(390) 30 Die 2. Nebengruppe (Zinkgruppe) Valenzelektronenkonfiguration (n-1)d10ns2 (n = 4,5,6). Die abgeschlossene d-Unterschale und die abgeschlossene s-Unterschale sind die Ursache für den relativen edlen Charakter dieser Elemente, der beim Hg hervortritt. Dass die Metalle der Zinkgruppe im wässerigen System trotz ihrer höheren Ionisierungsenergie weniger edel als die der Kupfergruppe sind, ist darauf zurückzuführen, dass die Hydratationsenergien ihrer - im Vergleich zur Kupfergruppe kleineren - Ionen erheblich größer sind (IE werden in der Gasphase bestimmt!). Zinkgruppe Schmp.[oC] Oxidationsstufen r(M2+)[pm] E°(M/M2+) [V] Zn 419 +II 74 -0,76 unedel Cd 321 +II 97 -0,40 unedel Hg -39 (einziges bei RT flüssiges Metall) +I, +II 110 0,85 edel Neigung zur Bildung von Komplexen Häufige KOZ* Zn 4;6 Cd 4;6 Hg 2;4 * Salze MX2 kovalenter Bindungsanteil MCl2 farblos Farbigkeit von Verbindungen durch leicht polarisierbare Anionen (ChargeTransfer-Absorption) Die Stereochemie ist durch die Ionengröße und die kovalente Bindungsstärke bestimmt (aufgrund der voll besetzten d-Unterschale gibt es keine Ligandenfeldstabilisierungseffekte). 30.1 Zink Vorkommen, Gewinnung, Reaktionen, Verwendung Zinkspat (Zinkcarbonat) ZnCO3 Zinkblende (Zinksulfid) ZnS + 3 O 2 2 ZnO + CO2 Abrösten ZnO + SO2 Das reine Metall wird nach Reduktion von ZnO mit Kohle durch fraktionierte Destillation oder durch Lösen von ZnO in verdünnter Schwefelsäure und anschließender Elektrolyse erhalten. (391) o 1100-1300 C ZnO + C fraktionierende Destillation: Zn -CO * Sdp.[oC] Cd* 767 Zn 908 Pb 1751 Fe 3070 Cadmium kommt in der Natur fast immer als Begleiter der Zinkblende und des Zinkspates vor (CdS, CdCO3). Es wird bei der Aufarbeitung der Zinkerze gewonnen. An der Luft sind Zn und Cd beständig, da sie sich mit einer dünnen, festhaftenden Schutzschicht von Oxid, ZnO, und basischem Carbonat, Zn(OH)2 · ZnCO3, überziehen. Wegen dieser Luft- und Wasserbeständigkeit findet insbesondere Zink vielfach Verwendung für Dachbedeckungen sowie zum Verzinken von Eisenblech und Eisendraht. In Säuren und Laugen (amphoterer Charakter von Zn(OH)2, siehe unten) löst sich Zink unter H2-Entwicklung. 2 Zn + 2H+ Zn2+ + H2 Zn + 2OH- + 2H2O [Zn(OH)4]2- + H2 Hochreines Zink (99,999 %) wird allerdings nicht mehr angegriffen (H2-Überspannung 0,7 V, kinetische Hemmung für die Entladung der H3O+-Ionen auf der Zinkoberfläche). Versuche: Zn + verd. HCl Zn + Cu2+ + verd. HCl sehr schwache H2-Entwicklung heftige H2-Entwicklung Cu + Zn2+ Erklärung: Zn + Cu2+ Kupfer scheidet sich auf dem Zink ab („Zinkoberfläche wird verunreinigt“). Es bilden sich Lokalelemente: Säure Zn 2 aq. 2H3O+ + 2e- H2 + 2H2O Cu Zn Zn2+ + 2eZn (392) Das unedlere Metall (Zink) gibt Elektronen an das edlere Metall (Kupfer) ab. Auf der Cu-Oberfläche besteht keine kinetische Hemmung für die Reduktion der Hydronium-Ionen. An der Lokalkathode (Cu) wird H2 gebildet und an der Lokalanode (Zn) gehen Zn2+-Ionen in Lösung. Lokalelemente sind wichtig bei der Korrosion. Schutzschichten auf Eisen aus Metallen, die edler als Eisen sind (Cr, Sn, Ni), beschleunigen bei ihrer Verletzung die Korrosion von Eisen durch die Bildung eines Lokalelements. Wasser Fe 2 aq. H2 Sn e- Fe E°/V -0,76 -0,41 -0,14 Zn/Zn2+ Fe/Fe2+ Sn/Sn2+ Zink(II)-sulfat-Heptahydrat [Zn(H2O)6]SO4 . H2O Darstellung: Durch Behandeln oxidischer Zinkerze mit Schwefelsäure (ZnO + H2SO4 ZnSO4 + H2O) Von den Hydroxiden der Zinkgruppe ist nur Zn(OH)2 amphoter: Zn2+ + 2OH- Zn(OH)2 weiß Entwässerung (-H2O) 1 Zn + 2 O2 technisch: Oxidation von Zn-Dampf ZnO Zinkweiß (Pigment) 2OH- [Zn(OH)4]2- 425 °C ("Auskochen von O2") ZnO Abkühlen (Aufnahme von O2) gelb Farbe des ZnO ändert sich bei 425°C reversibel nach gelb (Thermochromie). Die Farbe ist auf Gitterdefekte zurückzuführen (O2-Abgabe). (393) ZnS emittiert beim Bestrahlen mit energiereicher Strahlung (UV, -Strahlen, Kathodenstrahlen) sichtbares Licht. Dotierungen (etwa 1 : 104) mit Cu- oder Ag-Verbindungen verbessern den Effekt und wirken als farbgebende Komponente. Für das Farbfernsehen werden folgende Leuchtstoffe benutzt: ZnS: Cu, Al (grün) ZnS: Ag (blau) und Y2O2S: Eu (rot) ZnS wird als Weißpigment verwendet, im Gemisch mit BaSO4 unter dem Namen Lithopone. Zn in Galvanischen Elementen Batterien mit metallischer Zink-Elektrode (Anode, ) dominieren schon seit Jahrzehnten den Markt der Kleinformat-Batterien. Zink ist vergleichsweise leicht, so dass es die spezifische Ladung von Cadmium um ca. 100 % und die von Blei um ca. 200 % übertrifft. Das Zn-Elektrodenpotential ist so niedrig, dass eine Ni-Zn-Zelle eine Ruhezellenspannung von fast 1,7 V hat (die Ruhezellenspannung des Ni-Cd und Ni-MH-Systems liegt bei ca. 3,5 V). Dabei ist die Wasserstoff-Überspannung an Zn so groß, dass die Selbstauflösung in Wasser äußerst gering ist. Letztlich macht auch der kleine Preis und die gute Verfügbarkeit des Zn zu einem wirtschaftlich interessanten Anodenmaterial. Das verbreiteste Batteriesystem mit einer Zn-Elektrode ist die Zn-MnO2-Primärzelle. Diese Zelle wurde erstmals vom Franzosen Georges Leclanche im Jahr 1860 vorgestellt. Die Leclanche-Zelle verwendet als Stromableitung für die MnO2-(Braunstein)-Elektrode ( ) einen Kohlestift, weshalb sie, insbesondere im angelsächsischen Sprachraum, auch als „Zink-Kohle-Batterie“ betitelt wird. Die auch bekannte Bezeichnung „Trockenbatterie“ beruht darauf, dass der Elektrolyt, eine wässrige Lösung von ZnCl2 und NH4Cl, durch eine quellfähige Substanz, z. B. Mehl, immobilisiert wird. Konstruktion einer Leclanche-Zelle (Zn-MnO2 mit wässerigem NH4Cl/ZnCl2-Elektrolyten) (394) Leclanche-Zelle (Zink-Mangan-Zelle) Zinkanode: Zn + 2NH4Cl von MnO2 umgebene Graphitelektrode: 2MnO2 + 2H+ + 2e- [Zn(NH3)2 Cl2] + 2H+ + 2e2MnO(OH) Elektrolyt: mit Stärke verdickte NH4Cl-/ZnCl2 – Lösung Zn + 2NH4Cl + 2MnO2 [Zn(NH3)2Cl2] + 2 MnO(OH) E = EMK (Elektromotorische Kraft) 1,5 V In den flachen Taschenlampenbatterien sind drei derartige Elemente hintereinander geschaltet (4,5V). Bei Stromentnahme löst sich das Zink auf. Diese Zelle ist nicht regenerierbar (Primärzelle). Seit den 60er Jahren wird das Leclanche-Element in zunehmendem Maße durch die Alkali-ManganPrimärzelle ersetzt, welche einen alkalischen Elektrolyten (wässerige, ca. 9 mol/l KOH) verwendet: Konstruktion einer Alkali-Mangan-Zelle (Zn-MnO2 mit wässrigem KOH-Elektrolyten). Die wiederaufladbare Alkali-Mangan-Zelle ist analog aufgebaut. Die Alkali-Mangan-Zelle verträgt eine höhere maximale Strombelastung, was einerseits auf den Wechsel zu einem besser leitfähigen Elektrolyten zurückzuführen ist. Anderseits ermöglicht auch die im Vergleich zur Leclanche-Zelle komplett „von innen nach außen gekrempelte“ Elektrodengeometrie, in der die Zinkanode (Zn-Pulver) und der äußere MnO2-Kathodenring ( ) eine beträchtlich größere reaktive (395) Oberfläche zum Elektrolyten aufweisen, eine bessere Ausnutzung des Aktivmaterials sowohl hinsichtlich der Leistung als auch der spezifischen Energie (20-30 % höher als in der Leclanche-Zelle). Ein weiterer Nachteil der Elektrodenanordnung in der Leclanche-Zelle ist die allmähliche Lochfraßkorrosion des Zinkbechers, welche das „Auslaufen“ der Batterie bewirken kann. Die chemische Zn-Korrosion ( Gleichung a) tritt allerdings auch beim Alkali-Mangan-System als schädliche Konkurrenz zu der Entladereaktion des Zn auf (Gleichung b). Zn + 2OH- + 2H2O [Zn(OH)4]2- + H2 (a) Zn + 4OH- [Zn(OH)4]2- + 2e- (b) Die Reinheit des Zink bestimmt das Ausmaß der Korrosion. So setzen Spuren von Kupfer oder Silber die H2-Überspannung deutlich herab. Der damit verbundene Aufbau des H2-Druckes in der Zelle wurde früher durch eine Amalgierung des Zink (bis zu 1 Gew.-% pro Zelle!) vermieden, was auf die hohe H2Überspannung an Quecksilber zurückzuführen ist. Eine Verminderung des giftigen Quecksilbers konnte durch eine Dotierung des Zink mit anderen Korrosionsinhibitoren, z. B. Indium, sowie durch den Einsatz ultrareinen Zinks erreicht werden. Inzwischen verzichten die meisten Zellen ganz auf den Zusatz von Quecksilber. Wiederaufladbare Zn-MnO2-Zelle Alkalische wiederaufladbare Zn-MnO2-Zellen (Rechargeable Alkalin Manganese, RAMTM) sind bei ihrer Markteinführung in den USA im Jahre 1993 innerhalb kürzester Zeit zur meistverkauften wiederaufladbaren Kleinformat-Zelle avanciert. Mittlerweile werden RAM-Zellen in mehreren Ländern in sehr großen Stückzahlen hergestellt, wobei die Technologie und damit auch die Kosten der Fertigstellung relativ nahe bei denen von alkalischen Primärzellen liegen. Eine Alkali-Mangan-Zelle kann wiederaufgeladen werden (die Entladereaktion ist umkehrbar), wenn die Entladereaktion ( ) weitgehend auf die Reduktion von MnIV (MnO2) nach MnIII (MnO 1,5) beschränkt wird. (Die Reduktion zu MnII Mn(OH)2 wird vermieden, weil sonst die Entladereaktion irreversibel ist). Die RAM-Zelle ist eine Sekundärzelle { Galvanisches Element, bei dem sich die bei Stromentnahme (Entladen) ablaufenden chemischen Vorgänge durch Zufuhr elektrischer Energie (Laden) umkehren lassen}. Das erreicht man durch Limitierung (Unterdimensionierung) der Zn-Aktivmasse ( ). Anode ( ): Zn + 4OH- [Zn(OH)4]2- + 2e- Kathode ( ): 2MnO2 + 2H2O + 2e2MnO(OH) + 2OH__________________________________________________________ Entladen Zn + 2MnO2 + 2OH + 2H2O [Zn(OH)4]2- + 2MnO(OH) Laden (396) Bioanorganische Aspekte Für Menschen, Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen ist Zink essentiell (biologisch nach Eisen das zweitwichtigste 3d-Metall). Der Mensch enthält durchschnittlich 40 mg Zink pro kg (Bedarf 22 mg Zn pro Tag). Zink ist Bestandteil von über 300 Enzymen. Vom reaktionschemischen Standpunkt aus besteht die wesentliche biologisch wirksame Reaktion des zweiwertigen Zinks (unter physiologischen Bedingungen tritt Zink nur zweifach ionisiert auf) in seiner Lewis-Acidität, d. h. in der Fähigkeit durch Polarisation von Substraten (einschließlich H2O) bei physiologischem pH Kondensationsreaktionen wie etwa die Polymerisation von RNA oder umgekehrt Hydrolyseprozessen, beispielsweise die Spaltung von Peptiden oder Estern, zu katalysieren. Solche Reaktionen werden chemisch-synthetisch, oft durch starke Säuren und Basen katalysiert; entsprechende pH-Bedingungen sind jedoch physiologisch nur in ganz wenigen Fällen verwirklicht (Magenflüssigkeit). Die Alternative besteht in der Verwendung eines elektrophilen Polarisators, eines Lewis-sauren Metallkations mit relativ hoher effektiver Ladung (z. B. Zn2+). Substrat 2+ Zn Carboanhydrase (CA) Carboanhydrasen katalysieren die Einstellung des Gleichgewichtes für die Reaktion von CO2 mit H2O: HCO3- + H3O+ 2H2O + CO2 Diese Reaktion, die in vitro bei pH = 7 recht langsam verläuft kann in vivo enzymatisch um das 10 7-fache beschleunigt werden. Bei den Carbonanhydrasen handelt es sich um biologisch überaus bedeutende Enzyme, welche an Prozessen wie der Photosynthese (effektive CO2-Aufnahme), der Atmung (rasche CO2-Entsorgung) und der (De-)Calcifizierung, d. h. dem Auf- und Abbau carbonathaltiger Skelette, sowie an der pH-Pufferung essentiell beteiligt sind. In menschlichen Erythrozyten ist eine Form der CA nach dem Hämoglobin die zweithäufigste Protein-Komponente. Bei der menschlichen CA handelt es sich um ein mittelgroßes Protein aus 259 Aminosäuren; das Zn2+-Ion befindet sich von drei neutralen Histidin-Resten koordiniert am Grunde eines 1,6 nm tiefen, in hydrophile und lipophile Bereiche gegliederten konischen Hohlraumes. Die vierte Koordinationsstelle am Zn2+ ist durch ein H2O-Molekül besetzt. Dieses H2O-Molekül wird durch Zink aktiviert (Wasseraktivierung): H 2+ Zn +H2O O H H + Zn O + H3O+ pKs = 6 -H2O Der pKs- Wert, der für freies [Zn(OH2)6]2+ noch ca. 10 beträgt, kann sich für enzymatische Systeme bis auf etwa 6 verringern, wobei jedoch die Fähigkeit zum Angriff (kinetischer Aspekt) des metallgebundenen Hydroxids auf elektrophile Zentren in hydrolysierbaren Substraten erhalten bleibt. (397) Das am Zink gebundene Hydroxid dient als basisches Zentrum für einen nukleophilen Angriff des Enzyms am CO2-Kohlenstoff und das Zn Zentrum selbst, trägt dazu bei, das CO2-Molekül anzuziehen, zu orientieren und zu polarisieren: H H +CO2 Zn+ O Zn+ O H + H2O 2+ Zn + HCO3- O H -CO2 O CO durch H- Brücken (.....) schon teilweise aktiviertes CO2 im letzten Schritt des Katalysecyclus wird das schwach gebundene HCO3durch H2O verdrängt 30.2 Cadmium Wie bei Zn spielt auch bei Cd nur die Oxidationsstufe +II eine Rolle. Die Chemie des Cd 2+ ist der des Zn2+ sehr ähnlich, wenn es auch graduelle Abstufungen gibt, so ist z. B. Cadmiumhydroxid nicht amphoter (Versuch): Cd2+ + 2OH- Cd(OH)2 +2OH- keine Reaktion +6 NH3 -2OH[Cd(NH3)6]2+ Hexaammincadmium(II)-Komplex Nachweis von Cd2+ neben Cu2+ (Versuch): Cu2+/Cd2+ + NH3 [Cu(NH3)4]2+ + [Cd(NH3)6]2+ + CN [Cu(CN)4]3- + (Entfärbung) 1 2 (CN)2 a) + [Cd(CN)4]2- + S2CdS gelb Cadmiumsulfid (Pigment) (398) Erklärung: Die freie Cd2+-Ionenkonzentration in einer Lösung des Tetracyanocadmats [Cd(CN)4]2- ist groß genug, um mit den zugesetzten S2–Ionen das Löslichkeitsprodukt des Cadmiumsulfids zu überschreiten. Demgegenüber ist die Cu+-Ionenkonzentration für die Bildung von schwarzen Cu2S zu klein. Die Cu+-Ionen bleiben im sehr stabilen Tetracyanocuprat(I)-Komplex gebunden. a) Die Reaktion von CN- mit Cu2+ ist vergleichbar mit der Reaktion des Halogenids I- mit Cu2+, das CN- Ion gehört zu den Pseudohalogeniden): +II -I 2+ Cu + 2CN- +I 0 CuCN + 1/2(CN)2 Dicyan (sehr giftig), unter dem Abzug verkochen Im CN- Überschuss löst sich CuCN: CuCN + 3CN- [Cu(CN)4]3- Verwendung: Cadmium wird für galvanische Überzuge verwendet (Korrosionsschutz). Dünne (Aufdampf)Schichten von CdTe (Cadmiumtellurid) oder CdS auf Kupfer-Indium-Diselenid haben in der Photovoltaik höhere Wirkungsgrade (11-17 %) als amorphes Si (7 %). „Woodsches Metall“: leicht schmelzende Legierung für Schmelzsicherung: 50 % Bi, 25 % Pb, 12,5 % Sn, 12,5 % Cd Physiologisches Im Unterschied zu Zink ist Cadmium nicht essentiell, sondern ausgesprochen giftig für Lebewesen. Der Mensch enthält 0,4 mg Cd/kg, Raucher 0,8 mg Cd/kg (besonders „effektiv“ ist die Cd-Absorption über den Tabakrauch in Form von CdO!) Cadmium besitzt in seiner ionischen Form Cd2+ mit einem Ionenradius von 95 pm eine große chemische Verwandtschaft zu zwei biologisch sehr wichtigen Metallionen, dem leichteren Homologen Zn 2+ (74 pm) und dem etwa gleich großen Ca2+ (100 pm). Entsprechend kann Cadmium sowohl als „weicheres“, thiophileres Metall das Cysteinat-koordinierte Zink aus entsprechenden Enzymen verdrängen, als auch das Ca ins Knochengewebe substituieren. Cadmium wird deutlich giftiger eingeschätzt als Blei. Die nach chronischer Cadmiumvergiftung auftretenden und äußerst schmerzhaften Skelettdeformationen und -versprödungen sind in großem Ausmaß in Japan als „Itai-Itai-Krankheit“ beobachtet worden, nachdem cadmiumhaltige Abwässer in den fünfziger Jahren auf Reisfelder geleitet worden waren (Pflanzen nehmen besonders viel Cd2+ auf, mehr als andere Schwermetalle). 30.3 Quecksilber Hg Hydragyrum (gr.) Wassersilber Queck ( quick) mercurium (lat): Dem Quecksilber wurde in der Alchimistenzeit das Symbol des beweglichen Handelsgottes Merkur gegeben. {HSR Mercaptane (Thiole), -SR Mercaptide (Thiolate), „mercurium captans“ Quecksilber einfangend} Quecksilber besitzt eine ausgeprägte Affinität zu Schwefel. (399) Vorkommen, Gewinnung Zinnober HgS rote Modifikation des Quecksilber(II)-sulfides (-HgS gewinkelte Kettenstruktur) Rösten HgS + O2 Hg + SO2 Hochgereinigtes Hg wird durch Vakuumdestillation erhalten. Hg ist ein Edelmetall und unterscheidet sich damit wesentlich von Zn und Cd. Es ist an der Luft und in Wasser beständig. Enthält es jedoch Verunreinigungen, so überzieht es sich mit einer Oberflächenoxidhaut. Quecksilber(II)-Verbindungen HgO + H2O Hg2+ bildet wie Cu+ und Ag+ kein Hydroxid gelber amorpher Niederschlag (kristallines HgO ist rot gefärbt) Hg2+ + 2OH- HgCl2 Quecksilber(II)-chlorid, Sublimat (lässt sich unzersetzt sublimieren), sowohl im Dampf als auch im Festkörper lineare Moleküle mit kovalenten Bindungen (Cl-Hg-Cl), dissoziiert in wässeriger Lösung deshalb nur wenig in die Ionen (löslich in H2O 6,6 g/100ml). HgS Quecksilber(II)-sulfid (Versuch): HgS schwarz (ß-HgS, Zinkblendestruktur) Hg2+ + S2Lp(HgS) = c(Hg2+) . c( S2-) = 1,6 · 10-54 mol2/l2 Die meisten Hg(II)-Verbindungen sind in Wasser schwer löslich. Hg(NO3)2 ist löslich; HgCl2 ist löslich, aber kaum dissoziiert; HgBr2, HgI2 und HgS sind schwerlöslich. Die Löslichkeit der Hg(II)-Verbindungen nimmt in folgender Reihe ab: Hg(NO3)2 > HgCl2 > HgBr2 > HgI2 > HgS Die Abnahme der Löslichkeit lässt sich nach dem HSAB-Konzept (hard and soft acids and bases) erklären, das auf Jörgensen zurück geht (hard and hard and soft and soft flock together). Das Hg2+-Ion ist eine typisch weiche Lewis-Säure und das S2–Ion eine typisch weiche Lewis-Base. Weiche Lewis-Säuren bzw. -Basen sind groß, besitzen viele Elektronen, kleine Ladungen und lassen sich leicht polarisieren. HgI2 Quecksilber(II)-iodid Versuche: a) HgCl2 + 2KI HgI2 + 2Clrot (400) b) Quecksilber(II)-iodid ist dimorph (zwei enantiotrope Modifikationen) und zeigt Thermochromie (Umwandlungspunkt bei 127 °C): HgI2 rot HgI2 gelb c) HgI2 + 2I- [HgI4]2- Im Überschuss von Iodid-Ionen löst sich das rote Quecksilber(II)-iodid unter Bildung des farblosen tetraedrischen Tetraiodomercurat(II)-Komplexes auf. d) Optisches Thermometer 35 oC Ag2HgI4 Ag2HgI4 gelb orangerot Eine Ampulle mit Disilber-tetraiodomercurat (gelb) wird durch die Handwärme orangerot . Nesslers Reagenz Eine alkalische Lösung von Tetraiodomercurat(II) dient zum qualitativen und quantitativen Nachweis von Ammoniak und Ammonium-Verbindungen (z. B. im Trinkwasser), wobei sich das schwerlösliche braune Iodid der Millonschen Base {[Hg2N] (OH) } bildet. N.R. besteht aus einer Lösung von 11 g KI und 15 g HgI2 in 100 ml Wasser, die mit dem gleichen Vol.TI. 6M NaOH vermischt ist. NH3 + 2[HgI4]2- + 3OH- [Hg2N]I · H2O + 2H2O + 7Igelbbraune Lösung, aus der sich nach einiger Zeit braune Flocken abscheiden Der braune Niederschlag besteht aus [Hg2N] I . Jedes N-Atom ist über 4 Hg-Atome mit anderen N-Atomen zu einem kovalenten dreidimensionalen [Hg2N] I Netzwerk von Cristobalit-Struktur {(SiO2) }, in dessen großen kanalförmigen Hohlräumen sich die I- -Ionen sowie auch Hydratwasser aufhalten, verbunden. Nachweis von Hg(II) und Hg(I) (Versuch): Reduktion mit salzsaurer SnCl2-Lösung Bei tropfenweiser Zugabe von SnCl2-Lösung tritt zunächst eine Fällung von weißem Quecksilber(I)chlorid Hg2Cl2 auf, da Hg2+ zu Hg22+ reduziert wird. Bei Überschuss von SnCl2 erfolgt Reduktion von Hg22+ zu elementarem Hg. 2HgCl2 + SnCl3- + ClTrichlorostannat Hg2Cl2 + [SnCl6]2Quecksilber(I)- Hexachlorostannat chlorid weiß Hg2Cl2 + SnCl3- + Cl- 2Hg + [SnCl6]2fein verteiltes Hg färbt die Lösung grau (401) Quecksilber(I)-Verbindungen Hg(I)-Salze enthalten immer das dimere Ion Hg22+ ([Hg-Hg]2+) mit einer kovalenten Bindung zwischen den Hg-Atomen (Metallatom-Cluster). Hg22+ kann zu Hg2+ und Hg disproportionieren: Hg22+ Hg + Hg2+ Aus den Standardredoxpotentialen lässt sich die Gleichgewichtskonstante für diese Disproportionierungsreaktion berechnen: E° 2+ 2+ Hg2 2Hg + 2e 0,91 V Hg22+ + 2e- 2Hg E = (0,79 -0,91) V = -0,12 V 0,79 V K 10-2 Hg22+ ist also hinsichtlich der Disproportionierung in wässeriger Lösung stabil. Die Reaktion kehrt sich allerdings um (Zerfall von Hg(I)-Salzen in Hg und Hg(II)-Salze), wenn infolge Schwerlöslichkeit (z. B. HgO, HgS) oder mangelnder elektrolytischer Dissoziation (z. B. Hg(CN)2) die Konzentration von Hg2+ in merklich größerem Ausmaß herabgesetzt ist als die von Hg22+, so dass sich das Gleichgewicht nach der rechten Seite verschieb. Da dies sehr häufig der Fall ist, sind stabile Hg(I)-Verbindungen auf solche Fälle beschränkt, in denen das Gleichgewicht infolge Schwerlöslichkeit der Hg(I)-Verbindung (wie bei den Hg(I)-halogeniden und Hg(I)-sulfat) oder infolge Komplexbildung des Hg(I)-Ions (wie beim Hg(I)-nitrat: kovalentes Ion [H2O-Hg-Hg-OH2]2+) umgekehrt nach der linken Seite hin verschoben ist. Versuch: lösen in verd. HNO3 Hg2(NO3)2 Quecksilber(I)-nitrat +2NaCl [H2O-Hg-Hg-OH2]2+ Diaquaquecksilber(I)-Komplex Hg2Cl2 + 2Na+ weiß Quecksilber(I)-chlorid Quecksilber(I)-chlorid wird auch als (schön schwarz) bezeichnet, da bei der Behandlung mit NH3 eine Schwarzfärbung sichtbar wird (Unterscheidung von schwerlöslichem AgCl). +2NH3 Hg2Cl2 [HgNH2]Cl + Hg + NH4+ + ClQuecksilber(II)- schwarz amidochlorid weiß Verwendung Viele Metalle lösen sich in Hg unter Bildung von Legierungen, die man als „Amalgame“ bezeichnet. Sie sind bei kleinen Metallgehalten flüssig und bei großen Metallgehalten fest. (402) Versuch: Bildung von Kupferamalgam („versilberter Pfennig“) Auf einem blank polierten Cu-Pfennig gibt man 1 Tr. 0,1 mol/l HgCl2-Lösung. Nach kurzer Zeit spült man den Pfennig mit dest. H2O in das Sammelgefäß für Hg-haltige Schwermetallabfälle ab und reibt ihn mit einem Tuch trocken. Der gebildete graue Überzug wird glänzend, weil sich Kupferamalgam gebildet hat. Von besonderer Wichtigkeit ist das Silberamalgam als „Zahnfüllmasse“ („Amalgamplomben“). Es ist in frischbereitetem Zustand wie alle Amalgame plastisch, so dass es sich den Hohlräumen im Zahn gut anpasst, und erhärtet nach einiger Zeit von selbst. Inzwischen werden gesundheitliche Nebenwirkungen (Nerven- und Organschäden) durch Amalgamfüllungen nicht mehr ausgeschlossen. Wegen der giftigen Wirkung von Hg-Dämpfen ist man von der früher üblichen Belegung der Spiegel mit Sn-Amalgam ganz abgekommen und benutzt jetzt nur noch Silberspiegel. Wegen seiner hohen Dichte (13,595 g/cm3 bei 0°C/13,534 g/cm3 bei 25 °C) dient das silberglänzende Metall zum Füllen von Barometern und Manometern. Durch elektrische Entladungen wird der Hg-Dampf zu intensivem Leuchten angeregt, wobei er ein an ultravioletten Strahlen reiches Licht ausstrahlt, das bei Umhüllung des Lichtbogens mit Quarzglas (gewöhnliches Glas absorbiert ultraviolettes Licht) größtenteils nach außen austreten kann. Derartige „Quecksilberlampen“ dienen als Lichtquellen in der Reproduktionstechnik sowie zur Auslösung photochemischer Reaktionen und zu Heilzwecken („künstliche Höhensonne). Das geisterbleiche Aussehen von Menschen im Quecksilberbogenlicht beruht darauf, das Quecksilber im sichtbaren Bereich nur gelbe, grüne und blaue, aber keine roten Linien ausstrahlt. Quecksilber ist ein verhältnismäßig flüchtiges Schwermetall. Beim Arbeiten in mangelhaft durchlüfteten Räumen, in denen metallisches Quecksilber nach Verschütten längere Zeit im Kontakt mit der Raumluft stand, treten nach und nach die typischen neurologischen Symptome der Hg-Vergiftung auf. In der üblichen oxidierten Form, als Hg2+-Ion, ist Quecksilber akut toxisch, da diese Spezies bei pH 7 leicht löslich ist. Eine besonders toxische Form stellt das Methylquecksilber-Kation H3CHg+ dar, welches aus Hg2+ durch carbanionische Biomethylierung (Methylcobalamin) gebildet werden kann (s. unten). Die höhere Toxizität erklärt sich aus dem ambivalent lipophilen/hydrophilen Charakter solcher metallorganischer Kationen , was ihnen erlaubt, die speziell gestalteten Membran-Trennwände zwischen dem Nervensystem und dem übrigen Organismus zu überwinden. Hinzu kommt, dass bei der Aufnahme von Organo-Quecksilberverbindungen aus der Nahrung im Magen mit seinem hohen Salzsäuregehalt die wenig dissoziierten Moleküle RHgCl entstehen können, welche aufgrund ihrer Fettlöslichkeit gut resorbierbar sind. Wie die Gleichgewichte unten illustrieren, beruht die schädigende Wirkung des Quecksilbers auf der ausgeprägten Affinität zu den auch als Mercaptide bezeichneten Thiolat-Liganden wie etwa Cysteinat (RS-). RS Hg SR + 2 RS- H2O Hg2+ OH2 RS Hg Methylcobalamin H2O CH3 + RS- ( z. B. Enzym-gebundenes Cysteinat) + Hg CH3 + Cl- Cl Hg CH3 (403) Damit greifen Hg-Verbindungen generell alle Protein-Strukturen und insbesondere Enzyme an, in denen Cystein-Reste als metallkoordinierende, redoxaktive oder über Disulfidbrücken konformationsbestimmende Gruppen die Aktivität wesentlich beeinflussen.