Zusammenfassung der Fragen und Antworten im Bezug auf die PKD (Proliferative Kidney Disease)- Situation in der Schweiz PKD-Workshop EAWAG, Kastanienbaum, 2./3. Juli 2001 TeilnehmerInnen: Dr Alexandra Adams University of Stirling, Institute of Aquaculture, Schottland Ciba Spezialitätenchemie, Basel Aqua-Sana, Ulmiz INRA, Virologie & Immunologie Moléculaires, Pathologie des poissons, Frankreich Uni München, Zoolog. Institut, Deutschland, CEFAS, Weymouth Laboratory, Grossbritannien EAWAG, Dübendorf EAWAG, Fischnetz, Dübendorf CEFAS, Weymouth Laboratory, Grossbritannien University of Stirling, Institute of Aquaculture, Schottland The University of Reading, School of Animal and Microbial Sciences, Grossbritannien EAWAG, Kastanienbaum Amt f. Jagd und Fischerei, St. Gallen EAWAG, Dübendorf Insitut f. Hydrobiologie, Wien FIWI, Universität Bern FIWI, Universität Bern FIWI, Universität Bern BUWAL, Bern FIWI, Universität Bern Dr. Peter Dollenmeier Dr. M. Escher Dr Pierre de Kinkelin Dr Mansour El-Matbouli Dr Steve W Feist Dr. Paul Hartmann Dr Patricia Holm Dr Matt Longshaw Dr David J Morris Dr Beth Okamura Dr. Armin Peter Dr. Roland Riederer Fr. Maria Roos Dr. Oskar Schachner Dr. Heike Schmidt-Posthaus Fr. Carla Schubiger Prof. Helmut Segner Dr. Erich Staub Dr Thomas Wahli UMWELTFAKTOREN Wie wirkt sich die PKD im Zusammenhang mit der (bekannten) Temperaturerhöhung (der letzten 10-20 Jahre) aus? Effekte durch anhaltenden Temperaturanstieg sind wahrscheinlich, aber nicht sicher. Ein Wassertemperaturanstieg hat folgende mögliche Effekte a) direkt: Infektion des Fisches. Ein Temperaturfenster zwischen 8 – 14/15° C ist für die Infektion des Fisches durch den Parasiten erforderlich. b) direkt: klinischer Ausbruch der Krankheit (clinical disease)1. Durchschnittliche tägliche Temperatur (Tagesdurchschnittstemperatur) > 15° C. Spezifizierung in Form von Tagesgraden ist nötig, die zwischen Arten vermutlich unterschiedlich ist. Eine bestimmte Mindestdauer ist nötig für den klinischen Ausbruch. Dabei ist 1 Bei der Krankheit PKD müssen zwei Phasen unterschieden werden, die subklinische Infektion (die Zahl der Parasiten im Fisch ist zu niedrig, um eine sichtbare Gewebsreaktion auszulösen) und die klinische Infektion, also der eigentliche Krankheitsausbruch. Fishnets 75899805 13/5/2016 1 die Kinetik der Fischimmunantwort (auch diese wird durch die Temperatur beeinflusst) weniger entscheidend als die Zahl der infektiösen Stadien. c) indirekt: Parasitenvermehrung im Zwischenwirt und im Fisch benötigt eine Mindesttemperatur von 8° C in der Regenbogenforelle (Kinetik der Parasitenvermehrung) d) indirekt: Wirkung auf Bryozoen. Entwicklung und Wachstum der Moostierchen sind temperatur-abhängig. e) Indirekt: Zusammenwirkung mit anderen Faktoren, vgl. 1.2. Zunahme der Nährstoffe, Eutrophierung, Stauhaltungen bedingen langsamere Fliessgeschwindigkeit, Bryozoenanstieg all das führt möglicherweise zu einem Parasitenanstieg Es ist zu beachten, dass durch die verbesserten diagnostischen Möglichkeiten vermutlich die Nachweisrate in den letzten Jahren erhöht worden ist. Ist der Ausbruch der Krankheit noch von anderen Faktoren abhängig wie Licht, Verschmutzung, etc.? Ein direkter Beweis für die Rolle der Wasserverschmutzung ist nicht vorhanden, es bestehen aber einige Indizien. Für den Nachweis sind lange Datenreihen erforderlich. Wasserqualität (inkl. chemische Substanzen) stressen den Fisch beeinflussen Co-Infektionen (z.B. fakultativ pathogene Keime können zur Virulenz gelangen, wenn die Immunabwehr des Wirtes geschwächt ist) Xenobiotika, die Prädatoren von Bryozoen töten, fördern indirekt Zwischenwirt. Sind auch PKD-Fälle in Seen bekannt? Da Bryozoen v.a. in stehenden Gewässern vorkommen ist das bisher fast ausschliesslich bekannte Auftreten von PKD in Flüssen ungewöhnlich. Auf unsere entsprechende Frage an die Experten: Bryozoen, die Tetracapsula bryosalmonae beherbergen, wurden auch in Seen nachgewiesen. Die Krankheit wurde auch in Stauhaltungen und Seen in Nord-England nachgewiesen, ebenso in einem See in Montana. FISCH ALS WIRT Fishnets 75899805 13/5/2016 2 Ist der Fisch ein obligater Wirt oder ein zufälliger Fehlwirt, ein sog. „dead-endhost“? Nach wie vor offen ist die Frage, ob der Fisch infektiöse Parasitenstadien entlässt, die folglich wiederum die Bryozoen infizieren können (die Infektiosität von Sporen aus Bryozoen für die Forelle wurde nachgewiesen) oder ob es einen anderen Wirt gibt, der solche Parasitenstadien entlässt und die Forelle damit gewissermassen eine Sackgasse für den Parasiten darstellt. Infektionsversuche zur Klärung dieser Frage laufen zur Zeit in Grossbritannien(www.cefas.co.uk/publications/tnews32.pdf). Für die zweite Möglichkeit spricht, dass der Parasit auch in einem entrophierten See mit recht hoher Wassertemperatur in Ohio gefunden wurde, in dem keine Salmoniden vorkommen. Es ist sehr schwierig, infizierte Bryozoen zu finden, selbst wenn es sich um für PKD bekannte Fliessgewässer handelt. Ausserdem sind Parasitenstadien, die als voll entwickelte Endstadien angesehen werden (aufgrund z.B. ihrer Ultrastruktur), in Experimenten in Grossbritannien und Frankreich niemals in der Regenbogenforelle nachgewiesen worden, jedoch sind solche Stadien aus Nordamerika und für die Bachforelle beschrieben worden. Als sensibelste Arten werden Regenbogenforellen, und zwei Lachsarten (Oncorhynchus. tshawytscha, O. kisutch) angesehen. Bachforellen und Salvelinus-Arten sind weniger sensibel. Worauf beruhen diese Angaben? Sind sie ev. auf die unterschiedlichen Temperaturpräferenzen zurückzuführen (Regenbogenforelle werden bei höherer Temperatur gehalten beschleunigte Parasitenentwicklung)? Gibt es Unterschiede bezüglich Empfindlichkeit zwischen Zuchtfischen und wild lebenden Fischen? Gibt es genetische Unterschiede bezüglich Empfindlichkeit zwischen verschiedenen Gruppen derselben Art? Organismen können unterschiedlich empfänglich („susceptible“) und empfindlich („sensitive“) hinsichtlich ihres Verhaltens bei Krankheiten sein. Ersteres bezeichnet lediglich die Tatsache, dass sich der Erreger im Wirt vermehrt, letzteres beschreibt, ob die Krankheit klinisch zum Ausbruch kommt. Alle Angaben wurden in Fischfarmen erhoben (nicht repräsentativ für Fliessgewässer). Alle Salmoniden und der Hecht sind empfänglich (zwischen Bachforelle und Regenbogenforelle bestehen keine klaren Unterschiede). Schwere klinische Ausbrüche können in den meisten empfänglichen Arten verzeichnet werden. Die Stärke der Antwort hängt von den Umständen ab, also auch andere Umweltfaktoren wie Temperatur, Verschmutzung, Alter, Kondition, etc. Neben Artunterschieden müssen individuelle Unterschiede beachtet werden. Die Empfänglichkeit ist klar vom „strain“ abhängig, ebenso wie Verhalten und andere vererbbare Eigenschaften (das zeigen selektive Zuchtprogramme) Für eine saubere Abgrenzung der artspezifisch unterschiedlichen Empfänglichkeit/Empfindlichkeit ist ein standardisiertes Protokoll erforderlich. Fishnets 75899805 13/5/2016 3 Gibt es andere infizierte Fischarten (z.B. Cypriniden)? Bisherige Daten zur Infektion von Cypriniden sind widersprüchlich, sprechen aber eher dagegen. Nachdem nun der Erreger zweifelsfrei als Tetracapsula bryosalmonae identifiziert wurde, ist es vorstellbar, dass weitere Fischarten als Wirte gefunden werden - wenn gezielt mittels PCR nach dem Erreger gesucht wird. TRANSMISSION Werden die Parasiten komplett aus dem Fisch (Bachforelle) ausgeschieden oder überdauern sie im Fisch, sodass im Folgejahr ein Neubefall erfolgt? Obwohl das Freisetzen von extrasporogenen Stadien via Urin berichtet wurde, stellt sich die Frage, ob alle Parasiten ausgeschieden werden oder einige zurückbleiben (können), die im Folgejahr einen erneuten Ausbruch verursachen können. Einige Fische entledigen sich vollständig ihrer Parasiten (v.a. Regenbogenforelle), andere (Bachforelle) behalten sie in den Nierentubuli, z.T. bis über den Winter (möglicherweise Temperatur-abhängig). Eine Auto-Infektion durch solche Sporen wurde jedoch bis jetzt nie beobachtet. Kann der Parasit, der vom Fisch ausgeschieden wird, die Bryozoen infizieren? Nach wie vor offen ist die Frage, ob der Fisch infektiöse Parasitenstadien entlässt, die folglich wiederum die Bryozoen infizieren können (die Infektiosität von Sporen aus Bryozoen für die Forelle wurde nachgewiesen) oder ob es einen anderen Wirt gibt, der solche Parasitenstadien entlässt und die Forelle damit gewissermassen eine Sackgasse für den Parasiten darstellt. Infektionsversuche zur Klärung dieser Frage laufen zur Zeit in Grossbritannien (www.cefas.co.uk/publications/tnews32.pdf). Kann der Parasit wirklich nicht von Fisch zu Fisch übertragen werden? Für eine natürliche Transmission von Fisch zu Fisch liegen, trotz zahlreicher Versuche, keinerlei Hinweise vor. EPIDEMIOLOGIE Was ist zu den Mortalitätsraten bei der Bachforelle in freien Gewässern bekannt? Zu Mortalitätsraten durch PKD bei freilebenden Salmoniden ist nichts bekannt. Erste Daten erhofft sich Fischnetz durch die derzeit laufenden Versuche an der Langeten und der Versoix (TP 01/04). Fishnets 75899805 13/5/2016 4 Welche Auswirkungen hat die Krankheit generell auf Populationen im Freiland? Untersuchungen ergaben, dass ein signifikanter Teil der juvenilen Bachforellen infiziert ist und klare klinische Symptome zeigt. Es ist nicht bekannt, ob diese Tiere überleben, doch wenn sie gefangen werden, sterben sie meist rasch. Da in manchen Fliessgewässern juvenile Forellen vom August an fehlen, könnte dies ein Hinweis auf einen entsprechenden PKD-Ausbruch sein. Da Effekte auf die Population schwer zu erhalten sind, ist es wichtig, verschiedene physiologische Parameter zu messen, die einen Hinweis auf eine mögliche Beeinträchtigung der individuellen Gesundheit geben (z.B. Haematokrit, Atmung, Fortpflanzung, Nahrungswahl, Fressverhalten, u.a.). Kommt die Krankheit bei der Bachforelle stärker zum Ausbruch als bei der Regenbogenforelle? Wenn eine Infektionsmöglichkeit vorhanden ist (d.h. Bryozoen im Wasser; dauernd > 8° C, aber natürlich < 15° C ), kann nach maximal 1300 Tagesgraden (d.h. z.B. 130 Tage bei 10° C) eine Immunität aufgebaut werden. Die minimale Zeit ist noch ausfindig zu machen. Dementsprechend sollten, falls PKD-haltige Gewässer besetzt werden müssen, naive Fische (d.h. noch nie mit PKD-Erregern in Berührung gekommen) im späten Sommer oder Herbst ausgesetzt werden, damit sie mit dem Erreger infiziert werden und Immunität entwickeln können. Der genaue Zeitpunkt hängt von Temperaturverläufen im jeweiligen Fliesgewässer ab, als Daumenregel gilt, 6 Wochen bevor die Temperatur fällt. Können PKD-infizierte Brütlinge die Krankheit in PKD-freie Gewässer übertragen? Wenn in den jetzt laufenden Versuchen nachgewiesen wird, dass Fische infektiöse Stadien entlassen, dann kann potentiell jeder infizierte Salmonide die Krankheit in Fliessgewässer einschleppen, in denen Bryozoen vorhanden sind. Kommt PKD potentiell in jedem Gewässer vor, in dem Moostierchen leben? Ist der Nachweis nur eine Frage der Zeitdauer? PKD kann prinzipiell in jedem Gewässer auftauchen, in dem infizierte Bryozoen vorhanden sind. RESISTENZBILDUNG UND IMMUNSYSTEM Fishnets 75899805 13/5/2016 5 Welches ist die mechanistische Grundlage für die Resistenz? Es gibt Hinweise auf zellvermittelte Immunität. Zellvermittelte Immunität ist in den meisten Fällen verantwortlich für die Eliminierung der Parasiten. Daneben ist humorale Immunität vorhanden. Das derzeit laufende Projekt (Adams, Feist, Secombes) wird Aufschlüsse über die Immunantwort der verschiedenen Stadien der Parasiten geben (siehe auch nachfolgende Frage). Welches sind die Bedingungen für die Ausbildung einer Resistenz (Temperatur, Parasitendichte)? Für die Ausbildung einer effizienten Immunabwehr ist die Temperatur der vermutlich wichtigste Faktor: 1300 Tagesgrade im Temperaturfenster zwischen 8 – 14° C sind erforderlich, die minimale effektive Dosis von T. br. ist eher niedrig. Ein vorausgegangener Krankheitsausbruch ist ebenfalls eine hinreichende Vorbedingung für die Ausbildung der Widerstandsfähigkeit. Wie lange dauert es, bis eine gut wirksame Resistenz aufgebaut ist? Eine effiziente Widerstandskraft wird in der Natur möglicherweise erst nach Monaten erworben. Antikörper gegen den Erreger werden sechs Wochen nach der Infektion festgestellt. Können resistente Fische weiterhin infektiöse Sporen ausscheiden? Dazu liegen keine Angaben vor, aber es ist möglich, dass Sporen ausgeschieden werden, die noch infektiös sind (s. aber Kommentare zur Übertragbarkeit) Bleibt die Resistenz das ganze Leben erhalten? Zur Dauer von Widerstandskräften gibt es keine Daten, Impfschutz hält meist nur ein Jahr. Es ist jedoch anzunehmen, dass Fische in der Natur jedes Jahr Neuinfektionen ausgesetzt sind, die dann als „booster“ wirken. Wie lange und bei welchen Arten können sporogene Stadien nach Abklingen der Krankheit im Fisch nachgewiesen werden? Von der Fischart abhängig: Sporen können in Nierentubuli von Bachforellen viele Monate bis zwei Jahre nachgewiesen werden, in der Regenbogenforelle bis zu fünf Monate. Fishnets 75899805 13/5/2016 6 Ist ein erneuter Ausbruch der Krankheit durch Bildung neuer extrasporogener Stadien möglich? Da keine extrasporogenen Stadien überleben, ist eine Auto-Infektion sehr unwahrscheinlich. Ist die Abnahme der Mortalität ab September bei 0+-Fischen auf die Ausbildung einer Immunität an sich zurückzuführen? Oder ist die Erholung hauptsächlich auf die fallenden Wassertemperaturen zurückzuführen? Ist es eine Kombination von beidem? Beide Faktoren spielen eine Rolle, möglicherweise auch verringerte Freisetzung von Parasiten aus Bryozoen, ebenso wie einige Wasserqualitätsparameter, die besser werden (durch Temperaturrückgang). DIAGNOSE Ist ein zuverlässiger Nachweis der Parasiten das ganze Jahr hindurch möglich? Nachweismöglichkeit des Parasiten durch das ganze Jahr noch widersprüchlich. Wie sicher ist ein negativer Befund? Wichtig ist, dass ein negatives Resultat nicht hinreichend ist, um ein Tier als PKDnegativ zu diagnostizieren (z.B. Inhibitor, Substanzen, Methodik) Methodenstandardisierung erforderlich. ZWISCHENWIRTE Zur Zeit ist eine Überwinterung von Tetracapsula bryosalmonae in Kolonien des Bryozoen Fredericella sultanella bekannt. Ob der Parasit auch ausserhalb von Bryozoen überwintern kann, ist offen. Bisher ist nur diese Bryozoen-Art als „überwinternde“ bekannt, andere Arten dieser Gattung überwintern zwar auch als lebende Kolonien, doch sie sind bisher nicht als Zwischenwirt für Tetracapsula beschrieben worden. Gab es in Europa in den letzten 10-20 Jahren eine Verbreitung von neuen (exotischen) Bryozoenarten? Eine Ausbreitung von Bryozoen in Europa ist insofern nicht anzunehmen, da die Gattungen in den letzten 10 – 20 Jahren unverändert vorhanden sind, und es eine grosse Zahl verschiedener Wirte gibt. Allerdings ist die Taxomonie schwierig und die geographische Verbreitung wenig gut bekannt. Fishnets 75899805 13/5/2016 7 BESATZMASSNAHMEN MIT BACHFORELLEN IN SCHWEIZERISCHEN FLIESSGEWÄSSERN Folgende Empfehlungen: Besatz von PKD-freien Fliessgewässern nur mit Forellen, die PKD-frei sind Grundsätzlich kein Besatz mit PKD-positiven Fischen, solange nicht klar ist, ob die Übertragungswege wirklich so sind, wie postuliert - und um mögliche Reservoire in der Natur zu reduzieren. Besatz der Fliessgewässer im Herbst Risikoanalyse und –abschätzung sollte für jedes Fliessgewässer gemacht werden, und die Empfehlungen sollten sich daran orientieren. Darüber hinaus sollte die Möglichkeit des Transfers anderer Krankheiten berücksichtigt werden. Fishnets 75899805 13/5/2016 8