USA ab Klasse 9 Abzug der US-Truppen aus dem Irak Ende 2011 M1 Abzug der US-Truppen aus dem Irak − Krieg ohne Gewinner Die USA haben im Irak nicht nur Tausende Soldaten und Billionen Dollar verloren, sondern auch den Krieg selbst. Auch die Iraker haben wenig gewonnen – am meisten profitiert Iran von den Veränderungen in der Region. Eine Bilanz des achtjährigen Krieges. Wenn Kriege zu Ende gehen, gibt es normalerweise einen Gewinner und einen Verlierer: Die Griechen zerstören Troja, so in dieser Art. Nun, da wir uns dem Ende des amerikanischen Engagements in Irak nähern, ist es eine gute Gelegenheit, danach zu fragen, wer denn nun gewonnen und wer verloren hat und was das Ergebnis für die Zukunft des Landes bedeutet. US-Verteidigungsminister Leon Panetta denkt, dass die Iraker irgendwie gewonnen hätten: „Am Ende haben wir dort, erkauft mit vielen Opfern, eine relativ stabile Demokratie aufgebaut.“ Schauen wir dagegen zu unseren Lieblingsbloggern der US-Rechten, erfahren wir eine Menge dummes Zeug über Siege und Opfer, Ergebnis eines falschen Patriotismus, der nicht mal mehr für einen guten Country-Song taugt. Betrachten wir die Fakten, ist es wesentlich weniger klar, ob die USA oder Irak überhaupt etwas gewonnen haben. nicht einmal klar, ob die Amerikaner über Ende Dezember hinaus irgendwelche Truppen im Lande lassen dürfen. Und ist Irak also ein Gewinner, nachdem die USArmee acht Jahre lang auf dem Land herumgetrampelt ist? Sicher nicht. Iraks Zivilgesellschaft wurde zerschreddert, acht Jahre Bürgerkrieg kosteten mehr als 100 000 Tote, das Land ist heute Heimat einer kleinen, aber höchst aktiven Außenstelle der al-Qaida. Die USA gehen, ohne einen Ausgleich zwischen den kurdischen und arabischen Irakern geschaffen zu haben; dieser Topf bleibt einfach am Kochen. Die USA haben nicht einmal stabile Grenzen für das befreundete kurdische Gebiet aufgebaut – mit dem Ergebnis, dass die Iraner „Kurdistan“ von Osten her beschießen, während türkische Kampfflugzeuge es von Westen bombardieren. Die Türkei gehört zur Nato – das ist so, als ob Washington ruhig zusehen würde, wenn die Deutschen nächste Woche Bomben über Polen abwerfen würden. Die Vereinigten Staaten verloren 4474 Soldaten (und die Zählung ist noch nicht vorüber) – Tausende mehr wurden verwundet oder verkrüppelt – sowie ein paar Billionen Dollar, was dazu beigetragen hat, unsere Wirtschaft daheim in ein Wrack zu verwandeln. Aber sie bekamen nicht viel zurück. Blut für Öl? Nur in dem Sinne, dass jeder achte Gefallene in Irak beim Versuch starb, einen Treibstoffkonvoi zu bewachen. Die irakische Ölproduktion wird noch lange unter dem Stand bleiben, den sie vor dem Krieg hatte. Sollten die Ölpreise einmal deutlich fallen, wäre die irakische Wirtschaft ruiniert. Die sunnitischen und schiitischen Moslems in Irak bleiben sich feindlich gesinnt. Die religiösen Spannungen sind enorm, und die USA werden daran nichts mehr ändern können. Schon in den vergangenen Monaten haben sie es den Irakern überlassen, die Sache unter sich auszuschießen – abgesehen von etwas technischer Hilfe und einigen sehr begrenzten Spezialeinsätzen. Und es macht keinen Unterschied, ob nun gar keine, 3000 oder 10 000 US-Soldaten im Land bleiben – was könnten sie besser machen als die sehr viel größere Zahl, die nun abzieht? Selbstmordanschläge und gezielte Morde sind längst ein Teil des irakischen Alltags geworden, und das ist viel schlimmer als einzelne spektakuläre Attentate, über die dann die Medien weltweit berichten. Nein, Irak ist wirklich kein Sieger. Was immer Panetta über Irak als künftigen Partner der USA erzählt – dieser Staat wird seinen eigenen Weg gehen, de facto mit Iran verbündet und wenig gewillt sein, geopolitische Träume der USA zu unterstützen. Ja, Amerika wird den Irakern ein paar Rüstungsgüter verkaufen. Aber am Ende ist George W. Bush 2003 in den Krieg gezogen und alles, was wir dafür bekommen haben, ist eine Diktatur, die sich in einen halben Polizeistaat verwandelt hat. Es ist Aber wer ist es dann? Zum Beispiel Iran. Das Land hat geduldig stillgehalten, während die Vereinigten Staaten auf seine beiden größten Feinde einschlugen, Saddam Hussein in Irak und die Taliban in Afghanistan. Damit wurden, ohne dass die Iraner irgendetwas tun mussten, ihre Grenzen im Westen und Osten sicherer. Es scheint, als habe Teheran 2003 den USA versöhnliche Gesten gemacht und irgendeine Art besserer Beziehungen angestrebt. Die © Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2012. Autor: Ansgar Stich, Obernburg Von diesem Arbeitsblatt ist die Vervielfältigung für den eigenen Unterricht gestattet. Für inhaltliche Veränderungen durch Dritte übernimmt der Verlag keine Verantwortung. Onlinemagazin Politik/Wirtschaft USA Iraner wurden aber von der hysterischen BushAdministration schroff abgewiesen und sahen dann zu, wie sich Amerika immer tiefer in beide Kriege verstrickte. Je länger diese sich hinschleppten, desto weniger Neigung zeigte die amerikanische Öffentlichkeit zu einem weiteren Krieg. Daher kühlten sich die Pläne sehr rasch ab, die man in Tel Aviv und Washington schon für Luftschläge gegen das iranische Nuklearprogramm entworfen hatte. Und wenn Bushs Vize Dick Cheney es nicht schaffte, die Amerikaner in diesen Kampf zu manövrieren, wer dann? Die Iraner lernten schnell, dass Irak, ebenso wie der Libanon, ein hübsches Schlachtfeld für einen Stellvertreterkrieg abgab. Gegen Ende meiner IrakTouren konnten die minengeschützten Militärfahrzeuge, mit denen wir unterwegs waren, Schäden von so ziemlich allem einstecken, was es da draußen gab. Mit einer Ausnahme: Straßenbomben aus iranischer Herkunft, sogenannte EFPs. Diese schossen vom Straßenrand aus verflüssigtes geschmolzenes Kupfer ab und waren das Einzige, wovor wir wirklich Angst hatten. An all der Gewalt, die Irak nach 2003 plagte, hatten die Iraner ihren Anteil. ab Klasse 9 Teheran verlor nicht nur einen Feind, als Saddam schließlich gehängt wurde. Es gewann mit dem neuen Irak sogar einen Verbündeten. Als die USA bei den irakischen Wahlen im März 2010 daran scheiterten, dort eine Regierung aufzubauen, half Iran eine Lösung zu vermitteln, zu welcher der heutige Premierminister Maliki gehört, sowie Schiitenführer Muktada al-Sadr. Maliki ist auch Finanzminister und Innenminister, aber bitte, er ist kein Diktator. Der Premier, ein Schiit, erinnert sich an glückliche Tage, die er während Saddams Herrschaft in Iran verbrachte. Und Sadr lebte nach 2003 als religiöser „Student“ im iranischen Gom, während die USA ihn auf die „Capture or Kill“-Liste setzten. Beide Männer sind Iran heute eng verbunden und bringen Irak näher und näher an Teherans politische Positionen heran. Nichts von alledem wird helfen, ein stabiles Irak zu schaffen. Das Gegenteil ist der Fall. Quelle: Thomas E. Ricks, Krieg ohne Gewinner, 08.10.2011, http://www.sueddeutsche.de/politik/2.220/abzug-der-us-truppenaus-dem-irak-krieg-ohne-gewinner-1.1157765 (Stand 10.01.2012) © sueddeutsche.de Thomas E. Ricks, 56, war Reporter für das Wall Street Journal und Militärexperte der Washington Post. Er ist heute Publizist und Träger des Pulitzer-Preises. Arbeitsvorschläge: 1. Erläutert mit Hilfe des Textes M1, dass es sich um einen „Krieg ohne Gewinner“ handelt und ob man bestenfalls den Iran als Sieger betrachten könne. 2. Formuliert ausgehend von euren Ergebnissen zu Aufgabe 1 Lehren aus dem Irakkrieg, die sich für die USA bzw. die westliche Welt eurer Meinung nach ergeben sollten. © Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2012. Autor: Ansgar Stich, Obernburg Von diesem Arbeitsblatt ist die Vervielfältigung für den eigenen Unterricht gestattet. Für inhaltliche Veränderungen durch Dritte übernimmt der Verlag keine Verantwortung. Onlinemagazin Politik/Wirtschaft USA ab Klasse 9 Abzug der US-Truppen aus dem Irak Ende 2011 Lösungsvorschläge: AV1 Irak als Gewinner: − Aufbau einer relativ stabilen Demokratie nach Meinung des US-Verteidigungsministers Leon Panetta. Kein Gewinner: − 4474 tote Soldaten (vorläufige Zählung) und Tausende von Verwundeten auf Seiten der USA; − Kosten von mehreren Billionen Dollar mit der Folge heimischer Wirtschaftsprobleme für die USA; − schwache irakische Ölproduktion, Abhängigkeit von hohem Ölpreis; − wenig Aussichten eines künftigen Partners Irak, eher Verbündung mit Iran; − Irak als „halbe Dikatur“ und „Polizeistaat“; − zerstörte irakische Zivilgesellschaft, acht Jahre Bürgerkrieg, mehr als 100 000 Tote; − heutiger Einfluss der al-Qaida; − kein Ausgleich zwischen den kurdischen und arabischen Irakern; − keine stabilen Grenzen in „Kurdistan“; − tiefe Gräben zwischen sunnitischen und schiitischen Moslems im Irak; − Selbstmordanschläge und gezielte Morde als Teil des irakischen Alltags. Iran als Gewinner: − Beseitigung der beiden größten Feinde (Hussein Irak, Taliban Afghanistan) durch USA; − Stabilisierung der Grenzen ohne eigenes Zutun; − keine öffentliche Unterstützung in den USA für amerikanische Luftschläge gegen das Atomprogramm Verbündete im irakischen Establishment. AV2 Hier sind sehr individuelle Antworten möglich, die Lehrkraft sollte darauf achten, dass reflektierte Argumente und keine „Stammtischparolen“ vorgetragen werden. Mögliche Lehren können u. a. im Heraushalten, in der Suche von seriösen, festen Bündnispartnern oder in der Entwicklung einer tragfähigen „Exit-Strategie“ bereits im Vorfeld des Konflikts liegen. © Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2012. Autor: Ansgar Stich, Obernburg Von diesem Arbeitsblatt ist die Vervielfältigung für den eigenen Unterricht gestattet. Für inhaltliche Veränderungen durch Dritte übernimmt der Verlag keine Verantwortung. Onlinemagazin Politik/Wirtschaft