Differentielle Psychologie Zusammenfassung: Asendorpf – Psychologie der Persönlichkeit (3.Aufl.) Kapitel 5: Umwelt und Beziehung 5.1 Situationsexposition und persönliche Umwelt Umwelt (i.d. Psychologie) Gesamtheit aller externen Bedingungen, die das Erleben und Verhalten eines Menschen beeinflussen Umwelt in der Persönlichkeitspsychologie: Eingrenzung auf regelmäßig wiederkehrende Situationen Situation: Beschreibungen aktueller Umweltbedingungen von Personen externe Bedingungen, die Erleben und Verhalten beeinflussen Situationsexposition: (Mittelfristig stabile) Häufigkeit oder Dauer, mit der eine Person Situationen eines bestimmen Typs ausgesetzte ist. Sie beschreibt eine Eigenschaft der Umwelt der Person. Verhalten kann eine Funktion der Situation sein, aber auch die Situation eine Funktion des Verhaltens. Diese Neutralität gegenüber den Ursachen entspricht der dynamischinteraktionistischen Auffassung. 5.1.1 Persönlichkeitsabhängigkeit der Umweltmessung: Setting: Situation, die von jedem beschrieben werden kann, auch ohne die betreffende Person zu kennen. Vorteil: Person und Umwelt und damit auch Persönlichkeits- und Umwelteigenschaften können streng getrennt operationalisiert werden. z.B. „Fritz trifft Y“ ABER: Umwelteigenschaften sind oft persönlichkeitsabhängig definiert. Z.B. kann jeder „Streit“ anders empfinden, die Intensität und Häufigkeit daher individuell auslegen. oder z.B. „wie viel Zeit man mit Freunden verbringr“ – „Freund“ ist personenabhängig definiert „Teil der Persönlichkeit wird in Umwelt hineinverlagert“ Konsequenz persönlichkeitsabhängiger Umweltdefinitionen: Dies führt zu Fehlinterpretationen von Korrelationen zwischen Persönlichkeit und Umwelt. Beispiel: Einsamkeit korreliert mit -.28 mit Anzahl der Beziehungen ABER: Was eine Beziehung ist, ist persönlichkeitsabhängig man kann nicht sagen, dass mangelnder Kontakt einsam macht, sondern sie könnte teilweise darauf beruhen, dass Einsame bei gleicher Kontaktintensität eher sagen, es sei keine Beziehung als andere. Konsequenzen für Umweltmessung: Sich genau vor Augen führen, welcher Persönlichkeitsanteil schon in die Umweltsdefinition hineinverlagert wurde! 1 Wenn man nur Settings nähme, könnte man die meisten psychologisch interessanten Fragen nicht bearbeiten. Merke: Personabhängige Umweltdefinitionen führen zu Korrelationen zwischen Persönlichkeits- und Umwelteigenschaften. Das muss bei der Interpretation dieser Korrelationen berücksichtigt werden. 5.1.2 Messverfahren für die Situationsexposition: retrospektive Einschätzung - dürftige Qualität wegen zeitlicher Verzögerung (höchstens 1 Tag!) - kaum reliabel Tagebuch - am besten strukturiertes Tagebuch - nicht schummeln!→ immer per Post Tagebucheintrag schicken Minimierung von Erinnerungseffekten Mit dieser Methode konnte bestimmt werden, dass die Situationsexposition bei jungen Erwachsenen selbst in Transitionsphasen viele stabile Merkmale aufweist. Logbuch (z.B. bei seltenen Situationen wie z.B. belastende Situationen) - jede Situation zum nächstmöglichen Zeitpunkt erfassen (weitere Minimierung von Erinnerungseffekten - computergesteuerte Logbuchverfahren möglich - es werden oft nur emotional bedeutsame Ereignisse erfasst - zeitliche Kontrolle kaum möglich - Reaktivität (Registrierung verändert die Auftretenswahrscheinlichkeit) Merke: Durch computerunterstützte Logbuchverfahren können seltene Situationen und die eigene Reaktion hierauf sehr detailliert erfasst werden. Piepsertechnik - repräsentativer, weil in bestimmten Zeitabständen abgefragt wird - ausreichende Reliabilität wird erst nach ca. 2 Wochen erreicht Merke: Durch die Piepsertechnik können repräsentative Stichproben von Alltagssituationen untersucht werden. Eine ausreichende Reliabilität wird erst ab ca. 2 Wochen Untersuchungszeit erreicht. Direkte Beobachtung - zuverlässige Protokolle - aber nur, wenn genug Gelegenheit zur Beobachtung oder Rekonstruktion noch am selben Tag möglich ist. - direkte Verhaltensmessung: sehr aufwendig Merke: Situationen lassen sich durch Beobachter zuverlässig protokollieren, wenn sich ausreichend Gelegenheit zur Beobachtung oder Rekonstruktion der Situationen noch am selben Tag haben. 2 5.1.3 Die persönliche Umwelt Persönliche Umwelt einer Person: Gesamtheit ihrer stabilen Situationsexpositionen. Proximale und distale Umweltvariablen. Proximale Variablen können direkt auf die Person wirken, weil sie ihnen direkt exponiert ist. (z.B. best. Person) Zusätzliche indirekte Variablen heißen distale Variablen (z.B. Arbeitsbedingungen der Eltern für Kind einkommensabhängige Dinge wie Spielzeug, Wohnung, ... + Beeinflussung des Elternverhaltens durch Arbeitsbedingungen distale Variablen, da sie nicht Teil der Kindesumwelt sind Sozioökonomischer Status: - Distale Variable auf Konstruktebene - Meinst durch den Bildungsgrad und das Berufsprestige der berufstätigen Mitglieder des Haushalts und deren Einkommen operationalisiert (teilweise gemittelt, z-transformiert) - Bei soziologischen Untersuchungen gut, wenn viele Personen vorhanden (und viele im Haushalt) - Probleme, wenn einzelne Personen betrachtet werden. Dann ist der sozioökonomische Status eine proximale Variable. - bei Doppelverdienern ist er Mischung aus Persönlichkeitsmerkmal und proximaler Variable - in der Persönlichkeitspsychologie sollten nur proximale Variablen erfasst werden – die distalen Variablen wirken können nur über proximale Variablen wirken. Wie sie das tun ist nicht im Fokus des Interesses 5.2 Umweltsysteme und Umweltstatus: Zwei Perspektiven der persönlichen Umwelt: - systemische Perspektive: Umwelt besteht aus Systemen vom Individuum unabhängige Struktur - individuumszentrierte Perspektive: auf das Individuum hin definierte Expositionen Systemstruktur: Soziale Systeme sind Gruppen von Personen, die miteinander in regelmäßiger Interaktion stehen. Die soziometrische Struktur einer Gruppe wird seit Moreno 1934 in Soziogrammen dargestellt. Die soziometrische Struktur kann für einzelne Gruppenmitglieder auf deren soziometrischen Status reduziert werden (z.B. Beliebtheits- und Unbeliebtheitswert). Dadurch ergibt sich ein zweidimensionales System (Achsen Beliebtheit, Unbeliebtheit, dementsprechende Klassen: Abgelehnt, Beliebt, Kontrovers, Ignoriert). Indem man die Systemstruktur auf den Systemstatus (für Erleben/Verhalten einer bestimmten Person relevante Merkmale einer Systemstruktur) reduziert, kann man Eigenschaften komplexer Systemstrukturen mit Eigenschaften einzelner Systemmitglieder kompatibel machen. 3 Daher stellt das Reduktionsverfahren eine Brücke zwischen systemischem und individuumszentriertem Ansatz dar. 5.3 Soziale Beziehungen und Beziehungsstatus Die persönliche und soziale Umwelt lässt sich nur zu Teil systemisch erfassen. Ein ausgewogeneres Bild entsteht, wenn alle sozialen Beziehungen der Person betrachtet werden. 5.3.1 Soziale Beziehungen: S oziale Beziehungen charakterisieren Dyaden. Wichtig: Stabilitätsaspekt: Interaktionsmuster kann als Eigenschaft einer Dyade betrachtet werden. „Interaktionsdispositionen“ Merke: Soziale Beziehungen sind auf Verhaltensebene durch stabile Interaktionsmuster und auf kognitiver Ebene durch Beziehungsschemata der beiden Bezugspersonen charakterisiert. Ein solches Beziehungsschema besteht aus drei beziehungsspezifischen Bildern: Selbstbild, Bild der Bezugsperson und Interaktionsskript. Merke2: Die Beziehungsqualität ist eine Funktion der Persönlichkeit beider Bezugspersonen und ihrer Interaktionsgeschichte. Wichtig ist die Interaktionsgeschichte, da er sich nicht auf die Persönlichkeiten beider Bezugspersonen reduzieren lässt – z.B. kann ein zufälliges Ereignis die Beziehungsentwicklung stark beeinflussen. Netzwerkansatz: Man untersucht alle Beziehungen einer Person simultan. Der Begriff soziales Netzwerk beschreibt eigentlich die Vernetzung einer Gruppe, wurde aber von empirischen Sozialforschern individualisiert. Daraus entstand das individuelle, personale oder egozentrierte Netzwerk. (Also eine Person und ihre wichtigen Bezugspersonen..) Soziale Netzwerke heißt in dem Fall, dass alle Bezugspersonen und Aspekte miteinbezogen werden. Hier spricht man aber eher von einer Beziehungsmatrix.. 5.3.2 Individuelle soziale Netzwerke und Beziehungsstatus Individualtypische Merkmale: - Netzwerkgröße - Anteil gleichgeschlechtlicher Beziehungen - Mittlerer Bekanntheitsgrad der Personen im Netzwerk - Konflikthäufigkeit mit Eltern - Zahl als unterstützend empfundener Beziehungen… Dies kann in Anlehnung an den Systemstatus als Beziehungsstatus aufgefasst werden. Merkmale des Beziehungsstatus sind mittelfristig weniger stabil als Persönlichkeitseigenschaften. (Daher auch kaum bedeutende Korrelationen) Gründe: - Beziehungsqualitäten sind situativ stark beeinflusst Oft wechseln Beziehungen, d.h. in unterschiedlichen Messungen gehen unterschiedliche Beziehungen mit ein. 4 - Instabilität der Peeranzahl Im jungen Erwachsenenalter lassen sich Persönlichkeitseffekte auf den Beziehungsstatus nachweisen. Umgekehrte Effekte des Beziehungsstaus auf die Persönlichkeit wurden nicht gefunden. Umwelt einer Person Situationsexposition Persönliche Umwelt Soziale Beziehung Beziehungsschemata Soziales Netzwerk Beziehungsmatrix Beziehungsstatus Alle externe Bedingungen des Erlebens, Verhaltens und der Entwicklung dieser Person Häufigkeit oder Dauer, mit der die Person Situationen eines bestimmten Typs ausgesetzt ist. Überdauernde Umwelt einer Person, charakterisiert durch ihre gesamte Situationsexposition Merkmal von Dyaden. Hat kognitive, emotionale und Verhaltensaspekte Individuell kognitiv repräsentierte soziale Beziehungen Gesamtheit ihrer Beziehungen zu ihrem wichtigen Bezugspersonen und deren Beziehungen untereinander Form eines Netzwerkes, wenn man die Beziehungen der Bezugspersonen untereinander ignoriert (Personen x Beziehungsqualitäten Gesamtheit der Beziehungsmatrix einer Person 5.3.3 Das Modell sozialer Beziehungen von Kenny (social relations model) Verhalten (Akteur) = f (Akteur, Partner, Beziehung des Akteurs zum Partner) Drei Komponenten: 1) die stabile Tendenz des Akteurs, dieses Verhalten gegenüber beliebigen Partnern zu zeigen (Akteurparameter) Persönlichkeitseigenschaft 2) die stabile Tendenz des Partners, dieses Verhalten bei beliebigen Interaktionspartnern hervorzurufen (Partnerparameter) mittlere Situationsexposition aller Akteure 3) der durch die beiden Persönlichkeitseffekte nicht erklärbare, stabile Verhaltensanteil (Beziehungsparameter) Beziehungsqualität - Das Modell setzt voraus, dass alle drei Komponeneten zeitlich stabil sind. (Vorher testen!) - Beziehungsparameter sind im Modell asymmetrisch definiert. Die Reziprozität der Parameter ist eine empirische Frage. (Kind X mag Kind Y, Kind Y mag Kind X dagegen nicht so sehr.) - Beziehungseffekte sind im Modell verhaltensspezifisch (macht Unterschied, ob Aggression oder Orientierung untersucht wird) 5 - Die Aussagen des Modells beziehen sich immer nur auf die bestimmte Gruppe (z.B. Kindergartenkinder). – in unterschiedlichen Gruppen können sich unterschiedliche Beziehungsparameter ergeben Merke: Das Modell sozialer Beziehungen bildet auch kurz- und langfristige Beziehungsveränderungen ab und ist von daher geeignet zur Analyse der Beziehungsentwicklung in sozialen Gruppen. 5.4 Soziale Bindungen Es gibt bei jeder Person einige enge, emotional bedeutsame Beziehungen. (Meist die zu den Eltern, Geschwistern, manchmal auch zu Großeltern, später auch zu besonders guten Freunden, Geliebten, (Ehe-) Partnern und zu eigenen Kindern) - ursprünglich von Freud analysiert Nach Auffassung neuerer psychoanalytischer Objektbeziehungstheorien beeinflussen früh gebildete mentale Repräsentationen realer Objektbeziehungen die spätere Beziehungsentwicklung. 5.4.1 Bindungsstile bei Kindern Bowlby 1969 verknüpft das Konzept der repräsentationalen Welten mit evolutionsbiologischen und systemtheoretischen Konzepten. Bei allen Säugetieren gibt es ein tief verwurzeltes Bindungssystem zwischen Kind und Bezugsperson. Bedrohliche Erfahrungen, in denen das Kind Sicherheit erfährt, führen zu einem inneren Arbeitsmodell von Beziehungen. Merke: Nach Bowlvy sind es besonders Bindungserfahrungen in als bedrohlich empfundenen Situationen, die das innere Arbeitsmodell von Beziehungen prägen Strange Situation Test von Ainsworth (1978): - Mutter und Kind, Spielsituation, Mutter geht raus, Fremde kommt rein, - Wiedersehen mit der Mutter wird untersucht - Sehr großer Aufwand der Beobachtung Daraus ergeben sich verschiedene Bindungsstile: a) sicher (keine Vermeidung des Kontaktes und der Nähe zur Mutter) b) vermeidend (Ignorieren oder aktives Vermeiden der Mutter) c) ängstlich-ambivalent (Zeichen eines Annäherungs-Vermeidungs-Konflikts gegenüber der Mutter Erweiterung von Main und Solomon: d) desorganisiert-desorientiert: Zusammenbruch der normalen Verhaltens- und Aufmerksamkeitsstrategien Merke: Ainsworth entwickelte ein Beobachtungsparadigma, das es erlaubt drei verschiedene Bindungsstile gegenüber einer Bezugsperson zu unterscheiden: sicher, vermeidend, ängstlich-ambivalent. Main fügte dieser Typologie den Bindungsstil desorganisiert-desorientiert hinzu. 6 einige „gültige“ Verallgemeinerungen: o Quote sicher gebundener Kinder in stabilen Mittelschichtsfamilien über 65%; in Risikostichproben (z.B. Frühgeburten, alleinerziehend in der Unterschicht, ...) unter 50% o Die Stabilität des Bindungsstils an die Eltern variiert stark. o Besonders ist die Stabilität bei instabiler sozialer Umwelt niedrig.. Merke: Die Stabilität des Bindungsstils an die Eltern variiert stark; insbesondere ist die Stabilität bei instabiler sozialer Umwelt niedrig. Der Bindungsstil an die Eltern zeigt eine geringe (Bindungssicherheit) bis starke (Art der Unsicherheit) Konsistenz zwischen den Eltern und sagt einige Merkmale der späteren sozialen Kompetenz im Umgang mit Peers vorher. Fox 1991: Bindungssicherheit: Merkmal der Beziehungsqualität Art der unsicheren Bindung: Persönlichkeitsmerkmal des Kindes Die Qualität der Bindung an die Eltern ist bei Kleinkindern sowohl von Merkmalen der Eltern (insbesondere Einfühlsamkeit als Prädiktor der Sicherheit) als auch von Temperamentsmerkmalen des Kindes (insbesondere emotionale Labilität als Prädiktor einer ängstlich-ambivalenten Bindung) abhängig. Dabei können Risikofaktoren der Eltern und das Kindes in Wechselwirkung geraten, z.B. sich gegenseitig potenzieren. Merke2: Der Bindungsstil ist zwischen früher Kindheit und jungem Erwachsenenalter bestenfalls mäßig stabil und instabiler sozialer Umwelt oft gänzlich instabil. 5.4.2 Bindungsstile bei Erwachsenen Das Innere Arbeitmodell von Beziehungen wird verinnerlich und bleibt bis ins Erwachsenenalter hinein erhalten. (nach Bowlby und Ainsworth) AAI (Adult Attachment Interview) von George 1985: Mehrstündiges Interview, in dem die kognitive Repräsentation der Bindung an die eignen Eltern erfasst wird. Die AAI-Diagnose sagt die Bindungsqualität eines eigenen Kindes selbst dann gut vorher wenn sie vor der Geburt des Kindes erhoben wird. Dies weist darauf hin, dass neben Einfühlsamkeit weitere elterliche Persönlichkeitsmerkmale die Bindungsqualität de Kindes beeinflussen. Welche das sind ist noch unbekannt. Vier Typen von Bindungsmodellen bei Erwachsenen (nach George): - autonom-sicher - unsicher-distanziert - unsicher-verwickelt - unverarbeitet Hazan & Shaver: Bindungsstile in Partnerschaften: - Ängstilch-ambivalente: höhere Werte in Eifersucht - Vermeidende: höhere Furcht vor Nähe - Je ängstlicher sicher gebunden Studentinnen warn, desto eher suchten sie bei bedrohlicher Situation Unterstützung beim Partner 7 Merke: Der Bindungsstil in Liebesbeziehungen kann auch direkt erfragt werden. Er zeigt plausible Beziehungen zum Erleben und Verhaltne in Belastungssituationen. Die Vier Bindungsstile von Erwachsenen nach Bartholomew (1990): - sicher - abweisend entspricht dem vermeidenden Bindungsstil - ängstlich - besitzergreifend : entspricht dem ängstlich-ambivalenten Bindungsstil Fremdbild + Besitzergreifend Sicher + Selbstbild Ängstlich empirisch gefundene Lage der selbstbeurteilten Bindungsstile ängstlich Abweisend sicher besitzergreifend abweisend Zweidimensionales Modell von Bindungsstilen Erwachsener (Bartholomew, 1990) Dies gilt nicht für selbstbeurteilte Bindungsstile. Diese weisen eine vergleichsweise hohe zeitliche Stabilität bei niedriger Konsistenz zwischen den verschiednen Beziehungstypen auf. (Also stabile Beziehung zur Mutter, aber insgesamt verschieden Beziehungen zu Mutter, Vater, Peers…) Also sind die Bindungsstile im Erwachsenenalter stark beziehungsspezifisch (egal, wie sie erfasst werden). Bei selbstbeurteilten Bindungsstilen korrelieren vielmehr alle unsicheren Stile negativ mit dem sicheren Stil. 8 Merke2: Unabhängig von der Methode ihrer Erfassung erwiesen sich Bindungsstile im Erwachsenenalter als stark beziehungsspezifisch. In einer Studie von Furman et al. 2002 zeigte sich eine überzufällige Übereinstimmung der Bindung an Freunde mit der Bindung an die Eltern und an Liebespartner, während die Bindungsstile an die Eltern und an Liebespartner nicht übereinstimmten. Merke: Die Bindung an enge Freunde stellt möglicherweise eine Brücke zwischen der Bindung an die Eltern und an spätere Liebespartner dar. Informationsverarbeitungsmodell für Bindungsverhalten von Mikulincer und Shaver (2003) (siehe S. 296) Merke: Das Modell des Bindungsverhaltens von Mikulincer und Shaver (2003) bettet die Bindungsforschung in das Informationsverarbeitungsparadigma ein, beschreibt Bedingungen für die Aktivierung des Bindungssystems und interpretiert ängstliche bzw. vermeidende unsichere Bindung als Tendenz zu hyper- bzw. deaktivierenden Strategien. Bindungsstile variieren in diesem Modell primär auf einer Dimension sicher-unsicher, sekundär werden hyper- und deaktivierende unsichere Stile unterschieden. 5.5 Soziale Unterstützung Unter sozialer Unterstützung wird das Ausmaß verstanden in dem andere tätig werden und helfen, belastende Situationen zu bewältigen. Formen von sozialer Unterstützung: - emotional (z.B. trösten) - instrumentell (z.B. finanziell unterstützen) - informationell (z.B. Ratschläge geben) Nach der Stresspufferhypothese von Cohen & Willis fördert soziale Unterstützung (besonders emotionale) die Bewältigung von Belastungen. Modell der Rolle sozialer Unterstützung ei der Bewältigung von Belastungen (Sarason 1990): (siehe Seite 274) Form Unterstützungsressourcen Erhaltene Unterstützung Erfahrene Unterstützung Potentielle Unterstützung Definition Anzahl positiver Beziehungen zu anderen (Umweltmerkmal) Tatsächlich on anderen erhaltene Unterstützung (Umweltmerkmal) Subjektiv wahrgenommene Unterstützung Subjektive Erwartung, Unterstützung bekommen zu können, wenn es zukünftig nötig wäre (Persönlichkeitsmerkmal) Operationalisierung Anzahl von Freunden zum Zeitpunkt des Todes des Ehemanns z.B. Anzahl der Beileidskarten und Anrufe Gefühl der Unterstützung nach Erhalt dieser Briefe und Telefonanrufe Gefühl der Sicherheit, bei anderen Halt zu finden, falls der Ehemann vor einem stirbt 9 Erhaltene, erfahrene und potentielle Unterstützung sind unterschiedliche Unterstützungsaspekte, die nicht austauschbar sind. Potentielle Unterstützung ist eher ein Persönlichkeitsmerkmal, während Unterstützungsressourcen und erhaltene Unterstützung eher Umweltmerkmale sind. Bei Überforderung der Angehörigen durch Extrembelastungen (z. B. Brustamputation bei Krebspatientinnen) des Patienten kann ihre Unterstützung uneffektiv sein. In ungünstigen Fällen kann Unterstützung durch Angehörige sogar die Belastung steigern und zu einer Chronifizierung beitragen (z.B. bei chronischen Rückenschmerzen). 5.6 Exemplarische Anwendung: Was ist ein guter Partner? Zufriedenheit und Stabilität machen eine gute Partnerschaft aus. Zufriedenheit wird gemessen mit: - DAS (Dyadic Adjustment Scale) von Spanier 1976 - RAS (Relationship Assessment Scale) von Hedrick 1988 - Zufriedenheit ist ein individuelles Merkmal Stabilität: - Stabilität ist ein dyadisches Merkmal - Auch unzufriedene Paare können eine stabile Partnerschaft führen. Welche Persönlichkeit führt zu einer guten Partnerschaft? Hier interessiert die Frage, ob es generelle Persönlichkeitseigenschaften gibt, die eine gute Partnerschaft fördern, oder ob die Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit in bestimmten Eigenschaften die Partnerschaftliche Zufriedenheit und Stabilität fördern. Merke: Welche Persönlichkeitseigenschaften eine gute Partnerschaft fördern, kann in 4 verschiedenen Fragen differenziert werden, je nachdem ob die partnerschaftliche Zufriedenheit oder Stabilität interessiert und ob die Persönlichkeit des Partners generell oder die Passung seiner Persönlichkeit zur eigenen Persönlichkeit interessiert. Neurotiszismus ist ein Risikofaktor bei Männern und Frauen für später partnerschaftlich Unzufriedenheit und Instabilität, selbst noch nach 20 Jahren Partnerschaft. (Gefunden wurde dieser Zusammenhang bei einer Längsschnittstudien von Kelly & Conley 1987 über 45 Jahre). In Mittelschichtsstichproben ist der Persönlichkeitseffekt auf die Partnerschaftsqualität deutlich größer als der Effekt des sozioökonomischen Status oder der Ausbildungsdauer. Ähnlichkeit.. „Gleich und gleich gesellt sich gern“ – Hierbei muss man beachten, dass die Ähnlichkeit durch eine anziehende Wirkung ähnlicher Einstellungen des Partners bei der Partnerwahl oder durch eine abstoßende Wirkung unähnlicher Einstellungen des Partners zustande kommt. Außerdem entstehen Partnerschaften auch durch die physische Nähe, die durch das gleiche soziale Umfeld hervorgerufen wird. Menschen, die sich im gleichen Umfeld aufhalten, sind sich oft auch in bestimmten Persönlichkeitseigenschaften ähnlich. Z.B. sind Studenten überdurchschnittlich politisch links eingestellt und sie gehen sehr viel häufiger Partnerschaften mit Studenten ein als andere. Schon von daher sind sie sich in ihrer linken Einstellung ähnlich, aber auch in ihrer Intelligenz. 10 Eysenck & Wakefield 1981: Sie fanden heraus, dass die Ähnlichkeit in Neurotizismus, Gewissenhaftigkeit und manchen Einstellungen förderlich für die Partnerschaftszufriedenheit und Stabilität ist. Wer ist also ein guter Partner: - hinderlich ist ein hoher Neurotizismuswert - förderlich ist eine überdurchschnittliche Ähnlichkeit in Neurotizismus, Gewissenhaftigkeit und in manchen Einstellungen und Werthaltungen nur statistische Risikofaktoren!!! Fragen: 5.1 44. - 5. Umwelt und Beziehung Situationsexposition und persönliche Umwelt Die folgende Frage habe ich gemäß Sebastians Einordnung auch bei Kap 2.6 reinkopiert (dyn.- interaktionistisches Paradigma. Steht auch bei Kap. 6.3 Nennen Sie die vier Modelle zur Umweltdetermination des Verhaltens. Worin unterscheiden sie sich? Was versteht man unter Dispositionismus/Personalismus, Situationismus und dem Terminus „Interaktion von Person und Situation“? (R, F02, F03) Umweltdetermination Entfaltung Dynamisch-interaktionistisches Modell Kodetermination Dispositionismus: Das Verhalten ist nur durch die Eigenschaften bestimmt (Eigenschaftsparadigma) Situationismus: Das Verhalten ist nur durch die Umwelt/Situation bestimmt (Umweltdetermination) Interaktion von Person und Situation: Das Verhalten ist durch die Umwelt und die Persönlichkeit bestimmt, und Umwelt und Persönlichkeit wirken gegenseitig aufeinander ein S. 251ff Nennen Sie drei Verfahren zur Erfassung der „Situationsexposition“ und ihre jeweiligen Vor- und Nachteile? (R, F02, F04) meine Antwort: retrospektive Einschätzung: (wahrscheinlich) leicht durchzuführen Sehr unzuverlässig, wenn zeitl. Abstand mehr als 1 Tag Tagebuch: rel. hohe Reliabilität zeitnahe Eintragung muss gewährleistet sein, sonst Erinnerungseffekte Alternative: Logbuch (jede interessierende Situation wird nach ihrer Beendigung protokolliert). Dort allerdings Gefahr von Reaktivitätseffekten Piepsertechnik: repräsentative Stichprobe von alltäglichen Situationen ausreichende Reliabilität wird erst ab ca. 2 Wochen erreicht Direkte Beobachtung: reliable Daten, schwer durchzuführen, aufwendig 45. 11 AW 2: retrospektive Einschätzung: hängt vom Erinnerungsvermögen ab, ist aber leicht durchzuführen - Tagebuch: reliablere Daten, da regelmäßig bald nach der Situationsexposition aufgezeichnet, dafür aufwendiger für die Versuchsperson - Piepsertechnik: sehr zeitnahe Daten, aber technisches Verständnis nötig, langer Untersuchungszeitraum - Direkte Beobachtung: reliable Daten, schwer durchzuführen, aufwendig - Ambulantes Monitoring von physiologischen Daten: hohe Objektivität, eventuell verschlechterte Validität aufgrund des gemessen werdens 5.2 5.3 Umweltsysteme und Systemstatus Soziale Beziehungen und Beziehungsstatus 5.3.1 Soziale Beziehungen 55. Definieren Sie den Begriff soziale Beziehung. (R) - S. 260f auf Verhaltensebene gekennzeichnet durch ein stabiles Interaktionsmuster zwischen zwei Personen auf kognitiver und affektiver Ebene durch Beziehungsschemata der Personen (Selbstbild, Bild des Anderen und Interaktionsskript) 5.3.2 Individuelle soziale Netzwerke und Beziehungsstatus S. 262-264 56. Erläutern Sie die Begriffe soziales Netzwerk und Beziehungsstatus. Welche Persönlichkeitsmerkmale haben einen Einfluss auf den Beziehungsstatus? (R) - - 5.4 soziales Netzwerk: in der Psychologie eine Auflistung der wichtigsten Bezugspersonen einer Person sowie eine Beurteilung der Beziehungen zu diesen Personen hinsichtlich verschiedener Kriterien sog. Beziehungsvariablen wie Kontaktfrequenz, räumliche Entfernung usw.. daraus lässt sich die Beziehungsmatrix (Person x Beziehungsvariablen) generieren, deren Gesamtqualität (Anzahl, Art, Konflikthaftigkeit der Beziehungen) durch den Begriff „Beziehungsstatus“ beschrieben wird Alle Persönlichkeitsmerkmale der Big Five außer Neurotizismus haben Einfluss auf den Beziehungsstatus (eigene Ergänzung). Soziale Bindungen 5.4.1 Bindungsstile bei Kindern & 5.4.2 Bindungsstile bei Erwachsenen S. 267ff 57. Welche Bindungsstile werden bei Kindern und Erwachsenen unterschieden? (R) - Kinder: B: Sicher, A: Vermeidend, C: Ängstlich/Ambivalent (S.268) 12 - Erwachsene (nach George): autonom-sicher, unsicher-distanziert, unsicherverwickelt, unverarbeitet (erfasst durch Adult-Attachment-Interview, AAI) (S.270) Erwachsene (nach Bartholomew): sicher, abweisend, ängstlich, besitzergreifend (S.272) S.267-271 58. Von welchen Umweltfaktoren und Persönlichkeitsmerkmalen der Eltern und des Kindes hängt der Bindungsstil bei Kindern ab? (R) - Stabilität der sozialen Umwelt (Schichtzugehörigkeit) Einfühlsamkeit der Eltern Frühkindliches Temperament Von Bindungsstil der Eltern (erfasst durch AAI) 5.5 Exemplarische Anwendung: Wer ist ein guter Partner S.280 59. Welche Persönlichkeitsmerkmale spielen bei der Partnerschaftszufriedenheit und -stabilität eine Rolle? (R) - niedriger Neurotizismus sowie Ähnlichkeit in Neurotizismus, Gewissenhaftigkeit und manchen Einstellungen wirken sich förderlich auf die Partnerschaftszufriedenheit und –stabilität aus 13