Handlungseigenschaften "Handlungseigenschaften" sind kein etablierter Begriff in der Psychologie. Sie sind eher eine Überschrift über ein heterogenes Gebiet der Persönlichkeitspsychologie, in dem Persönlichkeitsunterschiede im zielgerichteten Handeln im Mittelpunkt stehen: 1. Dispositionen mit Bezug auf Verhaltensrichtung: Bedürfnisse Motive Interessen 2. Dispositionen mit Bezug auf Überzeugungen über eigenes Handeln (Handlungsüberzeugungen): Erwartungsstile Kontrollüberzeugungen Attributionsstile 3. Bewältigungsstile 1. Bedürfnisse, Motive und Interessen Bedürfnisse − Dieses Konzept dominierte die Psychoanalyse von Freud, die Ethologie von Lorenz und die ältere Motivationspsychologie, in der Motive in Analogie zu Hunger, Durst und sexuellen Bedürfnissen in Form von Regelkreismodellen konzeptualisiert wurden. − In der heutigen stark kognitiv ausgerichteten Motivationspsychologie werden Bedürfnisse (zu) wenig thematisiert. − Regelkreismodelle von Bedürfnissen nehmen an, dass es individuell charakteristische Sollwertegibt, z.B. für Sattsein, sexuelles Befriedigtsein. − Diese Sollwerte werden ständig mit dem aktuellen Ist-Zustandverglichen. − Abweichungen zwischen Ist-Zustand und Sollwert motivieren Verhalten, den Ist-Zustand an den Sollwert anzunähern. − Bei Hunger und Durst werden die Abweichungen primär intern produziert, bei Sex intern und extern, bei Neugier primär extern. − Persönlichkeitsunterschiede bestehen dabei in den Sollwerten. 1 Illustration: Regelkreismodell für Neugierverhalten (Bischof, 1985) hier greift Persönlichkeit ein (Wie wird die Situation wahrgenommen? Wie stark ist die Erregung?) Maslow’s Pyramide − Mangelbedürfnisse: Physiologische Bedürfnisse, Sicherheit, soziale Bindungen − Wachstumsbedürfnisse (unstillbar): Selbstachtung & -verwirklichung − Mangelbedürfnisse können übersättigt werden − Empirisch & Pers.Psy. nicht bewiesen/erfasst/ausformuliert hat höchstens einen heuristischen Wert Motive = Motive sind Bewertungsdispositionen für Handlungsfolgen (Heckhausen) − Die heutige Motivationspsychologie beschäftigt sich mehr mit rationalen Zielbildungsprozessen, die einem Erwartungs X Wert Modell folgen. Dies wurde zuerst und am genauesten für die Leistungsmotivation herausgearbeitet. − Vorsicht: Motivationsstärke ist aktueller Zustand einer Person in einer motivierenden Situation. − Ein Motiv ist die überdauernde Tendenz zu bestimmten Motivationsstärken in motivanregenden Situationen (also ein Persönlichkeitsmerkmal) Leistungsmotiv: − Siehe Allgemeine II (SoSe10) − Besonders: Risikowahlmodell von Atkinson + Konsequenzen 2 Projektive Tests/Messung von Motiven: − Siehe Allgemeine II (SoSe10) − Ein Proband soll Geschichten zu mehrdeutigen Bildern erzählen, die bestimmte Motive mittelstark anregen. − Die Häufigkeit, mit der ein bestimmtes Motiv in den Geschichten vorkommt, wird als Motivstärke interpretiert: das Motiv wurde in die Geschichten "hineinprojiziert". − Die so gemessenen Motive müssen den Probanden nicht bewusst sein. − Ziel der Verfahren ist es vielmehr latente Motive zu erfassen, zunehmend implizite Motive genannt (vgl. IAT). − Verbreitet: Thematischer Apperzeptionstest (TAT) von Murray (1943). − Kritik an projektiven Tests: 1. Interne Konsistenz nur ca. .50 bei ca. 6 Bildern. Verteidigung: Motivwechsel durch Sättigungseffekt! 2. Retestreliabilität über wenige Wochen auch nur ca. .50. Verteidigung: unterschiedliche Motivationslagen an verschiedenen Testtagen! 3. Unklarheit der Interpretation: eigenes Motiv oder nur Sensitivität für Thema? − Bsp.: Aggressions-TAT & Kinder/Polizeibeamte (Aggressiv oder viel Aggression erlebt?) Motivmessung: − Bewusste Motive können mit Fragebögen erfasst werden. (z.B. Skalen der Personality Research Form (PRF)) − Projektive Tests und Fragebögen für dasselbe Motiv korrelieren meist nur äußerst gering. − Nach McClelland et al. (1989) erfassen z.B. beim Leistungsmotiv: - projektive Tests operantes Leistungsverhalten(intrinsisch motiviert); - Fragebögen respondentes Leistungsverhalten(extrinsisch motiviert). − Metaanalyse von Spangler (1992) Nur schwache Bestätigung von McClelland. Vorhersage von Leistungsverhalten durch Leistungsmotiv war generell schlecht: Fähigkeiten wurden nicht berücksichtigt. − Alternativen zum TAT (z.B. OMT, Motiv-IAT, Motiv Gitter) Reliablität höher, Validität noch unklar Anschlussbedürfnis: − Unter dem Anschlussbedürfnis wird seit Murray (1938) das Bedürfnis nach Aufnahme und Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen unabhängig vom Grad der erreichten Vertrautheit verstanden. − Davon unterschieden wird seit Winter (1987) das Intimitätsbedürfnis, das sich auf Aufnahme und Aufrechterhaltung intimer Beziehungen bezieht − Das Anschlussbedürfnis kann wie das Leistungsmotiv in eine Erfolgs- und eine Misserfolgskomponente aufgespalten werden: - Hoffnung auf Anschluss und Furcht vor Zurückweisung. 3 Klassifikation nach Asendorpf (1989) − Illustration: So unterscheiden sich z.B. ungesellige von schüchternen Kindern darin, dass ungesellige nachmittags weniger mit anderen Kindern spielen als gesellige, während schüchterne genauso viel Kontakt mit vertrauten Personen haben wie nichtschüchterne, aber in Gruppen oder Beisein von Fremden weniger reden als nichtschüchterne (sie reagieren dann gehemmt; vgl. Grays Theorie des Temperaments). Schüchternheit korreliert deshalb auch nur mäßig mit Ungeselligkeit (um .30). Interessen − Interessen beziehen sich darauf, ob bestimmte Tätigkeiten als anziehend oder abstoßend empfunden werden. (also auf Handlungen) − Wenig entwickeltes Gebiet der Persönlichkeitspsychologie, obwohl es direkte Anwendungen in der Berufsberatung hat. Hierfür gibt es Berufsinteressentests. − Sechseckstruktur des Berufsinteresses (Prediger, 1982). Dargestellt ist die Lage der 6 Holland-Faktoren in einem 2dimensionalen Raum für Schüler (blau) und Schülerinnen (rot). − Die Passung zwischen Berufsinteressen und Arbeitsinhalten korreliert positiv mit der Arbeitszufriedenheit, wobei die Kausalrichtung natürlich unklar ist − Die Berufswahl wird durch Fähigkeiten besser vorhergesagt als durch Interessen! 4 2. Handlungsüberzeugungen - Auch "Handlungsüberzeugungen" ist kein etablierter Begriff in der Psychologie. Gemeint sind damit Überzeugungen über das eigene Handeln: Handlungsoptimismus: - Zwar beziehen sich Erwartungs-, Kontroll- und Attributionsstile auf unterschiedliche Phasen des Handlungsprozesses, doch korrelieren diese Stile mittelhoch miteinander, so dass sie einen übergeordneten Faktor gemeinsam haben, der hier Handlungsoptimismus genannt wird Selbstwirksamkeitserwartung: - Der Erwartungsstil Selbstwirksamkeitserwartung bezeichnet die Erwartung, zu einem bestimmten Verhalten fähig zu sein (z.B.: mit dem Rauchen aufhören). - Der Bezug zum eigenen Handeln grenzt Selbstwirksamkeitserwartungen von (Miss)Erfolgserwartungen ab: Optimistische Fatalisten können eine hohe Erfolgserwartung bei niedriger Selbstwirksamkeitserwartung haben. - Erfassung z.B. durch Skala von Schwarzer & Jerusalem (1989); Beispielitem: "Wenn mir jemand Widerstand leistet, finde ich Mittel und Wege, mich durchzusetzen." Handlungskontrollstil - Erinnerung an Motive: Furcht vor Misserfolg ist keine homogene Dimension, sondern zerfällt in zwei trennbare Motive (Kuhl, 1983) 1. Tendenz, Misserfolg handlungsorientiertaktiv zu vermeiden; 2. Tendenz, über eingetretenen Misserfolg lageorientiertzu grübeln. Attributionsstil - Attributionsstile bei der Bewertung von Handlungsergebnissen wurden vor allem beim Leistungshandeln untersucht: 5 - Attributionsstile bei (Miss)Erfolgsmotivierten - Handlungsoptimismus ist also durch ein selbstwert-dienliches Attributionsmuster gekennzeichnet: Erfolg wird auf Fähigkeit, Misserfolg auf mangelnde Anstrengung zurückgeführt Alle Handlungsüberzeugungen lassen sich für verschiedene Situationsbereiche getrennt erfassen, z.B. für intellektuelle Leistungen, sportliche Leistungen und soziale Beziehungen. Wird das getan, zeigt sich eine geringe transsituative Konsistenz; Z.B. kann ein Handlungsoptimist in Bezug auf die Studienleistung ein Handlungspessimist in Bezug auf Partnerbeziehungen sein oder umgekehrt. - - 3. Bewältigungsstile - - Bewältigungsstile (auch: Copingstile nach dem engl. "coping") wurden zuerst in der Stressforschung untersucht (Lazarus, 1966). Unter Stress werden in der Psychologie Belastungen verstanden, die subjektiv als Überforderung erlebt und deshalb von negativen Emotionen begleitet werden. Vier Phasen der Stressverarbeitung: 1. primäre Bewertung der Situation: bedrohlich? 2. sekundäre Bewertung: Bewältigungsstil? 3. Bewältigungsstil anwenden 4. Neubewertung 6 - 3 Arten von Bewältigungsstilen: intrapsychische Stile, problemorientierte Stile, Ausdruckskontrollstile - Intrapsychische Stile verändern nicht die Situation, aber deren Bewertung und die ausgelösten Gefühle, z.B. Verdrängung, Verleugnung. - Problemorientierte Stile verändern die Situation, z.B. Flucht, Uminterpretation als eigentlich positiv. - Ausdruckskontrollstile verändern den Emotionsausdruck (z.B. Ärger verbergen), nicht aber die Situation oder deren Bewertung. Bsp.: 5 Bewältigungsstile für Krankheiten - Bewältigungsstile sind innerhalb bestimmter Situationsbereiche zeitlich ausgesprochen stabil, auch bei drastischen Situationsänderungen (z.B. bei Krebspatienten im Verlauf ihrer Erkrankung). - Entgegen der Meinung in der frühen Stressforschung sind sie deutlich mehr durch die Persönlichkeit als durch Phasen der Stressverarbeitung bedingt. - So interpretierte z.B. Kübler-Ross Bewältigungsstile bei Sterbenden phasenspezifisch und ignorierte Persönlichkeitsunterschiede. - Für unterschiedliche Situationen sind unterschiedliche Bewältigungsstile optimal. - So ist Verdrängung gut geeignet bei der Vorbereitung auf eine nicht vermeidbare Operation (solche Patienten nehmen weniger Schmerzmittel, haben weniger Komplikationen und werden eher entlassen), nicht aber in der Rehabilitationsphase (würde die Eingliederung in den Alltag behindern): - Jeder Bewältigungsstil hat eine situative Nische, wo er angemessen ist. - Da die Bewältigungsstile persönlichkeitsabhängig und stabil sind, kann man sie bei Belastungen nicht einfach optimal einsetzen. - Im Gegenteil zeigen Untersuchungen zur Aufklärung von Patienten vor bedrohlichen Operationen, dass weder eine schonungslose Aufklärung noch das Herunterspielen von Risiken generell hilfreich ist; optimal ist vielmehr ein Grad an Aufklärung, der zum individuellen Bewältigungsstil des Patienten passt (Miller, 1990). 7 - Eine gute Passung zwischen Bewältigungsstil und Bewältigungsangebot erleichtert die Bewältigung, nicht das Vermitteln einer "besten" Bewältigungsform. Beispiel: Ärgerausdruckskontrolle - Dabei spielen Persönlichkeitsunterschiede ein Rolle: 1. Anger-In (Ärger "in sich hineinfressen") 2. Anger-Out (Ärger offen ausagieren) 3. konstruktiver Ausdruck (klarer aber konstruktiver, nicht verletzender Ärgerausdruck) - Gesundheitspsychologische Untersuchungen legen nahe, dass sowohl AngerOut als auch Anger-In schädlich sind, da sie mit einem erhöhten Risiko für (unterschiedliche) Erkrankungen korrelieren. Anwendungsbeispiel: Politikvorhersage - Gibt es typische Persönlichkeitsmerkmale von Führern in Organisationen (z.B. Präsidenten, Päpste, Mafiabosse, Vorstandsvorsitzende, Gewerkschafts-führer)? - Gibt es also typische Führungspersönlichkeit (z.B. charakterisiert durch Machtinstinkt, Sitzfleisch, diplomatisches Geschick, Kompromissfähigkeit, Kaltblütigkeit)? Dafür sprechen: 1. Führerrolle erfordert Führungsqualitäten, 2. Selektionsmechanismen der Organisation für Aufstieg zum Führer, 3. Persönlichkeitsveränderungen beim Aufstieg zum Führer. - Historiometrie (Woods, 1911), d.h. empirische Analyse historischer Quellen z.B. untersuchte Simonton Expertenbeurteilungen von politischen Führern (Könige, Präsidenten der USA). - Ein Befund ist eine umgekehrt U-förmige Beziehung zwischen Intelligenz und Führungsqualität. - Optimal scheint es zu sein, wenn der IQ des Führers ca. 18 Punkte über dem Gruppendurchschnitt liegt (aber nicht höher). - Damit sollte z.B. der IQ der deutschen Bundeskanzlerin nicht höher sein als der eines durchschnittlichen Abiturienten (Argument gegen höheren IQ: Kommunikationsprobleme mit der Mehrheit) - Weitere nichtlineare Beziehungen sind: - Politische Effizienz absolutistischer Herrscher(innen) war besonders hoch entweder bei sehr hoher oder bei sehr niedriger Moral. - Historisch besonders einflussreiche US-Präsidenten waren entweder besonders idealistisch oder besonders pragmatisch - Insbesondere sollten sich die dominanten Motive von Führern zur Vorhersage ihres politischen Handelns nutzen lassen - Winter (1987) kodierte alle Antrittsreden US-amerikanischer Präsidenten 1789 -1981für die darin enthaltenen Intimitäts- und Machtmotive Allg. ist es für Politiker gut stark machtmotiviert, mittel Leistungsmotiviert und wenig intimitätsmotiviert zu sein 8 Bewertungsdispositionen "Bewertungsdispositionen" (kein etablierter Begriff) sind Persönlichkeitsunterschiede in der Bewertung von Objekten der Wahrnehmung oder Vorstellung. Unterschieden werden 1. Werthaltungen: Bewertung wünschenswerter Lebensziele (z.B. Freiheit) oder Handlungsdispositionen (z.B. Ehrlichkeit); 2. Einstellungen: Bewertung konkreter Objekte, z.B.politische Einstellungen, Einstellung zum Partner. Motive können als Bewertungen von Handlungsfolgenaufgefasst werden und sind Bewertungsdispositionen für Handlungsdispositionen (z.B. Ehrlichkeit) dürfen nicht mit diesen Handlungsdispositionen verwechselt werden. Jemand kann Ehrlichkeit hoch schätzen, selbst jedoch oft unehrlich handeln. Ähnliches gilt für das Verhältnis von Werthaltungen und Motiven. Ein Vorgesetzter kann Leistung hoch schätzen, aber selbst eher anschlussmotiviert als leistungsmotiviert sein. 1. Werterhaltung - In der Werteforschung werden u.a. unterschieden: 1. Endziele(z.B. Brüderlichkeit) 2. instrumentelle Ziele(z.B. Hilfsbereitschaft) - Instrumentelle Ziele sind Handlungsdispositionen, um Endziele zu erreichen. Jedem Wert entspricht eine Werthaltung. - Weit verbreitet ist der Rokeach Value Survey (RVS) von Rokeach (1973), in dem 18 Endziele und 18 instrumentelle Ziele in eine Rangfolge nach Wert gebracht werden sollen. - Diese 36 Ziele dienten auch als Grundlage für einen Wertefragebogen, das Social Values Inventory (SVI) von Braithwaite & Law (1985), in dem die einzelnen Ziele separat bewertet werden. z.B. Endziel: ein angenehmes Leben / instrumentelles Ziel: ergeizig - Ähnlich wie bei projektiven Verfahren können auch Werthaltungen aus Dokumenten erschlossen werden. z.B.: Jeweils 25000 Worte aus Texten von Politikern (z.B. reaktionärer USPräsidentschaftskandidat Goldwater) und Schriftstellern (z.B. Sozialist Erich Fromm) wurden auf Rangplätze von 18 Werten untersucht (Graumann et al., 1983): 9 - - Schwartz (1992) untersuchte 11 Wertebereiche in 20 Kulturen (Beurteiler waren meist Studenten und Lehrer) Die Ähnlichkeit der Werte bzgl. ihres Rangs wurde mit Hilfe nichtmetrischer multidimensionaler Skalierung so auf einen zweidimensionalen Raum projiziert, dass der Abstand der Werte als Unähnlichkeit interpretiert werden kann Es ergab sich eine weitgehend universelle Wertestruktur; nur die Position von "Spiritualität" variierte deutlich zwischen den Kulturen Universelle Wertstruktur nach Schwartz (1992) - - Lexikalischer Ansatz von Renner (1992) 383 Werte wurden von repräsentativer österreichischen Stichprobe beurteilt, wie stark sie Leitmotiv ihres persönlichen Lebens seien. Eine Faktorenanalyse ergab 5 Faktoren von Werthaltungen: 1. Intellektualität (Weltoffenheit, Kultur) 2. Harmonie (Gemeinschaft, Familie) 3. Religiosität 4. Materialismus (Eigentum, Erfolg, Genuss) 5. Konservativismus Hypothese von Bilsky & Schwartz (1994): 1. Wachstumsbedürfnisse (Maslow) korrelieren mit entsprechenden Werthaltungen(z.B. Selbstverwirklichung mit Wertschätzung von Freiheit) 2. Mangelbedürfnisse korrelieren mit der Wertschätzung von Werten, die eine Befriedigung des Bedürfnisses beinhalten(z.B. Ängstlichkeit mit Wertschätzung von Sicherheit) - Hypothese wurde durch Korrelationen zwischen RVS und dem FPI-R (Freiburger Persönlichkeitsinventar) weitgehend bestätigt. 10 Autoritätshörige Persönlichkeit: - Nach dem 2. Weltkrieg entwickelten Adorno et al. eine Skala, die die autoritätshörige Persönlichkeitvon Deutschen erfassen sollte, die Faschismusskala (F-Skala). - Probleme: 1. Mischkonstrukt aus: Ablehnung von Minderheiten (Juden, Schwule), Konventionalismus, Unterordnung unter Autoritäten 2. ja/nein Format, "ja" bedeutet immer Autoritätshörigkeit. - (Es gibt viele verschiedene Versionen der Skala) - Dennoch hohe Validität! 2. Einstellungen Explizite Einstellungen - Meist werden explizite Einstellungen durch Frage(böge)n erfasst. Die klassische Studie von LaPiere (1934) zeigte erstmals, wie gering die Konsistenz zwischen Einstellung und Verhaltenausfallen kann: - 1933 (starke antichinesische Vorurteile in den USA) versandte LaPiere Briefe an 250 Hotels und Restaurants in den USA und erfragte, ob sie chinesische Gäste bedienen würden - 92% der Antwortenden gaben an, dass sie dies nicht tun würden. - In den 6 Monaten zuvor hatte LaPiere alle diese Etablissements zusammen mit einem chinesischen Ehepaar besucht. - Ergebnis: Sie wurden in 249 von 250 Fällen bedient. Hier siegte Geschäftsinteresse über Vorurteile - Metaanalyse von Wicker (1969) zur Einstellungs-Verhaltens-Konsistenz: mittlere Korrelation .15. Bei Agregation über Situationen steigt diese Korrelation allerdings auf bis zu .65 (z.B. bei Religiosität, Umweltbewusstsein) - Erweiterung von Fishbein und Ajzen (1975) um subjektive Norm für das Verhalten (Gefühl der Verpflichtung, das einstellungskonforme Verhalten auch auszuführen). - Einstellung plus subjektive Norm sagen z.B. recht gut das berichtete Verhalten in einstellungsrelevanten Situationen vorher, z.B. Ausländern zu Hilfe eilen, die angepöbelt werden. - Metaanalyse von Shepard et al. (1988): mittlere Korrelation .67. - In manchen Fällen bleibt sie aber auch äußerst bescheiden (z.B. Steuerehrlichkeit) - Alternative zum Fragebogen I: Bogus-Pipeline-Technik(Jones & Sigall, 1971) Mit Hilfe der aufwendigen Bogus-Pipeline-Technik erfasste Einstellungen sagen Verhalten etwas besser vorher als ohne diese Technik. Außerdem versagt die Technik, wenn sie publik wird. - Alternative zum Fragebogen II: Unterscheidung starke vs. schwache Einstellungen(schnelle -langsame Itembeantwortung). 11 Starke Einstellungen vor der Präsidentschaftswahl in den USA 1984 sagten die berichtete tatsächliche Wahl besser vorher als schwache. Allerdings kann so nur das Verhalten bei starken Einstellungen vorhergesagt werden Implizite Einstellungen: - Messung impliziter Einstellungen durch Priming/IAT - Devine (1989): Explizite Vorurteile beruhen auf dem unterschiedlich starken Motiv, ein universell vorhandenes implizites Vorurteil zu kontrollieren. - Dagegen Fazio et al. (1985): Es gibt auch interindividuelle Unterschiede in impliziten Vorurteilen. Befunde bestätigen eher Fazio; z.B. sagen IAT-Messungen des Vorurteils gegenüber Schwarzen bei weißen Vpn in den USA spontanes Verhalten gegenüber schwarzen Versuchsleitern vorher. - Bei impliziten Vorurteilen ist das Motiv zur Einstellungskontrolle ein Moderator des Zusammenhangs mit der expliziten Einstellung: - MODE-Modell von Fazio et al. (1995):explizite Einstellungen kontrolliertes Verhaltenimplizite Einstellungen spontanes Verhalten - Konsistent mit Zweiebenenmodell von Strack & Deutsch (siehe Infoverarbeitung). Beispiel: Asendorpf et al. (2002): - Explizite Schüchternheit-Selbstbeurteilung sagt eher verbales kontrolliertes Verhalten in Interaktion mit Pseudo-Vp vorher, Schüchternheits-IAT eher spontanes nichtverbales Verhalten Anwendung: Rückfallvorhersage bei Sexualstraftätern - Die Vorhersage der Rückfälligkeit von Straftätern ist eine wichtige kriminalpsychologische Aufgabe. - Rückfallquote von Sexualstraftätern für sexuelle Straftaten innerhalb von 5-10 Jahren beträgt 15%-20% für Vergewaltigung und Kindesmissbrauchin 12 - Nordamerika und in Deutschland; hinzu kommen ca. 15% nichtsexuelle Straftaten. Wie kann die Rückfälligkeit am besten vorhergesagt werden, um davon Entscheidungen über eine vorzeitige Entlassung abhängig machen zu können? Die 4 besten Prädiktoren waren: - Einstellungen des Täters zu Sexualpartnern und zur männlichen Geschlechtsrolle: Phallometrie (physiologische Messung des Penisumfangs beim Ansehen von Kinderbildern) bei Kindesmissbrauch; - Maskulinität (Bejahung der traditionellen männlichen Rolle), - sexuelle Abweichung (z.B. Präferenz für Kinder oder brutalen Sex) und - Zahl früherer sexueller Vergehen. - Insgesamt konnte die Rückfallrate bei optimaler Kombination der Prädiktoren zu .46 vorhergesagt werden; Sachverständigenurteile aufgrund der Aktenlage schnitten mit .10 sehr viel schlechter ab - Deshalb sollte psychologisches Wissen zur Rückfallvorhersage mehr genutzt werden. - Schwellenmodell: Ab Risikofaktor X Inhaftierung, darunter Freilassung. - Da Korrelation nicht 1, impliziert dies 2 Fehler: 1. Täter werden zu früh freigelassen (Risiko β=> falsch negative Vorhersagen) 2. Täter bleiben zu lange inhaftiert (Risiko α=> falsch positive Vorhersagen). - Wie viele Täter sollen ungerechtfertigt inhaftiert bleiben, um 1 Opfer zu vermeiden? - Keine wissenschaftliche Entscheidung möglich 13 Selbstbezogene Dispositionen William James (1842 – 1919) - - führte in seinen berühmtenPrinciples of Psychology (1890)die Unterscheidung zwischenI (self as knower, Ich) und Me (self as known, Mich) ein. Das Ich wird als Urheber der eigenen Handlungen erlebt, das Mich ist das Objekt des eigenen Wissens. Selbstkonzept - - - - Das Selbstkonzept enthält das Wissen über sich selbst. Es ist der dispositionale Aspekt des Mich. Es enthält universelles und individualtypisches Wissen. Letzteres ist eine Persönlichkeitseigenschaft. Z.B. Nutzung scheinbarindividualtypischen Wissens in Horoskopen etc.: Über 90% von Studierenden halten für sie ganz persönlich zutreffend: „Sie sind eher selbstkritisch“; „Sie sind sensibler, als die meisten glauben“ Das Selbstkonzept übt wie andere Wissensbestände auch die Funktion eines kognitiven Schemas aus, indem es die Verarbeitung selbstbezogener Informationen beeinflusst. Klassische Studie von Markus (1977): Worte, die mit dem Selbstkonzept bzgl. Konformismus kompatibel waren, wurden schneller verarbeitet und besser erinnert als inkompatible Worte. Weiterer Hinweis Studie von Deutsch et al. (1988): Spontangenannte typische Eigenschaften des Selbst wurden besser verarbeitet als von anderen Vpn spontan genannte typische Eigenschaften von deren Selbst Selbstwertgefühl - Das Selbstwertgefühl ist die Zufriedenheit mit sich selbst (affektive Bewertung des Selbstkonzepts). Das allgemeine Selbstwertgefühl wird z.B. durch die Self-Esteem Scale von Rosenberg (1965) auf einer Zustimmungsskala (trifft zu -trifft nicht zu) erfasst. Beispielitems der deutschen Übersetzung: Alles in allem bin ich mit mir selbst zufrieden 14 - Es ist ein zentraler Indikator für Lebenszufriedenheit (siehe später) und psychische Gesundheit (niedrig bei hoher Ängstlichkeit und Depressivität) - Shavelson et al. (1976) kritisierten die Eindimensionalität des allgemeinen Selbstwertgefühls und erfassten es in Form einer Selbstwerthierarchie mit untergeordneten bereichsspezifischen Selbstwertfaktoren. Nachfolgende Untersuchungen konnten diese hierarchische Organisation klar bestätigen. Sie findet sich in Ansätzen bereits bei Vorschulkindern (Erfassung durch Interviews) und ist ab der 2. Klasse bereits gut ausdifferenziert, sicher auch aufgrund der Noten in der Schule Konvergente (Zusammengehöriges korreliert hoch) und diskriminante (nicht zusammengehöriges korreliert niedrig) Validität des bereichsspezifischen Selbstwertgefühls (Asendorpf & van Aken, 1993). - - In der Regel ist Stabilität des allgemeinen Selbstwertgefühls geringer als die Stabilität des bereichsspezifischen Selbstwertgefühls. Das wäre erstaunlich, wenn das allgemeine lediglich ein Aggregat der bereichsspezifischen Urteile wäre Erklärung: Das eher abstrakte Urteil über das allgemeine Selbstwertgefühl ist stärker situations-und stimmungsabhängigals das konkretere bereichsspezifische Urteil Deshalb sagt Depressivität eher niedrigen eher niedrigen allgemeine Selbstwert vorher als andere Selbstwertdynamik - Der Zusammenhang zwischen Selbstkonzept und Verhalten wird allerdings durch intraindividuelle Kontrasteffekte deutlich gemindert Beispiel: Selbstkonzept in Deutsch vs Mathe 15 Selbstwahrnehmung: - „Wahrnehmung“ der eigenen Person, sowohl psychologisch als auch physisch durch eigenes Verhalten, Motive, Bio-Feedback etc. - Wir tendieren dazu uns so zu sehen, wie wir zu seine glauben Selbsterinnerung: - Quelle selbstkonzeptueller Informationen - Dadurch, dass wir in unseren Erinnerungen eher konsistent mit unserem aktuellen Selbstkonzepten erscheinen, glauben wir zu wissen, wer wir sind Beide Prozesse werden durch Selbstkonsistenzerhöhung verzerrt Soziales Spiegeln: - Cooley (1902): Wir sehen uns so, wie wir uns im Spiegel der anderen sehen: sie halten uns durch ihre Reaktionen auf uns einen Spiegel vor. - Allerdings sehen wir im Spiegel nicht deren "objektive" Reaktionen, sondern nehmen sie subjektiv, ggf. selbstkonsistenzerhöhend, wahr: Wir tendieren dazu, uns so zu sehen, wie wir glauben, dass andere uns sehen. - Empirisch (Swann et al.): Bei negativem Selbstwert werden Leistungsrückmeldungen eher unterschätzt und negative Rückmeldungen eher beachtet - Empirisch (Kenny & DePaulo, 1993): In Studentengruppen korreliert der wahrgenommene Eindruck anderer über die eigene Person über .80 mit dem Selbstkonzept ("Projektion"), und Unterschiede zwischen anderen in deren Eindruck werden nicht valide wahrgenommen. - Das spricht gegen die Annahme des symbolischen Interaktionismus (Mead, 1934), dass unser Selbstbild durch Generalisierung der Rückmeldungen anderer geformt wird. Allerdings nicht beliebiger anderer, sondern "significant others" (z.B. Eltern, gute Freunde), und solche Rückmeldungen hatten Kenny & DePaulo (1993) nicht untersucht 16 Sozialer Vergleich: - Bezugsgruppeneffekteauf das Selbstwertgefühl kommen dadurch zustande, dass man sich selbst mit anderen aus einer bestimmten Bezugsgruppe vergleicht, nicht nur mit Altersgleichen (Big-Fish-Little-Pond Effekt; Marsh & Hau, 2003).Beispiel: Übergang ins Gymnasium (Bayern) Selbstdarstellung: - Auch das eigene Verhalten unterliegt Einflüssen, es an das Selbstbild oder ein erwünschtes davon abweichendes Bild (z.B. Idealselbst) anzupassen. - "Persönlichkeit" stammt vom lateinischen "persona"(Maske von Schauspielern im Theater)! - Goffman (1956): In der Öffentlichkeit spielen alle Theater, sind Selbstdarsteller. Dadurch versuchen wir, Einfluss auf den Eindruck anderer von uns zu gewinnen (Eindrucksmanagement). - Dies kann auch indirekt geschehen (z.B. Gerüchte verbreiten) Beispiel: persönliche Homepages im Internet - Gosling et al. (2004): Homepage-Beurteilungen der Big Five des HomepageInhabers korrelierten im Mittel .31 mit dem Selbsturteil und .39 mit dem Bekanntenurteil über die Inhaber der Homepages. - Die Homepage-Beurteilungen korrelierten nur für Extraversion und Verträglichkeit mit dem Ideal-Selbst der Inhaber der Homepage, d.h. wurden durch Selbstdarstellung in Extraversion und Verträglichkeit in ihrem Urteil beeinflusst Narzissmus (Selbstüberschätzung) - Persönlichkeitspsychologisch gibt es zahlreiche selbstbezogene Dispositionen, die in der Selbstwertdynamik eine Rolle spielen. Eine davon ist Selbstüberschätzung vs. Selbstunterschätzung. Eine mäßige Selbstüberschätzung (Diskrepanz zwischen Selbstbild und dem Bild anderer oder objektiven Leistungen) ist normal. Gnadenloser Realismus oder Unterschätzung finden sich eher bei Depression oder sehr niedrigem Selbstwert. 17 - - Stark überdurchschnittliche Selbstüberschätzung ist aber ebenfalls problematisch, da sie mit einem negativen Bild anderer korreliert Sigmund Freud und später Otto Kernberg (1989) sprachen bei starker Selbstüberschätzung von Narzissmus, charakterisiert durch ein "grandioses Selbstbild", das mit viel Abwehr-Aufwand verteidigt werden müsse und entsprechend fragil sei: mangelnde Empathie(um negative Rückmeldungen zu meiden),Überempfindlichkeit gegenüber Kritik, starke Stimmungsschwankungen. Narzissmus ist in DSM-IV und ICD-10 eine Persönlichkeitsstörung. Normale Varianten von Narzissmus werden durch das Narcissistic Personality Inventory (NPI) erfasst (deutsche Version von Schütz et al., 2004) Mit dem NPI wurde u.a. gefunden: 1. Narzissmus korreliert bei Studierenden mit einer Überschätzung der eigenen Intelligenz und physischen Attraktivität, der eigenen Leistung in Gruppen, der zu erwartenden eigenen Note. 2. Narzissmus korreliert in Tagebuchstudien mit starken Schwankungen der Stimmung und des aktuellen Selbstwertgefühls von Tag zu Tag. 3. Erfolg-Misserfolg-Erfolg-... Sequenzen reagieren Narzissten auf Erfolg besonders positiv, wenn er nach Misserfolg auftritt, und bei Misserfolg mit Ärger, besonders nach Erfolg. 4. Fernsehstars (insbesondere Frauen) sind unabhänig von Karrieredauer narzitischer: Selektionseffekt, nicht professionelle Verbiegung Selbstüberwachung - - - Persönlichkeitsunterschiede in der Selbstdarstellung werden seit Snyder (1974) als Selbstüberwachung (self-monitoring) bezeichnet. Faktorenanalysen ergaben jedoch zwei klar trennbare Faktoren. o Soziale Fertigkeit beschreibt die Fähigkeit zur Selbstdarstellung ("ich bin ein guter Schauspieler") und korreliert negativ mit Neurotizismus und Gehemmtheit. o Inkonsistenz beschreibt die Abhängigkeit des eigenen Verhaltens von anderen ("ich bin nicht immer so, wie ich vorgebe zu sein") und korreliert positiv mit Neurotizismus und Gehemmtheit, also umgekehrt wie soz. Fertigkeit Eine andere Differenzierung beruht auf der Unterscheidung von Arkin (1981) zwischen: o akquisitive Selbstdarstellung(Suche nach positiver Bewertung) o protektive Selbstdarstellung(Vermeidung negativer Bewertung) Laux und Renner (2002) entwickelten hierfür Skalen und fanden durch Clusteranalysen 4 Typen: o schwache Selbstdarsteller (beides niedrig) o akquisitive Selbstdarsteller o protektive Selbstdarsteller o starke Selbstdarsteller (beides hoch) 18 - - - - Die ersten beiden Typen gaben ein starkes Bedürfnis nach authentischer Selbstdarstellung an, die letzten beiden Typen nicht Duval und Wicklund (1972) untersuchten die Effekte experimentell induzierter Selbstaufmerksamkeit(z.B. durch Spiegel, Video- oder akustische Rückmeldung, Fotos der eigenen Person) und unterschieden private und öffentliche Selbstaufmerksamkeit(Aufmerksamkeit ist auf inneres Erleben bzw. Eindruck anderer gerichtet). Wie stark und häufig beide Formen vorkommen, beschreibt Persönlichkeitsunterschiede, die als private und öffentliche Selbstbewusstheit bezeichnet werden Nachfolgende Untersuchungen zeigten, dass die affektive Tönung wesentlich ist Bei negativer Tönung (ich grüble über meine Vergangenheit, ich zweifle an meinem Äußeren) korrelieren private und öffentliche Selbstbewusstheit so stark, dass sie nicht mehr unterscheidbar sind. Nur bei positiver Tönung (ich bin stolz auf meine Erfolge im letzten Jahr, ich genieße es, im Mittelpunkt zu stehen) sind sie klar trennbar Wohlbefinden Dispositionshierarchie für psychische Gesundheit: - Das subjektive Wohlbefinden ist also deutlich vom Temperament abhängig. Die Lebensumstände (Gesundheit, materielle,...) tragen dagegen überraschend wenig bei. 37% der 100 reichsten US-Bürger gaben ein unterdurchschnittliches Wohlbefinden an; auch Rollstuhlfahrer und Blinde sind überwiegend glücklich 19 Geschätzter und tatsächlicher Anteil überwiegend glücklicher US-Bürger (Diener & Diener, 1996) Das Wohlbefinden anderer wird also stark unterschätzt, besonders von Doktoranden in Psychologie ("klinischer Bias") - - - Längsschnittstudien fanden, dass das Wohlbefinden selbst bei extremer Änderung der Lebenssituation (Lotteriegewinn, Querschnittslähmung) bereits nach 3 Monaten weitgehend zum vorherigen Ausgangswert zurückgeht. Die Vorhersage des Wohlbefindens aufgrund von Extraversion und Neurotizismus (multiple Korrelation) beträgt bereits .60; Berücksichtigung positiver und negativer Ereignisse verbessern die Vorhersage auf .75, aber nur bzgl. der Ereignisse in den letzten 3 Monaten. Deshalb kann das Wohlbefinden als Sollwert eines Regelkreises des Glücks, also als Persönlichkeitseigenschaft, aufgefasst werden (Headey & Wearing, 1989) Neuere Analyse einer großen repräsentativen Längsschnittstudie (sozioökonomisches Panel des DIW) führt aber zu einer Reversion - - Das Wohlbefinden korreliert stark mit 1. Allgemeines Selbstwertgefühl 2. Selbstwirksamkeit 3. Hohe Extraversion und niedriger Neurotizismus 4. Religiosität Dagegen korreliert es in Industrienationen nur um .10 mit dem realen Einkommen. Da die Persönlichkeitskorrelate des Wohlbefindens untereinander ebenfalls deutlich korrelieren, ist die Kausalitätsfrage kaum zu beantworten (Beispiel: Wohlbefinden --> mehr Kontakt --> Extraversion, Extraversion --> mehr Kontakt --> Wohlbefinden) 20 Umwelt und Beziehungen Situationsexpositionen - Situation: Aktuelle Umweltbedingung einer Person. Setting: „Objektive" Situation, die durch äußere Beobachter vollständig beschreibbar ist Situationsexposition: Häufigkeit oder Dauer, mit der eine Person Situationen eines bestimmten Typs ausgesetzt ist Die Situationsexposition ist eine Eigenschaft der Person und ihrer Umwelt Ihre Stabilität ist ähnlich hoch wie die von Persönlichkeitseigenschaften Beispiel Goslinget al. (2002). A roomwitha cue! Beurteilerübereinstimmungfür Big Fivedes Bewohners ca. .50; Korrelationen mit Big Fivedes Bewohners (Selbst-und Fremdurteile) substanziell: .20 (Verträglichkeit) bis .65 (Kultur) - Abhängigkeit der Situationsdefinition von der Persönlichkeit, wenn es sich nicht um Settings handelt. Beispiel: Freund (ist kein Setting-Bestandteil) Sarasonet al. (1987): Selbstbeurteilte Einsamkeit korrelierte: -.28 mit Zahl der Beziehungen-.53 mit Zahl der als unterstützend erlebten Bez..63 mit Zufriedenheit mit der Unterstützung 21 Messverfahren: 1. Retrospektive Einschätzung (ungenau bereits für vorangegangenen Tag, sehr unzuverlässig für vergangene Woche) 2. Tagebuch, Logbuch (z.B. Palmtop, Internet; wichtig zur Kontrolle des Aufzeichnungsdatums) 3. Piepsertechnik (6-10 pro Tag in randomisierten Abständen) 4. Direkte Beobachtung (Protokollierung durch Beobachter oder kontinuierliche Verhaltensmessung) Beispiel: Piepsertechnik(Csikszentmih alyi& Larson, 1984) Zeitanteile US-Oberschüler Beispiel: Verhaltensmessung mit abendlichem Situationsprotokoll (Asendorpf & Meier, 1993) Persönliche Umwelt - - - Persönliche Umwelt ist Gesamtheit der stabilen Situationsexpositionen einer Person Stabilität ist meist ähnlich hoch wie bei Persönlichkeitseigenschaften! Ist der Ausschnitt ihrer Welt, der ihnen am nächsten ist (Mikrosystem) PROXIMAL: Variablen, die die Umwelt beschreiben o Bsp. Arbeitsbedingungen der Eltern beeinflussen deren persönliche Umwelt (direkte vs indirekte Einflüsse) DISTAL: Variablen, die nicht Teil der persönlichen Umwelt sind und daher nur indirekt auf die Person wirken o Bsp. Sozioökonomischer Status/Soziale Schichte Wird in Hinsicht auf sozioökonomischen Status jedoch nur eine Person betrachtet ist wiederum eine proximale Variable (+ Persönlichkeitsmerkmale) 22 - Der Status eines Ehemannes ist ein Persönlichkeitsmerkmal, in Hinblick auf die ebenfalls arbeitende Ehefrau eine Mischung aus Pers.-merk. und proximaler Umweltvariable und in Hinblick auf ein Kind ist es nur eine proximale Variable Wenn man den sozioökonomischen Status operationalisiert ist er keine distale Variable mehr Beispiel: distale Variabele nach der klassischen Sozialisationsforschung Persönlichkeitspsychologische Umformung: Bildung des Vaters & der Mutter wirken proximal auf die Erziehungsziele und nicht distal über die Arbeitsbedingungen Erklärung der Verbindung zwischen Erziehungspraktiken und Einstellungen des Kindes In persönlichkeitspsychologischen Untersuchungen sollte die Umwelt durch proximale Variablen erfasst werden 23 Umweltsysteme - Aus systemischer Sicht besteht die Umwelt einer Person aus einem System mit einer von ihr unabhängigen Struktur Beispiel: Soziale Systeme Soziogramm einer Schulklasse: - das kleine aber feine Wer-Mag-Wenn-Prinzip - Um Umweltsysteme auf die Persönlichkeit eines Individuums beziehen zu können, müssen sie auf einzelne Dimensionen reduziert werden, die seinen Systemstatus beschreiben - d.h Reduktion der entstehenden mehrdimensionalen Umweltklassifikationen Beispiel: Zweidimensionales Modell des sozimetrischen Status in einer Schulklasse Beziehungen - Eine soziale Beziehung ist einzeitstabiles Merkmal einer Dyade(Personenpaar). Aus Sicht einer der beiden beteiligten Personen ist die andere Person eine Bezugsperson, die Teil der persönlichen Umwelt ist. Die Beziehung selbst ist eine Relation zwischen Persönlichkeit und Umwelt o Behavioristisch: stabiles Interaktionsmuster("Interaktionsdisposition") o Kognitiv: Beziehungsschema (Selbstbild in Beziehung, Bild der Bezugsperson, Interaktionsskript) o Affektiv: Beziehungsqualität 24 - Die Beziehungsqualität hängt ab von: der Persönlichkeit beider Bezugspersonen und ihrer Interaktionsgeschichte Deshalb lässt sich die Beziehungspsychologie nicht auf die Persönlichkeitspsychologie reduzieren Die persönliche soziale Umwelt lässt sich nur zum Teil systematisch erfassen; ein ausgewogenes Bild entsteht, wenn alle sozialen Beziehungen der Person betrachtet werden Beziehungsnetzwerke - Simultane Untersuchung aller Beziehungen einer Person ist aus persönlichkeitspsychologischer Sicht äußerst sinnvoll = Netzwerkansatz Oft jedoch Erfassung der Beziehungen durch Beziehungsmatrix Merkmale des beeinflussen Beziehungsnetzwerks korrelieren mit der Persönlichkeit (eher schwach), weil sie persönlichkeitsabhängig definiert sind, die Persönlichkeit Beziehungen beeinflusst und Beziehungen die Persönlichkeit Beispiel Asendorpf & Wilpers(1998) Im jungen Erwachsenenalter beeinflusst die Persönlichkeit Beziehungen stärker als umgekehrt, wie sich durch Pfadmodelle zeigen lässt (vgl. dynamischer Interaktionismus; Asendorpf & Wilpers, 1998) 25 Bindungsstile bei Kindern - Besonders enge, Sicherheit vermittelnde Beziehungen werden als Bindung bezeichnet, stabile Unterschiede in der Qualität der Bindung als Bindungsstile - Sigmund Freud: Bindung an die Eltern - Später: Objektbeziehungen (Eltern, Partner, Analytiker). - Melanie Klein (1948): internalisierte Objektbeziehungen als Fantasievorstellungen - Sandler & Rosenblatt (1962): mentale Repräsentationen tatsächlicher Beziehungen - Bowlby (1969) verknüpfte das Konzept der mentalen Repräsentationen von Beziehungen mit evolutionsbiologischen und systemtheoretischen Vorstellungen: o Ein evolviertes Bindungssystem, das bei Gefahr die Nähe zwischen Kind und primärer Bezugsperson (meist: Mutter) gewährleiste durch Suchen von Nähe bzw. Spenden von Sicherheit. o Die frühen Erfahrungen des Kindes mit solchen Situationen seien in Form eines inneren Arbeitsmodells von Beziehungen gespeichert, das spätere Erwartungen an Beziehungen präge und so eine Ähnlichkeit der Bindungsqualität in Kindheit und Erwachsenenalter bedinge. Anwendung zunächst: Waisenhäuser, klinische Störungen - - Ainsworthet al. (1978) erweiterten Bowlbys klinischen Ansatz auf normale Varianten von Bindungsstilen bei 12-18 Monate alten Kindern aufgrund von Verhaltensbeobachtungen zunächst in Uganda, dann in den USA. Drei Bindungsstile, operationalisiert durch Beobachtung im Fremde-SituationTest (standardisierte Laborsituation): o B: Sicher Keine Vermeidung des Kontaktes und der Nähe zur Mutter o A: Vermeidend Ignorieren oder aktives Vermeiden der Mutter o C: Ängstlich-Ambivalent Zeichen eines AnnäherungsVermeidungskonflikt gegenüber der Mutter 26 - - - - - - - - - Die kritische diagnostische Situation ist also die Wiedervereinigung von Bezugsperson und Kind. Main und Solomon (1986) erweiterten die Typologie von Ainsworthet al. um den Bindungsstil D (desorganisiert-desorientiert), beschrieben als "the look of fear and no where to go" (Zusammenbruch der normalen Verhaltens- und Aufmerksamkeitsstrategien). Typ B (sichere Bindung) wird am häufigsten gefunden; Typ D kann allerdings in klinischen Stichproben sogar häufiger sein als Typ B. In westlichen Kulturen ist Typ A (vermeidend) häufiger als Typ C (ängstlichambivalent) Die Befunde zur mittelfristigen Stabilität des Bindungsstils bei Kindern sind widersprüchlich; in Risikostichproben ist die Stabilität geringer als in stabilen Familien, aber auch da ist die Stabilität über 6 Monate in manchen Studien gering Werden Mutter und Vater mit dem Kind zeitnah beobachtet, ist der Bindungsstil bezüglich sicher -unsicher nicht konsistent; nur die Form der Unsicherheit (Typ A, C, D) zeigt eine mittelhohe Konsistenz zwischen den Eltern Fazit: Der Bindungsstil ist kein Persönlichkeitsmerkmal des Kindes, sondern beziehungsspezifisch, d.h. das Merkmal einer sozialen Beziehung Die Inkonsistenz des Bindungsstils für sicher - unsicher legt nahe, dass die Bindungssicherheit von der Persönlichkeit der Bezugsperson abhängt Am höchsten korreliert die Bindungssicherheit des Kindes mit der Einfühlsamkeit der Bezugsperson in die kindlichen Bedürfnisse (mittlere Korrelation in Metaanalyse .24; De Wolff & van IJzendoorn, 1997) Die höhere Konsistenz des Bindungsstils für den Typ der unsicheren Bindung legt nahe, dass dies eher von Merkmalen des Kindes abhängt, insbesondere von seinem Temperament: emotionale Labilität mit Typ C (mittlere Korrelation .20) Interventionsstudie von van den Boom (1994) an Eltern emotional labiler 6-9 Monate alter Kinder: Bei Training in Einfühlsamkeit war die Bindungssicherheit häufiger als in der Kontrollgruppe, nachweisbar bis zu 40 Monate. Z.B. waren im Alter von 18 Monaten in der Interventionsgruppe 72% sicher gebunden, in der Kontrollgruppe nur 26% Ein sicherer Bindungsstil im Alter von 12-18 Monaten sagt sozial kompetentes Verhalten mit Gleichaltrigen bis zum Jugendalter vorher. Vermeidende Bindung ist mit Aggressivität, ängstlich-ambivalente Bindung mit Schüchternheit und Ängstlichkeit korreliert. Bei Kibbuzkindern, die mehr mit einer Tagesmutter zusammen sind als mit der leiblichen Mutter und getrennt von ihr zusammen mit Gleichaltrigen schlafen, gelten die obigen Vorhersagen für die Bindung an die Tagesmutter, nicht aber für die Bindung an die leibliche Mutter (Sagiet al., 1985) Neuere Längsschnittstudien zeigen, dass der Bindungsstil im frühen Kindesalter mäßig bis gar nicht den Bindungsstil an die eigenen Eltern oder Partner im Erwachsenenalter vorhersagt, insbesondere nicht bei Risikofamilien. Psychoanalytiker und klassische Bindungstheoretiker (z.B. Bowlby) überschätzten die langfristige Bedeutung der frühkindlichen Bindung. 27 - Offenbar ändert sich das "innere Arbeitsmodell" von Beziehungen oft noch deutlich im Verlauf der Entwicklung Bindungsstile bei Erwachsenen - Bindungsstile im Erwachsenenalter werden mit zwei völlig verschiedenen Methoden untersucht 1. Interviewmethode (AAI) 2. Selbstbeurteilung prototypischer Bindungsstile 1. Interviewmethode: - Im Adult Attachment Interview (AAI) von George, Main et al. (1985) beschreiben Erwachsene ihre Beziehung zu Mutter und Vater in der Kindheit durch Adjektive und sollen dies dann durch konkrete Erlebnisse belegen. - Extrem aufwändiges Verfahren: 1-2 Std. Interview plus 8 Std. Auswertung durch Experten pro Person. - Vorteil: beruht auf Abwehrtheorie. Positive, nicht konkret belegbare Beziehungsbeschreibungen und Widersprüche im Interview werden als Ausdruck unsicherer Bindung interpretiert. - Klassifikation: autonom-sicher, unsicher-distanziert, unsicher-verwickelt, unverarbeitet, entspricht Ainsworth-Main-Typen B, A, C, D - Rechtfertigung des hohen Aufwandes beim AAI durch die hohe Validität: o AAI-Bindungstyp der Mutter vor der Geburt des Kindes sagt die Bindung des eigenen Kindes im Alter von 12-18 Monaten gut vorher (69% Übereinstimmung in Metaanalyse von van IJzendoorn, 1995). - Aber Transmissionslücke: o Die mütterliche Einfühlsamkeit korreliert nur mäßig mit AAI sicher/unsicher und Kind sicher/unsicher, erklärt also Zusammenhang nicht ausreichend Es gibt also weitere relevante Merkmale der Mutter. Genetische scheiden aus, weil die Validität des AAI bei Adoptivkindern nicht niedriger ist - Partner ist bei Erwachsenen meist primäre Bindungsperson (Doherty & Feeney, 2004): o Wenn vorhanden, dann in 77% primäre Person. 28 - o Wenn nicht vorhanden, dann oft Mutter oder beste(r) Freund(in) (jeweils 37%). Deshalb wurden auch AAI-Varianten für die Bindung an den aktuellen Partner entwickelt: o Trebouxet al. (2004) fanden kappa= .35 Übereinstimmung zwischen den AAI-Diagnosen für Eltern bzw. Partner. => Übereinstimmung ist also mäßig 2. Selbstbeurteilung prototypischer Bindungsstile - Geringe bis völlig fehlende Übereinstimmungen gibt es auch in Bezug auf den selbsteingeschätzten Bindungsstil in der Beziehung zum Partner (Ankreuzen des bestpassenden Stils aufgrund prototypischer Beschreibungen eines sicheren, vermeidenden und ängstlich-ambivalenten Stils; Hazan& Shaver, 1987). - Die Validität dieser alternativen Methode ist aber auch durch zahlreiche Studien belegt Beispiel Studie von Mikulinceret al. (1993): - Im 1. Golfkrieg berichteten an den Partner sicher Gebundene (PrototypenAnsatz) über mehr Suche nach Unterstützung durch andere und weniger Angst und Depression, ängstlich-ambivalente berichteten mehr emotionsbezogene und vermeidend Gebundene mehr defensive Bewältigungsversuche - Dies galt aber nur in Gebieten mit hohem Risiko für irakische Raketenangriffe - Der Zusammenhang zwischen Bindungsstil und Angst/Depression ließ sich nicht durch den Bewältigungsstil erklären: - Gefahr --> Bindungsstil --> Angst/Depression Bartholomew (1990) - erweiterte das 3-Typen-Modell von Hazan& Shaver(1987), indem sie den vermeidenden Stil in einen abweisenden und einen ängstlichen differenzierte und den ängstlich-ambivalenten Stil als besitzergreifenden Stil interpretierte. Es resultierten 4 Stile: 29 Annahme von Bartholomew (1990) durch Interviews: - Abweisendes & distanziertes Verhalten für zu negativem Fremdbild - Ständiges Bedürfnis nach Nähe führt zu negativem Selbstbild (ängstlich), bzw. eine Unterdrückung des Bedürfnisses führt zu der Möglichkeit eines intakten Selbstbildes (abweisend) - Besitzergreifende Versuchen ein negatives Selbstbild durch Anerkennung von anderen zu korregieren Befund von Asendorpf et all (1997) durch Selbstbeurteilung: - Besitzergreifend & Abweisend sich unkorreliert bzw. korrelieren nur mittelstark positiv mit Ängstlich - Alle 3 unsicheren Bindungen sind Gegensatzpole zu sicherer Bindung - - Bindungsstile sind auch im Jugend- und Erwachsenenalter stark beziehungsspezifisch: Cook (2000) o untersuchte Familien mit 2 Eltern und 2 Jugendlichen und ließ sie ihren Bindungsstil zu allen 3 anderen Familienmitgliedern einschätzen. o Unterschiede zwischen den Stilen beruhten primär auf der Interaktion Urteiler x Beurteilter und den Urteilern, sekundär auf den Beurteilten Furmanet al. (2002) o untersuchten mit dem AAI und analogen Interviews für Freunde und Partner Bindungsstile bei Jugendlichen und fanden Korrelationen zwischen Eltern und Freunden, Freunden und Partner, aber nicht Eltern und Partner: Eltern --> Freunde --> Partner 30 Das Informationsverarbeitungsmodell von Mikulincer & Shaver(2003) - regte zahlreiche kognitionspsychologische Experimente an, in denen es weitgehend bestätigt wurde - Es bettet die Bindungsforschung erstmals in das Informationsverarbeitungsparadigma ein, beschreibt Bedingungen für die Aktivierung des Bindungssystems und interpretiert ängstliche bzw. vermeidende unsichere Bindung als hyper- bzw. deaktivierende Strategien - Nach diesem Modell variieren Bindungsstile primär auf der Dimension sicher-unsicher, sekundär auf der Dimension Hyperaktivierung Deaktivierung. Soziale Unterstützung - Neben der Bindungsqualität wurde besonders die soziale Unterstützung durch Beziehungen untersucht, vor allem im gesundheitspsychologischen und klinischen Kontext - Denn nach der Stresspuffer-Hypothese von Cohen & Wills (1985) fördert soziale Unterstützung die Bewältigung von Belastungen (puffert sie also ab) - Unterschieden werden verschiedene Formen der Unterstützung, die in unterschiedlicher Weise mit dem Bewältigungserfolg bei Belastungen zusammenhängen Beispiel: Belastung durch Tod der Ehefrau Typen korrelieren nur mäßig miteinander; teilweise Kontraproduktiv zur Bewältigung von Belastung 31 Modell der Unterstützung nach Sarasonet al. (1990) - - - Potentielle Unterstützung abhängig von Persönlichkeit (z.B. wenn der Witwer sicher ist das man ihm nicht Helfen kann ist die potenzielle Unterstützung geringer) Erhaltene, Erfahrene und potenzielle Unterstützung sind unterschiedliche Unterstützungsaspekte die nicht austauschbar sind Nicht immer ist Unterstützung hilfreich o Beispiel Bolger et al. (1996) bei brustamputierten Patientinnen: Erhaltene Unterstützung durch Angehörige nahm mit subjektivem Leiden der Patientinnen ab und beeinflusste weder deren subjektives Leid noch den objektiven Schweregrad der Erkrankung. o Beispiel Schmerzpatienten (Flor et al., 1987, 1995): Unterstützung durch den Partner während Rückenschmerzperioden steigerte die Schmerzen und trug zur Chronifizierung der Schmerzen bei (Unterstützung verstärkt Schmerzen und senkt Schmerzschwelle) Guter Partner Welche Persönlichkeit hat ein "guter" Partner? - Antwort abhängig von Kriterium: 1. Zufriedenheit mit Partnerschaft (individuell) 2. Partnerschaftsstabilität (dyadisch = in 2 Bestandteile zerlegbar) - Prädiktoren: 1. individuelle Persönlichkeit 2. dyadische Passung der Persönlichkeit - Bezüglich individueller Persönlichkeit ist der Neurotizismus bei Mann und Frau der beste Prädiktor für aktuelle Unzufriedenheit und künftige Unzufriedenheit und Trennung 32 Beispiel Studie von Kelley und Conley(1987): Aus Bekanntenurteilen im Alter von 20-30 Jahren zum Zeitpunkt der Heirat wurde der Ehestatus 45 Jahre spätervorhergesagt (angegeben sind z-Werte) - - Bezüglich Passung der Persönlichkeit der Partner zueinander gibt es schwache Beziehungen derart, dass die Ähnlichkeit in manchen Merkmalen die Zufriedenheit mit der Beziehung fördert, z.B. in: o Radikalität der politischen Einstellung o sexuelles Verlangen o Gewissenhaftigkeit o Neurotizismus Also sind z.B. zwei neurotische Partner zufriedener miteinander, als man nur bei Betrachtung der individuellen Werte erwarten würde. Ähnlichkeit in den Einstellungen der Partner fördert dagegen die Stabilität der Partnerschaft 33 Persönlichkeitsentwicklung Entwicklungsverläufe - In der Entwicklungspsychologie wird zwischen individueller, universeller, durchschnittlicher und differentieller Entwicklung unterschieden - Durchschnittliche Veränderungen = alterstypisch Individuelle Veränderungen = basieren auf individuellen Besonderheiten (Diff) - In der Persönlichkeitspsychologie werden durchschnittliche Veränderungen manchmal auch als Persönlichkeitsveränderungen bezeichnet Beispiel: Kulturvergleichende Querschnittstudien (McCrae et al.) zeigen übereinstimmend ab dem Alter von 20 Jahren eine: o Abnahme des Neurotizismus o Zunahme von Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit Allerdings könnte dies auch durch Kohorteneffekte bedingt sein (unterschiedliche Geburtsjahrgänge werden verglichen) Eine Metaanalyse von Längsschnittstudien von Roberts et al. (2007) bestätigte aber die querschnittlichen Ergebnisse von McCrae et al Kritik: Eigentlich handelt es sich nicht um Persönlichkeitsveränderungen, sondern typische Altersveränderungen. Persönlichkeitsveränderungen im strengen Sinne setzen differentielle Veränderungen voraus Sie können auch stattfinden, wenn es keine durchschnittlichen Veränderungen gibt; insofern sind Persönlichkeitsveränderungen prinzipiell unabhängig von durchschnittlichen Veränderungen; Allerdings finden sich empirisch bei deutlichen durchschnittlichen Veränderungen durchweg auch deutliche differentielle Veränderungen McCrae et al. interpretierten die kulturell universellen durchschnittlichen Veränderungen als intrinsische Reifung, z.B. genetisch bedingt. Kritik: Sie übersahen, dass es auch kulturell universelle durchschnittliche Umweltveränderungen geben kann, die verantwortlich für die gefundenen durchschnittlichen "Persönlichkeitsveränderungen" sein können - - - 34 - Beispiel: Studie von Neyer & Asendorpf (2001) zeigte, dass der Neurotizismus im jungen Erwachsenenalter durch die erste stabile Partnerschaft abnimmt, nicht jedoch bei Singles: Abnahme erklärt durch Umweltveränderung Langfristige Stabilität - Bei differentieller Entwicklung in einem Merkmal ändert sich die Rangfolge der Personen in diesem Merkmal; das senkt die Stabilität des Merkmals Umgekehrt liegt bei langfristiger Instabilität differentielle Entwicklung vor: differentielle Entwicklung = langfristige Instabilität Entwicklungsveränderungen sind gerichtet (Zu- oder Abnahme); Instabilität besagt nur, dass Veränderungen stattgefunden haben: Veränderung ist gerichtet, Instabilität ist ungerichtet EXKURS: Rangordnungsstabilität vs Retest-Reliabilität c) als typischer Befund 35 - - - Erfasst wird die langfristige Stabilität einzelner Persönlichkeitseigenschaften durch Längsschnittstudien, in denen die Eigenschaft bei denselben Personen in größerem Abstand mindestens zweimal gemessen wird. Die Korrelation zwischen den Messzeitpunkten ist ein quantitatives Maß der langfristigen Stabilität der Eigenschaft (genauer: der Stabilität der interindividuellen Unterschiede in den Eigenschaftswerten). Methode ist also dieselbe wie bei kurzfristiger Retest-Reliabilität, nur dass der Messabstand typischerweise mehrere Jahre beträgt Erstes Prinzip der Eigenschaftsstabilität: - Die Stabilität nimmt mit zunehmendem Messabstand ab, bedingt durch größere Chancen für Persönlichkeitsveränderungen. - Die Abnahme ist nicht linear; sie wird recht gut approximiert durch die Funktion o Stabilität = Reliabilität x Einjahresstabilität (hoch)n (wobei n der Messabstand in Jahren ist) 1. Prinzip: Stabilität sinkt mit wachsenden Retestintervallen: - - Langfristige Stabilität des IQ (Metaanalyse von Conley, 1984) Jedes Kreuz bezeichnet den Stabilitätsbefund einer Längsschnittstudie an vielen Personen; die Linien verbinden Mehrfachmessungen derselben Stichprobe Allerdings sinkt die Stabilität von Neurotizismus über sehr lange Zeiträume etwas weniger als nach der Conley-Formel zu erwarten ist Alternativ schlugen Fraley & Roberts (2005) deshalb ein Mischmodell aus dynamischem Interaktionismus und Entfaltungsmodell vor, in dem ein konstanter Faktor (Genom, frühe Umweltfaktoren) wirkt: Wirkung eines konstanten Faktors K (z.B. Genom und/oder sehr frühe Umweltbedingungen) auf die Persönlichkeit 36 So wird auch verständlich, dass der IQ über sehr lange Zeiträume erstaunlich stabil bleibt, wenn die Vorhersage erst in der späten Kindheit beginnt: - Bei Schotten aus Edinburgh betrug Stabilität von 11 bis 80 Jahre .66 (Dearyet al., 2004) Zweites Prinzip der Eigenschaftsstabilität: - Es gibt eine Hierarchie der Stabilität: o Intelligenz > Temperament> Selbstwert,Wohlbefinden - Im Erwachsenenalter betragen die 10-Jahres-Stabilitäten in etwa: Intelligenz .80, Temperament .60, Selbstwert, Wohlbefinden .50 Drittes Prinzip der Eigenschaftsstabilität: - Die Stabilität ist bei instabiler Umwelttypischerweise niedriger als bei stabiler Umwelt. - Beispiel Lehnart und Neyer (2006): Die Bindungsstile junger Erwachsener waren umso instabiler, je instabiler ihre Umwelt war (operationalisiert durch Partnerwechsel, der zu differenziellen Veränderungen des Bindungsstils beiträgt) Viertes Prinzip der Eigenschaftsstabilität: - Die Stabilität steigt mit dem Lebensalter Beispiel: Stabilität des IQ (Wilson, 1983) Retest-Reliabilität im Alter von 2 Jahren .74, im Alter von 8 Jahren .90 - Eine Ausnahme von der Regel der zunehmenden Stabilisierung sind differentielle Veränderungen, die durch unterschiedlichen Pubertätsbeginn bedingt sind und zu einer vorübergehenden Destabilisierung führen können. Beispiel: Körpergröße und Gewicht Metaanalyse von Roberts & DelVecchio(2000) Angegeben sind 7-JahresStabilitäten - Diese Metaanalyse zeigt, dass Persönlichkeitseigenschaften sich nur langsam stabilisieren, bis sie im Alter von ca. 50 Jahren ihre maximale Stabilität erreicht haben 37 - Dies spricht klar gegen die psychoanalytische Annahme, dass die frühe Kindheit bereits prägend ist Vielmehr gibt es noch viele differentielle Veränderungen, auch nach Erreichen des Erwachsenenalters Ursachen für die zunehmende Stabilisierung: 1. zunehmende Reliabilität der Eigenschaftsmessung 2. Stabilisierung des Selbstkonzepts 3. Wachsender Einfluss der Person auf die Umwelt, die passend ausgewählt oder gestaltet wird: kumulative Stabilität (Caspiet al., 1989) Beispiele für kumulative Stabilität: a)Partnerwahl nach ähnlichem IQ und ähnlichen Einstellungen und Werthaltungen b)Anschluss aggressiver Jugendlicher an deviante Gruppen c)Rückkehr Krimineller nach der Entlassung in kriminelle Kreise Langfristige Stabilität aus personzentrierter Sicht: - Stabilität von Persönlichkeitsprofilen - Beispiel: Stabilität von Q-Sort Profilen und deren Abhängigkeit von Resilienz (van Aken& Asendorpf, 1999) - Resiliente Kinder sind also stabiler in ihrer Persönlichkeit, vermutlich wegen stabilerer und kohärenterer Umwelt und besserer Kontrolle ihrer Umwelt Kontinuität (ununterbrochener Zusammenhang) - - Instabilität kann bedingt sein durch: o geringe Stabilität auf Konstruktebene o geringe Konstruktvalidität des Messverfahrens für einen oder beide Zeitpunkte o geringe Kontinuität des Konstrukts - Beispiel: Vorhersage des Flügelmusters von Schmetterlingen aus dem Raupenstadium - Beispiel II: Intelligenzmessung im Säuglingsalter Bis 1985 typischerweise durch Bayley-Skalen zur Erfassung der (korrelierten) motorischen und kognitiven Entwicklung 38 - - - - Problem: Die Bayley-Skalen im Alter von 6-12 Monaten korrelieren nur um .20 mit IQ-Tests im Vorschulalter: mangelnde Stabilität der Intelligenz, geringe Kontinuität der Intelligenz oder geringe Konstruktvalidität der Bayley-Skalen? Ab 1985 Alternative: Visuelle Habituationstests Visuelle Habituationstests sind zwar -ähnlich wie andere kognitive Tests für das Säuglingsalter -nur mäßig reliabel (Retestreliabilität um .45), aber sie korrelieren fast genauso hoch mit IQ-Tests im Vorschulalter (nach Korrektur für ihre Unreliabilität zu .70, Bornstein & Sigman, 1986) Schlussfolgerung: Intelligenz zeigt hohe Kontinuität und Stabilität zwischen Säuglings- und Vorschulalter; die Bayley-Skalen erfassen Intelligenz im Säuglingsalter nur schlecht. Visuelle Habituation -Vorschul-IQ-Tests: => heterotype Stabilität - - - Heterotype Stabilität der Aggressivität: Vorhersage antisozialen Verhaltens im Alter von 30 Jahren aus Aggressivitätsurteilen von Klassenkameraden im Alter von 8 Jahren (Huesmann et al., 1984) In derselben Studie wurde auch die Aggressivität der Eltern bzw. Kinder erhoben; die Stabilität über 22 Jahre war dabei geringer als die Vorhersage der nächsten Generation im gleichen Alter Erklärung: Stabilitätsminderung durch mangelnde Kontinuität von Aggressivität 39 Vorhersagekraft - - - Beste Studie zur langfristigen Vorhersage psychiatrischer und krimineller Merkmale aus frühen Persönlichkeitsmerkmalen => Dunedin Longitudinal Study (Neuseeland) Repräsentative Stichprobe von über 1000 dreijährigen wurde beobachtet und mit Clusteranalyse in 5 Persönlichkeitstypen eingeteilt, darunter: o Gut angepasste bzw. resiliente (Kontrollgruppe) o Überkontrollierte bzw. gehemmte o Unterkontrollierte Die Stichprobe wurde fast ohne Drop-outs bis (bisher) 26 Jahre untersucht Die 3 Typen unterschieden sich im Alter von 21 Jahren signifikant u.a. in: - (niedriger IQ führt zu frühem Tod) keine Randombemerkung! - In der Terman-Studie werden über 1000 hoch-intelligente 1910 geborene kalifornische Kinder bis ins hohe Alter untersucht. Friedman et al. (1995) konnten aus Persönlichkeitsbeurteilungen im Alter von 11 Jahren die Todeswahrscheinlichkeit im Alter von 70 Jahren überzufällig vorhersagen. Risikofaktoren für frühen Tod waren o niedrige Gewissenhaftigkeit o hohe (!) Fröhlichkeit Die Effekte niedriger Gewissenhaftigkeit konnten teilweise über Alkoholismus, Rauchen und Unfälle erklärt werden. Unerwartet ist der Effekt für Fröhlichkeit; möglicherweise wird er auch über Leichtsinnigkeit vermittelt - - - - In der Nonnen-Studie(Danner et al., 2001) wurden 180 katholische Nonnen vom Eintritt ins Kloster mit 18-32 Jahren bis ins hohe Alter untersucht. Alle mussten bald nach Klostereintritt eine kurze Autobiografie schreiben. 40 - - - Bis zum Jahr 2000 waren 38% der Nonnen mit den 25% häufigsten positiven Aussagen gestorben, aber 70% der Nonnen, die sich am seltensten positiv geäußert hatten (untere 25% der Verteilung). Die Häufigkeit negativer Aussagen sagte die Todesrate nicht vorher Der scheinbare Gegensatz zur Terman-Studie könnte an der ungewöhnlich risikoarmen Umwelt im Kloster liegen Die Vorhersagestärke der letzten drei Studien zeigte folgende Rangfolge: o Dunedin-Studie < Terman-Studie < Nonnen-Studie Dies entspricht dem Alter bei der Erhebung der Prädiktoren für die Vorhersage: o 3 Jahre < 11 Jahre < 18-32 Jahre Hier zeigt sich wieder die zunehmende Stabilisierung der Persönlichkeit mit wachsendem Alter 41 Einflüsse Fragestellung Erklärung von Persönlichkeitsunterschieden: Warum entwickeln unterschiedliche Menschen eine unterschiedliche Persönlichkeit? Erklärung in der Alltagspsychologie Deterministische Regel auf Einzelfall anwenden Erklärung in der Persönlichkeitspsychologie Empirisch begründete Regeln finden in Form probabilistischer Wenn-dann-Aussagen! Erklärungen sind nie monokausal: mehrere Einflüsse „fließen zusammen“ Schätzungsarten Direkte Einflussschätzung Prädiktor ----------- Eigenschaftsvariable - Beispiel: Aggressivität der Mütter Aggressivität der Kinder Interpretationsmöglichkeiten: - Bei mehreren Prädiktoren können diese untereinander korrelieren: unkorreliert korreliert 42 - - - - Bei korrelierten Prädiktoren kann der relative Beitrag durch Pfadanalyse (multiple Regression) ermittelt werden: Direkte Einflussschätzung setzt voraus, dass spezifische Prädiktoren bekannt sind und gemessen werden können manchmal interessieren aber nicht spezifische Prädiktoren, sondern der Gesamteinfluss einer ganzen Klasse von Prädiktoren, die im einzelnen nicht bekannt sind oder nicht gemessen werden können Beispiele a.) Ehepartner werden sich ähnlicher, weil sie (unbestimmte) Einflüsse auf ihre Entwicklung teilen. b.) Aggressivität ist beeinflusst durch (unbestimmte) Gene In diesem Fall gibt es die Möglichkeit der indirekten Einflussschätzung durch den Vergleich der Ähnlichkeit von Personenpaaren, die bestimmte Einflüsse teilen bzw. nicht teilen: o Je ähnlicher sich die Paare sind, die die Einflüsse teilen relativ zu Kontrollpaaren, die sie nicht teilen, desto stärker sind die Einflüsse Empirisch: Die Varianz des Merkmals wird zerlegt in die geteilte und die spezifische Varianz. Die Korrelation zwischen den Personen misst die geteilte Varianz. 43 Genom und Umwelt - - - Mit der indirekten Einflussschätzung kann vor allem die Frage beantwortet werden, wie stark Persönlichkeitsunterschiede durch genetische Unterschiede zwischen den Personen bedingt sind: o der relative Anteil von Genomen und Umwelten an Persönlichkeitsunterschieden Hierzu wird die genetische Ähnlichkeit bestimmter Personenpaare genutzt: der Anteil der von ihnen geteilten Allele (Varianten desselben Gens, z.B. für Blutgruppe A, B, 0) Dieser variiert je nach genetischer Verwandtschaft zwischen 0% und 100% Genetischer Verwandtschaftsgrad r: eineiige Zwillinge 100%; zweieiige Zwillinge, Geschwister, Eltern-Kind 50%; Halbgeschwister, Großeltern 25%… Zwillingsmethode - Verglichen werden eineiige Zwillinge (r=100%) mit zweieiigen Zwillingen (r=50%) - Eine höhere Ähnlichkeit eineiiger Zwillinge wird interpretiert als halber genetischer Einfluss, denn der Unterschied in der Ähnlichkeit ein- und zweieiiger Zwillingen geht darauf zurück, dass 50% der Allele von zweieiigen Zwillingen nicht geteilt werden - Der gesamte genetische Einfluss würde geschätzt, indem die Ähnlichkeit eineiiger Zwillinge mit der von Adoptivgeschwistern verglichen würde, denn letztere teilen keine Allele - Empirisch wird die Ähnlichkeit der Paare in einer Persönlichkeitseigenschaft durch die Korrelation der Eigenschaft zwischen vielen Paarlingen geschätzt: o Aus den Eigenschaften der einen Paarlinge werden die Eigenschaften der anderen Paarlinge vorhergesagt (die Aufteilung eines Paares in zwei Paarlinge ist zufällig). o Damit schätzt die Differenz zwischen der Korrelation für eineiige Zwillinge und der Korrelation für zweieiige Zwillinge den halben genetischen Einfluss. - Er beträgt also das Doppelte der Korrelationsdifferenz Ergebnis der genetischen Einflussschätzungen mit der Zwillingsmethode: - Der genetische Einfluss auf IQ und die (selbstbeurteilten) Big Five beträgt also ungefähr 50%. 44 Adoptionsmethode - Verglichen werden Adoptivgeschwister(r=0%) mit leiblichen Geschwistern (r=50%) - Eine höhere Ähnlichkeit leiblicher Geschwister wird interpretiert als halber genetischer Einfluss, denn der Unterschied in der Ähnlichkeit geht darauf zurück, dass leibliche Geschwister 50% der Allele teilen. - Damit schätzt die Differenz zwischen der Korrelation für leibliche Geschwister und der Korrelation für Adoptivgeschwister den halben genetischen Einfluss. - Er beträgt also das Doppelte der Korrelationsdifferenz Ergebnis der genetischen Einflussschätzungen mit der Adoptionsmethode: - Der genetische Einfluss auf den IQ beträgt also ungefähr 50%, auf die selbstbeurteilten Big Five aber weniger: Widerspruch zu Zwillingsstudie! Diese Widersprüche liegen an zahlreichen methodischen Problemen beider Studien: 45 Deshalb wird vermehrt die Kombinationsmethode verwendet, bei der die Ähnlichkeiten von drei und mehr Arten von Personenpaaren in einer einzigen statistischen Analyse verglichen werden (z.B. leibliche Geschwister, Halbgeschwister, Adoptivgeschwister) - - - - - - - Ergebnis: In der German Observational Study of Adult Twins (GOSAT) wurden ein- und zweieiige Zwillinge in 15 verschiedenen Situationen gefilmt Beobachter schätzten dann jeweils einen Paarling in einer Situation ein: o Unabhängigkeit der Beurteilungen zwischen Paarlingen und Situationen. Ergebnis für die Big Five: o genetischer Anteil im Mittel 41%, also ähnlich wie bei Selbstbeurteilungen in Kombinationsstudien. Insgesamt sind damit genetischer Einfluss und Umwelteinfluss auf IQ und die Big Five annähernd gleich stark Oft vorgebrachter Einwand: Schiff et al. (1982) verglichen den IQ und Schulversagen zwischen französischen Unterschichts-Geschwisterpaaren, bei denen jeweils ein Paarling im Alter von ca. 4 Monaten in die Oberschicht wegadoptiert worden war. Ergebnis: IQ-Gewinn des wegadoptierten 14 IQ-Punkten, d.h. fast eine Standardabweichung 17% der wegadoptierten blieben bis zur 6. Klassesitzen, aber 66% ihrer Unterschichts-Geschwister Aber kein Widerspruch zu den indirekten Schätzungen, da 95%Erwartungsbereich für genetische Schätzung bzw. Umweltschätzung des IQ +/20 IQ-Punkte beträgt Die indirekten Einflussschätzungen sind populationsabhängig, da sie von der Variabilität der Gene und Umweltbedingungen und deren Wechselwirkung innerhalb der untersuchten Population abhängen. Insbesondere sind sie deshalb kulturabhängig. Änderungen der wirksamen Umweltbedingungen können den genetischen Einfluss verändern. Z.B. erhöht maximale individuelle Förderung den genetischen Einfluss auf die dann noch verbleibenden Leistungsunterschiede: o Chancengleichheit erhöht den genetischen Einfluss Ein genetischer Einfluss auf eine Eigenschaft besagt nicht, dass es Gene gibt, die die Eigenschaft direkt bedingen Beispiel: In Australien ist die Einstellung zur Todesstrafe zu ca. 50% genetisch bedingt Erklärung: Eine positive Einstellung zur Todesstrafe korreliert negativ mit dem IQ und anderen genetisch beeinflussten Persönlichkeitsmerkmalen 46 - Deren genetische Beeinflussung überträgt sich auf alle hiermit korrelierenden Merkmale, z.B. Einstellung zur Todesstrafe Umweltarten - - - - - Studien mit eineiigen Zwillingen werden auch genutzt, um den Einfluss von Umweltbedingungen direkt nachzuweisen (Kontrollzwillingsdesign). Beispiel: Caspit al. (2004)Negative mütterliche Bewertung sagt antisoziales Verhalten 2 Jahre später vorher: Mit Hilfe der indirekten Schätzungsmethode können zwei Arten von Umwelteinflüssen auf eine Eigenschaft unterschieden werden: o von Geschwistern geteilte Umwelteinflüsse o von Geschwistern nicht geteilteUmwelteinflüsse Erstere sind Umwelteinflüsse, die Geschwister ähnlich machen, letztere Umwelteinflüsse, die sie unähnlich machen. Geteilte Umwelteinflüsse werden durch die Korrelation von Adoptivkindern geschätzt, nicht geteilte durch die Differenz zwischen Reliabilität der Messung und Korrelation eineiiger Zwillinge(deren Unähnlichkeit beruht auf Umwelteffekten) Mit Ausnahme des IQ und bestimmter Werthaltungen (z.B. Religiosität) bis zum Verlassen des Elternhauses sind die nicht geteilten Umwelteinflüsse größer als die geteilten Naheliegend ist die Annahme, dass (nicht) geteilte Einflüsse auf (nicht) geteilten objektiven Umweltbedingungen beruhen: blau: von Zwillingen eher geteilte Umwelten 47 - - Der Einfluss spezifischer nicht geteilter Umweltbedingungen kann durch die direkte Methode der Einflussschätzung bestimmt werden, indem Umweltunterschiede zwischen Geschwistern derselben Familie mit Persönlichkeitsunterschieden zwischen ihnen korreliert werden. Ergebnis: Persönlichkeitsunterschiede zwischen Geschwistern lassen sich durch Umweltunterschiede zwischen ihnen nur wenig erklären (ca. 5%): Widerspruch zu indirekten Schätzungen nicht geteilter Umwelteinflüsse Der Widerspruch ist aber nur scheinbar, da nicht-geteilte Umwelten ähnliche Einflüsse auf Geschwister ausüben können und geteilte Umwelten unähnliche Einflüsse: - - Geteilte Umweltbedingungen wie z.B. der Tod der Mutter können je nach Alter des Kindes und dessen Persönlichkeit unterschiedliche Wirkungen haben und damit zu nicht geteilten Umwelteinflüssen werden: die Persönlichkeit moderiert den Einfluss der auf sie wirkenden Umweltbedingungen Dass die nicht geteilten Umwelteinflüsse so stark sind, scheint an mehreren Faktoren zu liegen: o Viele unterschiedliche Umweltbedingungen beeinflussen dieselbe Eigenschaft; o Dieselbe Umweltbedingung wirkt je nach Persönlichkeit anders; o Zufall in den Wirkungsketten Alterabhänigkeit - Da die indirekten Einflussschätzungen populationsabhängig sind, können die Ergebnisse innerhalb derselben Kultur mit dem Alter variieren. Wie verändern sich genetische Einflüsse mit wachsendem Alter? - Für den IQ steigt der genetische Einfluss bis zum Alter von 65 Jahren Für die Big Five wurden dagegen keine deutlichen Veränderungen des genetischen Einflusses mit dem Alter gefunden Insgesamt findet sich nie eine Abnahme, sondern eher eine Zunahme des genetischen Einflusses auf Persönlichkeitsunterschiede 48 Statistische Interaktion: Genom x Umwelt - - Bei einer statistischen Interaktion zwischen Genom und Umwelt hängen die genetischen Wirkungen wesentlich von den Umweltbedingungen ab und umgekehrt Genetische und Umweltbedingungen wirkten also nicht additiv, sondern multiplikativ Dieselbe Interaktion wurde in zwei skandinavischen Studien gefunden Allerdings wurde der genetische Einfluss jeweils nur indirekt durch antisoziale Tendenzen der leiblichen Mutter der wegadoptierten Kinder geschätzt Er kann auch über von der Mutter bedingte Umwelteffekte während Schwangerschaft und Geburt gewirkt haben (z.B. Rauchen oder Drogenkonsum während der Schwangerschaft) Genom-Umwelt-Kovarianz - - - Bei der Genom-Umwelt-Kovarianz finden sich bestimmte Genome gehäuft in bestimmten Umwelten. Plomin et al. (1977) unterschieden drei Arten: o aktive G-U Kovarianz, bei der Umwelten aus genetischen Gründen ausgewählt oder umgestaltet werden (Beispiel: Partnerwahl) o reaktive G-U Kovarianz, bei der die soziale Umwelt auf genetisch bedingte Merkmale reagiert (Beispiel: Zuweisung von Kindern aufgrund ihrer Intelligenz zu Schultypen) o passive G-U Kovarianz, bei der genetisch Verwandte durch ihr Verhalten bestimmte Umwelten bieten (z.B. Bildungsmilieu der Familie) Wegen der G-U Kovarianz können Korrelationen zwischen Umweltbedingungen und Persönlichkeitseigenschaften bei Kindern teilweise genetisch bedingt sein Beispiel: Korrelation zwischen Zahl der Bücher im Haushalt und IQ der Kinder (wird teilweise über IQ der Eltern vermittelt) Reine Umweltinterpretationen derartiger Korrelationen sind nur im Falle von Adoptivfamilien möglich Annahme von Scarr& McCartney (1983) - zu Veränderungen der Kovarianz mit wachsendem Alter: o Die aktive G-U Kovarianz nimmt zu, insbesondere ab der Pubertät. o Die passive G-U Kovarianz nimmt ab, insbesondere nach Verlassen des Elternhauses o Die reaktive G-U Kovarianz bleibt gleich. o Die aktive G-U Kovarianz nimmt stärker zu, als die passive abnimmt - Letzteres würde den wachsenden genetischen Einfluss auf manche Eigenschaften erklären: die persönliche Umwelt gerät zunehmend unter genetischen Einfluss und verstärkt ihn dadurch 49 Wechselwirkungen Genom x Umwelt Wechselwirkungen zwischen Persönlichkeit und Umwelt Welche Prozesse liegen genetischen und Umwelteinflüssen auf die Persönlichkeit zugrunde, aber auch Einflüssen der Persönlichkeit auf genetische Aktivität und Umwelt? - - - - - Das Genom ist zeitlebens konstant (bis auf wenige Mutationen in einzelnen Zellen, z.B. bei Krebs). Fehlschluss: Der genetische Einfluss auf die Persönlichkeit ist konstant. Das Genom ist zwar konstant, aber sein Einfluss variiert im Verlauf des Lebens, weil Einflüsse nicht auf Genen, sondern auf aktivierten Genen beruhen, und die Aktivität von Genen variiert beträchtlich ("Anschalten/Abschalten" der Strukturgene durch Regulatorgene) Zwischen genetischer Aktivität (nicht: Genen!), neuronaler Aktivität, Verhalten und der Umwelt besteht in Prinzip eine vollständige Wechselwirkung: Insofern ist die Vorstellung falsch, Gene "bewirkten" Entwicklung oder Verhalten Beispiel: „Strick-Gen“ Das Genom ist kein "Programm", das die Entwicklung "steuert" Adäquater ist die Vorstellung, es sei ein Text, von dem im Verlauf des Lebens immer wieder Teile gelesen werden. Der Text legt fest, was gelesen werden kann, aber nicht, was zu einem bestimmten Zeitpunkt gelesen wird Klassisches Beispiel für Umweltwirkung auf genetische Einflüsse: o Phenylketonurie bedingt durch Allel auf dem 12. Chromosom; Bei homozygoter Form Phenylalanin-Überschuss, der massiv Intelligenz mindernd wirkt o Bei Phenylalanin-armer Diät im Kindesalter und entsprechender Medikation kann der intelligenzmindernde Effekt fast ganz unterdrückt werden: Umwelt (Kinderarzt-->Eltern) verändert genetischen Einfluss 50 - - Umgekehrt können Umweltwirkungen durch Veränderung der Genaktivität oder Veränderung des Genoms durch Gentechnologie verändert werden (noch fiktiv, aber prinzipiell möglich) Bei Phenylketonurie ist der Umwelteingriff nur während der Hirnreifung erforderlich, da nur dann das kritische Allel seine Wirkungen entfaltet. Andere Gene werden erst spät im Leben aktiv, z.B. das Allel auf dem 4. Chromosom, das für die Chorea Huntington (Veitstanz) verantwortlich ist. Die Wirkung setzt im Mittel mit 43 Jahren ein; vorher sind die Allel-Träger gänzlich unauffällig: o Genetische Wirkungen sind altersabhängig. Sie können stabilisierend, aber auch destabilisierend auf die Persönlichkeit wirken Molekulargenetische Persönlichkeitsforschung: QTL Ansatz(quantitative traitloci) ab 1994 - Bisher keine überzeugend replizierbaren Ergebnisse für den IQ. - Umstritten wegen widersprüchlicher Befunde: DRD4-Gen auf dem 11. Chromosom und Streben nach Neuigkeit ("Sensation seeking"). - Bisher kein überzeugender Nachweis eines QTL für normale Persönlichkeitsvarianten. - 51