Detailplanungen - Schulentwicklung NRW

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Inhaltsverzeichnis:
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1. Planung der Unterrichtseinheit 10.3.a (S. 1-5)
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2. Planung der Unterrichtseinheit 10.3.c (S. 6-11)
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3. Planung der Unterrichtseinheit 10.4.a (S. 12-17)
-
4. Planung der Unterrichtseinheit 10.5.a (S. 18-22)
1. Planung der Unterrichtseinheit 10.3.a
Frank Hoffmann, Studienseminar Hagen
a) Thema der Unterrichtseinheit
Ausgrenzung und Entrechtung – Die NS-Politik gegenüber den deutschen Juden 1933-1941/42 in der
Perspektive von Betroffenen
b) Bedingungsanalyse: Notwendige Kompetenzvoraussetzungen
SK1: ordnen historisches Geschehen und Personen grobchronologisch und thematisch ein;
SK2: benennen charakteristische Merkmale einzelner Epochen und Gesellschaften;
MK4: identifizieren in Texten Informationen, die für die gestellte Frage relevant sind, benennen den
Hauptgedanken eines Textes;
MK7: vergleichen Informationen, stellen Verbindungen zwischen ihnen her und erklären
Zusammenhänge.
c) Didaktische Entscheidungen
c.1) Intentionen
c.1.1) Zentrale(s) Kompetenzziel(e):
KLP-Bezug: SK7: entwickeln Deutungen auf der Basis von Quellen und wechseln die Perspektive,
sodass diese Deutungen die Sichtweisen anderer adäquat erfassen;
Konkretisierung: kennzeichnen die Perspektive Viktor Klemperers als die eines Betroffenen
(Perspektivenwahrnehmung) und charakterisieren die von der NS-Judenpolitik vor dem 2. Weltkrieg
verursachte radikale Veränderung der Lebensverhältnisse der in Deutschland ansässigen Juden.
c.1.2) Teilschritte
TS1: beschreiben mit Hilfe zweier Tagebucheintragungen von Viktor Klemperer die Lebensumstände
der 1942 noch in Deutschland lebenden Juden;
TS2: charakterisieren die Lebensverhältnisse der Juden in Deutschland um 1942 durch Subsumtion
der Einzelmaßnahmen der NS-Judenpolitik unter passende, die Ziele und Wirkungen der Maßnahmen
kennzeichnende Oberbegriffe;
TS3: benennen in Klemperers Tagebucheintragungen Passagen, in denen seine Sichtweise auf die NSJudenpolitik zum Ausdruck kommt;
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TS4: erläutern am Beispiel der Tagebucheintragungen Klemperers die Perspektivität historischer
Quellen und deren Bedeutung für die sachgerechte Deutung und Beurteilung historischer Sachverhalte.
d) Gestaltung des Lernprozesses
Tabellarische Übersicht des geplanten Verlaufs der Unterrichtseinheit:
Unterrichtsschritte/phasen
Vorbereitung/
Entwicklung einer
sacherschließenden
Fragestellung
Planungsgespräch
Erarbeitung
Ergebnispräsentation
Ergebniskomprimierung
und -sicherung
Ergebnisakzentuierung
Sachaspekte
[Kompetenzbezug]
Sozial-, Handlungsformen;
Medien
Äußerungen (Eindrücke, Vermutungen,
Fragen) zu dem Auszug aus Tagebucheintrag Viktor Klemperers vom 2. Juni
1942; Bündelung: Welche „Schikanen“
ergriffen die NS gegenüber den Juden und
aus welcher Sicht schreibt Klemperer
darüber in seinem Tagebuch? o.ä.
geeignetes Vorgehen zur Beantwortung
der Frage: Analyse des gesamten
Tagebucheintrags und evtl. weiterer
Kategorisierung der von Klemperer
genannten Maßnahmen unter Oberbegriffen[TK1/TK2]; Charakterisierung der
Sichtweise Klemperers mit Belegen aus
den Texten [TK3]
UG;
Folie
Darstellung, Erläuterung und
Überprüfung der Ergebnisse der
Erarbeitung
[TK1/TK2/TK3]
Einigung auf passende Oberbegriffe zur
Charakterisierung der Veränderung der
Lebensverhältnise der Juden in Dtld. seit
1933; mögliche Ergebnisse:
gesellschaftliche Ächtung und Isolierung;
systemati-sche Entrechtung; Zerstörung
der wirtschaftlichen Existenzbedingungen;
drastische Einschränkungen der privaten
Lebensführung; Ausschluss von kulturellen
Veranstaltungen o.ä. [TK3]
Perspektivität kennzeichnende
Eigenschaft historischer Quelle;
sachgerechte Interpretation setzt
Aufdeckung der Perspektive voraus [TK4]
share (SB/UG)
Kommentar;
Erläuterung
Weckung des
Interesses,
Fokussierung der
Aufmerksamkeit;
Herstellung von
Transparenz
UG
think, pair; Quellen 1/2
Hefte/Folie
unterschiedliches
Anforderungsniveau der
Aufgaben
ermöglicht
Differenzierung
SB (share);
Tafel
Möglichkeit zur
Förderung der
leistungsstärkeren SuS;
Sicherung eines
gemeinsamen
Lern-/
Unterrichtsergebnisses
UG;
Tafel
Abstrahierung
einer allgemeinen
geschichtstheoretischen
Erkenntnis
e) Arbeitsaufträge
1) Beschreibe mit Hilfe der Tagebucheintragungen Viktor Klemperers in Stichworten die
Lebensumstände der in Deutschland lebenden Juden im Jahre 1942. Verwende dabei Oberbegriffe,
um die Konsequenzen der von Klemperer genannten zahlreichen Einzelmaßnahmen der NSJudenpolitik für die Lebensverhältnisse der Juden deutlich zu machen.
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2) Charakterisiere in Stichworten Klemperers Sichtweise auf die NS-Judenpolitik. Belege Deine
Ausführungen an den Quellentexten.
f) Unterrichtsmaterialien
f.1) Folie mit Zitat
„Neue Verordnungen in judaeos [gegen die Juden]. Der Würger wird immer enger angezogen, die
Zermürbung mit immer neuen Schikanen betrieben.“
(Victor Klemperer. Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933-1945. Eine Auswahl für
junge Leser. Bearb. von Harald Roth © Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 1997 (diese Ausgabe
erschien erstmals 1997 im Aufbau-Verlag; Aufbau ist eine Marke der Aufbau Verlag GmbH & Co. KG))
f.2) Quellen
1. Tagebucheintragung Victor Klemperers1 vom 6.Dezember 1938
6. Dezember, Dienstag
Das gesunde Rechtsempfinden des deutschen Menschen ist gestern in einer sofort wirksamen
Verfügung des Polizeiministers Himmler zutage getreten: Entziehung der Autofahrerlaubnis bei allen
Juden. Begründung: Wegen des Grünspanmordes seien die Juden „unzuverlässig“, dürften also nicht
am Steuer sitzen, auch beleidige ihr Fahren die deutsche Verkehrsgemeinschaft, zumal sie
anmaßlicherweise sogar die von deutschen Arbeiterfäusten gebauten Reichsautostraßen benutzt
hätten. Dies Verbot trifft uns überaus hart. Es ist jetzt gerade drei Jahre her, dass ich fahren lernte,
mein Führerschein datiert vom 26.1.36.
Von dem Verbot hatte ich schon vorgestern Nachmittag durch Arons gehört, die es ihrerseits vom
Schweizer Rundfunk als unmittelbar bevorstehend melden hörten. Ich war ein zweites Mal bei Arons,
um Auskünfte über Emigrationsmöglichkeiten und über meine Vermögensabgabe zu holen (über die
mich im Finanzamt niemand aufklären konnte). Es heißt: Am 15.12. ohne Aufforderung die erste Rate
zahlen, und niemand kann mir sagen, wie hoch mein Vermögen – purtroppo!2 – ist. Aron, mehrere
Wochen mit 11 000 andern in Buchenwald festgehalten, krank zurückgekehrt, am Auswandern nach
Palästina im letzten Augenblick verhindert, die Möbel sind schon unter Zollsiegel, und er kann die 1
000 geforderten englischen Pfund nicht aufbringen, trotzdem er in deutschem Geld 175 000 M dafür
bietet, ist maßlos überreizt und pessimistisch. Er sagt, mir würde Georgs Bürgschaft gar nichts
nützen, Abertausende bewürben sich um die Einwanderung, seien vorgemerkt, ich könnte drei Jahre
warten. Vor dem amerikanischen Konsulat lagerten in Berlin die Bewerber in Haufen täglich von
sechs Uhr früh bis zum Abend, um nur vorgelassen zu werden. – Wir müssen nun Georgs Brief
abwarten, aber unsere Stimmung ist noch weiter gesunken, und da beinahe, nein wirklich jeden Tag
neue Judengesetze herauskommen, so sind wir mit den Nerven total auf dem Hund. – In der
Vermögensabgabe dagegen scheinen wir aus unserer Armut Nutzen zu ziehen. Nach dem, was mir
Aron und was mir heute Rummel von der Iduna sagte, werde ich wahrscheinlich unter der 5 000-
1
Victor Klemperer, geb. 1881, 1920 bis 1935 Universitätsprofessor für Romanistik. Klemperer stammte aus
einem jüdischen Elternhaus, er selbst trat 1912 der protestantischen Kirche bei. 1906 heiratete Klemperer die
nicht-jüdische Künstlerin Eva Schlemmer. Diese Ehe, von den Nationalsozialisten als „Mischehe zwischen einem
Juden und einer Arierin“ bezeichnet, schützte Klemperer vor der Deportation in ein Konzentrations- oder
Vernichtungslager.
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(ital.) Leider!
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Mark-Grenze liegen, denn der Rückkaufwert der Lebensversicherung wird nur noch ein paar hundert
Mark betragen, und der Augenblickswert des Hauses kaum 17 000, wovon 12 000 Hypothek sind.
Die angstvollen Andeutungen und bruchstückhaften Erzählungen aus Buchenwald3 – Schweigepflicht,
und: ein zweites Mal kommt man von dort nicht zurück, es sterben eh schon zehn bis zwanzig Leute
täglich – sind greulich.
Mit dem Bibliotheksverbot bin ich nun buchstäblich arbeitslos geworden. Ich habe mir
vorgenommen, nun wirklich einen Vita-Versuch4 zu wagen. Denn den ganzen Tag bloß den Little
Yankee pauken geht auch nicht. Aber vorderhand fehlt alle Ruhe: Gänge, Korrespondenzen,
Vorlesen, Brüten und wieder Vorlesen.
(Victor Klemperer. Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933-1945. Eine Auswahl für
junge Leser. Bearb. von Harald Roth © Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 1997 (diese Ausgabe
erschien erstmals 1997 im Aufbau-Verlag; Aufbau ist eine Marke der Aufbau Verlag GmbH & Co. KG))
2. Tagebucheintragung Victor Klemperers vom 2.Juni 1942
2. Juni, Dienstag gegen Abend
Neue Verordnungen in judaeos. Der Würger wird immer enger angezogen, die Zermürbung mit
immer neuen Schikanen betrieben. Was ist in diesen letzten Jahren alles an Großem und Kleinem
zusammengekommen! Und der kleine Nadelstich ist manchmal quälender als der Keulenschlag. Ich
stelle einmal die Verordnungen zusammen: 1) Nach acht oder neun Uhr abends zu Hause sein.
Kontrolle! 2) Aus dem eigenen Haus vertrieben. 3) Radioverbot, Telefonverbot. 4) Theater-, Kino-,
Konzert-, Museumsverbot. 5) Verbot, Zeitschriften zu abonnieren oder zu kaufen. 6) Verbot zu
fahren; (dreiphasig: a) Autobusse verboten, nur Vorderperron der Tram erlaubt, b) alles Fahren
verboten, außer zu Arbeit, c) auch zur Arbeit zu Fuß, sofern man nicht 7 km entfernt wohnt oder
krank ist (aber um ein Krankheitsattest wird schwer gekämpft). Natürlich auch Verbot der
Autodroschke.) 7) Verbot, „Mangelware“ zu kaufen. 8) Verbot, Zigarren zu kaufen oder irgendwelche
Rauchstoffe. 9) Verbot, Blumen zu kaufen. 10) Entziehung der Milchkarte. 11) Verbot, zum Barbier zu
gehen. 12) Jede Art Handwerker nur nach Antrag bei der Gemeinde bestellbar. 13)
Zwangsablieferung von Schreibmaschinen, 14) von Pelzen und Wolldecken, 15) von Fahrrädern – zur
Arbeit darf geradelt werden (Sonntagsausflug und Besuch zu Rad verboten), 16) von Liegestühlen,
17) von Hunden, Katzen, Vögeln. 18) Verbot, die Bannmeile Dresdens zu verlassen, 19) den Bahnhof
zu betreten, 20) das Ministeriumsufer, die Parks zu betreten, 21) die Bürgerwiese und die
Randstraßen des Großen Gartens (Park- und Lennéstraße, Karcherallee) zu benutzen. Diese letzte
Verschärfung seit gestern erst. Auch das Betreten der Markthallen seit vorgestern verboten. 22) Seit
dem 19. September der Judenstern. 23) Verbot, Vorräte an Esswaren im Hause zu haben. (Gestapo
nimmt auch mit, was auf Marken gekauft ist.) 24) Verbot der Leihbibliotheken. 25) Durch den Stern
sind uns alle Restaurants verschlossen. Und in den Restaurants bekommt man immer noch etwas zu
essen, irgendeinen „Stamm“, wenn man zu Haus gar nichts mehr hat. Eva sagt, die Restaurants seien
übervoll. 26) Keine Kleiderkarte. 27) Keine Fischkarte. 28) Keine Sonderzuteilung wie Kaffee,
Schokolade, Obst, Kondensmilch. 29) Die Sondersteuern. 30) Die ständig verengte Freigrenze. Meine
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Konzentrationslager bei Weimar, in dem nach den Novemberpogromen 1938 zahlreiche Juden inhaftiert
wurden.
4
Klemperers Memoiren, an denen er seit 1939 schrieb, erschienen unter dem Titel „Curriculum vitae“, aus dem
Nachlaß herausgegeben von Walter Nowojski, 1989 in zwei Bänden im Verlag Rütten & Loening, Berlin.
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zuerst 600, dann 320, jetzt 185 Mark. 31) Einkaufsbeschränkung auf eine Stunde (drei bis vier,
Sonnabend zwölf bis eins). Ich glaube, diese 31 Punkte sind alles. Sie sind aber alle zusammen gar
nichts gegen die ständige Gefahr der Haussuchung, der Misshandlung, des Gefängnisses,
Konzentrationslagers und gewaltsamen Todes. –
Wir leben jetzt buchstäblich von milden Gaben. Gestern schenkte uns Ida Kreidl zwei Pfund
Kartoffeln, heute brachte sie mir einen Teller gekochter Kartoffeln und eine Tasche voll von Fräulein
Ludwig gestifteter Kartoffeln. Von ihren Einkaufswegen kommt Eva mit ziemlich leeren oder ganz
leeren Händen zurück. Es gebe nur Spinat – auch den nur in winzigen Mengen –, und den kann sie
nicht essen, und zur Zubereitung fehlt uns auch ein Wiegemesser. (Und mir widerstrebt sowieso, was
nur für mich auf den Tisch kommt.) Von Brot und Kartoffeln hier zu Hause esse ich mindestens fünf
Sechstel; der Teller Gemüse, den Eva bei ihren Einkaufswegen in irgendeinem Restaurant schluckt, ist
geringes Gegengewicht. Auch ist sie ungleich stärker abgemagert als ich. –
(Victor Klemperer. Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933-1945. Eine Auswahl für
junge Leser. Bearb. von Harald Roth © Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 1997 (diese Ausgabe
erschien erstmals 1997 im Aufbau-Verlag; Aufbau ist eine Marke der Aufbau Verlag GmbH & Co. KG))
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Planung der Unterrichtseinheit 10.3.c
Frank Hoffmann, Studienseminar Hagen
a) Thema der Unterrichtseinheit
Der Massenmord an den Juden aus der Sicht der Opfer: Das Beispiel der Lilli Jahn
b) Bedingungsanalyse: Notwendige Kompetenzvoraussetzungen
SK1: ordnen historisches Geschehen und Personen grobchronologisch und thematisch ein;
SK2: benennen charakteristische Merkmale einzelner Epochen und Gesellschaften;
MK4: identifizieren in Texten Informationen, die für die gestellte Frage relevant sind, benennen den
Hauptgedanken eines Textes;
MK5: wenden elementare Schritte der Interpretation von (Text-) Quellen sach- und themengerecht
an,
MK7: vergleichen Informationen, stellen Verbindungen zwischen ihnen her und erklären
Zusammenhänge;
c) Didaktische Entscheidungen
c.1) Intentionen
c.1.1) Zentrale(s) Kompetenzziel(e):
KLP-Bezug: MK3: unterscheiden Merkmale von Materialien und schätzen den Aussagewert
verschiedener Materialsorten ein; SK7: entwickeln Deutungen auf der Basis von Quellen und
wechseln die Perspektive, sodass diese Deutungen die Sichtweisen anderer adäquat erfassen;
Konkretisierung: beurteilen den Aussagewert der Briefe Lilli Jahns und charakterisieren Lilli Jahns
Sicht auf die NS-Vernichtungspolitik und ihre Konsequenzen
c.1.2) Teilschritte
TS1: beschreiben die historischen Rahmenbedingungen (Ausgrenzung, Entrechtung, Verfolgung,
Massenmord an den Juden) des Lebens von Lilli Jahn und ihrer Familie;
TS2: benennen die charakteristischen Merkmale („Privilegierte Mischehe“) der Situation von Lilli Jahn
und ihrer Familie;
TS3: beschreiben auf der Basis der Briefe die Konsequenzen der NS-Judenpolitik für Lilli Jahn und ihre
Kinder;
TS4: erklären den ungleichen Charakter und die unterschiedliche Aussagekraft der zensierten und
der nicht zensierten Briefe Lilli Jahns;
TS5: charakterisieren auf der Basis der Briefe Lilli Jahns Sichtweise auf ihrer persönliche Situation in
den Jahren 1943/44;
TS6: kennen Qualitätskriterien historischer Perspektivenübernahmen.
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d) Gestaltung des Lernprozesses
Tabellarische Übersicht des geplanten Verlaufs der Unterrichtseinheit:
Unterrichtsschritte/phasen
Informierender
Unterrichtseinstieg
Sachaspekte
[Kompetenzbezug]
Sozial-, Handlungsformen;
Medien
Information über das Unterrichtsthema,
die Unterrichtsmaterialien und die
Aufgabenstellung/Zielperspektive
Vortrag des Informationstexts über das
Leben von Lilli Jahn und ihrer Familie
sowie die historischen
Rahmenbedingungen;
Notation wesentlicher Informationen in
Stichworten (vgl. Aufg 1 in den Anlagen);
ggf. Klärung von Verständnisfragen
[TK 1; TK 2]
Lektüre je eines Briefes; Bearbeitung von
Aufg. 2 (siehe Anhang)
[TK 3; TK 4]
LB
Präsentation und
Akzentuierung bzw.
Verallgemeinerung der
Ergebnisse
Gegenseitiger Austausch und Bearbeitung
der Aufg. 3 (siehe Anlagen) [TK 4; TK 5]
Präsentation und Vergleich der Ergebnisse
von Aufg. 3a: Charakterisierung des
Quellenwerts und der Aussagekraft der
Briefe von Lilli Jahn; [TK 4]
GA (share; Dreiergruppen)
SB;
UG
SB;
UG
Thematisierung und
Reflexion von
Emotionen
Vortrag der Ergebnisse von Aufg. 3 b:
Darstellung der Sicht von Lilli Jahn auf die
NS-Vernichtungspolitik und ihre
Konsequenzen;
Analyse im Hinblick auf:
- die Beachtung des historischen
Kontextes
- die Berücksichtigung der Situation und
der Absichten von Lilli Jahn (unter
Beachtung der Adressaten der Briefe)
- die Plausibilität der dargestellten
Sichtweise
[TK 5; TK 6]
Möglichkeit, individuelle Empathie und
Betroffenheit angesichts des Schicksals
der Opfer aufzugreifen/aufzufangen
Vermittlung notwendigen Vorwissens
Erarbeitung
LV;
Informationstext,
EA;
Hefte
Kommentar;
Erläuterung
Herstellung von
Ziel- und Prozesstransparenz
Schaffung von
„Arbeitswissen“
über den
historischen
Kontext
EA/PA (think;
pair)
Quellen 1-3;
(arbeitsteilig);
Kennenlernen
und Anwenden
von Qualitätskriterien
historischer
Perspektivendarstellung
SB/UG
kann bei Bedarf
auch in einer
früheren Phase
de Lernprozesses
erfolgen
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e) Arbeitsaufträge
Aufg. 1) Notiere Dir während des Lehrervortrags in Stichworten wesentliche Information über die
Situation Lilli Jahns und ihrer Familie 1943/44 vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen
Judenpolitik.
Aufg. 2) Lies den Brief Lilli Jahns an ihre Kinder und stelle in Stichworten die Informationen
zusammen, die er über Lilli Jahns Situation, ihre Persönlichkeit und ihre Absichten beim Schreiben
des Briefes liefert. Unterstreiche außerdem im Brief die Stellen, an denen zu erkennen ist, dass es
sich um einen zensierten [alternativ: unzensierten] Brief handelt.
Aufg. 3) a) Notiert in Stichworten, wodurch sich der zensierte und die unzensierten Briefe von Lilli
Jahn inhaltlich unterscheiden. Überlegt gemeinsam, welche Bedeutung diese Unterschiede für den
Quellenwert der Briefe haben.
b) Untersucht auf der Basis der drei Briefe, wie Lilli Jahn selbst ihre Situation im Herbst/Winter
1943/44 gesehen hat. Bereitet eine kurze Vorstellung und Erklärung Eurer Ergebnisse vor.
f) Unterrichtsmaterialien
f.1) Grundlage des Lehrervortrags: Informationstext über das Leben von Lilli Jahn (1900-1944)
Lilli Jahn wurde am 5. März 1900 als Tochter von Josef und Paula Schlüchterer in Köln geboren. 1919
begann Lilli Medizin zu studieren, 1924 schloss sie ihr Studium mit dem Staatsexamen und dem
Erwerb des Doktortitels ab. 1926 heiratete Lilli den Arzt Ernst Jahn und baute mit ihm eine
gemeinsame Praxis in Immenhausen bei Kassel auf. In den Jahren 1927 bis 1933 wurden die Kinder
Gerhard, Ilse, Johanna und Eva geboren, 1940 folgte Dorothea, das fünfte und letzte Kind der Jahns.
Nachdem 1933 die Nationalsozialisten an die Macht gekommen waren, musste Lilli als „Volljüdin“ –
ihre Eltern waren beide jüdischen Glaubens - ihre Tätigkeit als Ärztin aufgeben. Ihr Mann führte die
Praxis allein fort, war aber nun ein Arzt zweiter Klasse, denn er wurde wegen seiner jüdischen Frau
nicht in die Organisation der nationalsozialistischen Ärzte aufgenommen.
Nach 1933 hielten nur noch wenige Freunde mit der Familie Jahn Kontakt. Lilli traute sich wegen der
Schikanen der Nationalsozialisten gegenüber den Juden nur noch selten aus dem Haus. Ihre
Schwester Elsa wanderte 1933 nach England aus, 1939 folgte ihr die Mutter (der Vater war 1932
verstorben). Lilli und ihre Familie blieben in Deutschland, weil ihr Mann seine eigene Arztpraxis nicht
aufgeben mochte. Sie vertrauten auf die nationalsozialistische Praxis, dass Lilli als Jüdin, die mit
einem „Arier“ verheiratet und Mutter minderjähriger „halbarischer“ Kinder war, persönlich nicht
gefährdet war.
1942 ließ sich Ernst Jahn von Lilli scheiden, weil er sich in eine junge nicht-jüdische Ärztin verliebt
hatte, die er kurz darauf heiratete. Er verließ sich darauf, dass seine geschiedene jüdische Frau, da sie
minderjährige „halbarische“ Kinder hatte, nicht in ein Konzentrations- oder Vernichtungslager
verschleppt wurde.
Auf Betreiben der örtlichen Nationalsozialisten, die Immenhausen „judenfrei“ machen wollten,
musste Lilli im Juli 1943 mit ihren Kindern nach Kassel ziehen. Dort wurde sie kurz darauf von der
Gestapo verhaftet und zu vier Wochen Zwangsarbeit verurteilt. Die Begründung für die Strafe war,
dass Lilli eine Visitenkarte mit dem Text „Dr. med. Lilli Jahn“ als provisorisches Klingelschild ihrer
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neuen Wohnung verwendet hatte. Seit 1938 mussten alle Jüdinnen in Deutschland den zusätzlichen
Vornamen „Sara“ tragen, außerdem war allen Juden ihr Doktortitel aberkannt worden.
Lilli wurde in das Arbeitslager Breitenau bei Kassel gebracht. Die fünf Kinder blieben allein in der
Kasseler Wohnung zurück und wurden zunächst von einer Verwandten betreut. Nachdem das Haus,
in dem sie wohnten, im Oktober 1943 während eines Bombenangriffs zerstört wurde, kehrten sie
nach Immenhausen zu ihrem Vater und dessen zweiter Frau zurück.
Lilli wurde nach Ablauf der vier Wochen weiter im Lager Breitenau festgehalten. Im März 1944 wurde
sie von dort in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert, wo sie im Juni 1944
verstarb. Die genaueren Umstände von Lillis Tod sind unbekannt.
(Frank Hoffmann auf der Basis von: Martin Doerry, „Mein verwundetes Herz“. Das Leben der Lilli Jahn
1900-1944, München 2006)
f.2) Quellen
Quelle 1
(Zensierter) Brief von Lilli Jahn an ihre Kinder, 13. September 1943
„Meine lieben geliebten Kinder, […]
morgen bin ich nun schon 14 Tage fort1 – und seit 10 Tagen bin ich hier, und ich bin froh um jeden
Tag, der vorüber ist. Aber die Tage, bis ich wieder bei Euch sein kann zu zählen, dass wage ich noch
nicht. Macht Euch keine Sorgen um mich. Es geht mir ganz bestimmt gut, ich bin gesund, und Ihr
wisst ja, Eure Mutti kann schon immer gut früh aufstehen, und das Arbeiten ist eine Wohltat. Es
bleibt immer noch viel zu viel Zeit zum Denken und Grübeln, und dann kommt natürlich die
Sehnsucht nach Euch und das Heimweh.
Aber nun könnt Ihr mir ja schreiben, Kinder, so oft Ihr wollt, und Ihr schreibt mir nun bitte ganz bald
und ganz viel, und erzählt mir von allem, vom Guten und vom Schlechten, von Euren Freuden und
Eurem Kummer. Antworten darf ich vorläufig nicht, aber deswegen schreibt Ihr mir doch bitte. […]
Was macht denn mein Dorlekind?? Ist es lieb? An seinem Geburtstag werde ich ja noch nicht zu
Hause sein, seine große Geburtstagskerze und 3 Taschentüchlein findet Ihr im vorderen Flurschrank
im untersten Fach und ein paar Bonbons im Buffet (Mitte).
Bist Du wieder gesund, mein Evalein? Hast Du viel versäumt in der Schule, und hast Du nun Deine
Bücher? […]
Und Hanneleinkind, was macht Heidi, was die Geige? Wie ist's im Konfirmanden-Unterricht?
Und Du meine gute große Illemaus, Du bist sicher Tante Lore eine große Stütze! Wie geht's Dir denn
und […] was macht das Latein?
Und was macht mein Gerhard, kommt er regelmäßig, wie war sein Geburtstag?
Und nun habe ich viele viele Wünsche, und ich danke Euch schon im Voraus für alle Mühe. Vielleicht
macht Ihr ein paar Päckchen, die gehen vielleicht schneller. […]
Und dann lebt wohl für heute, seid alle, alle umarmt und geküsst, meine Gedanken, meine Wünsche
und all mein Sehnen sind Tag und Nacht bei Euch. In Liebe!
Mutti“
(1) Am 30. August 1943 hatte Lilli Jahn eine Vorladung zur Gestapo erhalten. Mit den Worten: „Bis gleich, Kinder“, hatte sie
sich verabschiedet und war nicht zurückgekommen. Einige Stunden später hatte die Gestapo den Kindern ohne weitere
Erklärung telefonisch mitgeteilt, ihre Mutter sei festgenommen worden. Weitere Informationen hatte die Familie zunächst
nicht erhalten. Am 10. September ließ die Gestapo die Kinder wissen, wo ihre Mutter festgehalten wurde.
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(aus: Martin Doerry, „Mein verwundetes Herz“, Das Leben der Lilli Jahn. Deutsche Verlags-Anstalt
München 2002)
Quelle 2
(Nicht zensierter) Brief von Lilli Jahn an ihre Kinder, 3. Oktober 1943
„Meine innigstgeliebten Kinder,
[…] erst heute in 8 Tagen darf ich wieder an Euch schreiben, aber ein guter Mensch hat mir
Freimarken und Umschlag geschenkt und wird auch morgen [den Transport] diese[r] Zeilen
besorgen. Ich hoffe also, dass Ihr Dienstag oder Mittwoch diese Zettel erhaltet. Ihr dürft in Eurer
Antwort nur nicht verraten, dass Ihr von mir einen Brief hattet, unter keinen Umständen, das würde
mir sehr schlecht bekommen.
[…] meine lieben guten Kinder, ich denke so viel an Euch Tag und Nacht, und je länger ich von Euch
fort bin, umso stärker und schmerzlicher wird die Sehnsucht nach Euch! Wenn ich doch nur wüsste,
wann ich wieder nach Hause darf! Ach, wenn es doch nur bald wäre!
Meine größte und meine einzige Freude hier sind Eure Briefe und Grüße, und ich kann Euch gar nicht
genug dafür danken! […] Ich bin jedenfalls sehr dankbar für all das, was Ihr schickt, denn wir
bekommen nur wenig zu essen, nie Butter, nie Fleisch, alle 14 Tage ein kleines Stückchen Wurst,
immer nur Suppen, und sonntags ist es ganz schlimm. […] Aber um Gottes Willen erwähnt ja nichts
davon in Euren Briefen. […]
Nun habe ich kein Papier mehr und muss aufhören. Grüßt auch Tante Maria herzlich, kann sie mir
nicht helfen??1
Euch, meine geliebten Kinder, behüte Gott! Ich grüße Euch aus ganzem Herzen und küsse Euch in
inniger Liebe und voll Dankbarkeit.
Eure Mutti“
(1) Maria Lieberknecht war eine Kasseler Bekannte der Familie Jahn, deren Schwager bei der Gestapo war.
(aus: Martin Doerry, „Mein verwundetes Herz“, Das Leben der Lilli Jahn. Deutsche Verlags-Anstalt
München 2002)
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Quelle 3
(Nicht zensierter) Brief von Lilli Jahn an ihre Kinder, 6. Februar 1944
„Meine lieben, geliebten Kinder,
[…] ich hab halt heute wieder so große Sehnsucht nach Euch, und es drückt mich so sehr, dass ich
nun schon 6 Monate von Euch fort bin – ich muss mir mein Herz eben ein wenig erleichtern, indem
ich an Euch schreibe. Denkt aber nur ja nicht, Eure Mutti sei immer und sei nur traurig, dazu lässt mir
schon die viele Arbeit in der Fabrik gar keine Zeit, und es gibt auch sonst immer mal irgendwas, das
froh macht.
Da sind ja in erster Linie Eure guten, liebevollen Briefe, mit denen ich mich immer so unsäglich freue,
für die ich Euch immer wieder von ganzem Herzen danke. […]
Ach, Kinder, wann dürfen wir wieder zusammen sein??? Ich kann es schon bald gar nicht mehr
erwarten und werde von Tag zu Tag ungeduldiger. Der Vati soll doch noch mal hingehen zur Stapo
und darauf bestehen, dass ich endlich frei komme. Und er soll ganz bald hingehen! Bitte, bitte, bitte!
Es ist mir oft so weh um´s Herz, wenn ich bedenke, dass so wenig für Euch gesorgt wird und Ihr so
sehr Euch selbst überlassen seid. So schön, wie wir es hatten, werden wir es nie wieder bekommen,
aber wie glücklich werden wir auch in der einfachsten Umgebung miteinander sein, nicht wahr?? Ob
ich wohl an meinem Geburtstag bei Euch bin? […]
Liebe, liebe gute Kinder, lebt wohl, helft, dass ich bald hier erlöst werde. Ich sehne mich so sehr nach
Euch, und ich küsse Euch in Gedanken 1000 Mal und umarme Euch ganz fest.
Eure Mutti, die Euch unendlich liebt!!“
(aus: Martin Doerry, „Mein verwundetes Herz“, Das Leben der Lilli Jahn. Deutsche Verlags-Anstalt
München 2002)
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Planung der Unterrichtseinheit 10.4 a
Christian Geyer, Gymnasium Letmathe der Stadt Iserlohn
a) Thema der Unterrichtseinheit
„L´homme au double visage“ – Politische Umsetzung und internationale Wahrnehmung der NSAußen- und Kriegspolitik
b) Bedingungsanalyse: Notwendige Kompetenzvoraussetzungen
Die Schülerinnen und Schüler
SK 1: ordnen historisches Geschehen, Strukturen und Personen grobchronologisch, räumlich und
sachlich/ thematisch ein;
MK 4: identifizieren in Texten Informationen, die für die gestellte Frage relevant sind, benennen den
Hauptgedanken eines Textes;
MK 6: nutzen grundlegende Arbeitsschritte zur sach- und fachgerechten Informationsentnahme und
Erkenntnisgewinnung aus Bildquellen (Karikaturen);
MK 9: erfassen unterschiedliche Perspektiven sowie kontroverse Standpunkte und geben sie
zutreffend wieder;
UK 5: prüfen, ob der erreichte Wissenstand als Basis für ein Urteil zureichend ist.
c) Didaktische Entscheidungen
c.1) Intentionen
c.1.1) Zentrale(s) Kompetenzziel(e): KLP-Bezug; Konkretisierung
Die Schülerinnen und Schüler
KLP-Bezug: SK 7: entwickeln Deutungen auf der Basis von Quellen und wechseln die Perspektive,
sodass diese Deutungen auch den zeitgenössischen Hintergrund und die Sichtweisen anderer
adäquat erfassen.
Konkretisierung: stellen die nationalsozialistische Außen- und Kriegspolitik in den Jahren 1933 bis
1939 aus verschiedenen Perspektiven dar und beurteilen sie unter Berücksichtigung der jeweiligen
Perspektive.
c.1.2) Teilkompetenzen
Die Schülerinnen und Schüler
TK1:
analysieren die Karikatur und arbeiten die Intention des Karikaturisten heraus;
TK 2:
entwickeln, ausgehend vom Material, erkenntnisleitende Hypothesen;
TK 3:
arbeiten aus den Quellen die problemrelevanten Aspekte heraus und fassen diese
kriteriengeleitet zusammen;
TK 4:
TK 5:
13
vergleichen die Wahrnehmungen der NS-Außenpolitik unter Berücksichtigung der
Perspektive der Wahrnehmenden;
entwickeln aus
Fragestellungen.
den
Arbeitsergebnissen
eigene
Deutungen
und
weiterführende
d) Gestaltung des Lernprozesses
Tabellarische Übersicht des geplanten Verlaufs der Unterrichtseinheit nach folgendem Schema
Unterrichtsschritte/-phasen
Problemhinführung
Sachaspekte/Kompetenzbezug
Präsentation der Karikatur 1: „L´homme au
double visage“:
Beschreibung, Identifizierung (Hitler mit zwei
Gesichtern: Der eine als Diplomat mit
Friedenstaube, der andere als brüllender
Kriegstreiber), Deutung (Hitler redet vom
Frieden, bereitet aber gleichzeitig den Krieg
vor!);
Herstellung einer kognitiven Dissonanz durch
Eingabe des Erscheinungsdatums der
Karikatur (1933!)
Bündelung:

Friedensbeteuerung
und
Kriegsvorbereitung war offenbar nicht
besonders geheim, sondern wurde auch
im Ausland früh wahrgenommen.
TK 1
ProblemWarum hat das Ausland Hitler nicht daran
definierung
gehindert, aufzurüsten und auf den Krieg
hinzuarbeiten?
HypothesenMögliche Äußerungen:
bildung

Vertrauen auf Friedensbereitschaft
Hitlers;

Unterschätzung seiner Absichten;

Hitler als potenzieller Partner im
europäischen Machtgefüge

…
TK 2
Überprüfung
Einteilung in Kleingruppen, die nach der
durch
Methode kooperativen Lernens (Think-Pairarbeitsteilige
Share) die Materialien untersuchen:
systematische
 Gruppe1: Material1 Rede Hitlers
Erarbeitung des  Gruppe 2: Material 2 LiebmannQuellenmaterials
Mitschrift
 Gruppe 3: Interview mit Lord Balfour
(Material 3)
 Gruppe 4: Artikel von David Lloyd
George (Material 4)
Arbeitsaufträge siehe Material 1 bis 4
Mögliche Ergebnisse:
Gruppe 1:
Hitler betonte vehement und wiederholt
Sozial-/
Handlungsformen; Medien
Kommentar;
Erläuterung
Folie 1 Karikatur Motivation,
1
Herstellung eines
UG
erkenntnisleitenden Interesses
UG/ Tafel
think, pair, share
Material 1-4
Hefte
14
seinen Friedenswillen;
Gruppe 2:
Ganzes Ausmaß der Kriegsvorbereitung
drang nicht an die Öffentlichkeit;
Gruppe 3:
Großbritannien versuchte ein militärisch
starkes Deutschland als Bollwerk gegen die
Sowjetunion zu instrumentalisieren;
Gruppe 4:
Lloyd George unterschätzte Hitler und sah in
ihm einzig den „Retter“ Deutschlands.
TK 3
ErgebnisPräsentation der Ergebnisse und Sicherung
präsentation
im Tafelbild
Rückbindung auf Mögliches Ergebnis:
die
Die Ziele der Außenpolitik Hitlers blieben den
Problemfrage/
europäischen Politikern nicht verborgen.
Formulierung
Allerdings wurde er in auffälliger Weise
eines Sachurteils unterschätzt, auch wurde die Radikalität
seiner Ideologie nicht ernst genommen.
TK 4/ TK 5
PlanungsEntwicklung einer weiterführenden Problemgespräch/
/ oder sacherschließenden Frage, z.B.:
Weiterführende  Wie sah die Politik Großbritanniens
Problemfrage
gegenüber Hitler demzufolge aus?
 Gab es nach 1936 Veränderungen in der
Wahrnehmung der bzw. im Umgang mit
der NS-Außenpolitik?
 …
TK 5
share
Tafel
UG
UG
Sicherung
eines
gemeinsamen Lern-/
Unterrichtsergebnisses
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e) Materialien
Folie 1
„L´homme au double visage“
Der Mann mit den zwei Gesichtern. Karikatur
aus der französischen Zeitung Le Rempart
1933;
Material 1:
Öffentliche Rede
Aus der Regierungserklärung Hitlers vor dem Deutschen Reichstag am 23. März 1933:
Das deutsche Volk will mit der Welt in Frieden leben ... Die Begriffe von Siegernationen und von
Besiegten können nicht als eine dauernde Basis freundschaftlicher Beziehungen der Völker
untereinander gelten… Die nationale Regierung ist bereit, jedem Volke die Hand zu einer aufrichtigen
Verständigung zu reichen, das gewillt ist, die traurige Vergangenheit endlich einmal grundsätzlich
abzuschließen ... Die Reichsregierung wird jede Bemühung unterstützen, die darauf gerichtet ist,
einer allgemeinen Abrüstung wirksam zu dienen und den dabei schon längst fälligen Anspruch
Deutschlands auf Gleichberechtigung sicherzustellen ... Wir sind .. der Überzeugung, dass ein solcher
Ausgleich in unserem Verhältnis zu Frankreich möglich ist ... Gegenüber der Sowjetunion ist die
Reichsregierung gewillt, freundschaftliche, für beide Teile nutzbringende Beziehungen zu pflegen.
Arbeitsaufträge:
1. Arbeitet die Kernaussagen des Textes heraus.
2. Welchen Beitrag kann der Text für die Beantwortung der Leitfrage leisten?
16
Material 2:
Interne Weisung
Aus der ersten Ansprache Hitlers vor Generälen der Reichswehr nach seiner Ernennung zum
Reichskanzler. Es handelt sich um handschriftliche Aufzeichnungen des Generalleutnants Liebmann
vom 3. Februar 1933:
„Ziel der Gesamtpolitik allein: Wiedergewinnung der pol. Macht. Hierauf muss gesamte
Staatsführung eingestellt werden (alle Ressorts!).
1. Im Innern. Völlige Umkehrung der gegenwärt. innenpol. Zustände in D. Keine Duldung der
Betätigung irgendeiner Gesinnung, die dem Ziel entgegensteht (Pazifismus!) …
2. Nach außen. Kampf gegen Versailles. Gleichberechtigung in Genf; aber zwecklos, wenn Volk nicht
auf Wehrwillen eingestellt…
4. Aufbau der Wehrmacht wichtigste Voraussetzung für Erreichung des Ziels ... Allg. Wehrpflicht muss
wiederkommen ... Wie soll pol. Macht, wenn sie gewonnen ist, gebraucht werden? ... vielleicht ...
Eroberung neuen Lebensraumes im Osten u. dessen rücksichtslose Germanisierung.
Arbeitsaufträge:
1. Arbeitet die Kernaussagen des Textes heraus.
2. Welchen Beitrag kann der Text für die Beantwortung der Leitfrage leisten?
Material 3:
Lord Arthur J. Balfour, konservativer britischer Staatsmann, 1902—1905 Premierminister, 1916—
1919 Außenminister, erklärte im Oktober 1933 in einem Zeitungsinterview:
„Werden die Deutschen wieder Krieg anfangen? Ich denke, daran kann es keinen Zweifel geben und
(...) ich bin davon fest überzeugt, dass wir eines Tages die Deutschen aufrüsten lassen oder sie sogar
selbst bewaffnen müssen. Angesichts der (...) furchtbaren Gefahr im Osten ist ein unbewaffnetes
Deutschland wie (...) eine reife Pflaume, die darauf wartet, von den Russen gepflückt zu werden. Eine
der großen Gefahren für den Frieden in Europa ist heute der total waffenlose Zustand Deutschlands.“
(Die Quelle ist zu finden bei: B. Engelmann, Einig gegen Recht und Freiheit. Deutsches Anti-Geschichtsbuch 2.
Teil. Frankfurt a. M. 1977, S.240; siehe auch D. Bender (et al.), Geschichte Geschehen Sekundarstufe I Band 4,
Klett, Leipzig 2005, S. 119)
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Arbeitsaufträge:
1. Arbeitet die Kernaussagen des Textes heraus.
2. Welche Rolle wird Deutschland durch Lord Balfour zugewiesen? Welchen Beitrag kann der
Text für die Beantwortung der Leitfrage leisten?
Material 4:
Lloyd George über Hitler im Daily-Express vom 17. September 1936
„Die Tatsache, dass Hitler sein Land von der Furcht einer Wiederholung jener Zeit der Verzweiflung,
der Armut und Demütigung erlöst hat, hat ihm im heutigen Deutschland unumstrittene Autorität
verschafft. An seiner Popularität, vor allem unter der deutschen Jugend, besteht keinerlei Zweifel.
Die Alten vertrauen ihm; die Jungen vergöttern ihn. Es ist nicht die Bewunderung, die einem
Volksführer gezollt wird. Es ist die Verehrung eines Nationalhelden, der sein Land aus völliger
Hoffnungslosigkeit und Erniedrigung gerettet hat. […] Er ist gegen Kritik immun wie ein König in
einem monarchistischen Staat. Er ist noch mehr. Er ist der George Washington Deutschlands, der
Mann, der seinem Land die Unabhängigkeit von allen Bedrückern gewann.
Die Aufrichtung einer deutschen Hegemonie in Europa, Ziel und Traum des alten Militarismus vor
dem Kriege, liegt nicht einmal am Horizont des Nationalsozialismus. Deutschlands Bereitschaft zu
einer Invasion in Rußland ist nicht größer als die zu einer militärischen Expedition auf den Mond.“
Arbeitsaufträge:
1. Arbeitet die Kernaussagen des Textes heraus.
2. Wie wird Hitler eingeschätzt? Welchen Beitrag kann der Text für die Beantwortung der
Leitfrage leisten?
18
Planung der Unterrichtseinheit 10.5.a
Frank Hoffmann, Studienseminar Hagen
a) Thema der Unterrichtseinheit
Generalplan Ost: Die NS-Planungen für die „Germanisierung“ und die „ethnische Säuberung“
Osteuropas am Beispiel der annektierten polnischen Gebiete – Wahrnehmung und Deutung aus
verschiedenen Perspektiven
b) Bedingungsanalyse: Notwendige Kompetenzvoraussetzungen
SK1: ordnen historisches Geschehen und Personen grobchronologisch und thematisch ein;
SK2: benennen charakteristische Merkmale einzelner Epochen und Gesellschaften;
MK4: identifizieren in Texten Informationen, die für die gestellte Frage relevant sind, benennen den
Hauptgedanken eines Textes;
MK7: vergleichen Informationen, stellen Verbindungen zwischen ihnen her und erklären
Zusammenhänge.
c) Didaktische Entscheidungen
c.1) Intentionen
c.1.1) Zentrale(s) Kompetenzziel(e):
KLP-Bezug: SK 7: Die Schülerinnen und Schüler entwickeln Deutungen auf der Basis von Quellen
und wechseln die Perspektive, so dass diese Deutungen auch den zeitgenössischen Hintergrund
und die Sichtweisen anderer adäquat erfassen
Konkretisierung:
Die Schülerinnen und Schüler erläutern das Gesamtkonzept der
nationalsozialistischen Germanisierungspolitik im annektierten Teil Polens und stellen die geplanten
Maßnahmen und ihre Auswirkungen aus Sicht der polnischen Bevölkerung dar.
c.1.2) Teilschritte
TS1: nennen auf der Basis der Quellen die geplanten Maßnahmen der nationalsozialistischen
„Germanisierungspolitik“ in den annektierten ehemals polnischen Gebieten;
TS2: charakterisieren auf der Basis der Quellen die Ziele und Interessen der NS„Germanisierungspolitik“;
TS3: beschreiben die Reaktion der polnischen Bevölkerung in den von NS-Deutschland annektierten
Gebieten auf die Vertreibungsmaßnamen und entwickeln auf dieser Basis eine plausible Deutung der
NS-„Germanisierungspolitik“ aus deren Perspektive;
TS4: erläutern am vorliegenden Beispiel die Perspektivität historischer Quellen und die
multiperspektivische Untersuchung als Bedingung sachgerechter Deutung und Beurteilung
historischer Sachverhalte.
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d) Gestaltung des Lernprozesses
Tabellarische Übersicht des geplanten Verlaufs der Unterrichtseinheit:
Unterrichtsschritte/phasen
Sachaspekte
[Kompetenzbezug]
Sozial-, Handlungsformen;
Medien
Äußerungen ( Eindrücke, Fragen) zu den
beiden Zitaten; Bündelung:„NS-Politik in
den annektierten Ostgebieten und deren
Wahrnehmung durch die polnische
Bevölkerung“ o.ä.
geeignete Quellen zur Beantwortung der
Themenstellung: Verordnungen/Erlasse
der NS-Behörden; Quellen aus polnischer
Perspektive;
Quellen aus polnischer Sicht in deutscher
Sprache nicht verfügbar; daher
Konstruktion der polnischen Sicht durch
Perspektivenwechsel
historisch-geographische
Kontextualisierung: Polen vor/nach 1. Wk;
Aufteilung des polnischen Gebietes 1939;
annektierte Teile; Generalgouvernement
UG;
Folie (Zitate 1 und
2 werden
nacheinander
präsentiert)
UG
Erarbeitung I
stichwortartige Zusammenfassung der
Ziele und der geplanten Maßnahmen der
NS-„Germanisierungspolitik“ [TK1/TK2];
think
(arbeitsteilig),
pair;
Quellen 1/2;
Hefte/Folie
Ergebnispräsentation
Darstellung, Erläuterung und
Überprüfung der Ergebnisse der
Erarbeitung
Perspektivenwechsel: Politik der
„Germanisierung“ in der Wahrnehmung
der polnischen Bevölkerung;
Perspektivenkonstruktion auf Basis eines
Berichtes der Besatzungsbehörden [TK3]
Gegenüberstellung: die Politik der
Germanisierung aus Sicht der NS-Vertreter
und aus Sicht der polnischen Bevölkerung
[TK2/TK3]; ggf. Rückbindung an die
Einstiegszitate
Multiperspektivität als Voraussetzung
adäquater Deutung und Beurteilung
historischer Sachverhalte [TK4]
share (SB/UG);
Folie
Vorbereitung/
Entwicklung einer
sacherschließenden
Themenstellung
Planung des weiteren
Vorgehens
Schaffung von
Voraussetzungen für die
Erarbeitung
Erarbeitung II
Ergebniskomprimierung
und
-sicherung
Ergebnisakzentuierung
und
-verallgemeinerung
e) Unterrichtsmaterialien
a) Zitat für Folie
Zitat 1
Kommentar;
Erläuterung
Weckung des
Interesses;
Herstellung von
Zieltransparenz
Herstellung von
Prozesstransparenz
LB
LV; Karte:
Verwaltungsgliederung des von
Dtld. besetzten
Polen
Bereitstellung
notwendigen
Arbeitswissens
über den
historischgeographischen
Kontext
höhere
Komplexität von
Quelle 1
ermöglicht
Differenzierung
nach Leistungsfähigkeit
PA;
Quelle 3;
Folie
SB/UG;
Folie
UG;
Tafel
Abstrahierung
allgemeiner
geschichtstheoretischer
Erkenntnis
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„Die Säuberung von fremdrassigen Personen ist die kardinale [= hauptsächliche] volkspolitische
Aufgabe, die […] in den angegliederten Ostgebieten zu bewältigen [sein] wird.“
(Heinrich Himmler 1940)
Zitat 2
„In vielen Fällen verlassen die [zur Evakuierung vorgesehenen] Polen ihre Höfe und hausen in
Kornfeldern und Wäldern.
(Tagesbericht der Staatspolizeistelle Litzmannstadt vom 25.7.1940; zit. nach: Die faschistische
Okkupationspolitik in Polen (1939-1945),Dokumentenauswahl und Einleitung von Werner Röhr, PahlRugenstein Verlag, Köln)
2) Quellen
Quelle 1: Rundschreiben des Höheren SS- und Polizeiführers des Warthegaus Wilhelm Koppe,
12.11.1939
Der Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei hat in seiner Eigenschaft als Reichskommissar für
die Festigung des deutschen Volkstums angeordnet, dass aus den ehemals polnischen Gebieten, die
nunmehr zum Reich gehören,
a) alle Juden und
b) alle diejenigen Polen abgeschoben werden, die entweder zur Intelligenz gehören oder aber auf
Grund ihrer […] politischen Einstellung eine Gefahr für die Durchsetzung und Festigung des
Deutschtums darstellen können. Kriminelle Elemente sind diesen gleichzustellen.
Ziel der Abschiebung ist:
a) die Säuberung und Sicherung der neuen deutschen Gebiete,
b) die Schaffung von Wohnungen und Erwerbsmöglichkeiten für die einwandernden Volksdeutschen.
Diesen Zielen muss die Evakuierungsaktion unbedingt entsprechen, grundsätzlich ohne Rücksicht auf
alle Belange sonstiger Art.
[…] der Abtransport aus dem Warthe-Gau [umfasst] für die Zeit vom 15.11.1939-28.2.1940 zunächst
200 000 Polen und 100 000 Juden. […]
Die Säuberung und Sicherung des Bereichs ist mit allen Konsequenzen erst dann erreicht, wenn die
geistig führende Schicht, die gesamte Intelligenz sowie alle politischen und kriminellen Elemente
entfernt sind. Alle bewußt politisch fühlenden Personen sind gleichfalls abzuschieben. […]
Für die berufliche Unterbringung der Volksdeutschen ist es dringend erforderlich, dass eine
ausreichende Zahl von handwerklichen Betrieben und von Geschäften frei gemacht wird.
(Zit. nach: Die faschistische Okkupationspolitik in Polen (1939-1945), Dokumentenauswahl und
Einleitung von Werner Röhr, Pahl-Rugenstein Verlag, Köln)
Quelle 2: 1. Planentwurf des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums, Heinrich
Himmler, vom Jan. 1940
[…] Es wird im Folgenden vorausgesetzt, dass die gesamte jüdische Bevölkerung dieses [ehemals
polnischen] Gebietes von rund 560 000 bereits evakuiert ist bzw. noch im Laufe dieses Winters das
Gebiet verlässt. Es ist daher praktisch mit einer Bevölkerung von 9 Mill. zu rechnen. In den
ehemaligen preußischen Provinzen Posen und Westpreußen nahm die deutsche Bevölkerung bei
Ausbruch des [Ersten] Weltkrieges ungefähr 50 % ein. […]
21
Das erste, in den nächsten Jahren erreichbare Ziel muss sein, mindestens diesen Status von 1914
wieder herzustellen. [Dies] würde bedeuten, dass man zunächst die Zahl der jetzt in diesem Gebiet
lebenden 1,1 Mill. Deutschen um 3,4 Mill. auf 4,5 Mill. vermehrt und Zug um Zug 3,4 Mill. Polen
abschiebt. […]
Für die Abgrenzung vordringlich [mit Deutschen] zu besiedelnder Gebiete sind folgende strategische
Gesichtspunkte maßgebend:
1. Es muss zunächst an der Grenze des Generalgouvernements entlang ein Wall deutschen Volkstums
in Gestalt eines tief gestaffelten Gürtels germanischer Bauernhöfe errichtet werden.
Dieser Grenzwall trennt das vorerst im Reichsgebiet verbleibende Polentum vom Hinterland
endgültig ab.
2. Es muss vordringlich das Hinterland der größeren Städte mit deutschen Bauern dichter besiedelt
werden.
3. Es muss ferner eine breite deutsche Volkstumsbrücke gewissermaßen als Ost-West-Achse
entstehen, die den Grenzwall mit dem Altreich verbindet.
(Zit. nach: Die faschistische Okkupationspolitik in Polen (1939-1945),Dokumentenauswahl und
Einleitung von Werner Röhr, Pahl-Rugenstein Verlag, Köln)
Quelle 3: Denkschrift des Gouverneurs des Distriks Lublin in Ostpolen, Ernst Zörner, über die
Auswirkungen der „Umsiedlungen“ von Polen, 24.02.1943
Die ausgesiedelten Polen bekamen nur wenig Zeit zum Fertigmachen und durften nur eilig
zusammengerafftes Handgepäck mitnehmen. Sie verlieren infolgedessen bei der Umsiedlung bis auf
geringfügige Reste ihr gesamtes Eigentum. […] die Polen [werden] einer neuen wirtschaftlichen
Existenzgrundlage nicht zugeführt, sondern zu einem wesentlichen Teil zur Zwangsarbeit nach
Auschwitz verschickt. […] Aus den […] aufgeführten Gründen hat sich der Landbevölkerung kurz nach
Einsetzen der Umsiedlung eine ausgedehnte Fluchtbewegung bemächtigt, um der vermeintlichen
Bedrohung ihres Lebens und ihrer Familie zu entgehen und um überdies wenigstens einen
nennenswerten Teil ihres Vermögens zu retten. Die Bauern flüchten bei Nacht und Nebel mit Hilfe
ihrer Pferdewagen und unter Mitnahme der Familie, eines Teils des Inventars und vor allen Dingen
des Viehs. Sie benutzen hierzu Nebenwege und versuchen, in den meisten Fällen mit Erfolg, die
nächsten Banditenhorden oder die benachbarten Kreise zu erreichen, wo sie sich zu Bekannten oder
Verwandten auf das Land begeben. Da die Fluchtbewegung naturgemäß planlos war, gibt es heute
bereits […] eine Anzahl fast leer stehender Dörfer, aus denen noch das Letzte herausgestohlen
werden wird [...] In der gesamten Umgebung des Umsiedlungsgebietes stehen weitere Zehntausende
von Bauern mit fertigem Gepäck bereit, die Flucht zu ergreifen, falls die Umsiedlung fortgesetzt
werden sollte. Die Viehbestände sind jedoch schon jetzt erheblich dezimiert durch Schlachtungen
und Schwarzverkauf.
(Zit. nach: Die faschistische Okkupationspolitik in Polen (1939-1945),Dokumentenauswahl und
Einleitung von Werner Röhr, Pahl-Rugenstein Verlag, Köln)
3) Kartenmaterial über die Gebiete des Deutschen Reichs und Polen 1919-1945
Z.B. die Karten „Europa nach dem ersten Weltkrieg (1918-1937“) und „Das ‚Großdeutsche Reich‘ und
Europa 1938-1944“ in: Großer Atlas zur Weltgeschichte, Braunschweig 1997, S. 150 f. und 155.
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