Einführung in die Internationale Politik AKTEURE II: Internationale regierungsamtliche und nichtregierungsamtliche Organisationen Internationale Organisationen Zwei Begriffsvarianten 1. Analytisches Konstrukt Normative Zielvorstellung der Entwicklung der internationalen Politik: Ersatz der anarchischen Staatenwelt mitsamt dem für sie typischen Konfliktaustrag durch Drohung mit/Anwendung von militärischer Gewalt durch multinationale politisch-administrative Steuerungs- und Koordinationsmechanismen Endziel: Weltfriedensorganisation 2. Name einer bestimmten Klasse von Institutionen/Organisationen Formal: zwischenstaatliche, auf völkerrechtlichen Vertrag gegründete Staatenverbindung mit eigenen, speziellen, arbeitsteilig funktionierenden Organen zur Verfolgung gemeinsamer Zwecke „ Zweckverband der beteiligten Staaten“ = außenpolitische oder internationale Transaktionen = innenpolitische Interaktionen IGO Regierung Gesellschaft Staat C Regierung Regierung Gesellschaft Gesellschaft Staat A Staat B INGO Neuere Sicht Frage nach dauerhafter, norm- und regelgeleiteter Kooperation zwischen Staaten in angebbaren Politikfeldern. I.O.s als Bestandteile routinisierter politischer Mehrebenen-Entscheidungssysteme, in denen grenzüberschreitende und zugleich Entscheidungsebenen übergreifende Probleme bearbeitet werden. Politikverflechtung schränkt Entscheidungsunabhängigkeit der beteiligten Staaten ein Unterscheidungskriterium: unterschiedliche Intensität und Institutionalisierung internationaler Kooperation Kontinuum: zwischenstaatlicher Informationsaustausch Supranationale Gesetzgebung Literaturtipp Volker Rittberger / Bernhard Zangl: Internationale Organisationen – Politik und Geschichte. Europäische und weltweite internationale Zusammenschlüsse. 3. Auflage Opladen: Leske & Budrich 2003. Harald Müller: Die Chance der Kooperation. Regime in den internationalen Beziehungen. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1993. Peter Willetts: Transnational actors and international organizations in global politics. Richard Little: International regimes beide in Baylis/Smith/Owens Teil III ... an international organization can be defined as a formal, continuous structure established by agreement between members (governmental and/or non-governmental) from two or more sovereign states with the aim of pursuing the common interest of the membership... AIMS AND ACTIVITIES Extensive UNO ILO FAO International Sugar Organization Commonwealth of Nations General Specific Council of Europe Asian & Pacific Coconut Community European Community Intensive Nordic Council „Politische“ Internationale Organisationen Ziel: Erhalt des Staates als internationaler Akteur Sicherheit/Verteidigung Diplomatie HOHE POLITIK Sachbezogene Wirtschaft Handel Finanzen Verkehr Kommunikation Umwelt Landwirtschaft Forsten/Fischerei Ziel: Erhalt/Mehrung des Wohlstandes und der Wohlfahrt eines Volkes „Unpolitische“ Internationale Organisationen Prof. Dr. Dr. h.c Reinhard Meyers Internationale Akteure – Differenzierung Alle globalen Akteure Regierungen und Verwaltungen IGOs Illegitime transnationale Akteure International agierende Verbrechersyndikate Guerillas, Befreiungsbewegungen, Internat. Terrorismus Supranationale Akteure Hybride, Regime, QUINGOs Hybride, QUANGOs Legitime transnation ale Akteure Universale, transkontinent ale, regionale transnat. Akteure Globale Public Policy Netzwerke GPPNs Transnationale Wirtschaftsunternehme n TNCs, BINGOs „Sitzland“ – transnationale Akteure, NGOs QUINGO = Quasi intergovernmental organization QUANGO = Quasi nongovernmental organization BINGO = Business International Nongovernmental Organization GPPN = Global Public Policy Network QUINGOS QUANGOS GPPN • Mischformen zwischen regierungsamtlichen und nichtregierungsamtlichen Akteuren • Allianzen von Regierungsbehörden, Internationalen Organisationen, öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Körperschaften Literaturtipp Achim Brunnengräber/Ansgar Klein/Heike Walk (Hrsg.): NGOs im Prozess der Globalisierung. Mächtige Zwerge – umstrittene Riesen. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2005 [Schriftenreihe Bd. 400]. Sven Bernhard Gareis/Johannes Varwick: Die Vereinten Nationen. Aufgaben, Instrumente und Reformen. 3. aktualis.u.erw. Aufl. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2003 [Schriftenreihe Bd. 403].; 4. aktualis.Aufl. UTB 2006 Helmut Volger: Geschichte der Vereinten Nationen, München: Oldenbourg 2008 Verhältnis staatlicher/nichtstaatlicher nationaler und internationaler Organisationen* Das internationale System setzt sich zusammen (Stand: 2007) aus 192 Mitglieder der UNO und insges. ca. 200 Staaten 246 IGOs (UN, NATO, EU, OSZE usw.) ca. 7300 INGOs mit weltweiter, interkontinentaler oder regionaler Mitgliedschaft (z.B. Amnesty International, Kirchenbünde, das IRK, die FIFA usw.) ca. 10.000 NGOs mit überwiegend einem Land zuzurechnender Mitgliedschaft („Sitzland-NGO“), die aber gleichwohl signifikante internationale Aktivitäten unterhalten (z.B. Freedom House, USA; Medicins sans Frontieres, Frankreich; Cap Anamur, BRD) ca. 77.200 transnationalen Konzernen (TNcs, BINGOs) mit über 860.000 nationalen Tochterfirmen * Nichtstaatliche internationale Organisationen: näherungsweise nichtstaatliche internationale Akteure Terminologische Neuorientierung: transnationale Akteure Internationale Organisationen: Rollen Instrumente staatlicher Diplomatie: Hilfsmittel der Staaten bei der Durchsetzung partikularer Interessen (insbes. der mächtigen Akteure) Arena für politische Tauschbeziehungen: Eher Rahmen als Mittel staatlicher Politik Konferenzdiplomatische Dauereinrichtungen zur Behandlung von Themen von internationalem Interesse auf verschiedenen Kooperationsniveaus Teilweise autonome, internationale Akteure: Handlungsträger, deren Verhalten kein ausschliesslicher Reflex auf die internationale Umwelt darstellt, sondern die Entscheidungen treffen können, die nicht den Präferenzen aller Mitglieder entsprechen (müssen), diese aber dennoch binden. Spezifische Wirkungen von IGOs und INGOs a. b. c. Gegenelite und Parallelelite zur Diplomatie des Nationalstaats: das Ansteigen der Zahl der IGOs und INGOs wurde für die Diplomatie der Nationalstaaten eine Herausforderung, mussten doch dadurch neue Verhaltensweisen, z.B. in Form der Konferenzdiplomatie, entwickelt werden. Gegeneliten bilden sich in den INGOs, die bei der Lösung spezieller, oft fachlicher Probleme eine größere Kompetenz als die Diplomaten aufweisen. Multilaterale und multinationale Interessenbündelung: IOs wirken als spezifische Konfliktverhütungs- und regelungsagenturen. In ihnen vollzieht sich eine laufende Multilateralisierung, wenn auch im Völkerrecht weiterhin von der Idee ausgegangen wird, dass das Individuum in all seinen Beziehungen von seinem Heimatstaat vertreten wird. Vermittlungsfunktion: aufgrund ihrer multinationalen Zusammensetzung bilden IOs einen guten Rahmen, um zwischen streitenden Parteien zu vermitteln und auszugleichen. Eine IO kann als neutraler Ort dienen, an dem die Streitparteien ohne Prestigeverlust zusammentreffen können. Auch können IOs sich als Vermittler in Konfliktfällen einschalten wie z.B. die UN in vielen Missionen, aber auch die EG im Jugoslawienkrieg, wenngleich ohne grossen Erfolg. d. e. Kollektive Organisierung schwacher und kleiner Nationalstaaten: Das internationale System besteht zu mehr als der Hälfte aus kleinen und schwachen Staaten, die zwar durch das Völkerrecht in den internationalen Beziehungen rechtlich gleichgestellt sind, die aber faktisch nur durch Zusammenschluss ihre Interessen wahrnehmen können. So bilden IOs für diese Staaten einen Rahmen, mit dessen Hilfe sie sich für ihre Probleme zunächst einmal Gehör schaffen können (z.B. Gruppe der 77), um in einem zweiten Schritt vielleicht sogar ihre Interessen durchsetzen zu können. Internationale Öffentlichkeit durch IOs: IOs tagen oft öffentlich und geben darüber hinaus in internationalen Pressekonferenzen die Möglichkeit, sich mit den anstehenden Themen vertraut zu machen. Geheimdiplomatie ist danach heute nicht mehr möglich, da eine IO selbst ein Interesse an der Veröffentlichung ihrer zu behandelnden Fragen hat. Entgrenzungskrise des Nationalstaats (I) Klassische Staatsdefinition: „Staat“: Diejenige menschliche Gemeinschaft, die innerhalb eines bestimmten Gebietes das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit mit Erfolg für sich beansprucht (Max Weber) Territorialität Herrschaftsgewalt Innenpolitik Aussenpolitik (unterliegt dem Durchsetzungsanspruch des Gewaltmonopols) Ordnungslegitimität im Innenraum der Staatlichkeit => Souveränitätsbegriff Wahrnehmung hoheitlicher Belange durch den Staatsapparat nach aussen Staatsapparat Entgegensetzung Gesellschaft als nichtstaatlicher Bereich B A Internationale Politik Staatsapparat A bzw. Staatsapparat B Aussenpolitik Gesellschaft A Gesellschaft A Gesellschaft B Entgrenzungskrise des Nationalstaats (II) Kennzeichen der Krise: Innen- und außenpolitischer Verlust an Souveränität und Handlungsautonomie Die Globalisierung von Wirtschaftsaktivitäten in Verbindung mit der Ausbildung neuer weltwirtschaftlicher Zentren, vor allem aber der Übergang von der Internationalisierung der Produktion zum „global sourcing“ durchbricht die Schutzfunktion territorialstaatlicher Grenzen für nationale Ökonomien und nationale Daseinsfürsorge. Der internationale Schadstoffverkehr unterläuft die territoriale Unversehrtheit des Nationalstaats; seine Souveränität wird durch globale Umwelteinflüsse beeinträchtigt. Die Bildung transnationaler Gemeinschaften von Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen, Arbeitsmigranten und nach Besserung ihrer ökonomischen Lage Strebenden sprengt die in der Staatsbürgerschaft greifbare Zuordnung von Bevölkerung und Territorium; sie trägt die Krisenhaftigkeit der globalen Entwicklung in die Gesellschaften der Zielländer. Transnationale Koalitionen entwickeln neue Formen der Kooperation als Sachwalter globaler Anliegen (Schutz der Menschenrechte, Demokratisierung, Umwelt), die staatliche Politik aushebeln. Miteinander verbündete, auf Wachstum und technischen Fortschritt sowie Mobilität von Kapital, Gütern und Dienstleistungen eingeschworene gesellschaftliche Kräfte ignorieren das staatliche Entscheidungsmonopol. Sie konstruieren technologische und ökonomische Sachzwänge national wie international: Transnationale Vernetzung Funktionale Interdependenz Globalisierung der Politik A ökonomische Vermittlung durch den Weltmarkt politische Vermittlung durch die transnationale Gesellschaft B C Transnationale Gesellschaft Der Staat ist nicht mehr Staat genug, um sich gegenüber den technisch-ökonomischen Rationalitätsvorstellungen der transnationalen Gesellschaft jenes Maß an souveräner Unabhängigkeit zu bewahren, dessen er zur Erfüllung seiner elementaren Aufgaben bedarf. Die transnationale Gesellschaft unterläuft seinen Souveränitätsanspruch. Souveränitätsverlust, Entgrenzung, Global Governance. Neues (weltgesellschaftliches?) Milieu des nationalen Akteurs? • Fortschritt der Produktivkräfte • Internationalisierung/Globalisierung der Produktion, Distribution von Dienstleistungen und des Kapitalmarkts • Entstofflichung/ Virtualisierung der Weltwirtschaft Wachstum der Menge regionaler, internationaler, transnationaler Akteure, Organisationen, IGOs/ INGOs und Regime Verdichtung globaler Verflechtungen in Schlüsselbereichen: Wirtschaft, Politik, Technologie, Kommunikation, Verkehr, Migration, Rechtswesen Wachsende Durchlässigkeit von Grenzen Reduzierung der Fähigkeit von Staaten zur Schaffung politischer/ ökonomischer/ rechtlicher Kontrollinstrumente zur Steuerung des Stromes von Gütern, Dienstleistungen, Personen, Ideen Reduzierung der Fähigkeit von Staaten zur Schaffung politischer/ ökonomischer/ rechtlicher Kontrollinstrumente zur Steuerung des Stromes von Gütern, Dienstleistungen, Personen, Ideen Wachsende Notwendigkeit zwischenstaatlicher Kooperation zur Beeinflussung/ Gestaltung von Politikergebnissen Wachstum der Menge internationaler Institutionen und Organisationen zur Konfliktbearbeitung und Konfliktverregelung (Ansatzweise) Genese eines Systems der „Global Governance“ und Neudefinition der Kompetenzen, Zuständigkeiten, Handlungsmöglichkeiten, Verhaltenserwartungen nationaler Akteure Genese eines fragilen interdependenten Weltsystems, bedroht von (Re-) Nationalisierungstendenzen, Abschottungspolitik, ideologischen, religiösen und fundamentalistischen Wirkkräften sowie negativen Wirkungen des technischen Fortschritts (ökologische Katastrophen, Ausbreitung neuer Krankheiten und Seuchen, Rüstungsproliferation) Literaturtipp Jürgen Neyer: Postnationale politische Herrschaft. Vergesellschaftung und Verrechtlichung jenseits des Staates. BadenBaden: Nomos 2004. Hartmut Behr: Entterritoriale Politik. Von den Internationalen Beziehungen zur Netzwerkanalyse. Wiesbaden: VS Verlag 2004. Literaturtipp Arthur Benz (Hrsg.): Governance – Regieren in komplexen Regelsystemen. Eine Einführung. Wiesbaden: VS-Verlag 2004. Gunnar Folke Schuppert (Hrsg.): GovernanceForschung. Vergewisserung über Stand und Entwicklungslinien. Baden-Baden: Nomos 2005. Sebastian Botzem u.a. (Hrsg.): Governance als Prozess. Koordinationsformen im Wandel: Baden-Baden: Nomos 2009 NGOs als politische Akteure Konsultationsprozess UNO – ECOSOC Statusanerkennung NGOs Aktivitäten, Fachwissen, Personal, Ressourcen Kategorien 1. High-status NGOs Ansprech-/Konsultationspartner in den meisten Fragen, die das ECOSOC bearbeitet (relativ kleine Anzahl) 2. Spezialisierte NGOs Ansprech-/Konsultationspartner in einem kleineren Arbeitsbereich (ggfs. auch „single-issue“), dort aber mit hohem Expertenwissen ausgestattet 3. Liste der (gelegentlich) konsultierten NGOs NGO: gesellschaftliche Gruppierung, der ECOSOC Konsultativstatus zugebilligt hat Kriterien für UNO-akzeptable NGOs 1. 2. 3. 4. 5. 6. Unterstützung der Ziele und Arbeit der UNO Vertretungskörperschaft („representative body“) mit identifizierbarer Geschäftsstelle und handlungsbevollmächtigten Mitarbeitern, die einer demokratisch entscheidenden Versammlung verantwortlich sind. Non-Profit-Making Organizations (TNCs können keinen Konsultativ-Status erhalten) Kein Gebrauch oder keine Befürwortung von Gewalt zur Lösung internationaler/nationaler Probleme Anerkennung der Norm der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der Staaten (Menschenrechtsgruppen sollten ihre Aktivitäten nicht auf eine bestimmte Gruppe, Nationalität oder ein Land beschränken) INGOs bedürfen zu ihrer Gründung keiner Zustimmung von Regierungsseite. Amtliche Körperschaften / Organisationen können jedoch Mitglied von INGOs sein ( QUINGO) Das Luftverkehrsnetz 2010 – Verbindungen zwischen den 500 meistfrequentierten Flughäfen Beispiel Zivilluftfahrt Luftfahrtgesellschaften IATA (International Air Transport Organisation) universale INGO; regelt Geschäftsbeziehungen der Mitglieder Pressure Group IFALPA (International Federation of Air Line Pilots‘ Associations) universale INGO: Dachverband der nationalen Berufsverbände International Transport Workers Federation International Union of Aviation Insurers (universale INGOs) Nationale Fachverbände als Sitzland NGOs Regelung von Sicherheitsfragen Staaten ICAO (International Civil Aviation Organization) universale IGO; regelt Navigations- und Sicherheitsstandards Beides UNSonderorganisationen WMO (World Meteorological Organization) Wettervorhersage Institute of Air Transport (Forschung) International Union of Geodesy and Geophysics (Wissenschaft) International Commission on Illumination (techn. Standards) INGOs oder QUINGOs Behinderung des Flugverkehrs durch isländische Vulkane… Stoßseufzer aus münsterschen Hörsälen …