[ II]

Werbung
Kapitel 22
NGOs: Nach der Romantisierung die Entzauberung?
Die wachsende Kritik an der staatlichen EZA hatte ein Aufbäumen gegen die
undurchsichtigen Herrschaftsstrukturen zur Folge. Die Zivilgesellschaft wurde zum „dritten
Sektor“ zwischen Staat und Markt.
Zu diesem dritten Sektor gehören viele unterschiedliche Akteure, besonders die NGOs. Sie
unterscheiden sich als NPO (non-profit) vom profitorientierten Privatsektor und seinen
Interessensverbänden. Agieren sie in den OECD Ländern, firmieren sie als Nord NGO die mit
den Süd NGOs zusammenarbeiten. Die Hilfswerke der Kirchen haben einen eher
fragwürdigen NGO Status. Die Spender haben keine Entscheidungskraft über die
Verwendung der Gelder. Diese liegt bei der Kirche.
Viele Analytiker fanden den Ursprung der NGOs in Sozialen und Protestbewegungen. Vor
allem die renommierten NGOs betätigen sich aber nicht nur als Provokateure, sondern
betreiben auch Lobbytätigkeit für bestimmte Bereiche. Es gibt kuam noch Ministerien die
nicht mit NGOs kooperieren und versuchen sie bei Laune zu halten. Beide scheinen von
dieser Kooperation zu profitieren. Die Ministerien nutzen das Wissen der NGOs und
verringern das Protestpotenzial, die NGOs bekommen Zugang zum Herrschaftswissen und
können Beratungen beeinflussen. Diese Einflussnahme warf auch die Frage auf, ob es nicht
schon zu einer NGOisierung der Weltpolitik gekommen ist. Für Manche bilden NGOs noch
immer nur ein lautstarkes aber ohnmächtiges Störpotenzial. Für Andere hingegen werden sie
als demokratisches Gegengewicht zu den finsteren Mächten der Globalisierung hochstilisiert.
Weder das Eine noch das Andere Extrem wird seiner Rolle gerecht.
Welche Rolle und Funktion habe nun NGOs?
- Sie stören durch Proteste und Kritik die Routine der Politik, informieren die
Öffentlichkeit und erzeugen so ein Gegengewicht.
- Sie konfrontieren die Welt der Sachzwänge mit Utopien und Idealen die dem
politischen Alltag normative Orientierungen geben können.
- Sie verdanken ihre Popularität den Schwächen von repräsentativen Institutionen und
dem Vertrauensverlust von politischen Parteien
- Sie tragen dazu bei das moralische und soziale Kapital einer Gesellschaft zu
aktivieren.
- Die zunehmend transnational organisierten Netzwerke von NGOs bilden
Organisationskerne einer globalen Opposition gegen Machtballungen in Politik und
Wirtschaft und profilieren sich als Gloablisierungswächter.
Diesen Stärken stehen auch einige Schwächen gegenüber, wobei vor Verallgemeinerung zu
warnen ist.
- Sie greifen oft punktuelle Problemfelder auf und blenden dabei die Wirkungen auf
andere Nebenfelder aus. Sie leiden häufig unter derselben Kurzsichtigkeit, die sie der
Politik anlasten.
- Manche NGOs neigen zu einer medienwirksamen Inszenierung von Skandalen um aus
dem Schatten der Konkurrenz herauszutreten, und arbeiten so gegeneinander statt
gemeinsam.
- Manche NGOs neigen zu einem gesinnungstüchtigen Moralismus. Diese
Selbstgerechtigkeit der „edlen Seelen“ wirkt sich äußerst dialogfeindlich aus.
- Die Vielzahl der NGOs täuscht darüber hinweg, dass sich nur wenige größere
Mitarbeiterstäbe und professionelle Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit leisten können.
Das zivilgesellschaftliche Engagement artikuliert sich eher in basisnäheren kleineren
Organisationen.
-
Je mehr sich NGOs auf Kooperation mit staatlichen Institutionen einlassen, umso
mehr laufen sie Gefahr instrumentalisiert zu werden, andererseits sind sie auch bis zu
einem gewissen Grad von staatlichen Subsidien abhängig. Sie befinden sich in einem
Spannungsfeld zwischen Lobbyarbeit und öffentlichem Protest. Wenn NGOs das
Bedürfnis nach Protest nicht mehr erfüllen, kann sich eine Kampfgruppe wie Attac
profilieren.
- Es gibt kirchliche Institutionen die sich politisch engagieren, es gibt aber auch welche
die an das Mitleid appellieren, und schon den Begriff Entwicklungspolitik scheuen.
Das Geld erreicht dann höchstens über Umwegen die Armen. Man muss sich ihre
Aktivitäten ansehen, bevor sie mit Spenden belohnt werden.
Der spektakuläre Erfolg der „Kampfgruppe“ Attac war auch eine Reaktion auf die
zunehmenden „Ermüdungserscheinungen“ der NGOs und ihr Einbinden in die tägliche
Politikroutine. Viele Mitglieder der Attac waren in NGOs oder Parteien tätig, vermissten
dort jedoch den „Sturm und Drang“ etwas zu verändern. Militante Demonstrationen
(Genua, Seattle) bringt sie jedoch in Verdacht Gewalt zu enthemmen.
Je mehr sich NGOs profilieren, umso größer ist die Gefahr, dass sie ihre Bodenhaftung
verlieren. Die heftigste Kritik daran kommt von innen. Besonders die großen NGOs haben
ein innerorganisatorisches Demokratieproblem. Der Mythos von basisdemokratischen, nur
edlen Zielen verpflichteten Organisationen ist korrekturbedürftig. Es gibt eine wachsende
Zahle von NGOs die sich über Sponsoren finanzieren. Prototyp ist hier HUMAN RIGHTS
WATCH. Einen Sonderstatus haben hier die kirchlichen Organisationen.
NGOs scheuen nicht die Öffentlichkeit, sondern suchen sie, weil sie sich nur so Gehör
verschaffen können. Ein wichtiges Argument für die Legitimation von NGOs liefern
Erfahrungen aus der Umweltpolitik. Umweltminister betonen immer wieder wie wichtig
Umweltschutzorganisationen sind, eine aktive Umweltpolitik gegen widerstrebende
Ressortinteressen durchzusetzen.
Die im Bereich der EZA tätigen NGOs sind als Agenturen zum Sammeln von Spenden
entstanden. Sie standen für das „Hoch die internationale Solidarität“, welches nun
weitestgehend verstummt ist. Die zivilgesellschaftliche Entwicklungslobby ist längst
hoffähig geworden. Nationale und internationale Entwicklungsagenturen such die
Zusammenarbeit mit den NGOs. Sie brauchen deren Kooperationspotenzial in den
Zielländern, wenn sie das zivilgesellschaftliche Selbsthilfepotenzial aktivieren wollen.
Untersuchungen haben herausgefunden, dass NGOs mehr Vertrauen genießen, als die
staatlichen Entwicklungsbehörden. Viele NGOs sind hin- und hergerissen zwischen der
konkreten Projektarbeit in den Entwicklungsländern und der Solidaritätsarbeit im eigenen
Land. Einige versuchen daher beides miteinander zu verbinden (Fastenaktion von
Misereor) Einige konzentrieren sich auch ganz auf die entwicklungspolitische
Bildungsarbeit im eigenen Land. Sie erfüllen dabei eine wichtige advocacy-Funktion,
wobei sich die erstarkenden Süd-NGOs immer häufiger die Frage stellen wie glaubwürdig
die Nord-NGOs als Advokaten für den Süden auftreten können.
NGOs im Süden habe einige komparative Vorteile gegenüber staatlichen
Durchführungsorganisationen:
- Sie erreichen die anvisierte Zielgruppe besser
- Sie haben oder finden Partner die mit der Lage vor Ort besser vertraut sind
- Sie können eher Selbsthilfe, Partizipation und Empowerment der Armutsgruppen
organisieren
- Sie arbeiten mit geringerem Kostenaufwand
- Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen im Kernbereich einer armutsorientierten und
partnerschaftlich organisierten EZA
Zu Beginn der 90er wurden NGOs als neue Hoffnungsträger der EZA angesehen, inzwischen
häufen sich aber die Skandalberichte über Ruinen der bi- und multilateralen
Entwicklungshilfe, misslungenen NGO-Projekte und fragwürdige Aktivitäten. Durch den
Wildwuchs der NGOs stehen sich viele gegenseitig im Weg und nehmen sich staatliche Mittel
weg. Die teils harsche Kritik ist zwar nicht immer gerechtfertigt, trotzdem müssen sich die
NGOs auch berechtigte Kritik gefallen lassen.
In den 80er Jahren war in vielen Weltregionen eine boomartige Entwicklung der NGOs
beobachten. Alleine in Kenia werden rund 30000 NGOs gezählt. Dadurch stellt sich die Frage
wer überhaupt als NGO firmiert. Zu unterscheiden sind:
- National organisierte größere NGOs als Vermittlungs- und Verteilungsstationen von
Geld
- Lokale Selbsthilfegruppen, die sich organisieren um Bedrohungen abzuwenden oder
soziale Forderungen durchzusetzen
- Menschrechtsorganisationen, Frauen- und Umweltverbände
- Organisationen, die soziale Strukturen und politische Herrschaftsstrukturen zu
verändern versuchen
Es gibt sehr unterschiedliche Einschätzungen dieser Aktivitäten. Es gab schon sehr früh einen
großangelegten Versuch von Weltbank, UNDP und nationalen Entwicklungsbehörden, mittels
Millionenprogrammen die NGO-Szene im Süden neu zu ordnen. Manch NGOs werden aber
auch nur gegründet um als Durchlauferhitzer von Geld aus dem Norden zu dienen. So werden
neue Korruptionswege eröffnet. Viele Geldgeber aus dem Norden müssen deshalb ihre
Jagdreviere besser beobachten bevor sie Geld ausschütten.
NGOs stehen unter einem allzu hohen Erwartungsdruck, den sie sich aber auch selbst gesetzt
haben. Ihre Inlandsarbeit ist ebenso wichtig, wie die Projektarbeit im Süden wo zunehmend
einheimische NGOs dafür sorgen, dass die Überschwemmung mit ausländischen
Entwicklungshelfern kontraproduktiv wird. Dir Nord-NGOs sollen deshalb ihre Lobby- und
Solidaritätsarbeit verstärken. NGOs wurden zu belebenden Organisationselementen von PPP
und gerade durch ihre kritisches Engagement zum Salz in der Suppe. Die „NGO-Seuche“ mag
zwar vielen Bürokratien als Krankheit erscheinen, ist jedoch ein Lebenselixier in vielen
Politikfeldern und ein Gesundbrunnen für eine nicht in technokratischer Routine erstarrende
EZA.
Herunterladen