und Neuropathologie – UK Essen Stand: SS 2009 HODEN 1. Ontogenetische Läsionen Anorchie, Kryptorchismus, Hodenektopie, Intersexualität 2. Zirkulatorische Läsionen Varikozele, Hodentorsion 3. Entzündliche Läsionen Infektiöse Orchitis: Orchitis purulenta, Mumpsorchitis, Orchitis tuberculosa, Orchitis luica Autoaggressive Orchitis: Chronisch pseudogranulomatöse Orchitis, Immunkomplexorchitis 4. Funktionelle Läsionen Prätestikulärer Hypogonadismus: prä- und postpubertärer hypopituitärer Hypogonadismus Testikulärer Hypogonadismus: Hypospermatogenese, Spermatogener Reifungsstopp, Fibrotische Tubulusatrophie, Sertoli-Cell-only-Syndrom Posttestikulärer Hypogonadismus: Obstruktiver Hypogonadismus, Spermasthenie 5. Tumorartige Läsionen Varikozele, Hydrozele, Spermatozele 6. Neoplastische Läsionen 6.1 Keimzelltumoren (ca. 95%) Histogenetische Entwicklung: 1. Tumorinitiierung: bereits intrauterin 2. Klonale Expansion: intratubuläre atypische Keimzellen = intratubuläre Keimzellneoplasie (intratubular germ cell neoplasia unclassified = IGCNU). Positive PAS-Reaktion sowie Expression von PLAP und c-kit wie beim Seminom 3. Tumorprogression: durch Verlust von DNS und auch von Tumorsuppressorgenen kann ein Seminom in einen nichtseminatösen Keimzelltumor mit höherer Malignität übergehen. In seiner undifferenzierten Form (embryonales Karzinom) sind die Zellen pluripotent und können sich in verschiedene Richtungen weiter differenzieren. Lokalisation: meist gonadal, aber extragonadale Manifestationen entlang der Keimleiste möglich (Hirnhemisphären, Pinealis, Mediastinum, Retroperitoneum, Präsakralregion) TNM-Klassifikation der malignen Hodentumoren: pTis = intratubuläre Keimzellneoplasie (IGCNU) pT1 = Tumor begrenzt auf den Hoden und Nebenhoden ohne Blut-/Lymphgefäßinvasion pT2 = Tumor begrenzt auf den Hoden und Nebenhoden mit Blut-/Lymphgefäßinvasion oder Infiltration der Tunica vaginalis pT3 = Samenstranginfiltration pT4 = Skrotuminfiltration pN1 = Lymphknotenkonglomerat < 2 cm oder > 5 LK befallen (keiner > 2 cm) pN2 = Lymphknotenkonglomerat > 2 cm oder > 5 LK befallen (keiner > 5 cm) pN3 = Lymphknotenkonglomerat > 5 cm Seminom: Häufigster Hodentumor (ca. 40% aller Formen) aus großen uniformen Zellen mit hellem Zytoplasma und heterochromatischen Zellen, die primordialen Zellen gleichen. Prädilektionsalter: 4. Dekade. Makroskopisch gut begrenzter Tumor mit weißlicher Schnittfläche, gelegentlich Nekrosen und Blutungen. Formen: 1. Klassisches Seminom: ballenartige Zellanordnung mit lymphoidem Stroma. 2. Spermatozytisches S.: Sonderform aus unvollständig ausgereiften Vorstufen. Pat. > 50 Jahre, 3 verschiedene Zelltypen, kein Infiltrat. 3. S. mit trophoblastären Riesenzellen: ca. 10%, betaHCG-Produktion. Meist lymphogene Metastasen, strahlensensibel, günstige Prognose Nichtseminomatöse Keimzelltumoren In 85% gemischter Aufbau aus mehreren Komponenten. Die folgenden sind möglich (auch in Kombination mit einem Seminom oder Gonadenstroma-Tumoren): Embryonales Karzinom (syn.: malignes undifferenziertes Teratom): Zweithäufigster Tumor (ca. 20%) aus pluripotenten Stammzellen mit epithelialem Charakter. Meist Mischformen mit anderen Tumoren. Altersgipfel: 25.-35. Lebensjahr. Makroskopisch meist kleiner als Seminome, häufig regressive Veränderungen. Gute Prognose bei kombinierter Chemotherapie Dottersacktumor: Besteht aus Strukturen, die an extraembryonales Dottersackgewebe erinnern. Makroskopisch gut umschrieben mit gelblicher Schnittfläche. Pathognomonisch: glomeruloide Strukturen = Schiller-Duval-Körperchen. Starke AFP-Expression im Gewebe und im Serum. Chorionkarzinom: Sehr selten. Besteht aus zyto- und synzytiotrophoblastären Zellen. Makroskopisch meist klein und hämorrhagisch-nekrotisch. ß-HCG-Expression im Gewebe und im Serum. Meist hämatogene Metastasen. Schlechte Prognose. Teratome: Grundsätzlich maligne Keimzelltumoren aus verschiedenen Gewebekomponenten der 3 Keimblätter mit unterschiedlichen Reifegraden. Altersgipfel: 1.-3. Lebensjahr und 2.-3. Dekade. Im Erwachsenenalter zu 45% als Bestandteil eines gemischten Keimzelltumors auftretend. Reifes Teratom: Im Gegensatz zum ovariellen Pendant sehr selten. Unreifes Teratom: Komponenten mit embryonaler Umreife sind Träger der malignen Eigenschaften Teratom mit sekundär maligne gewordener Komponente: Rarität, aber möglich. 6.2 Gonadenstroma-Tumoren (ca. 5%) Grundsätzlich gutartige Tumoren, die sich von den Zellen der Keimstränge herleiten und die Fähigkeit zur Steroidsynthese besitzen. Leydig-Zell-Tumor: Selten (ca. 2%), strukturell und oft auch funktionell aus Leydig-Zellen bestehend. Im Kindesalter meist Testosteron und Estradiol-Produktion (Pubertas praecox), bei Erwachsenen Östrogenproduktion mit Gynäkomastie. Maligne Formen möglich. Sertoli-Zell-Tumor (ca. 1%), Granulosazelltumor, Kombinationstumoren mit Keimzelltumoren 6.3. Maligne Lymphome Ca. 5% aller Hodentumoren. Primärlokalisation oder Manifestation bei generalisiertem Lymphom NEBENHODEN 1. Entzündliche Läsionen Epididymitis: Meist in Kombination mit einer Orchititis, häufige Komplikation einer Prostatitis und/oder Urethritis. Ursachen: 1. Neugeborene: urogenitale Fehlbildungen; 2. Junge Männer: venerische Infekte; 3. Ältere Männer: gramnegative Keime. Formen: 1. akut: meist mit Abszessbildung; 2. chronisch: mit Vernarbung 2. Neoplastische Läsionen Adenomatoidtumor, Mesotheliom, Rhabdomyosarkom PROSTATA 1. Entzündliche Läsionen Formen der Prostatitis: 1. akut eitrig; 2. chronisch bakteriell; 3. chronisch abakteriell; 4. unspezifisch granulmatös; 5. tuberkulös 2. Tumorartige Läsionen Prostatahyperplasie: Knotige Wucherung der Prostatadrüsen incl. umgebendem Stroma. Zunahme mit dem Alter, alle über 70jährigen betroffen – nur in 50% behandlungsbedürftig. Erkrankung sonst nur beim Hund bekannt. Ätiologisch „Domestifikationsfaktoren“ (Alter, Ernährung, Umwelt) relevant. Prostatagewebe ist reich an Wachstumsfaktoren, diese unterliegen dem Einfluss von Androgenen. Kausalpathogenetisch Testosteron-Östrogen-Dysbalance und Androgenmangel. Aus unbekannter Ursache Aktivitätszunahme der 5-alpha-Reduktase sowohl in den Basalzellen der Drüsen als auch im Stroma, dadurch Anhäufung von Dihydrotestosteron und der Metaboliten Androstendiol und 17-beta-Estradiol. Zunächst Stromahyperplasie, dann glanduläre Hyperplasie. Gesteigerte Androgenempfindlichkeit. Primäre Stromaproliferation mit Aktivierung der glatten Muskelzellen. Makroskopisch graugelbe Knoten mit siebförmig durchlöcherter Schnittfläche. Proliferation insbesondere periurethral mit Kompression („Mittellappen“), Sekretstau, Infarkte möglich (mit Hämaturie). Komplikationen: Balkenblase, Urozystitis, Pyelonephritis, Hydronephrose 3. Neoplastische Läsionen Prostatakarzinom: Ausgangspunkt sind die Basalzellen peripherer Drüsenanteile, zu 70% im Bereich der äußeren Drüsenhälfte. Alle 4 Quadranten gleich häufig. Meist multizentrisch. Makroskopisch markiggelblicher Bezirk. In 97% Adenokarzinome. Meist mehrere Wachstumsmuster. Erfassung mit dem Gleason-Score, je nach Malignität (jeweils primär und sekundär vorherrschendes Muster, min. 1 bis max. 5, z.B. 3+3 = 6 = G2). PIN (Prostatische intraepitheliale Neoplasie): intraduktale Proliferation eines dysplastischen Epithels, Basalmembran intakt Latentes Ca.: klinisch nicht manifest, bei der Autopsie entdeckt, meist hochdifferenziert; bei 50% aller über 80jährigen. Inzidentelle Ca.: zufällig histologische Entdeckung, bei 15% der TUR, meist hochdifferenziert Okkkultes Ca.: Entdeckung aufgrund von Metastasen ohne dass in der Prostata ein Ca. gefunden wurde. Pathogenese: fett- und eiweissreiche Ernährung, hormonelle und genetische Faktoren Regressionsbeurteilung 6 Monate nach Hormontherapie bzw. 12-18 Monate nach Strahlentherapie: Grad 1 – Tumor mit fokaler Regression, Grad 2 – Tumor mit großen Regressionsherden, Grad 3 – nur einzelne Tumorzellen, Grad 4 – kein Tumornachweis ÄUSSERES GENITALE 1. Ontogenetische Läsionen Hypospadie, Epispadie, Phimose 2. Zirkulatorische Läsionen Priapismus 3. Entzündliche Läsionen Balanoposthitis xerotica obliterans (= Lichen sclerosus), Fournier-Gangrän, Herpes genitalis, Syphilis 4. Tumorartige Läsionen Penile Fibromatose (Induratio penis plastica), Condyloma acuminatum 5. Präkanzeröse Läsionen Leukoplakie, Erythroplasie Queyrat (Morbus Bowen) 6. Neoplastische Läsionen Peniskarzinom: Meist chronisch rezidivierende Balanoposthitis, häufig in Lateinamerika (hier zur Hälfte HPV 16 assoziiert). Frühe Lymphknotenmetastasen, ungünstige Prognose. Skrotalkarzinom: Früh bekannt als Schornsteinfegerkrebs. Ursachen: chronische Entzündung, runzelige Haut mit größerer Oberfläche und stark erhöhter Lipidpermeabilität Literatur: Riede UN, Werner M, Schäfer HE (2004) Allgemeine und spezielle Pathologie. 5. Auflage. Thieme-Verlag Stuttgart