Neues Europa? Neues Amerika? In den Verwerfungen der Irak-Krise Nach der Wende Osteuropas 1989 sollte die alte Nato zur neuen Nato mutieren, zu einem politischen Beistandspakt. Doch die Zeit, diesen herauszubilden, war offenbar zu kurz. Der 11. September 2001 kam dazwischen. Die Verteidigungsallianz von einst, die im Kalten Krieg dem Ostblock trotzte und ein Gleichgewicht der Abschreckung aufrechterhielt, gab es so nicht mehr. Und der Umwandlung in eine Angriffsallianz „out of aerea" im Dienst der Vereinigten Staaten, wie sie der Bush-Regierung plötzlich vorschwebte, wollen nicht alle Europäer folgen. Da liegt der eigentliche Grund des entflammten gegenseitigen Mißtrauens transatlantisch wie innereuropäisch. Ist Berlin an allem schuld? Wer der deutschen Regierung vorwirft, einzig aus ideologischen Gründen Treulosigkeit zu inszenieren, müßte das nicht minder gegenüber den Franzosen tun. Doch so einfach liegen die Dinge nicht. Paris hat als treuer Alliierter der Vereinigten Staaten von Amerika gegen den Schurkenstaat Hitler-Deutschland und als Kolonialmacht längere und tiefere weltpolitische Einsichten gewonnen als sein östlicher Nachbar, dessen Generation der Achtundsechziger erst seit ein paar Jahren versucht, auf dem internationalen Parkett laufenzulernen. So mag man das ungeschickte, teils törichte Verhalten der Bundesregierung brandmarken. In denselben Topf kann man aber nicht Frankreich werfen. Daß die konservative Pariser Regierung mit deutlichem Widerspruch den Zügen des ten Monaten beim Irak ebenfalls ständig die Gründe wechselte. Will man nun Saddam Hussein entfernen oder allein die Abrüstung erzwingen? Und wenn man beides will: Geht das wirklich nur durch einen Krieg, in dem mindestens Zehntausende Unschuldige im Volk umkommen? Und was kommt danach? Fragen über Fragen. Bisher - ähnlich wie in Afghanistan - keine befriedigende Antwort. Nein: der Widerstand maßgeblicher Europäer kommt nicht aus einem antiamerikanischen Affekt, sondern aus historisch-politisch ernstzunehmenden Bedenken. Und es ist alles andere als eine vertrauensstiftende Maßnahme, wenn bei einem entscheidenden Auftritt vor der UNO der amerikanische Außenminister sich auf angeblich schlagkräftige geheimdienstliche „Beweise" der Briten gegen den Irak stützt, die Journalisten bereits innerhalb weniger Stunden als Daten einer länger zurückliegenden Studenten-Arbeit identifizieren. Eine Raumfähre würde da nie starten Wo politische Entscheidungen auf Leben und Tod getroffen werden, wo die Folgen einer militärischen Weltmacht-Intervention im Mittleren Osten so wenig abschätzbar sind, können und dürfen Zweifel nicht leichtfertig beiseitetreten. Es ist doch eigenartig: der Start einer Raumfähre würde sofort abgebrochen, sobald die geringste Unregelmäßigkeit, der schwächste Verdacht eines Risikos auftaucht, das Opfer kosten könnte. Wo das Leben von vielen tausend Irakern zur Disposition steht, werden dagegen von der BushAdministration die Bedenken nicht bloß der Bevölkerungsmehrheit der europäischen Nationen, sondern selbst aus dem eigenen Volk geradezu arrogant wirkend einfach weggewischt. Der amerikanische Essayist und Schriftsteller George Saundershat diese Schizophrenie in der „Neuen Zürcher Zeitung" offengelegt, indem er Verständnis ausdrückte für die Skepsis: „An die Wurzel der Finsternis in den Herzen von Mördern und Übeltätern zu kommen - das sollte unsere Sache sein. Das größtmögliche Haus der (Fortsetzung auf der nächsten Seite links oben) itat der Woche „Zwar suggeriert eine wirkmächtige Metapher von dem ins Dasein geworfenen Menschen eine Art freien Fall ins Leben; aber jeder weiß, daß es sich dabei zumeist um ein Fallen in menschliche Hände hinein handelt, welche Neugeborene auffangen, ihre erste Haut reinigen und mit einer zweiten Haut bekleiden." Inken Mädler (Theologin, über Haut, die Mode und das Verhüllen; in: „Zeitzeichen", Februar-Heft). ten Monaten beim Irak ebenfalls ständig die Gründe wechselte. Will man nun Saddam Hussein entfernen oder allein die Abrüstung erzwingen? Und wenn man beides will: Geht das wirklich nur durch einen Krieg, in dem mindestens Zehntausende Unschuldige im Volk umkommen? Und was kommt danach? Fragen über Fragen. Bisher - ähnlich wie in Afghanistan - keine befriedigende Antwort. Nein: der Widerstand maßgeblicher Europäer kommt nicht aus einem antiamerikanischen Affekt, sondern aus historisch-politisd ernstzunehmenden Bedenken. Und es ist alles anders als eine vertrauensstiftende Maßnahme, wenn bei einem entscheidenden Auftritt vor der UNO der amerikanische Außenminister sich auf angeblich schlagkräftige geheimdienstliche „Beweise" der Briten gegen die Irak stützt, die Journalisten bereits innerhalb wenige Stunden als Daten einer länger zurückliegenden Studenten-Arbeit identifizieren. Eine Raumfähre würde da nie starten Wo politische Entscheidungen auf Leben und To< getroffen werden, wo die Folgen einer militärischen Weltmacht-Intervention im Mittleren Osten so wem; Abschätzbar sind, können und dürfen Zweifel nicht leichtfertig Beiseitetreten. Es ist doch eigenartig: der Star einer Raumfähre würde sofort abgebrochen, sobald di geringste Unregelmäßigkeit, der schwächste Verdacht eines Risikos auftaucht, das Opfer kosten könnte. Wo da Leben von vielen tausend Irakern zur Disposition steh' werden dagegen von der BushAdministration die Bedenken nicht bloß der Bevölkerungsmehrheit der europäischen Nationen, sondern selbst aus dem eigene Volk geradezu arrogant wirkend einfach weggewischt Der amerikanische Essayist und Schriftsteller Georg Saunders hat diese Schizophrenie in der „Neuen Züricher Zeitung" offengelegt, indem er Verständnis ausdrückt für die Skepsis: „An die Wurzel der Finsternis in den Heizen von Mördern und Übeltätern zu kommen - d; sollte unsere Sache sein. . . . . Zitat der Woche „Zwar suggeriert eine wirkmächtige Metapher vt dem ins Dasein geworfenen Menschen eine Art freit Fall ins Leben; aber jeder weiß, daß es sich dabei zi meist um ein Fallen in menschliche Hände hinein hai delt, welche Neugeborene auffangen, ihre erste Hai reinigen und mit einer zweiten Haut bekleiden." Inken Mädler (Theologin, über Haut, die Mode und di Verhüllen; in: „Zeitzeichen", Februar-Heft).