Aktiengesellschaft für Dienstleistungen in der Schweineproduktion Geschäftsbereich SGD-SSP Literaturrecherche Nichtpuerperale Uterusentzündungen beim Schwein – Eine Übersicht J. Kauffold Tierärztliche Praxis 36 (G), 2008, 189-198 Nichtpuerperale Uterusentzündungen sind beim Schwein weit verbreitet und ein bedeutender Grund für Infertilität. Die nichtpuerperale Uterusentzündung sollte stärker als autonome Krankheit wahrgenommen werden. Dabei wird folgende Differenzierung vorgeschlagen: Zum einen die klinische nichtpuerperale Endometritis mit adspektorisch und/oder vaginoskopisch feststellbarem uterinem Ausfluss und/oder sonographischen Abnormalitäten, zum anderen die subklinische Form, bei der diese Befunde fehlen. Es ist anzunehmen, dass vor allem chronische Endometritiden subklinisch verlaufen, während akute und subakute Endometritiden mehr oder weniger deutlich klinisch auffallen. Nomenklatur: Unter nichtpuerperalen Uterusentzündungen sind Entzündungen des Uterus zu verstehen, die nicht zum Mastitis-Metritis-Agalaktie-Komplex bzw. der puerperalen Septikämie und Toxämie gehören. Es handelt sich dabei fast ausschliesslich um Endometritiden. Für Endometritiden existiert beim Schwein im Gegensatz zu Rind oder Pferd keinerlei klinische Nomenklatur. Vaginaler Ausfluss wird genauso beobachte wie umrauschende Sauen, die gynäkologisch unauffällig sind. Bisher wurden Endometritiden beim Schwein klinisch schlicht als differenzialdiagnostische Komponente dem so genannten „vulval/vulvar discharge syndrome“ untergeordnet. Diese Vorgehensweise folgte rein pragmatischen Gründen. Bis dato war das Schwein gynäkologisch „wenig transparent“. Aussagekräftige diagnostische Verfahren, wie die rektale Untersuchung oder die Entnahme von Uterustupfern und –bioptaten, die bei anderen Spezies wie Rind und Pferd zum Standardrepertoire gehören, waren und sind nach wie vor beim Schwein entweder unüblich oder aufgrund anatomischer Gegebenheiten schwer durchführbar. Vaginaler Ausfluss ist hingegen auf einfachste Art und Weise zu diagnostizieren und ohne Zweifel hinweisend. Ignoriert wird jedoch die Tatsache, dass die Endometritis beim Schwein offensichtlich häufiger vorkommt als angenommen und tatsächlich ein infertilitätsrelevantes Problem darstellt. Zudem sind zahlreiche Endometritiden beim Schwein nicht durch Ausfluss charakterisiert. Ätiologie und Pathogenese: Eine Endometritis kann prinzipiell zu jedem beliebigen Zeitpunkt diagnostiziert werden. Unterstellt man, dass die Infektionen des Uterus überwiegend genital stattfinden, kann infektiöses Material nur dann eingetragen werden, wenn die Zervix offen ist. Ein nicht unerheblicher und gelegentlich eben fataler Eintrag erfolgt während der Brunst durch den natürlichen Deckakt oder die Besamung. Die Bakterien stammen aus Vagina und/oder Harnblase oder werden als klassische Kontaminanten aus der Umgebung (Fäkalien, Gerätschaften) eingetragen. Nicht zu unterschätzen ist der Eber. Dadurch ausgelöste Endometritiden bleiben sicher sporadische Fälle. Bedeutender ist flüssigkonserviertes Sperma, da bei Kontamination nur eines Ejakulates viele Sauen betroffen sind. Natives Sperma enthält immer Bakterien, die vom Eber selbst oder als Kontaminanten aus der Umgebung während der Aufbereitung in das Sperma gelangen. Die dem Verdünner zugesetzten Antibiotika können das Wachstum der Bakterien nur begrenzt verhindern. Chlamydien sind gegenüber den üblicherweise dem Sperma zugesetzten Antibiotika unempfindlich. Alternative, d.h. nicht sexuelle Infektionen des Uterus sind ebenfalls möglich. Das gilt für Brucellen, aber auch für Chlamydien, die mit infizierten Monozyten/Makrophagen systemisch verbreitet werden können. Es ist anzunehmen, dass puerperale Uterusentzündungen nicht immer komplett und/oder zeitgerecht ausheilen, chronisch werden können und dann in der folgenden oder einer der nächsten Brunsten Probleme bereiten. Nichtpuerperale Uterusentzündungen werden durch Mikroorganismen verursacht. Viren sind nach Kenntnisstand des Autors nicht oder nicht direkt beteiligt. Das PRRSV kann zwar bei tragenden Sauen lymphohistozytäre Vaskulitiden in Endo- und/oder Myometrium hervorrufen, bei ingraviden Ersteller : Riccarda Ursprung Datum : 30.06.2008 Seite 1 von 3 Tieren wurden derartige Effekte bisher jedoch nicht beobachtet. Die Such nach kausalen Erregern ist in der Regel schwierig. Eher selten gelingt es, obligat pathogene Bakterien zu isolieren (Arcanobacterium pyogenes, Staphylococcus aureus) oder solche, die einen speziellen Tropismus zum Genitaltrakt aufweisen (Brucellen). In der Regel handelt es sich um Opportunisten mit unbekanntem genitopathogenem Potenzial oder um fakultativ pathogene Bakterien. Reinkulturen sind eher selten. Häufig erschweren Mischkulturen mit zahlreichen Bakterien, Hefen und Schimmelpilzen die Identifikation des kausalen Agens. Hinzu kommen Unwägbarkeiten bei der Probenentnahme, die die Interpretation der Befunde zusätzlich verkomplizieren. Über immunologische Mechanismen der Entstehung einer Endometritis beim Schwein ist wenig bekannt. Man weiss, dass bestimmte prädisponierende Faktoren immunmodulatorisch wirken. Wirt und Pathogen entscheiden wahrscheinlich massgeblich darüber, wann eine akute Endometritis subakut und wann chronisch wird. Dabei gibt es Autoren, die Überzeugt sind, dass das akute Stadium generell kurz ist und deshalb bei infertilen Sauen mit Endometritis überwiegend subakute oder chronische Endometritiden vorkommen. Tatsächlich überwiegen chronische Endometritiden. Prädisponierende Faktoren: Prädisponierende Faktoren sind notwendig, damit ein bakterieller Eintrag zu einer Entzündung führt. Faktoren finden sich in Fütterung/Wasserversorgung, Hygiene, Haltung, Mikroklima/Ventilation sowie der allgemeinen Tiergesundheit. Neben dem Pathogen werden Wirt und Umwelt alleine oder im Ensemble mitentscheiden, ob eine Infektion abgewehrt werden kann oder klinisch manifest wird. Uteri unter Progesteron-Einfluss sind weniger gut in der Lage, bakteriellen Infektionen zu begegnen, während sich Östrogene eher förderlich auswirken. Diese Bobachtung hat für die tagtägliche Besamungspraxis grosse Bedeutung. So sollten postovulatorische Besamungen oder solche bei Tieren ohne Duldung unterbleiben, da eine grosse Gefahr für die Entwicklung von Endometritiden besteht. Grund dafür ist, dass die im Östrus aktivierte akute Infektionsabwehr des Uterus bereits wenige Stunden post ovulationem deaktiviert ist. Es versteht sich von selbst, dass hygienische Standards vor allem bei der Besamung einzuhalten sind. Hierzu gehört die vorherige gründliche Reinigung der Scham. Zugluft ist generell zu vermeiden. Es ist davon auszugehen, dass Sauen mit zeitgleicher Infektion der Harnorgane und mit Gliedmassenproblemen (v.a. mit Hundesitz-Stellung) zu Infektionen des Genitaltrakts neigen. Die zeitgleiche Exposition zu immunsuppressiven Agenzien ist förderlich. Das gilt für Viren wie auch für Mykotoxine. Insbesondere Deoxynivalenol (DON, Vomitoxin), als auch Fusariumtoxin, wirkt immunsuppressiv. Klinisches Bild und Diagnose: Ähnlich wie beim Rind variiert die Endometritis auch beim Schwein in ihrem Erscheinungsbild. Unabhängig von Definitionen und Entzündungsformen sind Sauen mit entzündlich veränderten Uteri in- oder subfertil. Endometritiden wirken endokrin desruptiv. Funktionen anderer Organe wie die der Ovarien geraten in Mitleidenschaft. Betroffene Sauen bewegen sich offensichtlich in einer Art Teufelskreis: Durch die Azyklie erfolgt keine oder nur eine unzureichende Bildung von Östrogenen. Östrogenabhängige Mechanismen der uterinen Selbstreinigung werden nicht aktiviert. Die Endometritis persistiert, die Tiere bleiben azyklisch. Die Diagnose einer entzündlichen nichtpuerperalen Uteruserkrankung ist nicht immer einfach. Ausfluss gilt als Kardinalsymptom. Sicher haben Menge und Qualität hinweisenden Charakter. So ist anzunehmen, dass grössere Mengen dünnflüssigen, eitrigen Sekrets uterinen Ursprungs sind. Beweisend ist dies keineswegs, zumal auch andere Konsistenzen möglich sind und der Ausfluss alternativ aus Zervix, Vagina oder den Organen des Harnapparates stammen könnte. Ist die Harnblase Quelle abnormer Sekretion, wird Ausfluss diskontinuierlich und immer am Ende des Harnabsatzes zu beobachten sein. Häufig ist eine vaginale Inspektion jedoch unumgänglich. Fehlt Ausfluss, ist eine Diagnose nur sonographisch möglich. Dies trifft auf Endometritiden mit exsudativem Charakter oder auch auf stark entzündliche Uteri zu. Chronische Endometritiden hingegen sind nach Erfahrungen des Autors sonographisch gänzlich unauffällig und somit nicht zu diagnostizieren. Beim Rind werden solche Endometritiden zytologisch diagnostiziert. So genannte „cytobrush“ werden intrauterin eingeführt, Material durch Bürsten der Schleimhaut gewonnen, ausgestrichen, gefärbt und der Anteil polymorphkerniger Zellen ermittelt. Das gleiche Verfahren wird derzeit beim Schwein erprobt. Problematisch erweist sich bei dieser Methode, dass die Zervix im Metund Diöstrus nur sehr schwer passierbar ist und aufgrund der histologischen Definition nicht zu erwarten ist, dass die chronische Form als die prävalenteste subklinische Endometritis beim Schwein durch polymophkernige Immunzellen auffällt. Treten Endometritiden als Herdenproblem auf, sind pathomorphologische Untersuchungen unumgänglich. Sonographisch können Tiere vorselektiert werden. Es empfiehlt sich, Genitalorgane Ersteller : Riccarda Ursprung Datum: 30.06.2008 Seite 2 von 3 mehrerer Tiere (drei bis fünf) zu untersuchen. Standardisierte Entnahmezeitpunkte, d.h. in Bezug auf ein bestimmtes Ereignis, sind eher ungewöhnlich und dem jeweiligen Herdenproblem anzupassen. Ist vaginaler Ausfluss ein Herdenproblem, sollten Genitalien ca. 24 Stunden nach dessen erstmaliger Feststellung gewonnen werden. Eine histologische Untersuchung ist unumgänglich. Für die Interpretation der Befunde muss das Zyklusstadium erfasst werden, da die Immunzellen als wesentlichste Grundlage einer Bewertung zyklusabhängig erheblichen Schwankungen unterliegen. Nach Möglichkeit sollte der gesamte Reproduktionstrakt eingeschickt werden. Versandtes Material ist zu kühlen, nicht aber einzufrieren. Transporte über mehrere Tage sind zu vermeiden. Zur Fixation für standardhistologische Untersuchungen eignet sich 4%iges Formaldehyd. Die mikrobiologische Untersuchung ist sicher sehr sinnvoll, leider jedoch nicht immer zielführend. Am lebenden Tier sind Tupfer mit einem Spekulum unter Sichtkontrolle zu nehmen. In der Regel wird es sich um Zervixtupfer handeln. Hervorragend eigenen sich Tupfer, die bei der Stute Verwendung finden, da der Tupferträger kontaminationsfrei sowohl in die Zervix ein- als auch aus ihr herausgeführt werden kann. Obwohl gelegentlich behauptet, bleibt zu eruieren, ob die mikrobiologischen Befunde von Zervixtupferproben die Uterusflora tatsächlich repräsentieren. Auch postmortale Probenentnahmen sind nicht ohne Kontaminationsrisiko. Die Eröffnungsstellen müssen vorherig mit Hitze sterilisiert werden. Kontamination durch zurückgeflossenen Harn und Brühwasser sind nicht auszuschliessen. Vor allem bei subklinischen und chronischen Endometritiden können trotz entzündlich verändertem Gewebe negative mikrobiologische Untersuchungen auftreten. Deshalb sollten immer mehrere Tiere beprobt werden. Wenn nicht seuchenrechtlich vorgeschrieben, sind serologische Untersuchungen eher unüblich. Berechtigt sind sie nur, wenn nichtpuerperale Uterusentzündungen als Herdenproblem vorkommen, gepaarte Serumproben untersucht werden und aus der Beprobung zusätzlicher diagnostischer Nutzen erwächst. Bei Verdacht auf Chlamydien kann eine serologische Untersuchung sinnvoll sein. Noch vor kurzem hätte der Autor empfohlen, Substrate von selektierten Sauen für spätere mykotoxikologische Untersuchungen unter anderem auf DON zurückzustellen. Seit jedoch neueste Resultate von Untersuchungen auf Zearalenon und DON in biologischen Substraten wie Galle und Blut bekannt sind, muss eine derartige Empfehlung eigentlich unterbleiben. In der zitierten Untersuchung wird begründet, dass Grenzwerte für ZEA und DON in Galle und Blut nicht zu definieren sind, da zwischen Toxinwerten in physiologischen Substraten und den klinischen Erscheinungen nur ungenügende Beziehungen bestanden. Da die nichtpuerperale Uterusentzündung als Herdenphänomen eine klassische Faktorenkrankheit ist, darf sich die Diagnose nicht nur auf das erkrankte Tier beschränken. Das Besamungsmanagement ist zu kontrollieren. - Werden hygienische Standards eingehalten und wird richtig besamt - Stimmen die Besamungszeiten - Ist das Sperma einwandfrei - Gibt es Probleme mit der Aufstallung und Klauengesundheit - Wie ist die Ventilation des Stalles Therapie und Prävention Einzelfälle sollen selektiert werden. Alternativ kann eine spontane Selbstheilung abgewartet werden oder durch Applikation myometrial aktiver Substanzen wie Oxytocin oder PGF2α-Analoga in der Brunst unterstützt werden. Vor erneuter Besamung/Bedeckung ist mindestens eine Brunst auszulassen. Sauen, die in der darauf folgenden Brunst keinen Ausfluss aufweisen, sollen so fruchtbar wie geschlechtsgesunde Tiere sein. Lokale Behandlungen mit adstringierenden Substanzen wie Lotagen oder Lugol 12 Stunden vor oder 24 Stunden nach einer Besamung wurden empfohlen, sind aber eher unüblich. Treten nichtpuerperale Unteruserkrankungen als Herdenproblem auf, muss therapiert werden. Leider stehen keine zuverlässigen, d.h. wissenschaftlich geprüften Therapieschemata zur Verfügung. In der Regel wird immer dann therapiert, wenn vermehrt Ausfluss vorkommt. Da Ausfluss in der Regel zum Zeitpunkt der Bedeckung auftritt oder auf diese zurückzuführen ist, wird auch zur Bedeckung behandelt. Zum Einsatz kommen Antibiotika/Chemotherapeutika, die parenteral oder als Futter- bzw. Tränkemedikation über mehrere Tage angewendet werden. Nicht unüblich sind Behandlungen über fünf Tage . Die Behandlung könnte mit Östrusbeginn anfangen. Bei Therapieerfolg wäre so gewährleistet, dass die Embryonen auf ein ungestörtes Uterusmilieu treffen. Wenn irgend möglich sollte das Erregerspektrum bekannt und die Empfindlichkeit definiert sein. Auf eine routinemässige Behandlung sollte generell verzichtet werden, da sie zwar genitale Entzündungen bekämpft (vermutlich auch nicht vollständig), das Problem aber nicht wirklich an der Wurzel packt. Als klassische Faktorenkrankheit bedarf es der Identifikation und Korrektur der Faktoren. Ersteller : Riccarda Ursprung Datum: 30.06.2008 Seite 3 von 3