Westfälische Wilhelms

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Westfälische Wilhelms-Universität
Institut für Politikwissenschaft
Proseminar: Der Dritte Sektor zwischen Markt und Staat
Dozent: Prof. Dr. Annette Zimmer
02.12.2004
Christian Scheper
Eng miteinander verbunden – Dritte-Sektor-Organisationen und soziale Bewegung
1)
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Begriffsbestimmung der Non-Governmental-Organisation
Begriff NGO ist unzureichend definiert, Problem der enormen Vielseitigkeit
häufig nur Negativdefinitionen (Was sind NGOs nicht?)
Begriff dient als „Aballkorb“ für diverse Organisationen mit unterschiedlichsten
Merkmalen, eindeutige Bestimmungskriterien sind kaum zu finden.
Alle semantischen Alternativen sind jedoch unzureichend, grenzen i.d.R. zu stark ein
(gemäß Martens)
Gemäß Rucht ist NGO-Begriff auch aufgrund der Vernachlässigung halbstaatlicher
Organisationen unzureichend. Bevorzugung des Begriffs „Multinationale
Bewegungsorganisationen“.
Prägung des Begriffs durch UN-Charta: Beschreibung des Verhältnisses von UN zu
NGOs in Artikel 71 der Charter, aber kein Kriterien-Katalog zur Bestimmung von
NGOs.
Aufstellung von Kriterien durch die Union of International Associations (UIA)
hinsichtlich Finanzierung, Zielsetzung, governance-Strukturen und Mitgliedschaft.
 Problem: Viele Organisationen, die als NGO bezeichnet werden können, erfüllen
nicht alle Kriterien.
Idealtypische Merkmale:
 Implikationen des N(on) :
- zivilgesellschaftlich
- nicht profit-orientiert
- eigene/ fremde Interessensvertretung
- gewaltlos
 Implikationen des G(overnmental): - unabhängig von staatlichem Einfluss
 Implikationen des O(rganisation): - Organisatorische Struktur vorhanden:
 Hauptsitz, fester Mitarbeiterstab,
offizielle Satzung
In den letzten Jahren fand ein Verständniswechsel hinsichtlich der Professionalität von NGOs
statt. Früher: Betonung der Freiwilligenarbeit
Heute:
Betrachtung als professionalisierte Organisationen, Professionalität und
Nicht-Profit-Orientierung stellen keinen Widerspruch dar!
2)
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Typologien von NGOs
Einteilung aufgrund der Vielseitigkeit schwierig
häufig Einordnung auf Grundlage „weicher“ Faktoren (z.B. Politikfelder)

„harte“ Faktoren identifizieren eine „Unzahl“ verschiedener Organisationen, sind
daher wenig hilfreich.
Einteilung nach dem Grad der Nichtstaatlichkeit (Mertens)
Ohne staatlichen Einfluss
Originäre/ genuine NGOs
Merkmale: - Prägung ausschließlich durch
Privatpersonen
- nur eigene Mittel
- private Initiativen
Typen: 1) Transnationale
Bewegungsorganisationen
(TSMO):
 Ziel des progressiven
gesellschaftlichen
Wandels
 Einsatz für andere
Menschen/Tiere/Umwelt
(ai, Greenpeace, WWF, CARE,
Third World Network, u.ä.)
2) Internationale
Interessenorganisationen
- berufsbezogen/ spezifischtechnisch
- Interessenvertretung der
Mitglieder
(Gewerkschaften, Handelskammer,
Verbände)
Mit staatlichem Einfluss
NGO- Abweichler
Merkmale: teilweise - staatl. Mitglieder
- staatl. Initiative
- staatliche Mittel
Typen: 1) Quasi-NGOs (QUANGOs):
- staatliche Mitglieder, Mittel, staatlicher
Einfluss zugelassen
- hohe Abhängigkeit
(Internationales Komitee des Roten Kreuzes,
IUCN, u.a.)
2) Government organized NGOs (GONGOs):
- Entstehung durch staatl. Initiative
- wesentliche Finanzierung durch den Staat
- führen in erster Linie staatliche Instruktionen
aus, sind daher generell nicht als NGOs zu
betrachten.
(Genossenschaften, EntwicklungshilfeOrganisationen)
Einteilung nach Kompetenzmuster und Organisationsstruktur (Rucht)
nach Kompetenzmuster
 transnational, international und supranational
nach Organisationsstruktur  geschlossen/ zentral und offen/ dezentral
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3)
NGO-Forschung steht noch am Anfang, bisher überwiegend einseitige
Betrachtung als reine Erfolgsgeschichte, häufig untertheoretisierte
empirische Betrachtungen von NGO Mitgliedern selbst oder Ansätze aus der
Bewegungsforschung.
NGOs – „Neue und alte Player“
3.1 Historische und aktuelle Entwicklung
 Starker Zuwachs in Anzahl und politischer Bedeutung der NGOs in den späten 70er
und in den 90er Jahren (Diverse verschiedene Definitionen ergeben auch
unterschiedliche Angaben hinsichtlich der Anzahl von NGOs:
- Union of International Organisations: 1978: ca. 2400 NGOs, 1983:
knapp 4800 NGOs, heute ca. 6000)
- UNO-Schätzung: Weltweit ca. 50.000 aktive NGOs
 NGOs existieren bereits seit Ende des 18. Jahrhunderts, zunächst national
 Erste internationale Organisationen im frühen 19. Jahrhundert
 Anliegen zunächst humanitär und sozial, später auch berufsbezogen
 Bereits vielfältige Integration von NGOs im Völkerbund
 NGOs sind teilweise erheblich älter als mancher Staat
 Entstehung in erster Linie aus der Notwendigkeit von „Themenanwälten“, als
Ausgleich von Defiziten in der Gesellschaft
 Starker Bedeutungszuwachs und steigende Anzahl an Organisationen seit den 70er
Jahren.
o Starke Einbindung in Konferenzen, relativ hohe Anerkennung von
Regierungen und internationalen Behörden,
o Hohe Anerkennung und Sympathie durch Öffentlichkeit, insbesondere
Journalisten
o Organisationen sind heute „Informanten, Mahner, Kritiker, Ankläger
und Helfer“
 Zunahme generell insbesondere durch soziale, politische, ökonomische Veränderung
und demokratische/ industrielle Revolution, auch durch hohe Medienresonanz und
moderne Kommunikationsmittel sowie stärkere Themendifferenzierung
 Grund für den starken Zuwachs an NGOs Ende der 70er Jahre bislang kaum geklärt
(Martens), Erklärungsansätze:
o Viele internationale Konferenzen, starke internationale Kooperation auf
zunehmend friedlicher Basis.
o Diverse Themenverknüpfungen führen zu vielfältigen Kooperationen
o Neue grenzüberschreitende Probleme (z.B. Umweltverschmutzung,
Flüchtlingsströme) können kaum auf nationalstaatlicher Ebene
angegangen werden.
o Keine gesteigerte Lösungskompetenz der Staaten, teilweise eklatantes
Politikversagen, blockierte Entscheidungsprozesse, zum Teil
wirkungslose Maßnahmen durch „Politik des kleinsten gemeinsamen
Nenners“.
o Gestiegenes Know-How effektiver Ressourcenmobilisierung
3.2 Probleme der NGOs
 Grenzen des Wachstums, Spendenaufkommen und staatliche Zuschüsse sind nur
begrenzt verfügbar, zunehmende „Konkurrenz“ der Organisationen, zuviel
Konfrontation der Öffentlichkeit führt zu hoher Selektivität bzw. Abstumpfung,
zunehmende interne Koordinationsprobleme durch Wachstum, Gefahr der
Korruption
 Gefahr der zunehmenden Institutionalisierung, Bürokratisierung, Verkrustung,
Stärkung der Organisation zu Lasten der Sache, auch Annäherung von
kommerziellen Interessengruppen an traditionelle Themen der NGOs (Bsp. PhotoModels im Regenwald)
 Zunehmende Annäherung/ Einbindung in Regierungsorganisationen; teilweise
sind Organisationen regelrecht von Regierungen „eingekauft“. Problem der
Entradikalisierung, Tendenz zu parastaatlichen Institutionen
 Übergroßer Erwartungsdruck, NGOs werden überschätzt, Regierungen vorschnell
aus der Verantwortung genommen
 Abnutzungserscheinung: Ständige Aufrufe der NGOs („es ist fünf vor zwölf!“)
führen zu Ermüdung der Öffentlichkeit
Literatur:
Martens, Kerstin (2002): Alte und neue Players – eine Begriffsbestimmung, In: Frantz,
C./Zimmer, A. (Hrsg.): Zivilgesellschaft international, Alte und neue NGOs. S. 25-49
Rucht, Dieter (1996): Multinationale Bewegungsorganisationen. Bedeutung, Bedingungen,
Perspektiven. In: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen. 9/2, S. 30-41
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