1. Kausalitätstheorie und Beweisanforderung I. Strafrecht Nachweis des Kausalzusammenhanges mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit. Als kausal für eine bestimmte Folge gilt jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß auch der Erfolg entfiele. (conditio sine qua non, Bedingungstheorie) Dabei gilt jede Einzelbedingung als gleichwertig (Äquivalenztheorie). II. Zivilrecht Es gilt für den Primärschaden eine ähnlich hohe Beweisanforderung („zur Gewißheit des Richters“, eine für das prktische Leben ausreichende Sicherheit), für Sekundärschäden genügt eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in Verbindung mit der Adäquanztheorie. Dies gilt für den Schadensnachweis und für die Kausalzusammenhangsbeurteilung. Es muß das schädigende Ereignis nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch normalerweise geeignet sein, die in Rede stehende Schadensfolge herbeizuführen. Wie ist der Verlauf unter normalen Bedingungen? Ein ungewöhnlicher, nicht vorhersehbarer Ablauf führt zur Ablehnung der Haftung für die Folgen. Ausschluß von allgemeinem Lebensrisiko. Begrenzung bei Patientenmitverschulden (selten). III. Sozialrecht Es gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung. Beweisführung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (> 50 < 90%) IV. BG Der Schaden ist mit Sicherheit nachzuweisen. Kausalzusammenhang zum Unfallereignis ist mit überwiegender Wahrscheinlickeit zu belegen. Wenn an dem Zustandekommen des Schadens mehrere Ursachen mitgewirkt haben, so kann der Arbeitsunfall nur dann als kausal anerkannt werden, wenn er eine wesentliche Teilursache der Schadensfolge gewesen ist. Der Kausalzusammenhang kann adäquat und meist auch inadäquat sein. (z.B.: Erleidet ein Arbeiter durch einen Betriebsunfall einen Schädelbruch und stirbt an Hirnlähmung, so ist für den Todeseintritt allein das Trauma conditio sine qua non: adäquater Zusammenhang. Wird er dagegen mit einer an sich harmlosen Verletzung ins Krankenhaus eingeliefert und kommt bei einem Brand dieses Gebäudes zu Tode, so ist jedes Einzelereignis dieser Kette conditio sine qua non: inadäquater Zusammenhang.) Verschlimerung vorbestehender Leiden. Der Unfall muß hierfür eine wesentliche Teilursache darstellen. 2. Wahrscheinlichkeitsabstufungen -Möglichkeit (50%) -einfache (überwiegende) Wahrscheinlichkeit (> 50%) -große Wahrscheinlichkeit - sehr wahrscheinlich (90-95%) -größte Wahrscheinlichkeit - höchstwahrscheinlich (99%) -mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (jeden vernünftigen Zweifel ausschließend, 99,8%) 3. Leitfaden für sog. "Kunstfehler"-Gutachten A. Strafrechtliches Gutachten (Forderung Sicherheit) Prüfen: 1) Indikation 2) Sorgfältigkeit der Durchführung 3) Wirksame Einwilligung mit Komplikationen -typische Komplikationen? -Eilbedürftigkeit des Eingriffs 4) Schaden des Patienten darlegen 5) Frage nach sicherem Kausalzusammenhang -schicksalshafter Verlauf oder -Zustand alleine durch Behandlungsfehler? B. Zivilprozeßgutachten Fragen: (Eingriff indiziert in dieser Form?) Wurde die erforderliche Sorgfalt beachtet? ("mit der erforderlichen Sorgfalt") Übernahmeverschulden, z. B. mangelhafte Ausbildung Diskussion bei mehreren zur Auswahl stehenden Verfahren Aufklärung über Risiken mehrerer in Frage kommender Verfahren Ist ein Schaden entstanden? [Weniger Frage, ob überhaupt Schaden (Strafrecht), als Frage nach typischen Krankheitsfolgen (beschreiben, Verlauf, Behinderung)] Besteht ggf. ein Kausalzusammenhang zwischen aufgetretenem Schaden und einer Mißachtung der Sorgfalt? Sicherer Nachweis des Kausalzusammenhanges gefordert Frage nach Wahrscheinlichkeit kann gestellt werden Frage nach Typizität des Schadens kann ein Kausalzusammenhang aufgrund fehlender Angaben nicht geklärt werden ansprechen Prinzip: Kausalität nach Adäquanztherorie 1) Ist Fehler begangen worden? 2) Wenn ja, ist der Fehler geeignet, den aufgetretenen Schaden zu verursachen? (Der Fehler muß ganz allgemein geeignet sein, den Schaden zu erklären.) Beweiserleichterungen Anscheinsbeweis Grober (schwerer Behandlungsfehler-„Fehler, der schlechterdings nicht unterlaufen darf“, „der unverständlich und unverantwortlich“ ist Dokumentationsmangel Anfängeroperation Befunderhebungsmangel 4. Stichworte zur Begutachtung für Sozialgerichte - SchwbG - GdB Behinderung: nicht nur vorübergehende Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Alter typischen Zustand Ziele: -berufliche Wiedereingliederung ca. 20% -Nachteilsausgleich ca 80% 1 öffentlicher Personenverkehr 2 Steuererleichterungen 3 Parkerlaubnis 4 Rundfunkgebühren Bedingungen: mind. 50 plus weitere Bedingungen, z.B. Erhebliche Gehbehinderung (Bedingung für 1) -2 km od. 30 min. Gehstrecke im Ortsverkehr -Lähmungen -Anfälle (mittlere Frequenz, tagsüber?) -Störung der Orientierungsfähigkeit -erhebliche Sehbehinderung -schwere geistige Behinderung Außergewöhnliche Gehbehinderung (Bedingung für 3) -"... dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres KFZ bewegen zu können...", z.B. Querwschnittslähmung, doppelte Beinamputation, Hüftexartikulierte, einseitige Oberschenkelamputation, die dauerhaft außerstannde sind, eine prothese zu trage, entsprechend Behinderte Dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit (Bedingung für 2) Nur kleiner gleich 50 und größer gleich 30, z.B. leichte Parese, auch wenn diese nur 20 % ausmacht, mit anderen Behinderungen aber >30 resultieren Rundfunkgebührenbefreiung (4) -Sehschäden >60 -Hörminderung >50 ->80%, die nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen können (aktiv oder passiv - nicht akzeptabel für Umwelt) MdE Kausalzusammenhang zu Unfall GdB -10er Grade > 6 Monate bestehend -Dauerzustand -aktueller Zustand, nicht Prognose -Regelwidrigkeit gegen normalen Alterungsprozeß -seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen nur wenn übermäßig zusätzlich zu berücksichtigen nach dem Maßstab der algemeinen ärztlichen Erfahrung -jede Behinderung zu bewerten, unabhängig von ihrer Ursache -jede Einzelbehinderung bestimmen, später Gesamtbehinderung festlegen (z.B. ausgehend von höchster Behinderung jede weitere zusätzliche Behinderung hinsichtlich der Zunahme der Gesamtbehinderung werten in einer Gesamtschau, Vergleiche mit in Tabellen beschriebenen Behinderungen sind möglicherweise anzugeben Hilflosigkeit (besser Hilfsbedürftigkeit in bestimmtem Umfang) -Pflegezulage nach BVG -Pflegeleistungen nach SGB VII -erhöhter Pauschbetrag für Behinderte nach EstG -unentgeltliche Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln nach SchwbG 1 Hilfen sind erforderlich für die gewöhnlich und regelmäßigen Verrichtungen im Ablauf des tgl. Lebens, z.B. Waschen, Ankleiden, Rasieren, Essen, ... 2 Umfang der Hilfen muß erheblich sein -dauernd bei -zahlreichen relevanten Verrichtungen auf fremde Hilfe angewiesen Defizite im Hinblick auf die Selbstbetreuung, d.h. es reicht nicht, die Störungen allein zu schildern, sondern Situationen sind darzulegen, in denen Hilfe gebraucht wird, warum, in welchem Umfang und für welchen Zeitraum Ist Hilflosigkeit infolge der Schädigung kausal anzunehmen gilt die Kausalitätsnorm der wesentlichen Bedingung Ziel: Plausibilisierung der Leistungsfähigkeit bzw. der Einschränkungen; konkret: -negatives -positives Leistungsbild -durch Reha verbesserbar? -nicht Unversehrtheit ist die Bezugsgröße (siehe Unfallversicherung), sondern -Leistungsminderung im Vergleich zum Gesunden -verbliebenes Leistungsvermögen -Zumutbarkeit anderer Tätigkeit Berufsunfähigkeit: >50% MdE -Bezugsgröße: ähnlich ausgebildet, gleiche Kenntnisse und Fähigkeiten -zeitliche Belastbarkeit (quantitative Anforderungen) -inhaltliche Belastbarkeit (qualitative Anforderungen -Vergleich zwischen Berufsbild und negativem Leistungsbild ergibt positives Leistungsbild -zusätzliche Einschränkungen: -besondere Beeinträchtigung der Wegefähigkeit (>500m; in 20min. nicht weniger als die Strecke eines Gesunden) -betriebsunübliche Pausen -wenn Hauptberuf nicht zumutbar: Verweisungstätigkeit, muß sozial adäquat sein -berufliche Rehabilitation -Rente Erwerbsunfähigkeit: Bezugsgröße: jede Tätigkeit = der allgemeine Arbeitsmarkt -dauerhaft? -vollschichtig 5. Arzthaftrecht -Behandlungsfehler (Patient trägt die Beweislast) -Aufklärung (Arzt trägt die Beweislast) -Dokumentation (Mangel führt zur Umkehr der Beweislast) Grundsätzlich trägt der Patient das Risiko (Schaden bleibt beim Sachherr), außer es liegt eine haftungsbegründende Abweichung vor. (Arzt haftet nur für verschuldete Mängel der Behandlung, nicht für den Erfolg – Dienstvertrag statt Werkvertrag) Haftungsbegründung: (beide Bedingungen notwendig) -Mangel an erforderlicher Sorgfalt -Ursächlichkeit (durch sein Verhalten verschuldeter Schaden) Haftung auch bei culpa levis – löst gesamte Haftungsfolgen aus Grober Fehler: Beweislastumkehr! Appendix: Gutachterseminar Berlin 30.8.13 Rechtsfragen nicht beantworten, z. B. ob grober Fehler, oder korrekte Aufklärung Nicht ausserhalb des Fachbereichs begutachten Nur Fragen des Auftraggebers beantworten Falls relevante Fragen fehlen oder falsch sind, vorher mit Juristen die zu stellenden Fragen klaeren Bei Arbeitsueberlastung dies mitteilen Besorgnis der Befangenheit Unbedachte Sympathie- und Antipathieaeusserungen nach anwaltlicher Provokation bei Gericht Behandlungsfehler? Richtlinien sind kleine Gesetze, rechtlich verbindlich, z. B. Strahlenschutzrichtlinie, Schutzimpfungsrichtlinie, Beweiswirkung Leitlinien, rechtlich nicht verbindlich, Handlungsempfehlungen, Indizwirkung Standard, variable Groesse, Facharztstandard, Spezialkenntnisse erhoehen den Standard, Untergrenze ist Facharztstandard Faktoren, die den Standard bestimmen Versorgungsebene Apparative, personelle Ausstattung sowie Standard unterschritten ist, liegt (juristisch) ein Behandlungsfehler vor (unabhängig von der Frage eines Schadens; Jurist prueft erst, ob Behandlungsfehler vorliegt, Arzt fragt erst, ob ein Schaden entstanden ist) Ex ante Betrachtung Grober Behandlungsfehler Aus objektiver Sicht erhebliche, nicht nachvollziehbare Standardunterschreitung, die nicht mehr verstaendlich erscheint Umschreibungen benutzen, damit nicht mit der Insinuierung der Besorgnis der Befangenheit wegen Benutzung juristischer Termini (siehe Handout CD) Diagnoseirrtum Nicht automatisch Behandlungsfehler Behandlungsvertrag impliziert richtige Diagnostik, nicht richtige Diagnose Falsche Diagnose trotz richtiger Diagnostik Diagnostikpflichten Anamnese Koerperliche Untersuchung Labor, Zusatzuntersuchungen Andere Fachuntersuchungen Kritische Befundinterpretation Überprüfung zweifelhafter Fremdbefunde Differentialdiagnostische Erwaegungen Überprüfung der Arbeitsdiagnosen bei ausbleibender Beschwerdebesserung Diagnosefehler Verletzung der Diagnostikpflichten mit Folge einer falschen Diagnose Kausalitaet im Zivilrecht Adaequanztheorie Wie ist der Verlauf unter normalen Bedingungen Ist der Fehler normalerweise geeignet, den Schaden herbeizufuehren? Ausschluss von allgemeinem Lebensrisiko Begrenzung bei Patientenmitverschulden (selten) Nicht nur Haftung fuer Primaerschaden, sondern auch fuer sekundaere Schadensfolgen, auch dann, wenn anderer Arzt weiterbehandelt Beweismaß Differenzierung nach Primaerschaeden z.B. nicht erkannte Fx Sekundaerschaden, z. B. Erwerbsminderung, Revisionsoperation mit Thrombosefolge unabhängig, ob Thromboseprophylaxe OK war fuer Primaerschaden gilt: zur Gewissheit des Richters, eine fuer das praktische Leben ausreichende Sicherheit Die Formulierung "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" gilt fuer das Strafrecht bei Sekundaerschaeden: ueberwiegende Wahrscheinlichkeit Differenzierung von 3 Kausalitaetsarten Krankheitsbedingter Schade Iatrogener unverschuldeter Schaden, zB. Keloidbildung bei korrekter Technik Iatrogener verschuldeter Schaden Beweislast Patient muss Behandlungsfehler und Kausalitaet zum Schaden beweisen Besonderheiten siehe Handout Beweislasterleichterungen Bei grobem Behandlungsfehler Beweislastumkehr Der Schaden muss mit Gewissheit vorliegen, aber: Hier reicht bei der Kausalitaet aus, dass der Fehler generell geignet ist, den Schaden zu erzeugen Komplikation Auch wenn sich eine typische Komplikation realisiert, ist stets individuell zu pruefen, ob alles getan wurde, diese Komplikation zu vermeiden (oft Problem der Dokumentation-automatisch Dokumentationsmangel?) Aufklärung unabhängig von Häufigkeit entscheidend ist die Frage der Bedeutung fuer den Patienten Dokumentationsmängel Diagnoseuntersuchungen Therapien und deren Wirkungen Medikation Abweichung von Standardbehandlungen Aerztliche Anweisungen an die Pflege Einwilligungen Aufklärungen Arztbriefe Selbstverstaendlichkeiten/Routinebehandlungen sind nicht dokumentationspflichtig Ein Dokumentationsmangel allein begruendet keine Haftung Bei Klärung durch andere Unterlagen irrelevant Irrelevant, wenn Dokumangel fuer Schaden irrelevant Wenn nicht dokumentiert wie nicht durchgefuehrt betrachten Wann fuehrt ein einfacher Befunderhebungsfehler zur Beweislastumkehr? Verstoss gegen Pflicht zur Erhebung und Sicherung medizinischer Befunde Bei ordnungsgemaesser Befunderhebung haette sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges Ereignis ergeben Die Verkennung dieses Befundes waere ein gravierender Fehler und die .... Siehe Handout Voll beherrschbare Risiken Dieses Risiko muss vom Kliniksbetrieb ausgehen Patientenunabhängig Zur Lagerung: grundsätzlich voll beherrschbar, es sei denn es liegen beim Patienten krankheitsbedingt begünstigende Faktoren vor BGB: bei Lagerung ausreichend, daß grundsätzlich dokumentiert, daß gelagert wurde, nicht, daß alle 5 Minuten gelagert wurde Anfaengeroperation mangelnde Befaehigung des Behandelnden Formalien allein (z. B. Facharzttitel) sind nicht das Ausschlaggebende Haftung des Gutachters grobe Fahrlässigkeit Vorsatz Schaden dadurch Verjährung nach 3 Jahren Gliederung für Arzthaftungsgutachten I. Sachverhalt nach Aktenlage o Zusammenfassend das Wesentliche darstellen II.1. Wurde die erforderliche Sorgfalt beachtet? o Diskussion notwendiger Diagnostik und Therapie im konkreten Fall im zeitlichen und inhaltlichen Kontext anhand, z. B. Richtlinien, Leitlinien, Standards (s.o.) o Tatsächlich durchgeführte Maßnahmen Befunderhebungsmangel, Diagnostikfehler? Festhalten an nicht haltbaren Arbeitsdiagnosen Schnittstellenprobleme, Kooperation etc. Diagnoseirrtum? II.2. Ist ein Schaden entsanden? o Schaden muß zur Gewißheit des Richters vorliegen Kranksheitsbedingt? (schicksalshafter Verlauf) Iatrogen nicht vermeidbar fehlerhaft? Iatrogen vermeidbar fehlerhaft? III. Besteht ggf. ein Kausalzusammenhang zwischen II.1 und II.2? o Geforderter Wahrscheinlichkeitsgrad Gewißheit beim Primärschaden Überwiegende Wahrscheinlichkeit bei Sekundärschäden IV. Zusammenfassung