Fragestellungen der Sprachtherapieforschung

Werbung
1
Fragestellungen der Sprachtherapieforschung
Jürgen Cholewa
Sprachtherapieforschung, Evaluation von Sprachtherapie
Zusammenfassung:
Die Sprachtherapieforschung hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten durch
eigene Anstrengungen aber auch durch Kooperation mit anderen Disziplinen zu
einem komplexen Forschungsbereich entwickelt mit einer Vielzahl differenzierter
Fragestellungen und daran angepasster Forschungsansätze. Aufgrund dieser
Vielschichtigkeit ist es besonders für wissenschaftlich weniger versierte Leser
schwierig geworden, den Überblick über den Forschungsstand zu behalten und
spezifische Therapiestudien hinsichtlich ihrer Aussagekraft einzuordnen und zu
bewerten. Im vorliegenden Beitrag wird versucht, das „Gesamtbild“ der
gegenwärtig diskutierten sprachtherapeutisch bedeutsamen wissenschaftlichen
Fragen mit all ihren vielfältigen Facetten und Motiven etwas zu ordnen. Dabei
wird gleichermaßen auf erworbene und auf entwicklungsbedingte Störungen und
zwar sowohl der mündlichen als auch der schriftlichen Sprache Bezug
genommen.
Die sprachtherapeutisch tätigen Berufsgruppen wurden in den letzten Jahren von
den
Entscheidungsträgern
der
öffentlichen
Gesundheitssysteme
in
zunehmendem Maße in die Verantwortung genommen, die von ihnen
verwendeten
Maßnahmen
wissenschaftlich
zu
begründen
(vgl.
z.
B.
Sozialgesetzbuch; V. Buch). Dadurch soll die Therapiemethodik transparenter
und der Therapieerfolg glaubhafter als bisher gemacht werden. Es wird somit
auch für klinisch-praktisch tätige Sprachtherapeuten unumgänglich, sich einen
Überblick über den aktuellen Forschungsstand bezüglich der Wirkeffekte von
Sprachtherapie zu verschaffen.
Zweifellos könnten und müssten viele Aspekte der Sprachtherapieforschung in
einer zusammenfassenden Betrachtung des „state of the art“ Berücksichtigung
finden. Eine Darstellung der Kontroversen zur Forschungsmethodik (wie etwa
zwischen den Vertretern des Einzelfall- und des Gruppenansatzes) wären hier
ebenso notwendig wie eine zusammenfassende Bewertung der Datenlage aus
bisher vorliegenden Therapiestudien und Metaanalysen (z. B. Robey 1994;
Schoonen 1991, Ehri et al. 2001). Weiterhin müsste man die interdisziplinären
Bezüge des Faches aufzeigen, etwa zur Psycholinguistik und Neuropsychologie
oder zur pädagogischen Psychologie und zur Entwicklungspsychologie– um hier
nur einige zu nennen. Als wichtige Aspekte des Forschungsstandes wären
weiterhin Fortschritte und Probleme bei der Entwicklung von Therapiemodellen
zu diskutieren, beispielsweise von Lernmodellen oder von Erklärungsansätzen
zu
den
kognitiven
oder
kommunikativ-pragmatischen
Wirkmechanismen
1
2
sprachtherapeutischer Maßnahmen (z. B. Seron 1997). In der vorliegenden
Arbeit wird aber ein anderer Zugang zu dieser vielschichtigen Thematik gewählt
und zwar über die Fragestellungen und Ziele. Johnsten und Pennypacker
schrieben in einer (1986) erschienen Arbeit zu den Grundlagen in den
angewandten Verhaltenswissenschaften, dass man – ganz unabhängig von
Methodik, Datenlage und Stand der Modellbildung bereits viel über den
Entwicklungsstand einer wissenschaftlichen Disziplin erfahren kann, wenn man
die Art und den Differenziertheitsgrad ihrer Fragestellungen betrachtet.
Hier Abb. 1
In
Abbildung
1
sind
einige
zentrale
Fragen
der
modernen
Sprachtherapieforschung zusammengestellt und in empirisch-methodisch,
klinisch-therapeutisch, grundlagenwissenschaftlich und ökonomisch motivierte
eingeteilt. Diese Einteilung soll vor allem der konzeptuellen Differenzierung
dienen, ohne dass etwa einzelne Therapiestudien in der Regel eindeutig in
eine dieser „Schubladen“ gesteckt werden könnten.
Grundlegend
für
jede
weiterführende
Fragestellung
der
Sprachtherapieforschung ist es, ob und wie überhaupt ein kausaler
Zusammenhang zwischen der Anwendung sprachtherapeutischer Maßnahmen
und Verbesserungen der sprachlichen oder kommunikativen Leistungen
nachgewiesen oder zumindest glaubhaft gemacht werden kann. Diese
Fragestellung mag klinisch-praktisch erfahrenen Therapeuten, die die Erfolge
ihrer Behandlungsansätze jeden Tag im unmittelbaren persönlichen Kontakt
mit den Betroffenen subjektiv erleben, auf den ersten Blick trivial und
überflüssig erscheinen. Bei genauerer Betrachtung erweist es sich jedoch als
eine wirklich anspruchsvolle Aufgabe, diesen Zusammenhang auch objektiv
nachzuweisen.
Es
reicht
beispielsweise
nicht
aus,
wenn
für
eine
bestimmte
Ziel-
beziehungsweise Patientengruppe lediglich gezeigt wird, dass nach der
Durchführung einer Therapiemaßnahme Verbesserungen sprachlicher oder
kommunikativer Leistungen zu beobachten sind. Es muss vielmehr auch
gezeigt werden, dass diese Verbesserungen tatsächlich ursächlich auf den
Einfluss der Therapiemaßnahme zurückführbar sind und dass sie nicht durch
andere
Einflußfaktoren
Spontanremission
bei
Entwicklungsfortschritte
verursacht
wurden
aphasischen
bei
Kindern
mit
(wie
Patienten
beispielsweise
oder
normale
Sprachentwicklungsstörungen).
Außerdem könnten Verbesserungen ja auch ganz oder teilweise auf
unspezifischen therapeutischen Einflussnahmen beruhen wie zum Beispiel auf
der besonderen Zuwendung durch den Therapeuten oder auf allgemeiner
sprachlicher Stimulierung. Traditionell werden Nachweise der spezifischen
2
3
Wirksamkeit
von
Therapieverfahren
dadurch
erbracht,
dass
die
Leistungsveränderungen einer behandelten Patientengruppe nach einer
Therapiephase mit den Leistungsveränderungen einer nicht-behandelten (oder
nur
unspezifisch
behandelten)
Patientengruppe,
der
sogenannten
Kontrollgruppe verglichen werden. Wichtig ist dabei, dass die experimentelle
Gruppe und die Kontrollgruppe auch hinsichtlich möglichst vieler Faktoren, die
den
Therapieerfolg
potenziell
beeinflussen
könnten,
vergleichbar
zusammengesetzt sind (z. B. Alter, Art und Ausmaß der sprachlichen
Beeinträchtigungen etc.). Die Vergleichbarkeit der Kontrollgruppe mit der
Experimentalgruppe wird dabei idealerweise durch randomisierte (d.h.
zufällige) Zuordnung der Versuchspersonen zu einer der beiden Gruppen
gewährleistet. Die Experimentallogik geht dann (zumindest bei hinreichend
großen Gruppen) davon aus, dass sich Störeinflüsse in den beiden Gruppen
im
Mittel
ausgleichen,
so
dass
der
„bereinigte“
Wirkeffekt
der
Therapiemaßnahme gegebenenfalls deutlich hervortreten kann.
Der Nachweis solcher Ursache-Wirkungs-Relationen muss aber nicht nur für
die sprachgestörten Zielgruppen insgesamt geführt werden. Besonders im
Zusammenhang
mit
Gesundheitswesen
der
wird
Leistungsverbesserungen
aktuellen
die
auch
Qualitätssicherungsdebatte
Forderung
für
den
erhoben,
gerade
im
therapiebedingte
behandelten
Einzelfall
wissenschaftlich fundiert zu belegen. Auch der Nachweis solcher individueller
Therapieeffekte ist kompliziert und methodisch aufwendig. Standardisierte
Testverfahren erweisen sich oftmals als zu grobe Messinstrumente für den
Nachweis von Therapieeffekten im Einzelfall und beim intra-individuellen
Vergleich einer Leistung nach der Therapie mit einer vor der Therapie
erhobenen Baseline ist eine glaubhafte experimentelle Kontrolle von
Störvariablen nur durch die Verwendung von eigens hierfür entwickelten
Versuchsplänen erzielbar (z. B. Coltheart 1983, Julius et al. 2000). Im
sogenannten Einzelfallansatz der angewandten, klinischen Forschung versucht
man dieses Problem beispielweise dadurch zu lösen, dass man Phasen mit
und
ohne
Behandlung
(oder
auch
mit
unterschiedlichen
Behandlungsmethoden) beim selben Patienten hintereinander mehrfach
abwechseln lässt und dabei nach jeder Phase Veränderungen im individuellen
Leistungsniveau ermittelt. Zeigen sich Leistungssteigerungen vor allem nach
den in ihrer Wirkung überprüften Therapiephasen, weniger jedoch nach
vergleichbar langen Kontrollphasen, dann gilt die Ursache-Wirkungsrelation als
gesichert.
Zentral für die Sprachtherapieforschung - wie für jede andere empirische
Disziplin - ist weiterhin natürlich auch die Frage nach der Verallgemeinerbarkeit
ihrer Forschungsergebnisse. Schließlich sollen Wirkeffekte von Sprachtherapie
nicht nur rückblickend nachgewiesen werden, sondern es sollen Vorhersagen
3
4
über Erfolgsaussichten von Therapiemaßnahmen bei zukünftigen Patienten
getroffen werden. Hierzu muss eingeschätzt werden, für welche Teilpopulation
die in einer Studie jeweils behandelte Stichprobe oder der behandelte Fall
repräsentativ sein soll. Darf beispielsweise erwartet werden, dass ein
Therapieverfahren, welches sich bereits bei einer bestimmten Patientengruppe
als
erfolgreich
erwiesen
hat,
auch
bei
zukünftigen,
„vergleichbar“
beeinträchtigten Patienten erfolgreich sein wird. Um die Vergleichbarkeit von
Patientengruppen oder Einzelfällen zu konstatieren, sind komplizierte und
strittige statistisch und sachlogisch begründete Schlussfolgerungen erforderlich
(vgl. Caramazza 1989; Seron 1997; Barlow & Hersen 1984; Weinert & Müller
1996). Bei genauerer Betrachtung stellt sich auch diese Fragestellung
aufgrund der erheblichen und schwer einzuschätzenden Heterogenität der
Patientenpopulationen als bisher keineswegs befriedigend geklärt heraus.
Ich möchte nun zu den klinisch-therapeutisch motivierten Fragestellungen
kommen:
Damit
eine
sprachtherapeutische
Maßnahme
als
klinisch-
therapeutisch erfolgreich gelten kann, ist der einfache Nachweis einer
Ursache-Wirkungs-Relation nicht hinreichend – wie glaubhaft dieser Nachweis
auch immer geführt worden sein mag. Vielmehr muss der Wirkeffekt auch
unter dem Blickwinkel des klinischen beziehungsweise lebenspraktischen
Nutzens beurteilt werden (Hager & Hasselhorn 1995; Wottawa & Thierau
1990). Klinisch-therapeutische Forschung dient schließlich im Unterschied zur
Grundlagenforschung nicht primär der Überprüfung von Theoriesystemen,
sondern vor allem der Überprüfung und Bewertung von gesundheitsfördernden
Maßnahmen, deren Wirkeffekte für die betroffenen Patienten lebenspraktisch
unmittelbar relevant sein sollen. Zum Nachweis dieser sogenannten klinischen
Signifikanz (vgl. Barlow & Hersen 1984) gehört beispielsweise die Überprüfung
der Nachhaltigkeit von Therapieeffekten. Schon so mancher in der Literatur
berichtete Effekt konnte wenige Tage, Wochen oder Monate nach Beendigung
der Therapie nicht mehr nachgewiesen werden (vgl. Howard et al. 1985a). Zu
den klinisch motivierten Fragestellungen gehört außerdem auch die Frage, ob
und wie eine möglichst weitreichende und stabile Generalisierung von
Lerneffekten auf nicht speziell behandelte Leistungsbereiche erzielt werden
kann oder auf nicht in der Therapie bearbeitetes sprachliches Material und ob
und wie ein Transfer auf alltagsnahe Kommunikationssituationen möglich ist
(vgl. Kearns 1992; Thompson 1989, Hager & Hasselhorn 1995). Bezüglich
dieser
klinisch-therapeutischen
Fragestellungen
ist
die
Sprachtherapieforschung bisher noch weit von einer wirklich befriedigenden,
differenzierten, unkontroversen Antwort entfernt. Allerdings wurden in den
letzten Jahren unter
dem
Stichwort
„functional
outcome messuares“
verschiedene Untersuchungsverfahren entwickelt, um diesen wichtigen Fragen
4
5
zur klinischen Signifikanz von Therapieeffekten zukünftig empirisch besser
nachgehen zu können (vgl. Fratalli 1998).
Insbesondere aus der Einbindung sprachtherapeutischer Maßnahmen in das
öffentlich finanzierte Gesundheits- und Bildungssystem ergeben sich weiterhin
auch verschiedene ökonomisch motivierte Fragestellungen. Es ergibt sich zum
Beispiel die Notwendigkeit, die Effizienz sprachtherapeutischer Maßnahmen
zu untersuchen, das heißt die Relation zwischen dem Aufwand und dem
Nutzen, damit unter den alternativen Maßnahmen diejenigen ermittelt werden
können, die mit vertretbarem Aufwand zielführend sind. Therapieerfolge bei
einer Therapiedauer von circa einem Jahr bei fünf einstündigen Sitzungen
wöchentlich – wie beispielsweise in einer einflussreichen, von de Partz (1986)
beschriebenen Therapiestudie mit dem dyslektisch-dysnomischen Fall SL, sind
zwar wissenschaftlich (und natürlich auch für Herrn SL) zweifellos belangreich.
Den Funktionären der Gesundheits- und Bildungspolitik dürfte der Anspruch
einer derartig intensiven flächendeckenden sprachtherapeutischen Versorgung
aber gegenwärtig bestenfalls eine gewisse Belustigung abnötigen. Auch aus
ökonomischen Zwängen sind also ernstzunehmende Fragestellungen für die
Sprachtherapieforschung abzuleiten, so zum Beispiel auch die Frage, ob der
Einsatz von kostenneutralen Ko-Therapeuten (z. B. Angehörigen, Eltern usw.)
zu
ähnlichen
Leistungsverbesserungen
führt
wie
professionelle
Sprachtherapie. Die gegenwärtige Datenlage lässt eine ganz eindeutige,
verallgemeinernde Antwort auf die Frage nach der Intensität, Dauer und auch
nach den erforderlichen infrastrukturellen Bedingungen bisher weder im
Bereich der erworbenen noch der entwicklungsbedingten Sprachstörungen
wirklich vollkommen zweifelsfrei zu (z. B. Meikle et al. 1979; David et al. 1982,
Conti-Ramsden 1993).
In der grundlagenwissenschaftlich orientierten Sprachtherapieforschung geht
es weniger um den lebenspraktischen Nutzeffekt von sprachtherapeutischen
Maßnahmen,
sondern
um
die
Entwicklung
und
Überprüfung
von
Theoriesystemen, durch die modellhaft dargestellt werden kann, welche Wirkund Lernmechanismen sprachtherapeutischen Maßnahmen zugrunde liegen.
Durch solche Modelle soll erklärbar sein, warum und wie bestimmte
therapeutische
Vorgehensweisen
bei
bestimmten
Patienten
zu
den
erwünschten Leistungssteigerungen führen und andere nicht. Tatsächlich
werden manche Therapiestudien sogar mit dem völlig „untherapeutischen“ Ziel
durchgeführt, bestimmte Modellvorstellungen zur Sprachverarbeitung oder
zum Spracherwerb zu überprüfen. Beispielsweise nehmen die amerikanischen
Aphasieforscherinnen Sloan-Berndt und Mitchum in einer 1994 publizierten
Arbeit an, dass in den modularen Wortverarbeitungsmodellen aus der
5
6
Logogen-Familie mehr Wechselwirkungen zwischen den Komponenten als
bisher
angenommen
werden
müssen,
weil
in
Therapiestudien
Generalisierungseffekte beobachtet wurden, die bei strenger Modularität nicht
erklärbar
wären.
Ähnliche
Beispiele
finden
sich
auch
im
Sprachentwicklungsbereich: Studien, in denen Veränderungen des elterlichen
Kommunikationsverhaltens
zur
Unterstützung
des
sprachlichen
Strukturaufbaues eingesetzt wurden, können unter anderem einen Beitrag zu
der immer noch kontroversen theoretischen Frage leisten, welche Rolle der
sprachliche Input im normalen und gestörten Erstspracherwerb spielt (z. B.
Shatz et al.1989, Weinert & Müller 1996).
Für den Nachweis der klinischen Effektivität und der Effizienz ist es im Prinzip
nicht unbedingt erforderlich, dass Therapieeffekte theoretisch interpretiert
werden. Ein Therapieverfahren kann aus klinisch-therapeutischer Sicht immer
dann als effektiv gelten, wenn es nachweislich zu den gewünschten
Verhaltensänderungen
beziehungsweise
Leistungsverbesserungen
führt,
selbst wenn die hierbei zugrunde liegende Wirkmechanismen völlig unbekannt
bleiben. Umgekehrt lässt die Fundierung einer Therapiemethode durch ein
theoretisch plausibles Modell noch keine zuverlässige Vorhersage über die
Wirksamkeit der Methode im klinischen Sinne zu.
Dennoch spielen Theoriesysteme auch für die angewandte, klinischtherapeutische Forschung eine wichtige Rolle. So ist es auch aus klinischer
Sicht
durchaus
wichtig
nicht
nur
zu
wissen,
dass
eine
bestimmte
sprachtherapeutische Maßnahme wirkt, sondern auch durch welche kognitiven
oder psychosozialen Veränderungen diese Wirkeffekte bedingt sind. Durch die
theoretische
Interpretation
von
Ursache-Wirkungs-Relationen
können
allgemeine Gesetzmäßigkeiten, die dem therapeutischen Prozeß zugrunde
liegen, besser verstanden werden. Hierdurch könnten auch klinischtherapeutisch
relevante
Therapieverfahrens
für
Vorhersagen
zukünftige
über
Patienten
die
Wirksamkeit
möglich
sein,
oder
eines
der
Wirkungsgrad von Therapiemethoden könnte durch ein besseres Verständnis
der zugrundeliegenden Mechanismen optimiert werden. Auch in Bezug auf
diesen
Fragenkomplex
kann
die
Sprachtherapieforschung
auf
dem
gegenwärtigen Stand allerdings nur sehr vorläufige Antworten anbieten.
.
Die Liste der Fragestellungen, mit denen sich die Sprachtherapieforschung
gegenwärtig und in Zukunft zu beschäftigen hat, könnte sicher noch verlängert
und ausdifferenziert werden. Es dürfte auf der Hand liegen, dass es aufgrund
der Vielschichtigkeit und Komplexität dieses Fragenkataloges den „Königsweg“
für
sprachtherapeutische
Forschung
nicht
geben
kann.
Spezifische
Forschungsansätze und einzelne Untersuchungen, wie aufwendig sie auch
geplant und wie stringent sie auch durchgeführt sein mögen, können
6
7
bestenfalls
einen
spezifischen,
begrenzten
Beitrag
zu
diesem
Forschungsprogramm leisten. Das Gesamtbild ergibt sich erst aus einer
Vielzahl
aufeinander
bezogener
experimenteller
und
konzeptueller
Puzzelsteine.
Die beiden US-amerikanischen Sprachtherapieforscher(innen) Schwartz und
Whyte haben 1992 ein Ordnungsraster vorgeschlagen, das es ermöglichen
soll, die Koordinaten dieses Gesamtbildes abzustecken und damit den Beitrag
einzelner Studien zum Stand der Forschung besser einordnen und einschätzen
zu können. Dieses Ordnungsraster stellt sozusagen einen Versuch dar, die
Struktur des Forschungsprogramms der Sprachtherapieforschung mit all ihren
vielfältigen Zielen und Fragestellungen zu verdeutlichen und dabei besonders
auch die Beziehungen zwischen den verschiedenen Forschungsfragen.
Das Schema von Schwartz und Whyte lehnt sich an eine Systematik der WHO
(1980, 92) zum Gesundheitsbegriff an und versucht, Ursachen und
Auswirkungen von Sprachstörungen
- ebenso wie Bemühungen zu deren
Erforschung und Behandlung auf den folgenden Ebenen zu beschreiben (vgl.
Abbildung 2).
Hier Abb. 2
Jede Person ist in vielfältiger Hinsicht in ihre soziale Umwelt eingebettet und
partizipiert an dieser, indem sie nach den gesellschaftsüblichen Konventionen
interagiert und kommuniziert.
Die Kommunikation findet ihr verbales Ausdrucksmittel in verschiedenen
sprachlichen Alltagsaktivitäten, wie Benennen von Gegenständen, Personen,
Situationen und Handlungen, auditives Verstehen und Lesesinn-Verstehen von
Wörtern, Sätzen und Texten, usw..
Der Fähigkeit zur Ausführung dieser sprachlichen Alltagsaktivitäten liegen
wiederum
spezialisierte
kognitive
Mechanismen
zugrunde,
die
aus
verschiedenen Funktionsbausteinen bestehen, wie etwa die Komponenten des
mentalen Lexikons oder syntaktische Verarbeitungssysteme. Erst durch den
Aufbau und das Zusammenwirken dieser kognitiven Funktionseinheiten wird
eine optimale, das heißt flexible, effektive und zuverlässige Ausführung der
sprachlichen Aktivitäten und damit eine optimale verbale Partizipation am
gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Partizipation am gesellschaftlichen
Zusammenleben wird also in dieser Konzeption über die Fähigkeit zur
Ausführung sprachlicher Alltagsaktivitäten vermittelt und diese wiederum sozusagen tieferliegend - über die Funktionsfähigkeit sprachrelevanter
kognitiver Mechanismen. Wie können nun Sprachstörungen in dieses
Kommunikationsmodell eingeordnet werden (vgl. Abbildung 3)?
7
8
Hier Abb. 3
Auf der kognitiven oder „Funktions-Ebene“ werden Sprachstörungen in diesem
Modell interpretiert als Schädigung oder Entwicklungsstörung einer oder
mehrerer kognitiver Verarbeitungssysteme. Beeinträchtigungen auf dieser
Ebene werden von den Autoren als „Impairments“ bezeichnet, was man
vielleicht am besten mit „Funktionsstörung“ übersetzen könnte. Die Begriffe
und Terminologien, die zur Beschreibung einer Funktionsstörung verwendet
werden, sind in der Regel nicht der Alltagssprache entnommen, sondern
entstammen
spezifischen
Modellvorstellungen
zur
Sprachverarbeitung
beziehungsweise zum Spracherwerb. Diese ausgeprägte Theorie-Abhängigkeit
von Taxonomien auf der Funktions-Ebene bringt es übrigens auch mit sich,
dass Sprachstörungen hier von Studie zu Studie zum Teil sehr unterschiedlich
definiert werden und in Abhängigkeit von der rasch sich vollziehenden
Theorieentwicklung ebenfalls einem raschen Wandel unterworfen sind.
Am offensichtlichsten sind die Auswirkungen von Sprachstörungen auf der
Ebene der
sprachlichen Aktivitäten. Sprachstörungen bringen für die
betroffenen Personen immer eine Einschränkung in ihren individuellen
sprachlichen
Ausdrucks-
oder
Verstehensaktivitäten
mit
sich.
Solche
Beeinträchtigungen werden von Schwartz und Whyte als „Disabilities“
bezeichnet. Sie resultieren aus einer oder mehreren „Impairments“, werden
also mit Bezug auf die Funktions-Ebene erklärt. Im Unterschied zu den
Störungen der Funktionen werden Beeinträchtigungen der sprachlichen
Aktivitäten aber nicht als Eigenschaften kognitiver Systeme, sondern als
Eigenschaften von Personen aufgefaßt. Zur Beschreibung von sprachlichen
Beeinträchtigungen werden in der Regel auch nicht so sehr theorieabhängige,
sondern alltagssprachlich verständliche Termini verwendet wie zum Beispiel
„schlechtes Verstehen für Aufforderungen und Instruktionen“, „Störungen der
Satzplanung“
Abgrenzung
oder
„mangelndes
Störungsbewusstsein“.
zwischen der Funktionen- und der
Die
genaue
Aktivitäten-Ebene ist
konzeptuell und auch empirisch sicher nicht ganz unproblematisch, da auf die
abstrakte Ebene der Funktionen immer nur sekundär über die Beobachtung
des individuellen Aktivitätenprofils geschlossen werden kann.
Auf
der
Ebene
der
Partizipation
werden
die
kommunikativen
und
psychosozialen Konsequenzen eingeschränkter sprachlicher Aktivitäten ins
Auge gefasst. Die Autoren sprechen hier von Handicap, was in etwa mit
„kommunikative Behinderung“ übersetzt werden kann. So können die
Patienten
aufgrund
von
Einschränkungen
sprachlicher
Aktivitäten
möglicherweise nur noch weniger effektiv kommunizieren und damit ihre
8
9
sozialen Rollen und Aufgaben als Schüler, Spielpartner, Arbeitnehmer,
Ehepartner oder Elternteil nur noch eingeschränkt wahrnehmen.
Man könnte übrigens noch eine weitere Beschreibungsebene hinzufügen, die
in dem ursprünglichen Konzept von Schwartz und Whyte nicht explizit
vorgesehen
ist,
nämlich
die
Ebene
der
organischen,
das
heißt
neurophysiologischen Strukturen. Die verschiedenen kognitiven Funktionen
basieren auf spezifischen hirnorganischen Mechanismen, deren Schädigung
in vielen Fällen als ursächlich für die vorliegenden Sprachstörungen
angesehen werden muss. Allerdings kann therapeutisch auf diese Ebene in
der Regel bisher wenig Einfluss genommen werden, abgesehen von vereinzelt
erprobten
pharmakologischen
Therapien,
chirurgischen
obskuren
hirngymnastischen
Trainings.
Der
Schädigung“
ist
allerdings
sicher
Begriff
insbesondere
im
Eingriffen
oder
„hirnorganische
Hinblick
auf
entwicklungsbedingte Sprachstörungen noch etwas unglücklich gewählt. Für
die Sprachtherapieforschung wird die hirnorganische Ebene aber im Zeitalter
der neuen Bildgebungstechnologien zumindest diagnostisch, prognostisch und
auch für Nachweis sprachtherapeutischer Wirkeffekte von zunehmender
Bedeutung sein (z. B. Goldenberg & Spatt 1994, Price et al. 1993).
In welcher Weise hilft nun diese Ebenen- und Störungstaxonomie bei der
Einordnung der Ziele und Fragestellungen von Sprachtherapiestudien?
Schwartz und Whyte gehen davon aus, dass bei der Planung einer
Therapiestudie in der Regel die folgenden drei zentralen Planungselemente
inhaltlich ausgestaltet werden müssen (vgl. Abbildung 4):
Hier Abb. 4
Erstens, ein Untersuchungsverfahren (oder Assessment), mit dessen Hilfe die
sogenannte Baseline ermittelt wird, das ist das sprachliche und kommunikative
Leistungsniveau vor der experimentellen Therapiephase.
Zweitens ein experimentelles Therapieverfahren, das auf die Verbesserung
bestimmter sprachlicher oder kommunikativer Leistungen abzielt und dessen
Wirkung eben in der Studie überprüft werden soll. Die Autoren nennen dieses
Planungselement den Therapiefokus.
Drittens, ein Evaluationsverfahren, mit dessen Hilfe sprachliche oder
kommunikative Veränderungen nach der experimentellen Therapie – also der
Outcome – ermittelt und beurteilt werden kann.
Diese drei Planungselemente sind übrigens keineswegs nur bei der
Durchführung einer wissenschaftlichen Therapiestudie zu berücksichtigen,
sondern ebenso bei der klinisch-praktischen Therapieplanung, zumindest
dann, wenn eine kontrollierte, das heißt evaluierbare Therapiepraxis
angestrebt wird.
9
10
Bei der inhaltlichen Ausgestaltung dieser drei Planungselemente kann man
sich nun an den eben dargestellten Ebenen der Beschreibung von
Sprachstörungen orientieren, wie dies von Schwartz und Whyte mit Hilfe eines
zweidimensionalen Ordnungsrasters, der sog. IDH-Matrix (vgl. Abbildung 5),
verdeutlicht
wird:
Die
Abkürzung
IDH
lässt
sich
aus
den
drei
Beschreibungsebenen Impairment, Disability und Handicap ableiten.
Hier Abb. 5
Der sog. Modell- oder kognitiv orientierte Ansatz in der Therapieforschung (der
übrigens seit einiger Zeit nicht nur bei erworbenen, sondern auch bei
entwicklungsbedingten
Sprachstörungen
erprobt
wird)
konzentriert
sich
beispielsweise hinsichtlich aller drei Planungselemente auf die FunktionsEbene. Es wird ein modellbezogenes Assessment durchgeführt, durch das
Funktionsstörungen in einem Verarbeitungsmodell näher bestimmt werden.
Danach wird ein Therapieverfahren entwickelt und durchgeführt, dass speziell
auf die Beeinflussung dieser Funktionsstörungen abzielt, und schließlich wird
der Outcome der Therapie wieder mit Bezugnahme auf die Funktionsebene
untersucht, indem der Wirkeffekt der Therapie als Fazilitierung, Reaktivierung,
Reorganisation oder Umgehung spezifischer Komponenten oder Routen des
Verarbeitungssystems
interpretiert
wird.
Dabei
bleiben
im
kognitiven
Forschungsansatz die Ebenen der Aktivitäten und der Partizipationen oft
weitgehend unberücksichtigt, indem zum Beispiel nicht ermittelt wird, ob etwa
eine Reaktivierung der segmentalen Leseroute tatsächlich auch zu einer
verbesserten Lesefähigkeit für ganze Sätze oder sogar Texte führt, also zu
Verbesserungen auf der Aktivitäten-Ebene oder gar dazu, dass der Patient
wieder vermehrt durch Lesen (z. B. von Zeitschriften oder Briefen) an seiner
Umwelt partizipiert.
Das bedeutet aber nun keineswegs, dass eine solche theoretisch motivierte
Studie wertlos für die Sprachtherapieforschung wäre, sondern lediglich, dass
sie einen wichtigen aber zwangsläufig begrenzten Beitrag zum Gesamtbild zu
leisten vermag..
Hier Abb. 6:
Forschungen zu sogenannten kommunikativ-pragmatischen Therapieansätzen
(vgl. Abbildung 6) konzentrieren sich dagegen primär auf die Ebene der
Partizipation. Die von Davis und Wilcox (1985) für die Aphasietherapie
entwickelte PACE-Methode sucht beispielsweise ihre primäre therapeutische
Zielsetzung zweifellos nicht in einer möglichst gezielten Einflussnahme auf
kognitive
Verarbeitungssysteme
sondern
in
einer
Förderung
der
10
11
kommunikativen Effektivität. Auch auf dieser Ebene ist übrigens eine
modelltheoretische Fundierung möglich, wobei die Modelle natürlich nicht aus
der Kognitionswissenschaft, sondern aus weniger mechanistischen Disziplinen
der humanwissenschaftlichen Forschung stammen müssen, etwa aus der
linguistischen Pragmatik oder aus der Sozialpsychologie.
Durch
die
vorhin
schon
erwähnten
„functional-messuares“
können
Assessment und Outcome-Evaluation ebenfalls auf die kommunikativpragmatische Ebene ausgerichtet werden.
Der Vorzug einer stringenten Orientierung an der Partizipations-Ebene liegt
zweifellos im klinisch-therapeutischen Bereich. Es können Auswirkungen von
Therapiemaßnahmen auf das Alltagsleben und die Kommunikationsfähigkeit
der Betroffenen überprüft werden. Der Nachteil ist allerdings, dass die
komplizierten mentalen Wirkmechanismen, die den Therapiemaßnahmen
zugrunde liegen, in der Regel unbekannt bleiben.
Wodurch wurde die
Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit denn gegebenenfalls. erzielt, etwa
durch eine Reaktivierung beeinträchtigter kognitiver Funktionen, durch den
verstärkten
Einsatz
kompensatorischer
Kommunikationsstrategien,
durch
eine
verbaler
Stärkung
oder
des
nonverbaler
kommunikativen
Selbstbewusstseins oder durch eine Entlastung der allgemeinen oder
speziellen
kapazitären
Anforderungen
an
das
geschädigte
Verarbeitungssystem? Diese und viele andere interpretatorische Fragen
gehören zweifellos auch in das Zentrum sprachtherapeutischer Forschung und
die
entsprechenden
Antworten
würden
wesentlich
zu
einem
tieferen
Verständnis dessen führen, was man mit sprachtherapeutischen Maßnahmen
eigentlich bewirkt.
Es ist nun weiterhin keineswegs erforderlich, dass in einer Studie bezüglich
aller Planungselemente auf dieselbe Ebene fokussiert wird, wie in den beiden
gerade genannten Beispielen. Im Gegenteil ergeben sich besonders wichtige
Fragestellungen
aus
einer
Ebenen-übergreifenden
oder
verbindenden
Perspektive. Beispielsweise nehmen verschiedene Autoren an, dass eine
wesentliche Ursache für das Ausbleiben des klinisch so wichtigen Transfers
von Therapieeffekten auf die Aktivitäten-Ebene darin zu suchen sein könnte,
dass multiple Störungen auf der Funktionen-Ebene vorliegen und dass in der
Therapie eben nicht alle die Aktivität beeinträchtigenden Funktionsstörungen in
hinreichendem Ausmaß positiv beeinflusst werden konnten.
Hier Abb. 7:
Es könnten also im Assessment-Verfahren durchaus verschiedene spezifische
kognitive Defizite auf der Funktionen-Ebene ermittelt und diese auch gezielt in
der Therapie behandelt werden, während die Outcome-Evaluation auf der
11
12
Ebene der sprachlichen Aktivitäten (oder auch auf der kommunikativpragmatischen Ebene) ansetzt (vgl. Abbildung 7).
Weitere
ebenenübergreifende
Fragestellungen
ergeben
sich
für
methodenvergleichende Therapiestudien. Es kann beispielsweise keineswegs
als geklärt gelten, ob ein kognitives Funktionstraining geeigneter ist, um
Beeinträchtigungen auf der Ebene der sprachlichen Aktivitäten zu vermindern
oder ein kommunikativ-pragmatisches Therapieverfahren (vgl. Abbildung 8).
Hier Abb. 8:
Nicht nur in der Aphasietherapie, sondern auch in der Therapie von
Sprachentwicklungsstörungen wurde ja in den letzten Jahren immer wieder die
Annahme vertreten, dass sprachlicher Strukturaufbau niemals in isolierten
linguistischen Funktionsübungen sondern nur eingebunden in eine sinnvolle
Kommunikationssituation erzielt werden kann. Tatsächlich gehört es aber
ebenfalls zu den empirisch nach wie vor noch unzureichend geklärten Fragen
der Sprachtherapieforschung, ob Therapiemaßnahmen eher oben oder unten
in der IDH-Matrix ansetzen sollten. Wahrscheinlich können sogar eher durch
eine gezielte Kombination oder Sukzession der Ansätze optimale Ergebnisse
erzielt werden (vgl. Springer et al. 1991).
Die Sprachtherapieforschung hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten durch
eigene Anstrengungen aber auch durch Kooperation mit benachbarten
Wissenschaftsbereichen rasant entwickelt, wobei eine Vielzahl neuer,
differenzierter, höchst unterschiedlich motivierter Fragestellungen und daran
angepaßter
Forschungsansätze
entstanden
ist.
Vielleicht
ist
diese
Differenzierung des Gegenstandsbereiches sogar der deutlichste Beleg für die
Weiterentwicklung dieser komplexen Disziplin an der Schnittstelle zwischen
verschiedenen theoretischen Gebieten und klinisch-therapeutischer Praxis,
wenn auch viele der anstehenden Fragen noch weit von einer klaren und
unkontroversen Antwort entfernt sein mögen.
Keiner der zur Zeit verfügbaren methodischen und theoretischen und klinischpraktischen Forschungsansätze ist isoliert in der Lage, die vielfältigen
Probleme, die sich bei der Erforschung und Verbesserung von Effekten
sprachtherapeutischer Maßnahmen ergeben, zu bewältigen. Viele sinnvolle
Fragen und Ziele werden also in der modernen Sprachtherapieforschung
verfolgt, und das ist der Komplexität des Gegenstandsbereichs auch
vollkommen angemessen.
Aus dieser toleranten Grundposition sollte nun aber keineswegs abgeleitet
werden, dass jede nur erdenkliche Studie für das Gesamtprogramm
gleichermaßen weiter- und zielführend wäre, weil man eben über die
12
13
Angemessenheit wissenschaftlicher Methoden trefflich streiten kann und weil
wohl fast jede Fragestellung irgendwo im Forschungsprogramm ihr Plätzchen
finden wird. Es gibt auch in der Sprachtherapieforschung durchaus
Qualitätsstandards zu verteidigen und diese werden in der Literatur auch
immer wieder angemahnt. So ergeben sich Kriterien für „gute, zielführende
Forschung“ unter anderem aus den Fragestellungen, die ich vorhin als
empirisch-methodisch motiviert bezeichnet habe. Poling und Grossett (1986)
benennen zum Beispiel die folgenden vier Qualitätsmerkmale für glaubhafte
und aussagekräftige Therapieforschung:
-
Das zu variierende Verhalten muss auf detaillierte und objektive Weise
definiert und erfasst werden.
-
Die in ihrer Wirksamkeit zu überprüfende Therapiemethode muss
konsistent und entsprechend dem zuvor festgelegten Therapieprotokoll
durchgeführt werden.
-
Die Versuchsplanung muss es erlauben, die Veränderungen der
sprachlichen
Leistungen
auf
den
Einfluss
der
Therapiemethoden
zurückzuführen und den Einfluss von Störvariablen zu kontrollieren.
-
Die Charakteristika der behandelten Patienten müssen genau beschrieben
werden, um die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse in nachfolgenden
Studien überprüfen zu können.
Als weiteres Qualitätsmerkmal fordert Kearns (1992) außerdem die explizite,
sorgfältig geplante Einbettung einer Studie in ein Forschungsprogramm. Die
inhaltliche Vernetzung von Fragestellungen und Studien ist von großer
Bedeutung für den Fortschritt jeder wissenschaftlichen Disziplin. Kearns
diskutiert
in
diesem
Zusammenhang
verschiedene
sogenannte
Forschungsstile:
Einen programmatischen Forschungsstil
ist dann gegeben, wenn durch
Vernetzung mehrerer Forschergruppen in einer Reihe von follow-up- und
Replikationsstudien Forschungsbemühungen gebündelt werden um für einen
längeren Zeitraum an einer klar definierten gemeinsamen Fragestellung zu
arbeiten.
In einer Überblicksarbeit von Kearns und Thompson (1991), in der 73
verschiedene Einzelfall- und Gruppenstudien der Aphasietherapieforschung
berücksichtigt wurden, fand sich allerdings nur bei circa zehn Prozent der
Studien ein solcher programmatischer Forschungsstil.
Dagegen wurde bei mehr als 80 Prozent der Studien ein eher unvernetzter
Forschungsstil festgestellt, (den die Autoren etwas euphemistisch als
„independant“ also als „unabhängig“ bezeichnen). Hierbei wenden sich die
Forscher oder Forschergruppen einer oft wechselnden, relativ breiten Palette
von eher heterogenen Fragestellungen zu, ohne dass diese gezielt
13
14
aufeinander oder auf ein genau definiertes gemeinsames Projekt ausgerichtet
wären. Die Auswahl einer zu bearbeitenden Frage hängt dabei oft weniger
davon
ab,
welche
spezifischen
Problembereiche
innerhalb
eines
Forschungsprogramms gerade anstehen, sondern primär davon, ob sich
zufällig gerade eine Gelegenheit bietet, eine bestimmte Fragestellung zu
untersuchen.
Für
die
Sprachtherapieforschung
wäre
mehr
Bündelung
von
Forschungsbemühungen zweifellos äußerst hilfreich und weiterführend. Durch
mehr arbeitsteilige, und doch aufeinander bezogene Anstrengung bestünde
wahrscheinlich die größte Chance, dass sich die bisher vorliegenden
Puzzleteile zu einem schlüssigeren Gesamtbild zusammenfügen lassen. Einige
diesbezüglich besonders wichtige Fragestellungen ergeben sich ja wie bereits
erläutert aus der Struktur der IDH-Matrix.
Die Bewältigung dieser komplexen wissenschaftlichen Aufgabe ist natürlich nur
mit Hilfe einer entsprechend umfangreichen, interdisziplinären, national und
international vernetzten Forschungsinfrastruktur möglich, und hier sind
sicherlich auch berufs- und bildungspolitische Fragen berührt, etwa zur
Akademisierung der logopädischen Grundausbildung in Deutschland oder
auch
zur
dringend
zersplitterten
und
erforderlichen
von
Zusammenführung
divergierenden
der
gegenwärtig
Standesinteressen
geprägten
sprachtherapeutischen Berufslandschaft.
Ganz zum Schluss sei nun noch kurz etwas
zum Verhältnis von
Sprachtherapieforschung und berufspraktischer sprachtherapeutischer Realität
gesagt, dass, wie in vielen klinischen und therapeutischen Handlungsfeldern
nach meiner Beobachtung nicht immer als besonders entspannt und
kooperativ bezeichnet werden kann. Die wirklichen Praktiker (ich meine jetzt
nicht anwendungsorientierte Therapieforscher, sondern die, die sich täglich
einer Vielzahl äußerst unterschiedlicher Störungsbilder und menschlicher
Schicksale
zuzuwenden
haben),
könnten
wahrscheinlich
zu
der
Schlussfolgerung kommen, dass all die komplizierten Fragen, die in dem hier
vorliegenden Beitrag skizziert wurden, nur herzlich wenig mit dem zu tun
haben, was sich zwischen ihnen und den unmittelbar oder mittelbar
Betroffenen in ihren Therapieräumen tatsächlich abspielt. Letztlich entscheiden
sicher oftmals höchst subjektive - und einer objektiven Analyse auch kaum
zugänglichen Kriterien - über Erfolg oder Misserfolg einer Therapiemaßnahme.
Die subjektive Bewertung des Erfolges mag wohl oftmals nur im persönlichen
Vertrauensverhältnis zwischen Patient beziehungsweise Klient und Therapeut
möglich sein, und der Anspruch einer wissenschaftlich glaubhaften Evaluation
kann hier durchaus als Störfaktor wirken. Nicht alles, was Sprachtherapeuten
in der täglichen Berufspraxis an Leistungen für die Betroffenen erbringen, ist
14
15
einer
wissenschaftlichen
Sprachtherapieforscher
Evaluation
müssen
zugänglich
noch
lange
und
keine
exzellente
exzellenten
Sprachtherapeuten sein (meiner persönlichen Erfahrung nach sind sie es
sogar oftmals nicht, vielleicht weil die jeweiligen Berufsangehörigen ihre
Verantwortlichkeiten sehr unterschiedlich definieren). Die wissenschaftliche
Evaluation von klinisch-therapeutischen Maßnahmen hat sich zweifellos und
vielleicht sogar in besonderem Maße immer auch an ethischen Grenzen zu
orientieren. Der Würde der hilfesuchenden Menschen in ihrer individuellen, von
Behinderung geprägten Lebenssituation muß gegenüber dem Streben nach
wissenschaftlicher Stringenz und Glaubwürdigkeit zweifellos in vielen Fällen
Vorrang eingeräumt werden. Dennoch und unter Beachtung dieser ethischen
Grenzen wird auch die praktische Sprachtherapie – ob sie will oder nicht – in
zunehmendem Maße in die Verantwortung genommen werden, die von ihr
angebotenen therapeutischen Maßnahmen wissenschaftlich zu reflektieren
und dabei die Frage zu beantworten: "Was können wir über die Wirkung von
Sprachtherapie heute zuverlässig und objektiv wissen und erklären über die
subjektive Einschätzung von Patient und Therapeut hinaus?"
Autor:
Prof. Dr. phil. Jürgen Cholewa
Institut für Sonderpädagogik
Pädagogische Hochschule
69120 Heidelberg
e-mail: [email protected]
Kurzbiografie
Jürgen Cholewa (Jahrgang 1962) studierte Linguistik, Psychologie und
Pädagogik an den Universitäten Bonn und Köln, seine Ausbildung zum
Logopäden absolvierte er an der RWTH Aachen. Nach der Promotion an der
Universität Frankfurt a.M. habilitierte er sich mit Unterstützung der Deutschen
Forschungsgemeinschaft (DFG) an der Universität Potsdam.
Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter in verschiedenen DFG-Projekten zur
modellorientierten
Diagnostik
und
Sprachtherapieforschung
an
der
Neurologischen Klinik der RWTH Aachen sowie am Institut für Linguistik der
Universität Potsdam. Seit 1998 ist Cholewa Professor für angewandte
Sprachwissenschaft am Institut für Sonderpädagogik der PH Heidelberg. Seine
gegenwärtigen Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen erworbene
und entwicklungsbedingte Schriftsprachestörungen und Aphasietherapie.
15
16
Literatur:
Literatur:
Barlow, D. H. & Hersen, M. (1984). Single Case Experimental Designs: Strategies for
Studying Behavior Change. Boston: Alan & Bacon. 2nd Edition.
Caramazza, A. (1989). Cognitive neuropsychology and rehabilitation: An unfulfilled
promise? In X. Seron & G. Deloche(eds.), Cognitive Approaches in Neuropsychological
Rehabilitation. Hillsdale: Lawrence Erlbaum Associates.
Carlomagno, S., Iavarone, A. & Colombo, A. (1994). Cognitive approaches to writing
rehabilitation: From single case to group studies. In M. J. Riddoch & G. W. Humphreys
(eds.), Cognitive Neuropsychology and Cognitive Rehabilitation. Hillsdale: Lawrence
Erlbaum Associates.
Coltheart, M. (1983). Aphasia therapy research: A single case study approach. In C. Code &
D. J. Muller (eds.), Aphasia therapy. London: Arnold.
Conti-Ramsden, G. (1993). Using parents to foster communicatively impaired children’s
language development. Seminars in Speech and Language, 14, 289-295.
David, R., Enderby, P. & Bainton, D. (1982) Treatment of acquired aphasia: Speech therapists and
volunteers compared. Journal of Neurology, Neurosurgery and Psychiatry, 45, 957-961.
Davis, G.A. & Wilcox, M.J. (1985) Adult Aphasia Rehabilitation: Applied Pragmatics. San
Diego: College-Hill Press.
De Partz, M.P. (1986) Reeducation of a deep dyslexic patient: Rationale of the method and results.
Cognitive Neuropsychology, 3, 149-177.
Ehri, L., Nunes, S. R., Willows, D. M., Schuster, B. V., Yahhoub-Zadeh, Z. & Shananan, T.
(2001). Phonemic awareness instruction helps children learn to read: Evidence from the
National Reading Panel’s meta-analysis. Reading Research Quarterly, 36(3), 250-287.
16
17
Fikkert, P. ; Penner, Z. & Wymann, K. (1998) Das Comeback der Prosodie. Logos
Interdisziplinär, 6/2, 84-97
Fratalli, C. M. (1998). Measuring Outcomes in Speech-Language Pathology. New York:
Thieme.
Goldenberg, G. & Spatt, J. (1994). Influence of size and site of cerebral lesion on spontanous
recovery of aphasia and on success of language therapy. Brain and Language, 47, 684-698.
Grimm, H. (1994) Entwicklungskritische Dialogmerkmale in Mutter-Kind-Dyaden mit
sprachgestörten und sprachunauffälligen Kindern. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie
und Pädagogische Psychologie, 26, 35-52.
Hager, W. & Hasselhorn, M. (1995). Konzeption und Evaluation von Programmen zur
kognitiven Förderung: Theoretische Überlegungen. In W. Hager (Hrsg.), Programme zur
Förderung des Denkens bei Kindern. Göttingen: Hogrefe.
Holland, A. L. (1991). Pragmatic aspects of intervention in aphasia. Journal of
Neurolinguistics, 6, 197-211.
Howard, D., Patterson, K., Franklin, S,. Orchard-Lisle, V. & Morton, J. (1985a) The facilitation of
picture naming in aphasia. Cognitive Neuropsychology, 2, 49-80.
Johnston, J. M. & Pennypacker, H. S. (1986). Pure versus quasi behavioural research. In A.
Poling & R. W. Fuqua (eds.), Research Methods in Applied Behavior Analysis: Issues &
Advances (S. 29-54). New York: Plenum Press.
Julius, H., Schlosser, R. W. & Goetze, H. (2000). Kontrollierte Einzelfallstudien. Göttingen:
Hogrefe.
Kearns, K. P. (1992). Methodological issues in aphasia treatment research: A single subject
perspective. NIH Publication 93-3424, 2, US Department of Health and Human Services, 716.
17
18
Kearns, K.P. & Thompson, C.K. (1991) Technical drift and conceptual myopia: The Merlin Effect.
In Prescott, T. (ed.) Clinical Aphasiology, 19, Boston: College-Hill Press.
Lovett, M. W., Ransby, M. J., Hardwick, N., Johns, M. S. & Donaldson, S. A. (1989). Can
dyslexia be treated? Treatment-specific and generalized treatment effects in dyslexic
children’s response to remediation. Brain and Language, 37, 90-121.
Meikle, M., Wechsler, E., Tupper, A., Benenson, M., Buttler, J., Mulhall, D. & Stern, G. (1979)
Comparative trial of volunteer and professionel treatments of dysphasia after stroke. British
Medical Journal, 2, 87-89.
Mitchum, M. S. (1992). Treatment generalization and the application of cognitive
neuropsychological models in aphasia therapy. NIH Publication 93-3424, 2, US Department
of Health and Human Services, 99-116.
Poling, A. & Grosset, E.(1986) Basic research designs in applied behavior analysis. In Poling, A. &
Fuqua, R.W. (eds.) Research Methods in Applied Behavior Analysis:Issues ans Advances. New
York: Plenum Press.
Price, C., Wise, R., Howard, D., Warburton, E. & Frachowiak, R. (1993). The role of the right
hemisphere in the recovery of language after stroke. Journal of Cerebral Blood Flow and
Metabolism, 13, 520.
Robey, R. R. (1994). The efficacy of treatment for aphasic persons: A meta analysis. Brain
and Language, 47, 582-608.
Schoonen, R. (1991). The internal validity of efficacy studies: Design and statistical power in
studies of language therapy for aphasia. Brain and Language, 41, 446-464.
Schwartz, M. F. & Whyte, J. (1992). Methodological issues in aphasia treatment research:
The big picture. US Department of Health and Human Services, NIH Publication 93-3424,
(2), 17-24.
18
19
Seron, X. (1997). Effectiveness and specificity in neuropsychological therapies: A cognitive
point of view. Aphasiology, 11, 105-123.
Seymour, P. H. K. & Bunce, F. (1994). Application of Cognitive Models to Remediation in
Cases of Developmental Dyslexia. In M. J. Riddoch & G. W. Humphreys (eds.), Cognitive
Neuropsychology and Cognitive Rehabilitation. Hillsdale: Lawrence Erlbaum Associates.
Shatz, M., Hoff-Ginsberg, E. & Maciver, D. (1989). Induction and the acquisition of English
auxiliaries: the effects of differentially enriched input. Journal of Child Language, 16, 121140.
Sloan Berndt, R. & Mitchum, C.C. (1994) Approaches to the rehabilitation of “phonological
assembly”: Elaborating the model of nonlexical reading. In M. J. Riddoch & G. W.
Humphreys (eds.), Cognitive Neuropsychology and Cognitive Rehabilitation. Hillsdale:
Lawrence Erlbaum Associates.
Springer, L. , Glindemann, R., Huber, W. & Willmes, K. (1991) How efficacious is PACE-therapy
when "Language Systematic Training" is incorporated? Aphasiology, 5, 391-401.
Tannock, R. & Girolametto, L. (1992) Reassessing parent-focused language intervention
programs. In S. Warren u. J. Reichle (Eds.) Causes and effects in communication and
Language Intervention. Baltimore: Paul Brookes.
Thompson, C. K. (1992). A neurolinguistic approach to sentence production treatment and
generalization research in aphasia. NIH Monograph No. 93-3424, Vol. 2, 117-134.
Thompson, C.K. (1989) Generalization in the treatment of aphasia. In McReynolds, L.V. &
Spradlin (eds.) Generelization Strategies in the Treatment of Communication Disorders. New
York: B.C. Decker.
Weinert, S. & Müller, C. (1996) Erleichtert einer akzentuierte Sprachmelodie die
Sprachverarbeitung? Eine Untersuchung zur Verarbeitung rythmisch-prosodischer
Informationen bei dysphasisch-sprachgestörten Kindern. Zeitschrift für
Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, Band XXVIII, Heft 3, 228-256.
19
20
WHO (1980, 1992). International Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps.
Genf.
Wottawa, H. & Thierau, H. (1990). Lehrbuch Evaluation. Bern: Huber.
Vorschläge für zusammenfassende Merksätze zum Einstreuen in den Text:
Die moderne Sprachtherapieforschung beschäftigt sich mit einer Vielzahl unterschiedlicher Fragestellungen,
darunter empirisch-methodisch, klinisch-therapeutisch, modelltheoretisch und ökonomisch motivierte.
Heute geht es nicht mehr um die zu allgemein gestellte Frage „Wirkt Sprachtherapie?“ sondern um die
Frage: „ Bei wem bewirkt welche therapeutische Vorgehensweise was und warum?“
Der
objektive,
wissenschaftlich
glaubhafte
Nachweis
sprachtherapeutischer
Wirkeffekte
für
Patientengruppen und im Einzelfall ist eine anspruchsvolle Aufgabe.
Die Effektivität von sprachtherapeutischen Maßnahmen muß auch unter dem
Blickwinkel der
Alltagsrelevanz beurteilt werden.
Theoriesysteme haben in der angewandten Forschung eine wichtige Funktion bei der Aufklärung von
sprachtherapeutischen Wirkmechanismen
Die Überprüfung der Effizienz von Therapiemaßnahmen ist besonders aufgrund der angespannten Situation
der öffentlichen Gesundheitssysteme eine wichtige Aufgabe der Sprachtherapieforschung
Soziale, kommunikative Partizipation wird auch durch die Ausführung sprachlicher Alltagsaktivitäten und
diese wiederum tieferliegend durch kognitiv-sprachliche Verarbeitungsmechanismen ermöglicht.
Bei der Planung einer Therapiestudie oder einer kontrollierten Therapiemaßnahme müssen die Elemente
Assessment, Therapiefokus und Evaluation inhaltlich ausgestaltet werden
Die Planungselemente Assessment, Therapiefokus und Evaluation können je nach Fragestellung einer
Therapiestudie auf unterschiedliche Ebenen des IDH-Modells ausgerichtet werden.
Auch in der Sprachtherapieforschung müssen Qualitätsstandards eingehalten werden. Hierzu gehören eine
stringente Versuchsplanung und eine theoretische Fundierung sowie eine explizite Bezugnahme auf den
Forschungsstand.
20
21
Wissenschaftlicher und klinisch-therapeutischer Anspruch müssen in der Sprachtherapieforschung
miteinander in Einklang gebracht werden.
21
22
empirisch-methodisch
motiviert:
Ursache-Wirkungs-Relation
Verallgemeinerbarkeit
therapeutisch
motiviert:
u.
- für die gesamte Zielgruppe
- für Einzelfälle
individuelle Relevanz z.B.
- Nachhaltigkeit
- Generalisierung u. Transfer
- Kontrolle von Störvariablen
- Stichproben- bzw.
Fallcharakteristik
ökonomisch
motiviert:
Effizienz z.B.
- personelle Ressourcen (z.B.
Angehörige als KoTherapeuten, Therapieimmanenter Unterricht)
- Infrastrukturelle
Bedingungen
- Lebensqualität
grundlagenwissenschaftlich
motiviert:
theoretische Fundierung z.B.
- Wirkmechanismen (kognitiv,
kommunikativ, psychosozial)
- Ursachen für inter-individuelle
Variabilität von
Therapieeffekten
- Intensität und Dauer der
Therapie
Abb. 1: Fragestellungen der Sprachtherapieforschung
22
23
kognitive
Funktion
z.B.
sprachliche
Aktivität

z.B.
- phonol. Lexikon
- Benennen
- Morphosyntax
- Sprachverstehen
- Arbeitsgedächtnis
- Lesen
- verbale Semantik
- Schreiben
gesellschaftliche
Partizipation

z.B.
- Kommunizieren
- Interagieren
- Teilhabe am
sozialen Leben
- segmentale Routen
Abb. 2: Kommunikationsmodell in Anlehnung an Schwartz & Whyte 1992 (vgl.
auch WHO 1980, 92)
23
24
kognitive
Funktionen
sprachliche
Aktivitäten
soziale
Partizipation
Impairment:
Disability:
Handicap:
Funktionsstörung
Einschränkung von
kommunikative
sprachlichen Aktivitäten
Behinderung
Abb. 3: Ebenen der Beschreibung von Sprachbehinderungen
(in Anlehnung an Schwartz & Whyte 1992)
24
25
Impairment
(kognitiv)
Disability
(personal)
Handicap
(sozial)
Assessment
Therapiefokus
Evaluation
Abb. 4: IDH-Matrix (vgl. Schwartz & Whyte 1992)
25
26
Impairment
(kognitiv)
Assessment
Therapiefokus
Evaluation
Disability
(personal)
Handicap
(sozial)
X
X
X
Abb. 5: kognitive Ansätze
bei erworbenen Sprachbehinderungen
(z. B. de Partz 1986; Seron 1997, Carlomagno et al. 1994)
bei entwicklungsbedingten Sprachbehinderungen
(z. B. Seymour & Bunce 1994, Fikkert et al. 1998, Weinert & Müller 1996)
26
27
Impairment
Disability
Handicap
(kognitiv)
(personal)
(sozial)
X
X
Assessment
Therapiefokus
Evaluation
X
X
X
Abb. 6: kommunikativ-pragmatische bzw. interaktionistische Ansätze
bei erworbenen Sprachbehinderungen:
z. B. Davis & Wilcox 1985, Holland 1991
bei entwicklungsbedingten Sprachbehinderungen:
z.B. Tannock & Girolametto 1992; Conti-Ramsden 1993, Grimm 1994
27
28
Assessment
Therapiefokus
Evaluation
Impairment
Disability
Handicap
(kognitiv)
(personal)
(sozial)
X
X
X
X
X
Abb. 7: Generalisierungs- und Transferforschung (z.B. Mitchum 1992,
Thompson 1992)
28
29
Impairment
Disability
Handicap
(kognitiv)
(personal)
(sozial)
Assessment
Therapiefokus
Evaluation
X
X
X
X
Abb. 8: Effektivitätsvergleiche von Therapieansätzen (z.B. Springer et al.
1991, Lovett et al. 1989)
29
Herunterladen