27.08.2008 Das internationale System am Beginn des 21. Jahrhunderts Der Autor Wichard Woyke sieht sieben Merkmale, durch die das internationale System zu Beginn des 21. Jahrhunderts gekennzeichnet ist: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. Staaten Internationale Organisationen Globalisierung der internationalen Politik Regionalisierung/Multipolarisierung Nord-Süd Konflikt Parameter der Macht Krieg 1. Staaten: Sind noch immer zentrale Akteure der Außenpolitik, haben aber im Vergleich zu früher verringerte Kompetenzen Gegenseitige Abhängigkeit (Interdependenz) nimmt zu Einzelstaaten verlieren an Einfluss durch verschiedene staatsübergreifende (supranationale) Organisationen Kleinere Entscheidungsspielräume; regionale Entscheidungen haben oft globale Auswirkungen international gemeinsames Handeln nötig Hoher Bedarf an Koordination und Kooperation auch durch wachsende Mobilität von Menschen, Waren und Informationen 2. Internationale Organisationen: Gewinnen an Einfluss; sowohl internationale Regierungsorganisationen [International Governmental Organizations (IGOs)] als auch internationale Nichtregierungsorganisationen [International Non-Governmental Organizations (INGOs)] zunehmend Akteure der internationalen Politik Übernehmen grenzüberschreitende politische, wirtschaftliche und kulturelle Aufgaben die von einzelnen Staaten (unilateral) oder durch gemeinsames Handeln mehrer Staaten (multilateral) nicht oder nur unzureichend gelöst werden können über 5000 Nichtregierungsorganisationen (INGOs)/ transnationale Organisationen: International agierende Wirtschaftsunternehmen Religionsgemeinschaften Ökologische und humanitäre Verbände (Greenpeace, Amnesty international) Sportverbände Internationale Gewerkschaften und Parteien über 200 Regierungsorganisationen (IGOs), sowohl supranational (bspw. EU) als auch international (bspw. UNO); basieren auf multilateralen Verträgen und gelten als Völkerrechtssubjekte (Völkerrechtssubjekt = “Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten, dessen Verhalten unmittelbar durch das Völkerrecht geregelt wird“ [http://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lkerrechtssubjekt]); verfügen über eigene Organe und Kompetenzen; haben keine Sanktionsmacht können Kooperation nicht erzwingen internationale Regime = institutionalisierte internationals Zusammenarbeit (bspw. In Abrüstung und Umweltschutz) 3. Globalisierung der internationalen Politik: Immer dichter verwobene Wirtschaftsbeziehungen Verbesserung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen mehr Wohlstand; aber auch größere Abhängigkeit voneinander grenzüberschreitende Problemvernetzung (besonders in Wirtschaft, Umwelt und Sicherheit) Stand der Transport-, Kommunikations- und Waffentechnik unterstützt die Vernetzung und erhöht auch die Konfliktsensibilität unbeteiligter Staaten (aktuelles Beispiel: Krieg in Georgien); macht allerdings den internationalen Terrorismus erst möglich Mehr Möglichkeiten (für Arbeitsplatzwahl usw.); Migrationsströme in reiche Länder Begünstigung des internationalen Schwarzmarktes (Drogenhandel usw.) 1/2 27.08.2008 4. Regionalisierung und Multipolarisierung Regionale Zusammenschlüsse als Akteure in Bereichen wie Wirtschaft, Sicherheit und Kultur Bipolarität der Macht wurde mit dem Ende des Kalten Krieges aufgehoben; heute tendenziell Multipolarisierung der Machtzentren: Wirtschaft (Japan, Europa, USA), Militär (China, USA); möglich ist auch ein Entwicklung hin zur Unipolarität mit den USA als einzige Supermacht der Welt (siehe „Bush-Doktrin“) 5. Nord-Süd-Konflikt Ungleich verteiltes Macht- und Einflusspotential von Industrie- und Entwicklungsländern Unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten (aufgrund von Rohstoffvorkommen, nutzbarer Landfläche usw.); Weltwirtschaftsordnung wird als ungerecht empfunden und eine Änderung angestrebt Ressourcenknappheit und Armut sind Gründe für inner- und zwischenstaatliche Kriege sowie teilweise auch für die Zerstörung der Umwelt und für Migrationsströme in Industrieländer 6. Änderung der Parameter der Macht Zahl der demokratisch-pluralistischen Verfassungen hat weltweit zugenommen, insgeamt Tendenz zu Kooperation und friedlicher Konfliktlösung Militär hat in Industriestaaten an Bedeutung verloren, ist nicht mehr wichtigstes Machtinstrument und Symbol äußerer Souveränität; heute ausschlaggebend für das Machtpotential eines Staates sind finanzielles und industrielles Potential 7. Krieg Ende des Kalten Krieges brachte keinen weltweiten Frieden sondern eher zunehmend Konflikte und auch Kriege Oftmals innere Konflikte (Bürgerkriege, Sezessionskriege, Anti-Regime Kriege, ethnonationale Kriege), z.B. der Zerfall von Jugoslawien und der Sowjetunion Vielfältige Ursachen für Konflikte: regionales Vormachtstreben, Ansprüche auf Gebiete, Rohstoff-Konflikte, übersteigerter Nationalismus, ethnische Spannungen, religiöse Gegensätze Insgesamt eine Reihe von gegenläufigen Entwicklungen: Integration Desintegration Friedlich kooperative Konfliktregelung (Völkerrecht, Diplomatie) kriegerisch-militärische Auseinandersetzung Globalisierung Nationalisierung/Regionalisierung Multipolarität der Macht Unipolarität der Macht Aus: „Politik – Ein Studienbuch zur politische Bildung“, S.510-512 2/2