MITSCHRIFTderVorlzurPOLTHEOam200404durchKILIAnGRAF:

Werbung
MITSCHRIFTderVorlzurPOLTHEOam200404durchKILIAnGRAF:
Liebe Kommiliton(Inn)en !
Auch wenn Kilian vermutlich aus übergroßer Interessiertheit am Stoff manchmal nicht alle
meine Ausführungen aufgezeichnet hat, nehme ich diese Mitschrift trotzdem mal als
Ausgangspunkt für diesen Protokollierungszusammenhang und ergänze ihn nur an einigen
Stellen, die ich dann mit DL kennzeichne. Ich bitte Sie, sich etwas mehr Mühe zu geben !
Auch dieser Vorspann des Protokolls soll mir und uns in Zukunft immer dazu dienen, Ihnen
wichtige vorlesungsorganisatorische Hinweise zu geben.
A - So wie wir dies am Dienstag besprochen haben, übergebe ich die zu dieser Vorlesung
gehörende Übung (Di, 10-12 Uhr in OEI/105) in Ihre Regie. – Wenn Sie einen der
Reader-Texte diskutieren wollen, berufen Sie uns ein, übernehmen Sie bitte selber
die Text-Vorstellung und bringen Sie bitte 10 Leute zur Übung mit. Wir alle halten uns
bitte diesen Termin frei , einen Raum haben wir. Die Texte des Readers sollte eigentlich jeder Vorlesungs-Teilnehmer gelesen haben. Ihre Text-Vorstellung braucht
natürlich nicht perfekt zu sein, soll eher nur den Text vorsichtig fragend aufschließen.
(Meine Gründe für diesen Vorschlag: 1) Entlastung der nur beiläufig Interessierten.
2) Aktivierung der einschlägiger Interessierten unter Ihnen; 3) Vermeidung einer
simplen Fortsetzung der Vorlesung durch mich. Eine 4-stündige Vorlesung hält man
doch fast nicht aus.  , auch nicht oder gerade nicht: von mir.
B – Sie können in dieser Vorlesung am Ende eine Klausur schreiben. Wir werden das
später mit den Klausuren in der 15030-Vorlesung zur Politischen Ideengeschichte
koordinieren. Bitte erinnern Sie mich daran.
So, es folgt jetzt das Protokoll der ersten Vorlesung zur Einführung in Grundstruktur,
Hauptabsichten der POLTHEO vom 20.04.2004 durch: KILIAN GRAF:
Der ideengeschichtliche Grundriss von Politischer Theologie in politiktheoretischer und politologischer Erkenntnisabsicht
1. Aktualität
a. Welche Wirkung hat Religion in unserer Gesellschaft? Welche Spuren
hinterlässt Religion? – Religion = Metawissenschaft über einzelne Religionen
b. Welche Impulse gehen von Religion aus? – Schriftfixierung → Lesefähigkeit
zum Lesen der Bibel notwendig
c. Clash of Civilizations (Samuel P. Huntington): Wenn der Westen als eine
Kultur gesehen wird, ist ein wesentliches Merkmal: das Christentum
d. Aufgeladenheit des Themas ‚Religion’ durch 11. September, Irakkrieg, starke
Betonung der Religion seitens der Bush-Administration
DL: Ich bitte Sie, diese Zusammenhänge doch etwas genauer zu
rekonstruieren. Ich hatte die Aktualität des Themas in einen Zusammenhang
-2–
mit der ‚Epochenschwelle von 1989/90’ gestellt und mit der Frage von Samuel
Huntington verbunden, ob nicht der vormalige Kalte Krieg mit seiner
Atomkriegsgefahr nur abgelöst worden sei durch einen zunehmend
kriegsgefährlichen ‚clash of civilizations’ zwischen den stärk religiös
inspirierten Hochkulturen der Welt (insbes. zwischen Islam und Christentum),
welche Rolle hierbei der noch kaum säkularisierte Islam in einigen vormodernen orientalischen Ländern spielt, wie bisher der sogenannte Christliche
Westen hieraus reagiert hat, und zwar deutlich unterschiedlich in
US/EU, welche Auswirklungen diese nun (re-)aktiv im Westen zur
konstatierende Neu- und Retro-Theologisierung von Wahlkämpfen (zB US
2000) und Regierungspolitiken (z.B. Bush-Administration, Irak-Krieg…) hat,
welche Probleme aber auch in Europa wieder auftauchen (z.B. Präambel der
EU-Verfassung, Kopftuchstreit, Beitrittsländer..), wie inzwischen auch aus
Teile der westlichen Gesellschaften: theologische Offensiv-Strategien
unternommen werden (z.B. Mel Gibson-Film’Passion’ etc.) wie wir in US und
in EU mit einigen der hierauf zurückzuführenden Reaktionen von AntiIslamismus in USA, von Anti-Semitismus in der EU, auch bei uns: umgehen
sollten….usw., also mit vielen gefährlich aufziehenden Großgefühlslagen, die
die rationaleProblemlösungskapazität der Völkergemeinschaft in UNO
etc.erheblich strapazieren, wenn nicht sogar überfordern könnten. Ich mache
mir z.B. sehr viele Sorgen um die Erhaltung der Lösbarkeits-Perspektive des
Israel-Palästina-Konflikts, der im Schatten des Irak-, des Iran-Konflikts: durch
neue Fakten-Setzungen erheblich an unterschwelliger Brisanz gewonnen hat,
die uns noch sehr beschäftigen dürfte……
2.
Begriffsklärung
a. Def.: Politische Theologie: Verhältnis von Politik und Religion
b. Theologie = Metareligion.
DL: Nein: So etwas wie eine Meta-Religion gibt
es kaum.(Das wäre z.B. eine Verehrung des Christentums wegen seiner
schönen Grundideen usw., aber nicht diese selber von Inhalt her)
Theologie ist ein Meta-Theorie, die sich über das Verhältnis von
Politik und Religion Gedanken macht, also auf einer erkenntnismethodologisch
höheren Stufe angesiedelt ist.
i. Terentius Varro (
): DL: 116 v – 27 vuZ, bitte selber eruieren.
z.B. Google aufrufen, TeVarro eintragen, Ergebnis übertragen…..
führt als erster den Begriff der „theologia civilis’ (Zivilreligion,
Staatstheologie) in seinen Büchern über die verschiedenen Theologien
ein.
DL: Ich füge unten ein früheres Protokoll an, in dem diese
Daten genauer nachgezeichnet werden. Kilian, was ist
mit Ihnen los ? Ich bitte um eine Erklärung.
ii. Augustinus (~ 400): Begründer der Zwei-Welten-Theorie (civitas die,
civitas terrena). Er versucht eine Symbiose der Schöpfungserzählung
aus dem 1. Mose und Platons Höhlengleichnis
c. Exkurs zur Frage: Kannte Platon die Schriften der Propheten? Er soll nach
Ägypten gereist sein, aber sichere Informationen liegen nicht vor.
-3–
i. Was sind die Wurzeln des Abendlandes? Athen und Jerusalem:
Philosophische Erkenntnis vs. performative Prophetie.(Bitte solche
Übernahmen zitieren!) Gibt es eine Verbindung zwischen diesen
beiden Zentren dadurch, daß Platon Jerusalem bereist hatte oder war es
ein Nebeneinander?
(weil die beiden Kulturen noch kaum Kontakt miteinander
hatten zur Platon-Zeit, später ja in Alexandria…….)
DL: Zwischen-Hinweis zur Literatur:
Wer sich für die in Frage stehende jüdische Prophetie und
deren allererste Thematisierung des Thema von Recht und
Gerechtigkeit (gemessen am von Moses durch Gott
empfangenen Gesetz Gottes)interessiert, dem empfehle ich als
Eingangslektüre:
Klaus Koch, die Profeten I (Assyrische Zeit), 3. Auflkage,
Kohlhammer, Stuttgart 1995.
Klaus Koch, Die Profeten II (Babylonische-persische Zeit),
zweite Auflage, Kohlhammer, Stuttgart 1988.
(Aber nur bei weiterführendem Interesse, z.B. einem späteren
Vergleich der Gerechtigkeitsbegriffe bei Jeremias und Platon
………..; In dieser Vorlesung müssen wir diese Themen wie
überhaupt die erste Geburt der Politischen Theologie bei Moses
außer Betrachtung lassen – leider. Aber wir haben nur 13
Sitzungen; und ab WS 04/05 bin ich erst mal für weitere
einschlägige Studien in USA, könnte eine solche Vorlesung
also auch nicht fortsetzen.Außerdem müssen auch wir Europäer
etwas gegen die bei Bush ziemlich offensichtlich heuchlerische
Ausnutzung der amerikanischen Religiosität und Frömmigkeit
für (seine und Dick Cheney’s???) Geschäftsinteressen??? tun !
d. Religion: Zwei Wortstämme: lat. relegere = gewissenhafte Pflege von
Opferriten, Traditionen. lat. relegare = innere Bindung an Gott
(s.u. das zweite Protokoll).
e. Exkurs: Judentum
i. 2 Tempelzerstörungen (Katastrophen für die jüdische Religion) → aus
der rituellen Tempelreligion wird eine Buchreligion → Konzentration
auf Pentateuch = Tora. DL: hierauf beruht dann später der Judaismus,
der sich seit der 2. Tempelzearstörung um 70 nuZ entwickelt und die
verschiedenen Talmude hervorbringt.
3. DL: Versuche, diese und andere Ausführungen mit den Texten des Readers in Verbindung
zu bringen
A – Grob-Schema (von DL ergänzt)
-4–
Himmel
1. Phase
Verzauberung
Mythologisierung
(Er)Finden von Gott
(1200v,0,600n) Erde
2. Phase
Entzauberung
Entmythologisierung
Dem.
(1500 n) Säkularisierung
Re-Implementierung)
1750 nuZ
Kap.
Pol.Moderne
B. Zweites, detaillierteres Schema: (Fügen Sie bitte das Tafel-Bild ein)
1. ‚Inkubationszeit’: abstrakte Vorstellung von einem Gott zur Erklärung der Welt
2. Entstehung von monotheistischen Hochreligionen (Religionen entstehen aus politischen
gesellschaftlichen, kulturellen, geistigen: insgesamt politisch genannten Verhältnissen)
a. Judentum (1800 v.u.Z.: Abraham, 1200 v.u.Z. Moses)
b. Christentum ( Jesus)
c. Islam (600 n.u.Z Mohammed)
-4–
3.
Erstgeburt des Monotheismus bei Moses (1200 v.u.Z.):scheinbar reales, auf der Erde
stattgefundenes Ereignis nach der Bergbesteigung: Gott offenbart sich einem
Menschen auf dem Berg-Sinai (heutiges Ägypten)= der Sinai-Monotheismus von
Moses (siehe die Tora als das ihm übergebene Gesetz)
Zweitgeburt des Monotheismus bei Platon (378 v.u.Z.) qua Intelligenz: Idee des Guten
(Höhlengleichnis): Der Mensch kann in sich durch Denken Gott finden.
a. Weiterentwicklung durch philosophische Denker: Aristoteles, Augustinus,
Aquin, Ockham (Suche nach einer Gesamttheorie = Politische Theologie)
DL: In dieser Denkgeschichte wird über fast 2000 Jahre hin eine derart ausgeklügelte Theologie entwickelt, findet wiederum eine sich ständig steigernde
Geistigkeit (Freud) statt, dass deren spätere teilweise Überführung in die
Welt mit zu dem führt, was Max Weber dann ‚okzidentalen Rationalismus’
und den ‚Okzidentalen Sonderweg der Rationalisierung’ der und in der Welt
nennt.
5. Zwischen 1100 – 1600 n.u.Z.: Durch die Papst-Revolution, den Investiturstreit, die
Wiederentdeckung des Aristoteles, durch den Nominalismusstreit wird dann: die EntMythologisierung des politisch-religiösen Denkens der Menschen angestoßen. Dies
ist der Versuch, Theologie und ihr zentralstes Theologumenon ‚Gott’ zu sich, auf die
Erde und zur Lösung irdisch-menschlicher Probleme zurückzuholen. Die gesamte
Zeitspanne kann als Inkubationszeit der Entmythologisierung gelten.
-5–
b. Universalienstreit: Ist Gott real oder ist er nur eine menschliche Vorstellung?
Ist sein Name eine Anrufung oder nur ein Hauch der Stimme?
c. Entstehung des „abendländischen Sonderweges“ (Max Weber): Der westliche
Rationalismus befreit sich aus seiner orientalischen Ummantelung
6. Reformatoren: Konzentration auf die Heilige Schrift („Sola scriptura“ Luther) =
Lesefähigkeit, Entwicklung des Rationalismus, Entwicklung der höheren Geistigkeit
1520 Luther
1550 Calvin
, DL: Beide im Anschluß an den Nominalismus kommen zu einem
vom Menschen ausgehenden theologischen Denken (sola fide)
in dem ganz neue Ansätze gefunden werden, insbesondere das
Verhältnis zwischen Gott und Mensch neu zu denken.
Viele Anregungen aus diesen beiden Grundgestalten des Protestantismus führen dann
(allerdings unter besonderer Akzentuierung durch den Calvinismus) zu einer dritten
Grundgestalt von Protestantismus: zum P U R I T A N I S M U S. In diesem
Puritanismus gelingt es dem Protestantismus, Gott aus einem kosmologisch-ontologisch weiter über der Welt residierenden Seinsgrund-Prinzip zurückzuholen in die
Kommunikation mit dem Menschen und seinen Problemen. Hierbei spielt der
covenant-Gedanke, der Gedanke des Bündnisses(Bundes) zwischen Gott und den
Menschen eine große Rolle, und wird von den Puritanern dazu benutzt, Gott als
Bündnispartner beim Aufbau eines neuen (heiligen) Landes, der ‚city upon the Hill’,
dem neuen Jerusalem zu gewinnen.
-5-
7. DL: Die theoretischen Grundlagen der herrschenden Theologien bleiben zwar noch
langezeit in etwa die gleichen, auf beiden Seiten des Atlantiks; (z.B. Puritanismus in
GB und Amerika, z,.B. Deismus in GB und Amerika), aber die ganz anderen Probleme
bei der Besiedlung des neuen Landes führen auch zu erheblichen Auseinanderentwicklungen im jeweiligen Selbstverständnis der Alten und der Neuen Welt. Und diese
Auseinanderentwicklung lässt sich ganz zentral ablesen an der Entwicklung der
jeweils herrschenden Theologien, des Puritanismus im 17. Jahrhundert sowie des
Deismus im 18. Jahrhundert und - so meine spätere These – einem Amalgam aus
beiden in der späteren ‚amerikansichen Ideologie’.
Vorherrschende christliche Strömungen in Amerika:
a. Puritanismus
b. Deismus
Benjamin Franklin, Thomas Jefferson stark vom Puritanismus, Deismus geprägt.
→ Vorsehung
→ Auserwähltheitsbewusstsein
→ Missionarischer Gedanke (1839 manifest destiny)
→ Suche nach pragmatischen Gott mit dem sich das Land besiedeln lässt
→ Gott bleibt im Himmel
8) Wenn man einen religös inspirierten und theologisch gebildeten und argumentierenden
Mensch unter den großen Gründungsvätern der USA benennen sollte, der sowohl den
Puritanismus wie den Deismus mit getragen hat, dann kann dies eigentlich nur
THOMAS JEFFERSON
sein, der Autor der Unabhängigkeitserklärung der USA vom 4. 7. 1776, der Freund von Madison, der sogenannte
Begründer des amerikanischen Republikanismus, der 3. Päsident der USA von 1800 bis
1808/9, aber auch Plantagenbesitzer aus Virginia, Sklavenhalter, auch ein Herabseher auf
die minderwertige Rasse der ‚Neger’, gleichwohl abends gerne die Nähe der schönen Sally
Hemings, einer afrikanischen Sklavin suchend, die ihm dann auch viele Kinder Kinder
geschenkt hat, die sich heute in einer großen Jefferson-Vereinigung zusammengetan haben
und längst per DNA-Analyse ihre Jefferson-Herkunft bewiesen und damit die Rechte aus
ihrer Ur-Amerikanizität einge-klagt haben. ----Ich würde solche Dinge gar nicht erwähnen,
wenn nicht gerade Jefferson seit der Unabhängigkeitserklärung als der Autor einer
‚amerikanischen Ideologie’ bezeichnet werden könnte. (Ideologie hier nicht diffamatorisch
gemeint, sondern als
Bezeichnung für das Herkunft-Bewußtsein der Amerikaner, das Bewusstsein ihrer Bedeutung gerade gegenüber Indianern und Afrikanern, über ihre gott-inspirierte Mission in
Nordamerka, Ihr Recht zur Herrschaft und Dominanz über andere (auch Nachbarländer),
ihr Recht, dabei Wohlstand und Profit zu machen und in deren Abglanz sichtbar wohlständig
zu leben, ihr Anspruch, vieles besser zu wissen und machen können...............
Dass sollte eigentlich nicht alles so negativ klingen, zumal in der amerikansichen Ideologie
immer auch der Ruf zu den huddled masses in aller Welt geht: ‚Wenn ihr mühselig und
beladen seid, kommt nach Amerika, in das Land der Freien und Mutigen! Hier könnt Ihr
Eure Träume von einem freien Leben, den american dream erfüllen.—Ich wollte nur auf die
in Ideologien häufig anzutreffende Diskrepanz zwischen Anspruchsebene und Realitätseinlösung , auf das nicht immer richtige, manchmal auch z.T. falsche Bewßtsein von sich
selbst hinweisen. (DL: Es gibt auch viele Teile der amerikanischen Ideologie, die sich fast
jedes andere Land in seiner eigenen Mentalitätsgeschichte angelegt wünschte- darüber später)
8. In Europa nimmt gerade auch die theologische Ideengeschichte einen erheblich
anderen Verlauf. Während hier, z.B. in GB der Deismus kritisiert wird ( Vergl Humes
Kritik an der natürlichen Releigion) und dann irgendwann ausläuft, ohne noch in
irgendwelchen Ideologien Unterschlupf zu suchen (s.o.), kommt es in Europa
auch durch den Pantheismus des
BARUCH DE SPINOZA zu einer anderen Entwicklung.
Einer der großen Unterschiede des Pantheismus zum Deismus ist der, dass im
Pantheismus die Gottesgestalt alle Züge von Personalität verliert, m.a.W., dass
Gott zu einer eher anonymen Wirk- und Treib-Substanz im Ganzen der Welt wird,
deren geistiges Wirkprinzip nur allzu leicht auch durch ein seit der frz. Aufklärung diskutiertes materielles Welt-Wirk-Prinzip ersetzt werden kann und in
diesem Sinne auch spätestens seit KARL MARX unbewußt so interpretiert
wurde. Weiter: Wahrend in Amerika der dort herrschende Puritanismus-Deismus
stets jede Anwandlung von Atheismus abgewehrt hat, ist dies in Europa anders
geworden. – In nur oberflächlicher Konstatierung kann man sagen: In US-Amerika
sind Religion und Theologie ‚unbeschädigt’, ja sogar bestärkt aus der Aufklärung
hervorgegengen, während Europa in vielen seiner zentralen Länder seit
dem 19. Jahrhundert und bis heute von einem Massen-Atheismus geprägt wurde.
Wir wollen herausbekommen, woran dies lag; und wir wollen herausbekommen,
wer dabei ‚das bessere Los’ für die politische Kultur insgesamt gezogen hat, und
dies ohne Vorurteile!!!!!!.
KG→ Gefahr des Atheismus: Gott wird auf die Erde zurückgeholt, ist ein Teil von Allem.
Gott existiert nicht mehr als Richter im Himmel.
9. Karl Marx wischt die Religion beiseite. Da Gott in Allem ist, ist er auch nicht wichtig.
Der Hegelianische Weltgeist sei eine Erfindung des Menschen, um die treibenden Kräfte
des Kapitals zu verschleiern („Das Sein bestimmt das Bewusstsein“)
10. DL: Ab 1750 findet der wichtige Schritt der (Re-) Implementierung der Theologumena in
die politische, soziale, gesellschaftliche, kulturelle und ökonomische Realität der Menschen
statt („Rationalisierung“ Max Weber ).1750 gilt so als ungefährer Beginn der Moderne:
Durchbruch zur neuzeitlichen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, technologisch-industrielle
Revolution, Beginn des inneren Marktes z.B. in Amerika und damit des ‚freien’ Kapitalismus
in Amerika etc.
Himmel
3. Phase
( repräsentative Demokratie)
( marktwirtschaftl. Kapitalismus)
Erde
-7–
13. KG: Die prägendsten Kennzeichen des Westens sind auch auf die religiösen Strömungen
des Christentums zurückzuführen. Auch die unterschiedlichen Entwicklungen in Europa und
Amerika sind darauf zurückzuführen.
→ repräsentative Demokratie
→ marktwirtschaftlicher Kapitalismus
sind Produkte der Politischen Theologie und damit ist die Politische Theologie essentiell
für die Politologie.
DL: Die Politische Theologie hat nicht so sehr Produkte hervorgebracht; sie handelt vielmehr
von religiösen und theologischen Entwicklungen, aus deren politologischen/politischen
Implikaten man deutlich Ursprünge, Motiv- und Generativ-Kräfte für Demokratie und
Kapitalismus ablesbar, herausinterpretierbar sind, die sonst – wenn es keine
rekonstruktivePolitische Theolgoe gäbe – verschüttet blieben, uns nicht bewusst würden
und damit unserer eventuell erwogenen reflexiven Steuerung bei der Nachbesserung der
insgesamt wohl unvermeidlichen, aber bisher keineswegs für den und die Menschen ideal
verlaufenen Säkularisierung entzogen wären.
-8–
Ich breche hier mal zusammen mit KG die Protokollierung ab. Ich füge Ihnen aber aus dem
letzten Semester ein Protokoll bei, das zu meiner fast gleichlautenden Vorlesung angefertigt
wurde:
Lesen Sie es bitte als Ergänzung zu dem Protokoll von Kilian Graf.
Es folgt also die Kurzmnitschrift vom 21.10.03 durch BENJAMIN ROSTALSKI:
Was ist politische Theologie?
 diffuser Begriff für alle möglichen Beziehungen zw. Religion & Politik (wechselseitige
Beeinflussung, wechselnde Vormacht der einen über die andere)
etymologische Herleitung des Begriffs „Religion“: 2 Quellen:
a) von lat. „relegere“  gewissenhaft lesen (Aneignung der rituellen Praktiken aus Büchern),
b) „religare“  „anbinden“ (Bindung des Menschen an ein höheres Wesen, dessen Existenz
angenommen wird; der Dialog mit diesem Wesen ist z.B. das Beten  Verinnerlichung von
Religion statt einfachem Abarbeiten fester Riten bzw. Einhalten von religiösen Regeln und
Vorschriften äußerer Art. (Ohne daß man eine innere Bindung an rituell angerufene Wesen
fühlt)
-8–
tripartita theologia (drei Religionsbegriffe):
1) theologia mythica  erdichtete Religionen, z.B. olympische Götter, 2) theologia naturalis
 Theologie der Philosophen (Platon),3) theologia civilis  Religion, die von Bürgern und
Priestern getragen wird, auch Staats- & Hoftheologie, orientiert sich an der Nützlichkeit für
politische Zwecke. (No 3 Wird später in der Neuzeit als Zivilreligion, z.B. bei Rousseau eine
starke Renaissance erleben)
Die Geburtstunde der pol. Theologie:
-9–
Die römische Republik bediente sich der theologia civilis. Kaiser Konstantin erhebt in den
330er Jahren das Christentum zur Staatsreligion, Augustinus vollzieht den Wechsel von der
theologia civilis zur theologia naturalis, erhebt den Anspruch der Herleitung des Christentums
aus der Wahrheit, unter Bezugnahme auf Platon & Aristoteles. Die unglaublich fruchtbare
Synthese von Philosphie und Theologie beginnt.
Augustinus erweitert die Religion durch eine Verbindung mit der Philosophie (anders als im
Islam oder Judentum), erhebt dem Anspruch absoluter Wahrheit bestimmter Offenbarungen
 Suche nach Begründungen für geschehene Wunder & Offenbarungen (z.B. aus dem Alten
Testament)  christliche Theologie stellt sich selbst unter Rationalitätszwang und grenzt sich
somit effektiv von heidnischen (Natur-) Religionen ab, denen dieser theoretische Unterbau
fehlt
Das Grundlegende Interpretations-Schema der ganzen Vorlesung:
Grobschema der 3 denkgeschichtlichen Hauptetappen und Hauptphasen :
:
Phase 1: Mythologisierung (Wie kommen die menschlichen Vorstellungen (als
Projektate ???) in und an den Himmel ?)
Insgesamt vollzieht sich etwa ab Moses (1250 v. u .Z.  Altes Testament, Dekalog od. zehn
Gebote etc.) eine Mythologisierung der (monotheistischen) Religion. Die Mythologisierung
beginnt in einer Schwellenzeit der Weltgeschichte (z.B. der trojanische Krieg fällt in diese
Epoche) und geht mit der Etablierung der monotheistischen Religion einher.
Bisher waren Religionen bestenfalls Ansammlungen von historisch gewachsenen Riten etc.
Nun erlässt der „Eine Gott“ (Monos theos) Gesetze in Form des Dekalogs, er verlangt also
eine sublimierte (verfeinerte) Lebensführung von den Menschen und eine ethische
Lebensführung in der Orientierung an den von Ihm gebotenen Gesetzen..
Es entsteht die mosaische Unterscheidung zw. wahr oder falsch (im Gegensatz zur bisherigen
Koexistenz der heidnischen Religionen, die einander nicht grundlegend in Frage stellten bzw.
keinen Anspruch auf Alleingültigkeit erhoben).  Entstehung der Ethik bzw. Moral. Auch
der Gerechtigkeitsbegriff wird angedacht und artikuliert, sowie später ab ca. 750 v.u.Z. von
den jüdischen Propheten (Jesaia, Jeremias bis......Maleachi) gegen die Realität und das
Realverhalten der Menschen eingeklagt. (Vergl. den Begriff der ‚ Jeremiade’)
Die Idee der Befreiung der Menschen (bzw. einer Gruppe) zieht sich als Leitmotiv durch die
monotheistischen Religionen und geht vermutlich auf das 2. Buch des Alten Testaments
(Exodus) zurück, worin Moses die Stämme Israels aus der pharaonischen (ägyptischen)
Knechtschaft führt.
Die Philosophen / Theologen der Antike wie Platon und Augustinus differenzieren die
Religion (zunächst die monotheistische, dann die christliche) weiter aus.
- 10 Phase 2: Entmythologisierung (Wie kommen die als göttlich unterstellten Vorstellungen
wieder zurück zum (‚Projektator’) Mensch ?
Im späten Mittelalter bzw. der frühen Neuzeit vollzieht sich ein fundamentaler
Paradigmenwechsel: Es beginnt eine Entmythologisierung der Religion und Weltanschauung
der Menschen im Abendland.
 Entmythologisierung führt zur Rückaneigung der mythologischen Projektionen zurück in
die geistige Verfügungsgewalt von historischer Subjektivität der Menschen, später dann auch
in der nächsten Phase durch sie zu einer Re-implementierung dieser Geistigkeit in die
Geschichte / Politik (Prädestinationslehre, Reformatoren Luther & Calvin). Der Begriff der
Gnade Gottes spielt dabei eine wichtige Rolle ( Gottesgnadentum im französischen
Absolutismus). Kapitalismus entwickelt sich, Demokratie wird nach und nach durchgesetzt.
Phase 3: Säkularisierung
Bei Anbruch der Neuzeit (etwa 16. Jahrhundert Reformation und Renaissance als
sogenannteVorrevolutionen der Neuzeit/Moderne und deren Haupt-Revolutionen 1776ff.in
Amerika, 1789 ff. in Frankreich und Europa)) ist die Entmythologisierung bereits weit
fortgeschritten. Hier beginnt die Entwicklung eines „okzidentalen Rationalismus“ (Weber)
Okzidentaler Rationalismus ist seit ca. 1500 ist jene Denk-Explosion auf allen Gebieten (Kant
sprich von einer ‚Revolution der Denkungsart’), die ermöglicht wurde, weil die abstrakt in der
Theologie und in der Philosophie angehäufte Rationalität aus dem Jenseits in das Diesseits
tranponiert wird und hier zu einer ungeheuren Entfaltung führt.. Ab ca. 1700 tritt dies in der
abendländischen Kultur als eine Phase der Säkularisierung (Verweltlichung) auf; Eine der
auch für das politische und ökonomische Zusammenleben der Menschen wichtige
Entwicklung wird hier z.B. durch den Puritanismus bewirkt. (wichtig für Demokratie und den
Kapitalismus, die ja doch in hohem Grade von politischer, bzw. politökonomischer Relevanz
sind, solo in unser Fach im weiteren und engeren Sinne gehören)
Seit alttestamentarischen Zeiten vollzieht sich eine (teils kontinuierliche, teils etappenweise)
Verfeinerung des Weltverständnisses der Menschen. Die Erfindung der Religion war nützlich,
um dem archaischen Zustand permanenter Gewalt zu bannen, in dem die Menschen vor dem
Neolithikum (Neusteinzeit) lebten. Der Keim der Gewalt findet sich jedoch wiederkehrend im
Missionierungsgedanken, welcher dem Christentum und Islam innewohnt (Kreuzzüge etc.),
Das Judentum kennt dies nicht, da man sich selbst als auserwähltes Volk betrachtet.
Laut Sigmund Freud stellt die Entwicklung der Religion einen Fortschritt in der Geistigkeit
der Menschen dar, v. A. das 2. Gebot („Du sollst dir kein Bildnis von mir machen!“) zwingt
den Menschen zur Abstraktion, zur Transzendenz (Erfindung des Jenseits). Im Gegensatz zu
den Olympischen Göttern, die ihren Sitz auf Erden (auf dem Olymp) hatten, erhebt man nun
Propheten, Heilige etc. in höhere Sphären. Intellektualität erhebt sich über Sensualität. Das
Bildverbot stellt einen regelrechten Triebverzicht des Menschen dar, den man ja allgemein als
visuelles Wesen bezeichnet. Dies hat auch zur Folge, dass man nun einen „inneren
Menschen“ erfindet, dass man fortan Körper und Seele als voneinander getrennte
Erscheinungen betrachtet. Natürlich bei Dominanz des inneren Seelischen über das äußere
Körperliche. - Wir werden später noch genauer sehen, wie Freud sich die Entstehung von
Kultur durch Sublimation der Triebe, durch Aufhebung der Triebe in höhere Geistigkeit,
in einem vertieften Seelentum der Menschen vorstellt, was aber (Freud ‚Das Unbehagen in
der Kultur’ 1927) auch zu erheblichen Kulturproblemen geführt hat, z.B. zu im Tieferen der
Seele lauernden und von antiaufklärerischen Regimen abrufbaren Triebstauungen der Massen
im sogenannten ‚Zeitalter der Massen’ (Le Bon etc.).(Dies nur als Problem-Andeutung)
- 12 -
Nachbemerkung: In Zukunft soll unsere Vorlesung zur Poliotischen Theologie zwar zur
gleichen Zeit, aber in einem anderen Hörsaal, nämlich in HFB/ Hs D
stattfinden.
Die Vorlesung zur Politischen Philosophie findet am Freitag von jetzt
ab um 10-12 Uhr im HFB/ Hs A statt.
____________________________________________________________________DL
.
Herunterladen