Entkolonisierung

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Dekolonisation
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EINLEITUNG
Dekolonisation (auch Dekolonisierung, Entkolonisierung, Entkolonisation), der Prozess der Auflösung der
Kolonialreiche europäischer Mächte in Asien und Afrika, vor allem seit dem 2. Weltkrieg. Die Dekolonisation
ist heute fast völlig abgeschlossen, dennoch bestehen wirtschaftliche, kulturelle und verwaltungstechnische
Abhängigkeiten von den ehemaligen Kolonialmächten bis heute fort.
Vorwiegend in linksgerichteten Parteien war seit dem 19. Jahrhundert antiimperialistisches Gedankengut
gereift. Nach dem 2. Weltkrieg förderten sowohl die UdSSR – Lenin hatte bereits 1917 die Erhebung der
Völker gegen ihre Kolonialherren gefordert – als auch die USA die Dekolonisation. Die USA hatten sich
gegen Großbritannien die Unabhängigkeit erkämpft und stellten sich nun gegen die Ausbreitung der
europäischen Kolonialreiche, indem sie die Selbstbestimmung der Völker nach demokratischen Grundsätzen
zur offiziellen Grundlage ihrer Politik machten. In der politischen Praxis zielte diese nach dem Präsidenten
James Monroe (1758-1831) benannte Doktrin jedoch auf die Sicherung der US-amerikanischen
Einflusssphäre in Lateinamerika.
Mit dem Sieg der Kommunisten unter Mao Tse-tung im Chinesischen Bürgerkrieg wurde China zur neuen
Großmacht in Asien, welche die kommunistischen Unabhängigkeitsbewegungen unterstützen konnte. 1960
beschlossen die Vereinten Nationen (UN) eine Entkolonialisierungsresolution, die die Forderung erhob, den
„Kolonialismus in allen Erscheinungsformen schnell und bedingungslos zu beenden”. Während die
Kolonialherrschaft Frankreichs und der Niederlande in oft blutigen Kriegen beendet wurde, brachte
Großbritannien, die größte Kolonialmacht, die Übergabe der Macht an die nationalistischen Kräfte in den
Kolonien durch rechtzeitige Verträge weitgehend friedlich zustande. Den Kolonien wurde durch die
Errichtung von eigenverantwortlichen Lokalregierungen (1931 Ceylon, 1935 Indien, 1937 Birma) innere
Autonomie gewährt. Ägypten erhielt bereits 1922 die beschränkte staatliche Souveränität unter der
Oberhoheit Großbritanniens. Als im Juli 1945 in Großbritannien die Labour Party unter Clement Attlee an die
Macht kam, konnte der Übergang der britischen Kolonien in souveräne Staaten im Rahmen des
Commonwealth rasch vollendet werden.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde unter Vorherrschaft der USA auf der Konferenz von Bretton Woods eine neue
liberale Weltwirtschaftsordnung etabliert, die es den USA ermöglichen sollte, durch Schaffung von
Absatzmärkten ihre Kriegsindustrie zu einer Gebrauchsgüterindustrie hin umzustrukturieren. Die
europäischen Landwirtschaften, die im Krieg zu großen Teilen zerstört worden waren, wurden nach
amerikanischem Vorbild als äußerst produktive Agrarindustrien wieder aufgebaut. Mit der zunehmenden
Industrialisierung der Landwirtschaft der westlichen Länder verloren die agrarisch geprägten Kolonien
immer mehr an Bedeutung für die europäischen Mutterländer und mussten häufig, besonders in Afrika,
hoch bezuschusst werden. Lediglich geopolitische Interessen (siehe auch Dominotheorie) verhinderten in
vielen Fällen eine sofortige Dekolonialisierung. Die westlichen Mächte befürchteten, die unabhängigen
Kolonien würden sich mit den kommunistischen Staaten verbünden und versuchten während der
„Übergangsphase” ihnen genehme politische Führungen zu etablieren, was in aller Regel misslang.
Im Gegensatz zur paternalistischen (bevormundenden) europäischen Sichtweise der „Übertragung der
Macht” sieht die politische Führung der ehemaligen Kolonialvölker die Dekolonisation eher als Ergebnis ihrer
Anstrengungen im Unabhängigkeitskampf. Die Dekolonisation nach dem 2. Weltkrieg kann in zwei Phasen
unterteilt werden: In der ersten erlangten die asiatischen Staaten – unmittelbar nach dem Krieg – in zum
Teil blutig geführten Unabhängigkeitskämpfen ihre Souveränität; in der zweiten Phase – seit den sechziger
Jahren – wurden die meisten afrikanischen Staaten unabhängig. Auch dieser Prozess führte zu einigen
grausamen Unabhängigkeitskriegen.
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DIE DEKOLONISATION IN ASIEN
In Asien hatte Japan während des 2. Weltkrieges große Teile der von den Europäern besetzten „Kolonien”
erobert. Nach Ende des Krieges förderte der japanische Staat Unabhängigkeitsbewegungen, die sich gegen
die Rückkehr der europäischen Mächte richteten. Viele Staaten erlangten schon bald nach dem 2. Weltkrieg
die Souveränität.
Von zentraler Bedeutung im Prozess der Dekolonisation ist die Unabhängigkeit Indiens. Ende des
19. Jahrhunderts entstand in Indien eine Unabhängigkeitsbewegung, die von der Kongresspartei angeführt
wurde. Die gewaltlosen Protestaktionen Mohandas Gandhis (1869-1948) verhalfen der
Unabhängigkeitsbewegung zu Sympathien in aller Welt. 1935 gewährte die britische Regierung Indien die
innere Selbstverwaltung. Der letzte britische Vizekönig von Indien, Lord Louis Mountbatten, erreichte die
Zustimmung der Kongresspartei sowie der Muslim-Liga für die Teilung Indiens in zwei selbständige Staaten.
Am 15. August 1947 wurde Indien, das zunächst als dominion im Commonwealth verblieb und damit formell
den britischen König als Oberhaupt anerkannte, unter Führung Jawaharlal Nehrus unabhängig. Gebiete mit
überwiegend muslimischer Bevölkerung wurden als Staat Pakistan von Indien abgetrennt.
1948 erhielt Ceylon (seit 1972 Sri Lanka) die volle Unabhängigkeit. Birma war 1937 als selbständige
britische Kolonie von Britisch-Indien abgetrennt worden. Nach dem Widerstandskampf (1942-1945) gegen
die japanische Besatzung erhielt Birma am 1. Januar 1948 die Unabhängigkeit. Die Staaten Vietnam,
Kambodscha und Laos gingen 1954 aus der Teilung des französischen Kolonialreiches Indochina hervor
(siehe auch Indochinakrieg). In Indonesien hatte sich bereits während der japanischen Besatzung die
Nationalbewegung unter Achmed Sukarno etabliert. Im August 1945 gründete Sukarno auf der Insel Java
die Republik Indonesien. Die niederländische Kolonialmacht versuchte, die republikanische Bewegung zu
unterdrücken und ihr Kolonialreich wieder zu errichten. Auf Druck der Vereinten Nationen sowie der Staaten
Australien, Neuseeland und vor allem der USA mussten die Niederlande jedoch Indonesien als souveränen
Staat anerkennen.
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DIE DEKOLONISATION IN AFRIKA
Die arabischen Staaten Nordafrikas standen seit dem Zerfall des Osmanischen Reiches unter der Herrschaft
Frankreichs, Italiens und Großbritanniens. In vielen Kolonien bildete sich in der Folge eine starke
nationalistische Elite nach europäischem Vorbild heraus, die danach strebte, die Macht zu übernehmen. Die
ehemals italienische Kolonie Libyen erlangte 1951 die Unabhängigkeit. In Algerien, das nicht als Kolonie,
sondern als Bestandteil Frankreichs angesehen wurde, erkämpfte sich im so genannten Algerienkrieg
(1954-1962), der mehrere hunderttausend Opfer forderte, die nationale Befreiungsfront FLN (Front de
libération nationale) die Unabhängigkeit. Auch in Marokko und Tunesien strebten nationalistische
Bewegungen seit dem 2. Weltkrieg nach Unabhängigkeit. Frankreichs Versuche, diese Bestrebungen
gewaltsam zu unterdrücken, scheiterten. 1956 wurden sowohl Marokko wie auch Tunesien gemäß eines
1955 mit Frankreich geschlossenen Vertrags unabhängig.
Die Dekolonisation der britischen Kolonien südlich der Sahara verlief nicht überall ohne Probleme. In den
Ländern mit wenigen weißen Siedlern gelang sie nach indischem Muster: Nachdem zunächst
Parlamentswahlen durchgeführt worden waren, entließ Großbritannien 1957 Ghana (die ehemalige
Goldküste) und 1960 Nigeria in die Unabhängigkeit. In Ländern mit größerem weißen Bevölkerungsanteil
verzögerten die Briten jedoch den Rückzug. Dies führte zu oft radikalen Widerstandsbewegungen gegen die
Kolonialherrschaft wie dem Mau-Mau-Aufstand in Kenia. Nach jahrelangem Kampf erhielt Kenia 1963 die
Unabhängigkeit. Die britische Kolonie (Süd-)Rhodesien hatte sich von 1953 bis 1963 mit Nordrhodesien
(das 1964 als Sambia selbständig wurde) und Njassaland (1964 Malawi) zur Zentralafrikanischen Föderation
zusammengeschlossen. Nach dem Zerfall der Föderation erklärte Südrhodesien als erstes Land nach den
USA (1776) einseitig die Unabhängigkeit von Großbritannien. Die von Großbritannien und den Vereinten
Nationen verhängten Sanktionen zeigten keine Wirkung. Erst nach jahrelangem Guerillakrieg der
Befreiungsorganisationen ZANU (Zimbabwe African National Union) und ZAPU (Zimbabwe African People’s
Union) konnte die schwarzafrikanische Bevölkerungsmehrheit 1980 die Souveränität im nun Zimbabwe
genannten Staat erlangen. In den sechziger und siebziger Jahren erkämpfte die Unabhängigkeitsbewegung
SWAPO die Souveränität Namibias gegen die Apartheidregierung Südafrikas.
Frankreich hatte seinen Kolonien in Schwarzafrika 1956 durch die Gründung der Französischen Union (Union
Française) die innere Selbstverwaltung ermöglicht. 1958 gab Frankreich den Kolonien die Wahlmöglichkeit
zwischen der Selbständigkeit und der Mitgliedschaft in der Französischen Gemeinschaft (Communauté
Française). Lediglich Guinea entschied sich bereits 1958 für die Unabhängigkeit, 1960 folgten die
verbliebenen Kolonien: Madagaskar, Mali, Dahomey (das heutige Benin), Niger, Obervolta (heute: Burkina
Faso), Elfenbeinküste, Tschad, die Zentralafrikanische Republik, Kongo, Gabun, Senegal und Mauretanien.
Blutig verlief auch die Dekolonisierung von Belgisch-Kongo, dem späteren Zaire. In den fünfziger Jahren
hatte die belgische Regierung ein Programm für die Entlassung Kongos in die Unabhängigkeit erarbeitet. Als
1959 überraschend Aufstände ausbrachen, gewährte Belgien zum Juni 1960 die Unabhängigkeit. Patrice
Lumumba wurde zum Präsidenten gewählt, aber schon bald von Oberst Mobutu gestürzt, der mit
Unterstützung der ehemaligen Kolonialmächte Frankreich und Belgien eine der grausamsten Diktaturen des
postkolonialen Afrikas errichtete. 1975 musste schließlich auch Portugal, das sich am längsten der
Dekolonisation widersetzte, nach Guerillaaktivitäten in Angola, Moçambique (FRELIMO) und Guinea-Bisseau
diese Staaten in die Unabhängigkeit entlassen. Mit diesen erlangten auch die Kapverdischen Inseln, São
Tomé e Príncipe und die daraufhin von Indonesien besetzte asiatische Kolonie Osttimor die Unabhängigkeit.
Verfasst von:
Mathias Boxleitner
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