Auguste Pattberg Gymnasium Mosbach Neckarelz - Fachbereich Mathematik - Betr.: Mosbach, Februar 1999 Beispiel einer Aufgabe für offene Fragestellungen, Anwendungsbezug und fächerübergreifende Thematik Ergebnisse der Fachkonferenz vom 28.1.1999 Aufgabenbeispiel zu "offene Fragestellungen, Anwendungsorientierung, fächerübergreifende Probleme" Text: Um die Bekämpfung von Schadinsekten zu optimieren, beobachtet man in gleichen Zeitintervallen (z.B.2 Wochen) die Dichte des Befalls, indem man die Anzahl der Insekten pro dm2 großflächig auszählt und dann den Mittelwert bildet. Diese Werte trägt man in ein Koordinatensystem ein. Mögliche Fragestellungen Schadinsekten pro dm2 denkbar Welche Fragestellungen sind für ein solches Problem relevant ? Welche analytischen Ansätze können zu ihrer Beantwortung beitragen ? Beschreiben Sie den zeitlichen Verlauf des Befalls durch ein möglichst einfache, aber für die Meßwerte passende ganzrationale Funktion.(alternativ: Funktionsgrad vorgeben) Welche Kriterien haben Ihre Wahl beeinflußt ? Bestimmen Sie die Gleichung einer solchen Funktion mit Hilfe der Meßwerte. Welche weiteren Informationen lassen sich mit Hilfe der Modellfunktion gewinnen ? Wo liegen die Grenzen, wenn nicht sogar Fehler des Modells ? 5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5 Zeitintervalle 6 Lösungen: Von Interesse sind: Maximaler Befall, Prognose des Befalls, Periode stärkster Vermehrung, durchschnittlicher Befall, Ende des Befalls. Mittels einer geeigneten Funktion, der Berechnung von Nullstellen, Extremstellen, Wendestellen, Steigungen und Flächenberechnungen lassen sich die oben genannten Fragen beantworten. Erstellung der Funktionsgleichung mit Hilfe geeigneter Wertepaare. 5 9 5 y x 3 x 2 x; x ( theoretisc h) 24 8 12 Da lineare Funktionen ausscheiden, quadratische Funktionen aber achsensymmetrische Schaubilder liefern, bleibt eigentlich nur eine Funktion dritten Grades übrig, zumal es sich um eine möglichst einfache ganzrationale Funktion handeln soll. Durchführung einer vollständigen Kurvendiskussion. N1(0/0); N2(0,4/0); N3(5/0) H(3,4/3,4); T(0,2/-0.04); W(1,8/1,7) Vervollständigen des Schaubildes (oder neu zeichnen). 0,2 5 0 0,2 Berechnung des f ( x )dx und f ( x )dx sowie des Quotienten Fläche . (Ergebnis: Durchschnitt = 1,83Ins/dm2) Zeit int ervall Kritische Auseinandersetzung mit dem Modell und seinen Ergebnissen. Prognose kaum möglich (erneuter Anstieg denkbar), negative Funktionswerte im Zeitintervall [0,1], unsichere Aussagen auf Grund der Diskrepanz zwischen diskret verteilten Meßdaten und stetiger, ja sogar differenzierbarer Modellfunktion. Vorbehalte und Kritik Die Kolleginnen und Kollegen des Fachbereichs Mathematik haben im Zuge einer Fachkonferenz eine Reihe von kritischen Aspekten zu solchen Fragestellungen formuliert. Die Fachkonferenz legt ebenfalls Wert auf die Feststellung, daß die Probleme mit den diesjährigen Abituraufgaben nicht im Anwendungsbezug zu suchen waren, sondern in einem durch den geforderten Umfang begründeten zeitlichen und handwerklichen Defizit. Außerdem erinnern sich alle noch sehr gut an eine frühere Fortbildungsveranstaltung zum Thema "Aufgabenstellung", in der damals (vor ca. 10 Jahren) verlangt wurde, daß Fragestellungen eindeutig und unmißverständlich Sinn und Frageinhalt der Aufgabe dokumentieren sollen (Hr. Fillbrunn!). Detailliert ist mit folgenden Problemen beim obigen Beispiel zu rechnen.: - Breiter und variabler Erwartungshorizont - Notwendigkeit intensiver Einübung - Leitcharakter der Einstiegsfrage - Grenzen von Anwendungsbezug und Offenheit der Fragestellung Verunsicherung von Schüler und Korrektor Überforderung, wenn der Schüler allen Eventualitäten gerecht werden will. Noch mehr Mängel im handwerklichen Bereich. Verlust der Flexibilität in der Anwendung von mathematischen Lösungsmethoden. Diskrepanz zwischen Strategie und rechnerischen Umsetzung. Bewertung unterschiedlichster Interpretationen. "Trifft der Schüler nicht das erwünschte Fahrwasser, so gerät er rechnerisch in Teufels Küche" Abitur: ??Thema verfehlt ?? Überforderung (bes. Grundkurs). Spielerei mit den Steckenpferden von Lehrern und Aufgabenstellern. Verlust der Vergleichbarkeit in Anforderung und Ergebnis. Mit kollegialem Gruß Die Kolleginnen und Kollegen des Fachbereichs Mathematik des Auguste Pattberg Gymnasiums, Mosbach Neckarelz i.A. Rudi Kolb