Differentielle Psychologie - Fachschaft Psychologie Freiburg

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Differentielle Psychologie
Zusammenfassung: Asendorpf – Psychologie der Persönlichkeit (3.Aufl.)
Kapitel 5: Umwelt und Beziehung
5.1 Situationsexposition und persönliche Umwelt
Umwelt (i.d. Psychologie)
Gesamtheit aller externen Bedingungen, die das Erleben und Verhalten eines Menschen
beeinflussen
Umwelt in der Persönlichkeitspsychologie: Eingrenzung auf regelmäßig wiederkehrende
Situationen
Situation:
Beschreibungen aktueller Umweltbedingungen von Personen  externe Bedingungen, die
Erleben und Verhalten beeinflussen
Situationsexposition:
(Mittelfristig stabile) Häufigkeit oder Dauer, mit der eine Person Situationen eines
bestimmen Typs ausgesetzte ist. Sie beschreibt eine Eigenschaft der Umwelt der Person.
Verhalten kann eine Funktion der Situation sein, aber auch die Situation eine Funktion des
Verhaltens. Diese Neutralität gegenüber den Ursachen entspricht der dynamischinteraktionistischen Auffassung.
5.1.1 Persönlichkeitsabhängigkeit der Umweltmessung:
Setting:
Situation, die von jedem beschrieben werden kann, auch ohne die betreffende Person zu kennen.
Vorteil: Person und Umwelt und damit auch Persönlichkeits- und Umwelteigenschaften können
streng getrennt operationalisiert werden.
z.B. „Fritz trifft Y“
ABER: Umwelteigenschaften sind oft persönlichkeitsabhängig definiert.
Z.B. kann jeder „Streit“ anders empfinden, die Intensität und Häufigkeit daher individuell
auslegen.
oder z.B. „wie viel Zeit man mit Freunden verbringr“ – „Freund“ ist personenabhängig definiert
 „Teil der Persönlichkeit wird in Umwelt hineinverlagert“
Konsequenz persönlichkeitsabhängiger Umweltdefinitionen:
Dies führt zu Fehlinterpretationen von Korrelationen zwischen Persönlichkeit und Umwelt.
Beispiel: Einsamkeit korreliert mit -.28 mit Anzahl der Beziehungen
ABER: Was eine Beziehung ist, ist persönlichkeitsabhängig  man kann nicht sagen, dass
mangelnder Kontakt einsam macht, sondern sie könnte teilweise darauf beruhen, dass Einsame
bei gleicher Kontaktintensität eher sagen, es sei keine Beziehung als andere.
Konsequenzen für Umweltmessung:
Sich genau vor Augen führen, welcher Persönlichkeitsanteil schon in die Umweltsdefinition
hineinverlagert wurde!
1
Wenn man nur Settings nähme, könnte man die meisten psychologisch interessanten Fragen
nicht bearbeiten.
Merke: Personabhängige Umweltdefinitionen führen zu Korrelationen zwischen
Persönlichkeits- und Umwelteigenschaften. Das muss bei der Interpretation dieser
Korrelationen berücksichtigt werden.
5.1.2 Messverfahren für die Situationsexposition:
 retrospektive Einschätzung
- dürftige Qualität wegen zeitlicher Verzögerung (höchstens 1 Tag!)
- kaum reliabel
 Tagebuch
- am besten strukturiertes Tagebuch
- nicht schummeln!→ immer per Post Tagebucheintrag schicken  Minimierung
von Erinnerungseffekten
Mit dieser Methode konnte bestimmt werden, dass die Situationsexposition bei jungen
Erwachsenen selbst in Transitionsphasen viele stabile Merkmale aufweist.
 Logbuch (z.B. bei seltenen Situationen wie z.B. belastende Situationen)
- jede Situation zum nächstmöglichen Zeitpunkt erfassen (weitere Minimierung von
Erinnerungseffekten
- computergesteuerte Logbuchverfahren möglich
- es werden oft nur emotional bedeutsame Ereignisse erfasst
- zeitliche Kontrolle kaum möglich
- Reaktivität (Registrierung verändert die Auftretenswahrscheinlichkeit)
Merke: Durch computerunterstützte Logbuchverfahren können seltene Situationen und
die eigene Reaktion hierauf sehr detailliert erfasst werden.
 Piepsertechnik
- repräsentativer, weil in bestimmten Zeitabständen abgefragt wird
- ausreichende Reliabilität wird erst nach ca. 2 Wochen erreicht
Merke: Durch die Piepsertechnik können repräsentative Stichproben von Alltagssituationen
untersucht werden. Eine ausreichende Reliabilität wird erst ab ca. 2 Wochen Untersuchungszeit
erreicht.
 Direkte Beobachtung
- zuverlässige Protokolle
- aber nur, wenn genug Gelegenheit zur Beobachtung oder Rekonstruktion noch
am selben Tag möglich ist.
- direkte Verhaltensmessung: sehr aufwendig
Merke: Situationen lassen sich durch Beobachter zuverlässig protokollieren, wenn sich
ausreichend Gelegenheit zur Beobachtung oder Rekonstruktion der Situationen noch am
selben Tag haben.
2
5.1.3 Die persönliche Umwelt
Persönliche Umwelt einer Person:
Gesamtheit ihrer stabilen Situationsexpositionen.
Proximale und distale Umweltvariablen.
Proximale Variablen können direkt auf die Person wirken, weil sie ihnen direkt exponiert ist. (z.B.
best. Person)
Zusätzliche indirekte Variablen heißen distale Variablen (z.B. Arbeitsbedingungen der Eltern für
Kind  einkommensabhängige Dinge wie Spielzeug, Wohnung, ... + Beeinflussung des
Elternverhaltens durch Arbeitsbedingungen  distale Variablen, da sie nicht Teil der
Kindesumwelt sind
Sozioökonomischer Status:
- Distale Variable auf Konstruktebene
- Meinst durch den Bildungsgrad und das Berufsprestige der berufstätigen
Mitglieder des Haushalts und deren Einkommen operationalisiert (teilweise
gemittelt, z-transformiert)
- Bei soziologischen Untersuchungen gut, wenn viele Personen vorhanden (und
viele im Haushalt)
- Probleme, wenn einzelne Personen betrachtet werden. Dann ist der
sozioökonomische Status eine proximale Variable.
- bei Doppelverdienern ist er Mischung aus Persönlichkeitsmerkmal und
proximaler Variable
- in der Persönlichkeitspsychologie sollten nur proximale Variablen erfasst
werden – die distalen Variablen wirken können nur über proximale Variablen
wirken. Wie sie das tun ist nicht im Fokus des Interesses
5.2 Umweltsysteme und Umweltstatus:
Zwei Perspektiven der persönlichen Umwelt:
- systemische Perspektive: Umwelt besteht aus Systemen  vom Individuum
unabhängige Struktur
- individuumszentrierte Perspektive: auf das Individuum hin definierte
Expositionen
Systemstruktur:
Soziale Systeme sind Gruppen von Personen, die miteinander in regelmäßiger Interaktion stehen.
Die soziometrische Struktur einer Gruppe wird seit Moreno 1934 in Soziogrammen dargestellt.
Die soziometrische Struktur kann für einzelne Gruppenmitglieder auf deren
soziometrischen Status reduziert werden (z.B. Beliebtheits- und Unbeliebtheitswert).
Dadurch ergibt sich ein zweidimensionales System (Achsen Beliebtheit, Unbeliebtheit,
dementsprechende Klassen: Abgelehnt, Beliebt, Kontrovers, Ignoriert).
Indem man die Systemstruktur auf den Systemstatus (für Erleben/Verhalten einer
bestimmten Person relevante Merkmale einer Systemstruktur) reduziert, kann man
Eigenschaften komplexer Systemstrukturen mit Eigenschaften einzelner
Systemmitglieder kompatibel machen.
3
Daher stellt das Reduktionsverfahren eine Brücke zwischen systemischem und
individuumszentriertem Ansatz dar.
5.3 Soziale Beziehungen und Beziehungsstatus
Die persönliche und soziale Umwelt lässt sich nur zu Teil systemisch erfassen. Ein
ausgewogeneres Bild entsteht, wenn alle sozialen Beziehungen der Person betrachtet
werden.
5.3.1 Soziale Beziehungen:
S
oziale Beziehungen charakterisieren Dyaden.
Wichtig: Stabilitätsaspekt:  Interaktionsmuster kann als Eigenschaft einer Dyade betrachtet
werden.  „Interaktionsdispositionen“
Merke: Soziale Beziehungen sind auf Verhaltensebene durch stabile Interaktionsmuster
und auf kognitiver Ebene durch Beziehungsschemata der beiden Bezugspersonen
charakterisiert. Ein solches Beziehungsschema besteht aus drei beziehungsspezifischen
Bildern: Selbstbild, Bild der Bezugsperson und Interaktionsskript.
Merke2: Die Beziehungsqualität ist eine Funktion der Persönlichkeit beider
Bezugspersonen und ihrer Interaktionsgeschichte.
Wichtig ist die Interaktionsgeschichte, da er sich nicht auf die Persönlichkeiten beider
Bezugspersonen reduzieren lässt – z.B. kann ein zufälliges Ereignis die Beziehungsentwicklung
stark beeinflussen.
Netzwerkansatz:
Man untersucht alle Beziehungen einer Person simultan.
Der Begriff soziales Netzwerk beschreibt eigentlich die Vernetzung einer Gruppe, wurde aber
von empirischen Sozialforschern individualisiert. Daraus entstand das individuelle, personale oder
egozentrierte Netzwerk. (Also eine Person und ihre wichtigen Bezugspersonen..)
Soziale Netzwerke heißt in dem Fall, dass alle Bezugspersonen und Aspekte miteinbezogen
werden. Hier spricht man aber eher von einer Beziehungsmatrix..
5.3.2 Individuelle soziale Netzwerke und Beziehungsstatus
Individualtypische Merkmale:
- Netzwerkgröße
- Anteil gleichgeschlechtlicher Beziehungen
- Mittlerer Bekanntheitsgrad der Personen im Netzwerk
- Konflikthäufigkeit mit Eltern
- Zahl als unterstützend empfundener Beziehungen…
Dies kann in Anlehnung an den Systemstatus als Beziehungsstatus aufgefasst werden.
Merkmale des Beziehungsstatus sind mittelfristig weniger stabil als
Persönlichkeitseigenschaften. (Daher auch kaum bedeutende Korrelationen)
Gründe:
-
Beziehungsqualitäten sind situativ stark beeinflusst
Oft wechseln Beziehungen, d.h. in unterschiedlichen Messungen gehen
unterschiedliche Beziehungen mit ein.
4
-
Instabilität der Peeranzahl
Im jungen Erwachsenenalter lassen sich Persönlichkeitseffekte auf den Beziehungsstatus
nachweisen. Umgekehrte Effekte des Beziehungsstaus auf die Persönlichkeit wurden
nicht gefunden.
Umwelt einer Person
Situationsexposition
Persönliche Umwelt
Soziale Beziehung
Beziehungsschemata
Soziales Netzwerk
Beziehungsmatrix
Beziehungsstatus
Alle externe Bedingungen des Erlebens,
Verhaltens und der Entwicklung dieser Person
Häufigkeit oder Dauer, mit der die Person
Situationen eines bestimmten Typs ausgesetzt
ist.
Überdauernde Umwelt einer Person,
charakterisiert durch ihre gesamte
Situationsexposition
Merkmal von Dyaden.
Hat kognitive, emotionale und
Verhaltensaspekte
Individuell kognitiv repräsentierte soziale
Beziehungen
Gesamtheit ihrer Beziehungen zu ihrem
wichtigen Bezugspersonen und deren
Beziehungen untereinander
Form eines Netzwerkes, wenn man die
Beziehungen der Bezugspersonen
untereinander ignoriert (Personen x
Beziehungsqualitäten
Gesamtheit der Beziehungsmatrix einer Person
5.3.3 Das Modell sozialer Beziehungen von Kenny (social relations model)
Verhalten (Akteur) = f (Akteur, Partner, Beziehung des Akteurs zum Partner)
Drei Komponenten:
1) die stabile Tendenz des Akteurs, dieses Verhalten gegenüber beliebigen
Partnern zu zeigen (Akteurparameter)  Persönlichkeitseigenschaft
2) die stabile Tendenz des Partners, dieses Verhalten bei beliebigen
Interaktionspartnern hervorzurufen (Partnerparameter)  mittlere
Situationsexposition aller Akteure
3) der durch die beiden Persönlichkeitseffekte nicht erklärbare, stabile
Verhaltensanteil (Beziehungsparameter)  Beziehungsqualität
- Das Modell setzt voraus, dass alle drei Komponeneten zeitlich stabil sind. (Vorher testen!)
- Beziehungsparameter sind im Modell asymmetrisch definiert.
 Die Reziprozität der Parameter ist eine empirische Frage. (Kind X mag Kind Y, Kind Y
mag Kind X dagegen nicht so sehr.)
- Beziehungseffekte sind im Modell verhaltensspezifisch (macht Unterschied, ob Aggression
oder Orientierung untersucht wird)
5
- Die Aussagen des Modells beziehen sich immer nur auf die bestimmte Gruppe (z.B.
Kindergartenkinder). – in unterschiedlichen Gruppen können sich unterschiedliche
Beziehungsparameter ergeben
Merke: Das Modell sozialer Beziehungen bildet auch kurz- und langfristige
Beziehungsveränderungen ab und ist von daher geeignet zur Analyse der Beziehungsentwicklung
in sozialen Gruppen.
5.4 Soziale Bindungen
Es gibt bei jeder Person einige enge, emotional bedeutsame Beziehungen. (Meist die zu den
Eltern, Geschwistern, manchmal auch zu Großeltern, später auch zu besonders guten Freunden,
Geliebten, (Ehe-) Partnern und zu eigenen Kindern)
- ursprünglich von Freud analysiert
Nach Auffassung neuerer psychoanalytischer Objektbeziehungstheorien beeinflussen
früh gebildete mentale Repräsentationen realer Objektbeziehungen die spätere
Beziehungsentwicklung.
5.4.1 Bindungsstile bei Kindern
Bowlby 1969 verknüpft das Konzept der repräsentationalen Welten mit evolutionsbiologischen
und systemtheoretischen Konzepten.
Bei allen Säugetieren gibt es ein tief verwurzeltes Bindungssystem zwischen Kind und
Bezugsperson.
Bedrohliche Erfahrungen, in denen das Kind Sicherheit erfährt, führen zu einem inneren
Arbeitsmodell von Beziehungen.
Merke: Nach Bowlvy sind es besonders Bindungserfahrungen in als bedrohlich
empfundenen Situationen, die das innere Arbeitsmodell von Beziehungen prägen
Strange Situation Test von Ainsworth (1978):
- Mutter und Kind, Spielsituation, Mutter geht raus, Fremde kommt rein,
- Wiedersehen mit der Mutter wird untersucht
- Sehr großer Aufwand der Beobachtung
Daraus ergeben sich verschiedene Bindungsstile:
a) sicher (keine Vermeidung des Kontaktes und der Nähe zur Mutter)
b) vermeidend (Ignorieren oder aktives Vermeiden der Mutter)
c) ängstlich-ambivalent (Zeichen eines Annäherungs-Vermeidungs-Konflikts gegenüber der
Mutter
Erweiterung von Main und Solomon:
d) desorganisiert-desorientiert: Zusammenbruch der normalen Verhaltens- und
Aufmerksamkeitsstrategien
Merke: Ainsworth entwickelte ein Beobachtungsparadigma, das es erlaubt drei
verschiedene Bindungsstile gegenüber einer Bezugsperson zu unterscheiden: sicher,
vermeidend, ängstlich-ambivalent. Main fügte dieser Typologie den Bindungsstil
desorganisiert-desorientiert hinzu.
6
einige „gültige“ Verallgemeinerungen:
o Quote sicher gebundener Kinder in stabilen Mittelschichtsfamilien über 65%; in
Risikostichproben (z.B. Frühgeburten, alleinerziehend in der Unterschicht, ...) unter
50%
o Die Stabilität des Bindungsstils an die Eltern variiert stark.
o Besonders ist die Stabilität bei instabiler sozialer Umwelt niedrig..
Merke: Die Stabilität des Bindungsstils an die Eltern variiert stark; insbesondere ist die
Stabilität bei instabiler sozialer Umwelt niedrig. Der Bindungsstil an die Eltern zeigt eine
geringe (Bindungssicherheit) bis starke (Art der Unsicherheit) Konsistenz zwischen den
Eltern und sagt einige Merkmale der späteren sozialen Kompetenz im Umgang mit
Peers vorher.
Fox 1991:
Bindungssicherheit: Merkmal der Beziehungsqualität
Art der unsicheren Bindung: Persönlichkeitsmerkmal des Kindes
Die Qualität der Bindung an die Eltern ist bei Kleinkindern sowohl von Merkmalen der
Eltern (insbesondere Einfühlsamkeit als Prädiktor der Sicherheit) als auch von
Temperamentsmerkmalen des Kindes (insbesondere emotionale Labilität als Prädiktor
einer ängstlich-ambivalenten Bindung) abhängig. Dabei können Risikofaktoren der
Eltern und das Kindes in Wechselwirkung geraten, z.B. sich gegenseitig potenzieren.
Merke2: Der Bindungsstil ist zwischen früher Kindheit und jungem Erwachsenenalter
bestenfalls mäßig stabil und instabiler sozialer Umwelt oft gänzlich instabil.
5.4.2 Bindungsstile bei Erwachsenen
Das Innere Arbeitmodell von Beziehungen wird verinnerlich und bleibt bis ins Erwachsenenalter
hinein erhalten. (nach Bowlby und Ainsworth)
AAI (Adult Attachment Interview) von George 1985:
Mehrstündiges Interview, in dem die kognitive Repräsentation der Bindung an die
eignen Eltern erfasst wird.
Die AAI-Diagnose sagt die Bindungsqualität eines eigenen Kindes selbst dann gut
vorher wenn sie vor der Geburt des Kindes erhoben wird.
Dies weist darauf hin, dass neben Einfühlsamkeit weitere elterliche
Persönlichkeitsmerkmale die Bindungsqualität de Kindes beeinflussen. Welche das sind
ist noch unbekannt.
Vier Typen von Bindungsmodellen bei Erwachsenen (nach George):
- autonom-sicher
- unsicher-distanziert
- unsicher-verwickelt
- unverarbeitet
Hazan & Shaver: Bindungsstile in Partnerschaften:
- Ängstilch-ambivalente: höhere Werte in Eifersucht
- Vermeidende: höhere Furcht vor Nähe
- Je ängstlicher sicher gebunden Studentinnen warn, desto eher suchten sie bei
bedrohlicher Situation Unterstützung beim Partner
7
Merke: Der Bindungsstil in Liebesbeziehungen kann auch direkt erfragt werden. Er zeigt
plausible Beziehungen zum Erleben und Verhaltne in Belastungssituationen.
Die Vier Bindungsstile von Erwachsenen nach Bartholomew (1990):
- sicher
- abweisend
entspricht dem vermeidenden Bindungsstil
- ängstlich
- besitzergreifend : entspricht dem ängstlich-ambivalenten Bindungsstil
Fremdbild +
Besitzergreifend
Sicher
+ Selbstbild
Ängstlich
empirisch gefundene
Lage der selbstbeurteilten
Bindungsstile
ängstlich
Abweisend
sicher
besitzergreifend
abweisend
Zweidimensionales Modell von Bindungsstilen Erwachsener (Bartholomew, 1990)
Dies gilt nicht für selbstbeurteilte Bindungsstile. Diese weisen eine vergleichsweise hohe
zeitliche Stabilität bei niedriger Konsistenz zwischen den verschiednen Beziehungstypen
auf. (Also stabile Beziehung zur Mutter, aber insgesamt verschieden Beziehungen zu
Mutter, Vater, Peers…) Also sind die Bindungsstile im Erwachsenenalter stark
beziehungsspezifisch (egal, wie sie erfasst werden).
Bei selbstbeurteilten Bindungsstilen korrelieren vielmehr alle unsicheren Stile negativ
mit dem sicheren Stil.
8
Merke2: Unabhängig von der Methode ihrer Erfassung erwiesen sich Bindungsstile im
Erwachsenenalter als stark beziehungsspezifisch.
In einer Studie von Furman et al. 2002 zeigte sich eine überzufällige Übereinstimmung der
Bindung an Freunde mit der Bindung an die Eltern und an Liebespartner, während die
Bindungsstile an die Eltern und an Liebespartner nicht übereinstimmten.
Merke: Die Bindung an enge Freunde stellt möglicherweise eine Brücke zwischen der
Bindung an die Eltern und an spätere Liebespartner dar.
Informationsverarbeitungsmodell für Bindungsverhalten von Mikulincer und Shaver (2003)
(siehe S. 296)
Merke: Das Modell des Bindungsverhaltens von Mikulincer und Shaver (2003) bettet die
Bindungsforschung in das Informationsverarbeitungsparadigma ein, beschreibt
Bedingungen für die Aktivierung des Bindungssystems und interpretiert ängstliche bzw.
vermeidende unsichere Bindung als Tendenz zu hyper- bzw. deaktivierenden Strategien.
Bindungsstile variieren in diesem Modell primär auf einer Dimension sicher-unsicher,
sekundär werden hyper- und deaktivierende unsichere Stile unterschieden.
5.5 Soziale Unterstützung
Unter sozialer Unterstützung wird das Ausmaß verstanden in dem andere tätig werden und
helfen, belastende Situationen zu bewältigen.
Formen von sozialer Unterstützung:
- emotional (z.B. trösten)
- instrumentell (z.B. finanziell unterstützen)
- informationell (z.B. Ratschläge geben)
Nach der Stresspufferhypothese von Cohen & Willis fördert soziale Unterstützung
(besonders emotionale) die Bewältigung von Belastungen.
Modell der Rolle sozialer Unterstützung ei der Bewältigung von Belastungen (Sarason 1990):
(siehe Seite 274)
Form
Unterstützungsressourcen
Erhaltene Unterstützung
Erfahrene Unterstützung
Potentielle Unterstützung
Definition
Anzahl positiver
Beziehungen zu anderen
(Umweltmerkmal)
Tatsächlich on anderen
erhaltene Unterstützung
(Umweltmerkmal)
Subjektiv wahrgenommene
Unterstützung
Subjektive Erwartung,
Unterstützung bekommen zu
können, wenn es zukünftig
nötig wäre
(Persönlichkeitsmerkmal)
Operationalisierung
Anzahl von Freunden zum
Zeitpunkt des Todes des
Ehemanns
z.B. Anzahl der Beileidskarten
und Anrufe
Gefühl der Unterstützung nach
Erhalt dieser Briefe und
Telefonanrufe
Gefühl der Sicherheit, bei
anderen Halt zu finden, falls
der Ehemann vor einem stirbt
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Erhaltene, erfahrene und potentielle Unterstützung sind unterschiedliche
Unterstützungsaspekte, die nicht austauschbar sind.
Potentielle Unterstützung ist eher ein Persönlichkeitsmerkmal, während
Unterstützungsressourcen und erhaltene Unterstützung eher Umweltmerkmale sind.
Bei Überforderung der Angehörigen durch Extrembelastungen (z. B. Brustamputation
bei Krebspatientinnen) des Patienten kann ihre Unterstützung uneffektiv sein. In
ungünstigen Fällen kann Unterstützung durch Angehörige sogar die Belastung steigern
und zu einer Chronifizierung beitragen (z.B. bei chronischen Rückenschmerzen).
5.6 Exemplarische Anwendung: Was ist ein guter Partner?
Zufriedenheit und Stabilität machen eine gute Partnerschaft aus.
Zufriedenheit wird gemessen mit:
- DAS (Dyadic Adjustment Scale) von Spanier 1976
- RAS (Relationship Assessment Scale) von Hedrick 1988
- Zufriedenheit ist ein individuelles Merkmal
Stabilität:
- Stabilität ist ein dyadisches Merkmal
- Auch unzufriedene Paare können eine stabile Partnerschaft führen.
Welche Persönlichkeit führt zu einer guten Partnerschaft?
Hier interessiert die Frage, ob es generelle Persönlichkeitseigenschaften gibt, die eine gute
Partnerschaft fördern, oder ob die Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit in bestimmten
Eigenschaften die Partnerschaftliche Zufriedenheit und Stabilität fördern.
Merke: Welche Persönlichkeitseigenschaften eine gute Partnerschaft fördern, kann in 4
verschiedenen Fragen differenziert werden, je nachdem ob die partnerschaftliche
Zufriedenheit oder Stabilität interessiert und ob die Persönlichkeit des Partners generell
oder die Passung seiner Persönlichkeit zur eigenen Persönlichkeit interessiert.
Neurotiszismus ist ein Risikofaktor bei Männern und Frauen für später partnerschaftlich
Unzufriedenheit und Instabilität, selbst noch nach 20 Jahren Partnerschaft.
(Gefunden wurde dieser Zusammenhang bei einer Längsschnittstudien von Kelly & Conley 1987
über 45 Jahre).
In Mittelschichtsstichproben ist der Persönlichkeitseffekt auf die Partnerschaftsqualität
deutlich größer als der Effekt des sozioökonomischen Status oder der Ausbildungsdauer.
Ähnlichkeit..
„Gleich und gleich gesellt sich gern“ –
Hierbei muss man beachten, dass die Ähnlichkeit durch eine anziehende Wirkung ähnlicher
Einstellungen des Partners bei der Partnerwahl oder durch eine abstoßende Wirkung unähnlicher
Einstellungen des Partners zustande kommt.
Außerdem entstehen Partnerschaften auch durch die physische Nähe, die durch das gleiche
soziale Umfeld hervorgerufen wird. Menschen, die sich im gleichen Umfeld aufhalten, sind sich
oft auch in bestimmten Persönlichkeitseigenschaften ähnlich.
Z.B. sind Studenten überdurchschnittlich politisch links eingestellt und sie gehen sehr viel
häufiger Partnerschaften mit Studenten ein als andere. Schon von daher sind sie sich in ihrer
linken Einstellung ähnlich, aber auch in ihrer Intelligenz.
10
Eysenck & Wakefield 1981:
Sie fanden heraus, dass die Ähnlichkeit in Neurotizismus, Gewissenhaftigkeit und
manchen Einstellungen förderlich für die Partnerschaftszufriedenheit und Stabilität ist.
Wer ist also ein guter Partner:
- hinderlich ist ein hoher Neurotizismuswert
- förderlich ist eine überdurchschnittliche Ähnlichkeit in Neurotizismus,
Gewissenhaftigkeit und in manchen Einstellungen und Werthaltungen
nur statistische Risikofaktoren!!!
Fragen:
5.1
44.
-
5. Umwelt und Beziehung
Situationsexposition und persönliche Umwelt
Die folgende Frage habe ich gemäß Sebastians Einordnung auch bei Kap 2.6
reinkopiert
(dyn.- interaktionistisches Paradigma. Steht auch bei Kap. 6.3
Nennen Sie die vier Modelle zur Umweltdetermination des Verhaltens.
Worin unterscheiden sie sich? Was versteht man unter
Dispositionismus/Personalismus, Situationismus und dem Terminus
„Interaktion von Person und Situation“? (R, F02, F03)
Umweltdetermination
Entfaltung
Dynamisch-interaktionistisches Modell
Kodetermination
Dispositionismus: Das Verhalten ist nur durch die Eigenschaften bestimmt
(Eigenschaftsparadigma)
Situationismus: Das Verhalten ist nur durch die Umwelt/Situation bestimmt
(Umweltdetermination)
Interaktion von Person und Situation: Das Verhalten ist durch die Umwelt und die
Persönlichkeit bestimmt, und Umwelt und Persönlichkeit wirken gegenseitig
aufeinander ein
S. 251ff
Nennen Sie drei Verfahren zur Erfassung der „Situationsexposition“ und
ihre jeweiligen Vor- und Nachteile? (R, F02, F04)
meine Antwort:
 retrospektive Einschätzung:
(wahrscheinlich) leicht durchzuführen
Sehr unzuverlässig, wenn zeitl. Abstand
mehr als 1 Tag
 Tagebuch:
rel. hohe Reliabilität
zeitnahe Eintragung muss gewährleistet sein, sonst
Erinnerungseffekte
Alternative: Logbuch (jede
interessierende Situation wird nach ihrer
Beendigung
protokolliert). Dort allerdings Gefahr von Reaktivitätseffekten
 Piepsertechnik: repräsentative Stichprobe von alltäglichen Situationen
ausreichende Reliabilität wird erst ab ca. 2 Wochen
erreicht
 Direkte Beobachtung: reliable Daten, schwer durchzuführen, aufwendig
45.
11
AW 2:
 retrospektive Einschätzung: hängt vom Erinnerungsvermögen ab, ist aber leicht
durchzuführen
- Tagebuch: reliablere Daten, da regelmäßig bald nach der Situationsexposition
aufgezeichnet, dafür aufwendiger für die Versuchsperson
- Piepsertechnik: sehr zeitnahe Daten, aber technisches Verständnis nötig, langer
Untersuchungszeitraum
- Direkte Beobachtung: reliable Daten, schwer durchzuführen, aufwendig
- Ambulantes Monitoring von physiologischen Daten: hohe Objektivität, eventuell
verschlechterte Validität aufgrund des gemessen werdens
5.2
5.3
Umweltsysteme und Systemstatus
Soziale Beziehungen und Beziehungsstatus
5.3.1 Soziale Beziehungen
55. Definieren Sie den Begriff soziale Beziehung. (R)
-
S. 260f
auf Verhaltensebene gekennzeichnet durch ein stabiles Interaktionsmuster
zwischen zwei Personen
auf kognitiver und affektiver Ebene durch Beziehungsschemata der Personen
(Selbstbild, Bild des Anderen und Interaktionsskript)
5.3.2 Individuelle soziale Netzwerke und Beziehungsstatus
S. 262-264
56. Erläutern Sie die Begriffe soziales Netzwerk und Beziehungsstatus. Welche
Persönlichkeitsmerkmale haben einen Einfluss auf den Beziehungsstatus? (R)
-
-
5.4
soziales Netzwerk: in der Psychologie eine Auflistung der wichtigsten
Bezugspersonen einer Person sowie eine Beurteilung der Beziehungen zu diesen
Personen hinsichtlich verschiedener Kriterien sog. Beziehungsvariablen wie
Kontaktfrequenz, räumliche Entfernung usw..
daraus lässt sich die Beziehungsmatrix (Person x Beziehungsvariablen) generieren,
deren Gesamtqualität (Anzahl, Art, Konflikthaftigkeit der Beziehungen) durch den
Begriff „Beziehungsstatus“ beschrieben wird
Alle Persönlichkeitsmerkmale der Big Five außer Neurotizismus haben Einfluss
auf den Beziehungsstatus (eigene Ergänzung).
Soziale Bindungen
5.4.1 Bindungsstile bei Kindern &
5.4.2 Bindungsstile bei Erwachsenen
S. 267ff
57. Welche Bindungsstile werden bei Kindern und Erwachsenen unterschieden? (R)
-
Kinder: B: Sicher, A: Vermeidend, C: Ängstlich/Ambivalent (S.268)
12
-
Erwachsene (nach George): autonom-sicher, unsicher-distanziert, unsicherverwickelt, unverarbeitet (erfasst durch Adult-Attachment-Interview, AAI) (S.270)
Erwachsene (nach Bartholomew): sicher, abweisend, ängstlich, besitzergreifend
(S.272)
S.267-271
58. Von welchen Umweltfaktoren und Persönlichkeitsmerkmalen der Eltern und des Kindes hängt
der Bindungsstil bei Kindern ab? (R)
-
Stabilität der sozialen Umwelt (Schichtzugehörigkeit)
Einfühlsamkeit der Eltern
Frühkindliches Temperament
Von Bindungsstil der Eltern (erfasst durch AAI)
5.5
Exemplarische Anwendung: Wer ist ein guter Partner
S.280
59. Welche Persönlichkeitsmerkmale spielen bei der Partnerschaftszufriedenheit und
-stabilität eine Rolle? (R)
-
niedriger Neurotizismus sowie Ähnlichkeit in Neurotizismus, Gewissenhaftigkeit
und manchen Einstellungen wirken sich förderlich auf die
Partnerschaftszufriedenheit und –stabilität aus
13
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