Differentielle Psychologie Zusammenfassung: Asendorpf – Psychologie der Persönlichkeit (3.Aufl.) Kapitel 2: Sechs Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Paradigma einer Wissenschaft: „Bündel“ von theoretischen Leitsätzen, Fragestellungen und Methoden zur Beantwortung 2.1 Der Begriff des Wissenschaftsparadigmas Nicht alle „Persönlichkeitstheorien“ erfüllen die in Kap.1 dargestellten Anforderungen an empirische Theorien. Daher wird hier nur von Paradigmen gesprochen. Der Begriff des Wissenschaftsparadigmas von Kuhn (1967): Nach Kuhn verändern sich die Paradigmen in bestimmten Abständen, da irgendwann erwartungswidrige Befunde auftreten, die entweder zu leichten Änderungen oder aber nach dem Durchlaufen einer Krise zum kompletten Paradigmenwechsel – gesetzt den Falle es gibt eines, das besser auf die Anomalien passt. Merke: Ein Wissenschaftsparadigma ist ein in sich einigermaßen kohärentes, von vielen Wissenschaftlern geteiltes Bündel aus theoretischen Leitsätzen, Fragestellungen und Methoden, das längere historische Perioden in der Entwicklung einer Wissenschaft überdauert. Die 6 nun folgenden Paradigmen sind außer dem psychoanalytischen und dem behavioristischen alle in der heutigen Persönlichkeitspsychologie vertreten. 2.2 Das psychoanalytische Paradigma Dieses Paradigma geht auf Freuds (1856-1939) Psychoanalyse zurück, wobei zu sagen ist, dass es innerhalb der Psychoanalyse viele Wandlungen/Strömungen gab, die hier nur in ihrem gemeinsamen Kern betrachtet werden. 2.2.1 Allgemeines Menschenbild Mensch = energiemäßig abgeschlossenes System (fast) Die menschliche Aktivität ist immer auf die Verarbeitung von Energie zurückzuführen; da ein abgeschlossenes System vorliegt, geht Energie für das eine immer auf Kosten der Energie für andere Aktivitäten. Das „Seelenleben“ beruht ebenfalls auf Energiefluss, wobei die Energie aus angeborenen Trieben „gespeist“ wird, die durch Triebbefriedigung entladen wird. Wenn der eigentliche Trieb (z.B. spezielles Verhalten) nicht befriedigt wird, nimmt die Energie einen anderen Weg und wird umgelenkt (z.B. in Träumen) „Teekessel-Prinzip“ (mechanistisch) Ein physiologisches Korrelat dieser Triebe wurde bis heute nicht nachgewiesen. Instanzen zur Regelung der Energieverarbeitung: Es; Ich; Über-Ich (Strukturmodell) Es: von Geburt an vorhanden, funktioniert unmittelbar nach dem „Lustprinzip“ (Lust suchen, Schmerz vermeiden) Ich: Bildet sich aus „Es“ und Außenwelt; vermittelt zwischen „Es“ und Außenwelt durch Eindämmung des „Es“ und Änderung des Umwelteinflusses (z.B. Flucht), später auch Vermittlung zwischen Es und Außenwelt und Über-Ich Über-Ich: Verinnerliche Normen/Werte, versucht das Ich zu kontrollieren Ebenen des Bewusstseins: bewusst, vorbewusst, unbewusst (topografisches Modell) bewusst: Inhalte des momentanen Bewusstseins: z.B. Wahrnehmungen, Empfindungen, Gedanken... vorbewusst („auf der Zunge liegen“): Die gleiche Inhalte, allerdings abgeschwächt unbewusst: nicht zugänglich, das komplette „Es“ ist hier angesiedelt, sowie Teile von „Ich“ und „Über-Ich“ Unbewusste Prozesse haben eine eigene Qualität (z.B. Verschmelzung von Orten); das „Ich“ kann durch Triebimpulse erzeugte Empfindungen ins Unbewusste drängen, allerdings bleiben sie hier sowohl affektiv als auch motivational aktiv. Frage: Wo ist das Selbstbild anzusiedeln? – nicht eindeutig geregelt „schwammiges“ Konstrukt Das psychoanalytische Paradigma betont besonders irrationale, motivationale und affektive Prozesse (wegen d. klinischen Orientierung), rationales Denken wird wenig bis gar nicht behandelt. Freud hat sich besonders für sexuelle und aggressive Motive interessiert, was ebenfalls aus der klinischen Orientierung hervorgeht. 2.2.2 Persönlichkeitskonzept Individuell variierende „Stärken“ von Es und Ich haben Einfluss auf die gesamte Dynamik des Systems und sind somit als Ursache der für die Persönlichkeitspsychologie interessanten Unterschiede/Besonderheiten von Menschen zu sehen. Da Motive sowohl bewusst als auch unbewusst sein können, ist es wichtig beide Ebenen genauer zu betrachten. Freud stellte vor allem die frühkindlichen Erfahrungen als persönlichkeitsprägend heraus. 3 Phasen der Entwicklung: orale, anale, phallische Phase oral (1.Jahr): Triebbefriedigung durch Mundzone anal (2.-3. Jahr): Triebbefriedigung über Anus phallisch (3.-5. Jahr): Triebbefriedigung über Penis/Scheide, Triebe richten sich auf gegengeschlechtliches Elternteil bei Jungs: Ödipuskonflikt (Wunsch nach Mutter, Aggression gegen Vater) Bewältigung über Identifikation mit Werten/Moral d. Vaters bei Mädchen: Penisneid (Wollen Kind vom Vater) übernimmt Werte/Moral der Mutter Der Charakter eines Menschen wird durch die individuelle Verarbeitung der 3 Entwicklungsphasen geprägt. Eine ausgeglichen Triebbefriedigung in allen Phasen führt zu einem unabhängigen Leben. Ansonsten kommt es zu Fixierungen, die den Charakter maßgeblich beeinflussen: z.B. analer Charakter : zwanghaft ordentlich, pedantisch, ... z.B. Überkompensation des Ödipuskonflikt: „Macho“-Getue Merke: Freud glaubte, dass die frühkindliche Geschichte der Triebregulation in der oralen, analen und phallischen Phase den späteren Charakter forme. Ihm liege eine Sequenz elterliches Verhalten Fixierung Charakter zugrunde. Schwierigkeit: Operationalisierung d. Konzepte (z.B. Penisneid, Kastrationsangst, ...) Ein zweiter freud’scher Ansatz zur Charakterbildung liegt in der individuellen Ausbildung bevorzugter Abwehrstrategien, (z.B. Verdrängung, Verschiebung, Projektion, Reaktionsbildung, Verleugnung, Rationalisierung, Sublimierung, Regression) die das „Ich“ anwendet. Schwierigkeit: die zentralen Begriffe sind nicht empirisch verankert und so kann z.B. „Verdrängung“ nicht eindeutig ausgemacht werden (zumindest nicht ohne psychoanalytische Methoden, die wiederum nicht empirisch sind) Fazit: Die für die Ausbildung des Charakters wesentliche Triebdynamik wird durch verschiedene Verläufe der 3 Entwicklungsstadien und durch best. bevorzugte Abwehrmechanismen beeinflusst. Neuere psychoanalytische Persönlichkeitskonzepte betonen die Rolle früher Objektbeziehungen für die Entwicklung der Persönlichkeit und der sozialen Beziehungen. 2.2.3 Methodik Datenerhebung: Aus freien Assoziationen der Patienten in Therapiesitzungen, schriftliches Material, faktische Erlebnisse aus dem Leben des Patienten. Diese wurden von Freud interpretiert und dem Patienten vorgelegt. Falls die Interpretationen auf Widerstand stießen, war das ein Anzeichen für einen „kritischen“ Punkt, welcher dann weiter „behandelt“ wurde. Therapieerfolg war ein Zeichen für Theorie, auf der die Interpretation basierte. Defizite aus Sicht der empirischen Wissenschaften: Gefahr d. Immunisierung gegenüber empirischen Daten: Sowohl Akzeptanz als auch Ablehnung der Interpretation kann mit der Theorie erklärt werden; dadurch ist sie nicht falsifizierbar. Hier liegt eine selbsterfüllende Prophezeiung vor, denn die Theorie wird aufgrund ihrer „Erklärungskraft“ immer bestätigt. Parallele zur Alltagpsychologie: Erklärungsmacht (nicht immer ein Vorteil) In diesem Fall sind vor allem die schwammigen Begriffe und die mangelnde empirische Verankerung Faktoren, welche die Erklärungsmacht fördern. Vorhersagen können nicht getroffen werden, denn viele Ausgänge wären innerhalb der Theorie denkbar; diese sind aber nicht absehbar. Psychoanalytiker begründen dies mit der Komplexität des Gegenstandes. Merke: Die klassische psychoanalytische Methodik ist aufgrund ihrer suggestiven Wirkungen auf Patient und Therapeut in Gefahr, selbsterfüllende Prophezeiungen zu produzieren und ist von daher nicht akzeptabel als Methodik einer empirischen Wissenschaft. Freuds Lösung des Problems: Der Erfolg einer Therapie sei der Beweis für die Gültigkeit der Theorie das Phänomen der „Spontanremission“ widerlegt hier diese Argumentation Weitere Kritik: Die Kindheit wird aus Erinnerungen Erwachsener rekonstruiert, welche aber durch Erinnerungsfehler verfälscht sein können (phallische Phase) zweifelhaft Stichprobe: Neurotische Patienten sind wahrscheinlich nicht repräsentativ für die Population Fazit: Die klassische Psychoanalyse ist aus methodischen Gründen keine empirische Wissenschaft 2.2.4 Empirische Bewährung Aufgrund schwammiger Begriffe ist dies erschwert. Operationalisierung nicht möglich Wurden dennoch Überprüfungen durchgeführt, kam wie z.B. bei der Phasenlehre die Vorhersagen der Psychoanalyse nicht nachgewiesen (z.B. durch Interviews). Z.B. konnten aus den Konflikte der phallischen Phase abgeleitete größere Ähnlichkeiten mit Vater/Mutter nicht nachgewiesen werden. Merke: Freud Auffassung der Charakterformung als Konsequenz der frühkindlichen Triebregulation erwies sich entweder als empirisch nicht prüfbar oder kann in den zentralen Annahmen als widerlegt gelten. Deshalb spielt sie in der heutigen Persönlichkeitspsychologie keine Rolle mehr. Das topografische Modell der Bewusstseinsebene hat sich besser bewährt; es gibt z.B. zweifelsohne eine unbewusste Informationsverarbeitung, die keinesfalls bewusstseinsfähig ist. Auch lassen sich bei Erwachsenen im wesentlichen die postulierten Abwehrstile gegenüber äußeren Bedrohungen dokumentieren. Auch gibt es Hinweise auf die innere Abwehr nach denselben Strategien. Am Beispiel „Verdrängung“ konnten Weinberg et al. (1979) und Asendorpf et al. (1983) bei perfektionistischen Menschen (Einstufung über Social Desirability Scale), welche gleichzeitig auch noch niedrige Werte auf einer Ängstlichkeitsskala angaben (Manifest Anxiety Scale), also bei sog. „Repressern“ , in bedrohlichen Situationen physiologische Korrelate eines inneren Konflikts nachweisen, den Freud bei solchen Menschen vorhersagt. Unklar ist allerdings, ob die Probanden tatsächlich bewusst keine Angst empfanden oder dies nur fälschlicherweise angaben. Weitere für die Persönlichkeitspsychologie wertvolle Konzepte des psychoanalytischem Paradigmas sind z.B. die Unterscheidung zwischen unbewussten und bewussten Motiven oder z.B. die Bedeutung frühkindlicher Bindungsstile. Merke: Einige Konzepte des psychoanalytischen Paradigmas erwiesen sich als fruchtbar für die Persönlichkeitspsychologie – darunter das Konzept unbewusster Motive, der Abwehrmechanismen und der frühen Objektbeziehungen – nachdem es gelang, diese Konzepte ausreichend empirisch zu verankern. 2.2.5 Bewertung Insgesamt lässt sich resümieren, dass das psychoanalytische Paradigma trotz seiner teilweise fruchtbaren Beiträge zur empirischen Persönlichkeitspsychologie, eher unbrauchbar bleibt wegen der schwierigen/unmöglichen Operationalisierungen und der teilw. unhaltbaren Theorieelemente (Phasentheorie). Außerhalb des empirischen Bewertungsrahmens kann die Bewertung allerdings wieder anders ausfallen 2.3 Das behavioristische Paradigma Zeitliche Einordnung: ca. 1920-1970. eingeführt u.a. von Watson (1878-1958) Blickpunkt d. Interesses: Direkt beobachtbare Verhaltensweise keine Introspektion, noch weniger Psychoanalyse 2.3.1 Allgemeines Menschenbild Mensch kommt als „unbeschriebenes“ Blatt zur Welt und beginnt, angetrieben von ungerichteter Spontanaktivität + Reflexen auf die Umwelt zu reagieren, was nach und nach dazu führt, dass das Verhalten unter den Einfluss der Umweltreize gerät. 3 Lernmechanismen: klassische Konditionierung, operante Konditionierung, Beobachtungslernen (?) Umweltreize bestimmten das Erlernen von Verhaltensweisen; Verhalten ist ergo durch Schaffung best. Bedingungen problemlos zu manipulieren 2.3.2 Persönlichkeitskonzept Nach den vom Behaviorismus postulierten Lerngesetzen bzw. dem behavioristischen Menschenbild werden individuelle Besonderheiten durch individuelle Lerngeschichten erzeugt. Bei genauer Kenntnis der „Vergangenheit“ sollten problemlos Aussagen über die Persönlichkeitseigenschaften eines Menschen zu treffen sein. 2.3.3 Methodik Durch die Fokussierung auf direkt beobachtbares Verhalten ist hier die Operationalisierung von Konzepten – im Gegensatz zum psychoanalytischem Paradigma – äußert problemlos. Gefahr: Zirkuläre Definitionen von Belohnung (Lernen beruht auf Belohnung, Belohnung hat stattgefunden, wenn erfolgreich gelernt wurde) Die persönlichkeitspsychologisch interessierenden überdauernden Lerneffekte, die als Persönlichkeitsänderung aufgefasst werden können, sind ebenfalls einfach experimentell zu überprüfen. 1. Problem: Sind die Persönlichkeitsunterschiede nach behavioristischen Lernprinzipien entstanden? Doku aller „Reiz-Reaktions-Situationen“ wäre nötig, dies ist praktisch unmöglich. Nachträgliche Befragungen, die potentiell helfen könnten, sind – wie in der Psychoanalyse – von Erinnerungsverzerrungen betroffen und damit unbrauchbar. 2.Problem: Wer konditioniert wen? Rolle des Experimentators kann theoretisch auf beiden Seiten liegen. (sog. asymmetrische Interpretation) A priori Absichten/Planvolle Handlungen sind behavioristisch schwer abbildbar. Asymmetrische Interpretation ist „fatal“: Der „Ursache-Wirkungs-Zusammenhang“ wird hier fälschlicherweise unidirektional dargestellt, was z.B. bei der Mutter-Kind-Interaktion zu schweren Fehlern führen kann Merke: Im Behaviorismus wird die Lernsituation asymmetrisch angelegt: Lernende sind Opfer ihrer Umwelt, nicht umgekehrt. 2.3.4 Empirische Bewährung Hinsichtlich der Modifikation von Verhalten ist dieser Ansatz verhältnismäßig mächtig, z.B. in der Verhaltenstherapie und bei der Konditionierung physiologischer Funktionen. Allerdings ist dieser „Erfolg“ – wie beim psychoanalytischen Paradigma – kein Beweis für das behavioristische Persönlichkeitskonzept. Als problematisch erweist sich auch die Annahme des „unbeschriebenen Blattes“ bei Geburt hinsichtlich empirisch feststellbarer Unterschiede z.B. in der Reizschwelle, der Aktivität, der Aufmerksamkeitsdauer, ... – dies wäre hier nur durch pränatales Lernen zu erklären, was wiederum nicht behavioristisch wäre... Auch unterschiedlich stabile Lerneffekte (instabil: Verhaltenstherapie bei Rauchen vs. stabil: Nachahmungslernen bei ängstlicher Reaktion) sind behavioristisch nicht zu erklären. (höchstens über genetische Prädisposition) Ebenfalls problematisch ist die fehlende bzw. sehr umständliche Beschreibungsmöglichkeit für Planvolles Handeln Beispiel: 10 Tage Gefängnis für eine Million Euro Dies Verhalten zu erklären ist bedeutend einfacher über die Annahme innerer Prozesse. Das Informationsverarbeitungsparadigma löste des behavioristische ab: Lerngesetze wurden, allerdings mit deutlich weniger „Gewicht“, weiter als gültig behandelt die Bereichsunspezifität des Lernens wurde revidiert artspezifische Prädispositionen (z.B. Erklärung für häufigere Angst vor Schlangen im Gegensatz zu Autos bei Mitteleuropäern) für solche genetischen Prädispositionen gibt’s auch empirische Belege Merke: Genetische Prädispositionen widersprechen der behavioristischen Annahme, dass Lerngesetze universell sind. Dies wird für die Persönlichkeitspsychologie erst an dem Punkt relevant, wenn dadurch die Annahme weiterer Prädispositionen, die dann eher individuell sind, gestärkt wird. Genetisch bedingte Lernbereitschaft: Solche individuellen Prädispositionen lassen sich als genetisch bedingte Persönlichkeitsunterschiede ausmachen. Weitere Schwierigkeiten: Persönlichkeitsabhängiges Lernen, z.B. von der Intelligenz, Lernmotivation, ... alles müsste behavioristisch über die Lerngeschichte erklärt werden, was nicht möglich ist. Merke: Menschliches Lernen ist wesentlich von Persönlichkeitseigenschaften abhängig. Von daher nimmt die Persönlichkeit Einfluss auf den Lernprozess. 2.3.5 Bewertung Vorteile: Gute empirische Überprüfbarkeit durch eindeutige Operationalisierung Nachteile: biologisch und psychologisch inadäquate Vernachlässigung innerer Prozesse Beschränkung auf Wahrnehmbares ist nicht besonders hilfreich; in vielen Disziplinen gibt es nur indirekt beobachtbare Konstrukte. Auch indirekte Konstrukte können über geeignete Operationalisierung empirisch überprüft werden. falsche Annahmen: genetische Prädispositionen können Persönlichkeit vor der Geburt beeinflussen ( Natur wäre Watson bei seinem „Experiment“ in die Quere gekommen; Lernen ist bereichsspezifisch (keine universellen Lerngesetze) o allein teilw. selbstbestimmte Selektivität v. Wahrnehmung und erst recht aktives Aufsuchen best. Situationen gibt uns „Macht“ über unsere Umwelt (dies ist wiederum persönlichkeitsabhängig) ABER: behavioristische Grundannahmen sind immer noch fest in Alltagspsychologie verankert 2.4 Das Eigenschaftsparadigma Zu verstehen als eine Weiterentwicklung der naiven Persönlichkeitspsychologie der Alltagspsychologie, die empirischen Kriterien entspricht. Begründet wurde es von Stern (1871-1938) und Allport (1897-1967) und ist auch noch heute sehr einflussreich. 2.4.1 Allgemeines Menschenbild Die Eigenschaften einer Person bestimmten, welche Reaktionen sie in einer bestimmten Situation zeigt. Verhalten wird als Funktion von Eigenschaft und Situation verstanden, wobei diese Situationen und Reaktionen komplexer als im Behaviorismus sind. Eigenschaften werden als Verhaltensdispositionen betrachtet. Merke: Nach eigenschaftspsychologischer Auffassung erzeugen Eigenschaften stabile Beziehungen zwischen den Situationen und den Reaktionen einer Person. Eigenschaften sind nur indirekt beobachtbar, also Konstrukte, obwohl angenommen wird, dass sie neuronale Korrelate haben, die theoretisch beobachtbar wären. Die Eigenschaften erzeugen Beziehungen zwischen Reaktionen und Situationen und macht dadurch best. Situationen ähnlich und andere unähnlich (z.B. lösbare vs. nicht lösbare Aufgaben), dasselbe gilt für Reaktionen (z.B. erfolgreiche vs. nicht erfolgreiche Strategien). 2.4.2 Persönlichkeitskonzept Die Persönlichkeit wird als organisierte Gesamtheit der Eigenschaften verstanden; Ziel ist es die individuelle Besonderheit von Menschen/Gruppen zu beschreiben. Zwei fundamental unterschiedliche Ansätze lassen sich hier unterscheiden der individuumzentrierte Ansatz der differentielle Ansatz Der individuumzentrierte Ansatz Hier werden die Eigenschaften eines Individuums unabhängig von anderen Menschen beschrieben. Die Eigenschaften müssen jedoch, im Gegensatz zur Alltagspsychologie, operationalisiert und auf Stabilität geprüft werden. (z.B. mit Tagebuchmethodik) Anhand einer solchen Methodik können Dispositionen identifiziert werden, die Verhaltenstendenzen relativ differenziert beschreiben. Bei individuumzentrierten Beschreibungen können auch Zusammenhänge von Dispositionen ausgemacht werden (z.B. Ärger und Konflikte vs. Unsicherheit und Konflikte). Das Hauptproblem dieses Ansatzes liegt darin, dass anhand von Dispositionen und nicht die individuelle Besonderheit eines Menschen ausgemacht werden kann. Dispositionen können immer auch universelle Dispositionen sein. „Lösung“: Besonderheiten können anhand des alltagspsychologischen Verständnisses entdeckt werden. ABER: Dies ist sehr begrenzt! Auch wäre eine hermeneutische Methode denkbar, welche die Einzelfalldaten interpretiert. ABER: Um individuelle Besonderheit zu messen, muss an irgendeiner Stelle ein Vergleich mit anderen Menschen geführt werden. Merke: Der individuumzentrierte Ansatz kann Eigenschaften eines Menschen und ansatzweise auch die individuelle Organisation seines Verhaltens beschreiben, aber weder seine Persönlichkeitseigenschaften noch seine Persönlichkeit. Dazu muss er um Vergleich zwischen Menschen ergänzt werden. Populationsabhängigkeit von Persönlichkeitsaussagen Aussagen über Persönlichkeitseigenschaften sind immer populationsabhängig. Ob und in welcher Weise eine bestimmte Eigenschaft die Persönlichkeit eines Menschen charakterisiert ist abhängig von der Referenzpopulation. Beispiel: Wenn normalerweise Studenten 5x pro Woche streiten, ist das keine Persönlichkeitseigenschaft in der Betrachtung von Studenten, wohl aber von Studenten und Studentinnen geschlechtsspezifische Eigenschaft Aussagen der Persönlichkeitspsychologie beziehen sich immer nur auf individuelle Besonderheiten in der gleichen Altersgruppe und der gleichen Kultur! Merke: Die Messung der Persönlichkeitseigenschaften einer Person erfordert einen Vergleich mit entsprechenden Eigenschaften der Mitglieder einer Referenzpopulation, der diese Person angehört. Der differentielle Ansatz (Stern 1911) Dieser Ansatz zielt auf die interindividuellen Unterschieden von Menschen einer bestimmten Population ab. Hier werden also die Unterschiede von Personen einer Population auf bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen, hier Variablen, betrachtet. Jeder Person wird eine bestimmte Merkmalsausprägung auf der Variable zugeordnet. Variablen- und personorientierter differentieller Ansatz Variablenorientiert: - Viele Personen werden in einem Merkmal unterschieden Beschreibung der Persönlichkeitsmerkmale (Variationsforschung) - Viele Personen werden in zwei oder mehr Merkmale unterschieden Beschreibung von Kovariationen von Persönlichkeitsmerkmalen Korrelationsforschung Personorientiert: - Betrachtung einer Person in vielen Merkmalen (Psychographie) Persönlichkeitsprofil - Betrachtung der Ähnlichkeit zweier Persönlichkeitsprofile Komparationsforschung Klassifikation nach Gestalt des Persönlichkeitsprofils wird möglich Merke: Im differentiellen Ansatz versteht man unter der Persönlichkeit einer Person die Gesamtheit ihrer Merkmalsausprägungen in allen Merkmalen, in denen sich die Mitglieder der betrachteten Population voneinander unterscheiden. Die Persönlichkeit kann durch ein Persönlichkeitsprofil veranschaulicht werden. Nochmal Merke: Im personorientierten Ansatz lassen sich Personen nach Persönlichkeitstypen klassifizieren. Ein solcher Typ besteht aus Personen mit ähnlichem Persönlichkeitsprofil. Prüfung der Stabilität von Eigenschaften Egal welchen Ansatz man wählt; es ist die mittelfristige Stabilität der Merkmale/Merkmalsprofile zu prüfen Kovariationen werden berechnet (zwischen 2 Zeitpunkten) Variablenorientiert: Hier geht es um die Stabilität einer Variable, nicht um die Stabilität einzelner Personen Stabilität charakterisiert Populationen Personorientiert: Hier muss Person für Person überprüft werden hohe Kovariation spricht für stabiles Merkmalsprofil; einzelne Merkmale dürfen sich verändern Merke: Stabilität charakterisiert im personorientierten Ansatz Personen, nicht einzelne Merkmale. Der Schluss von Merkmalen auf Eigenschaften erfordert immer einen empirischen Nachweis der Zeitstabilität dieser Merkmale, der Schluss von einem Merkmalsprofil auf die Persönlichkeit immer einen Nachweis der Zeitstabilität des Profils. Kombination individuumzentrierter und differentieller Messungen Persönlichkeitsprofile beruhen nicht immer auf differentiell gemessenen Merkmalen. Eine Kombination von individuumzentriertem und differentiellem Ansatz kann hier zur Lösung führen: Profile können zunächst individuumzentriert aufgestellt und dann kann das „Besondere“ daran durch Kovariationsanalyse mit einer repräsentativen Stichprobe bestimmt werden. Kombination der Ansätze kann nützlich sein Merke: Individuumzentrierter und differentieller Ansatz im Eigenschafts paradigma sind kein Gegensatz. Im Gegenteil ist es oft sinnvoll, die differentielle Messung erst nach ausführlicher individuumzentrierter Messung des Einzelfalls durchzuführen. 2.4.3 Methodik Individuumzentrierte Datenerhebung Das Spektrum der Methoden liegt in diesem Fall zwischen „weichen“ qualitativen (z.B. Biografieforschung) und harter quantitativer Messung. Zwei der „härteren“ Methoden sind der Rep-Test und Q-Sort Role construct repertory test (Kelly 1955): Baut auf systematischen Vergleichen zwischen Personen durch die Testperson auf, muss aber nachher z.B. durch Ähnlichkeitsklassifizierung in Messungen umgewandelt werden. Man erhält einen Wert, der etwas über die „kognitive Komplexität“ der Testperson aussagt, welche mit anderen Komplexitäten verglichen werden kann. Q-Sort-Verfahren (Stephenson 1953) Eine Person wird durch einen vorgegebenen Satz von Eigenschaftsbezeichnungen charakterisiert, indem jede der Eigenschaften danach beurteilt wird, wie charakteristisch sie für die Person ist. intraindividueller Vergleich psychografisches Eigenschaftsprofil nur halt nicht differentiell Dieses Verfahren ist jedoch eine Mischung aus individuumzentrierter und differentieller Messung, da der Beurteiler bei seiner Einschätzung meist eine Referenzpopulation zu Rate zieht. Merke: Das Q-Sort-Verfahren ist eine Mischung aus individuumzentrierter und differentieller Messung Differentielle Datenerhebung Hier werden eigenschaftsrelevante Merkmalswerte erhoben. Man kann 3 Methoden zur Erfassung von Dispositionen unterschieden. - Persönlichkeitsskalen (direkte Beurteilung aufgrund alltagspsychologischer Beschreibungen) - Situations-Reaktions-Inventare (Erfragung der hypothetischen Reaktionsstärke in hyp. Sit.) - Verhaltensbeobachtung (Beobachtung tatsächlicher Reaktionen in realen Situationen) Persönlichkeitsskalen: Sie soll eine bestimmte Eigenschaft erfassen und besteht aus mehreren Items (12-20; Aggregation). Beurteilt wird die Ausprägung der Eigenschaft der Person im Vergleich zu anderen; Referenzpopulationen sind nicht immer genannt; verschiedene Antwortskalen sind denkbar. Die Antworten der Items werden zu einem Skalenmittelwert zusammengefasst. Jede Persönlichkeitsskala misst nur eine Eigenschaft. Items werden zu einer Skala zusammengefasst, wenn sie über Personen kovariieren. gute Skala Persönlichkeitsinventare: Sie bestehen aus mehreren Persönlichkeitsskalen und erfassen z.B. die Persönlichkeit möglichst breit. Hier bleibt es den Urteilern überlassen den Bezug von Eigenschaften zu bestimmten Situationen herzustellen: Vorteile: Wenig aufwendig; individuelle Besonderheiten können intuitiv berücksichtigt werden Nachteile: - viel „unkontrollierte“ Verantwortung bei den Beurteilern z.B. Grundlage des Urteils, unvergleichbare Situationen müssen verglichen werden, ... o viele Unwägbarkeiten - nur Eigenschaftsbeurteilungen: deren Grundlage ist die Alltagspsychologie schlecht (auch bei Q-Sort) Lösung: Hinzunahme weiterer Datenquellen, z.B. hypothetische Reaktionen in hypothetischen Situationen erfragen Fragebögen: - Situationsinventar: eine Reaktion (z.B. Angst) wird in vielen Situationen eingeschätzt (FSS) - Situations-Reaktions-Inventar: mehrere Reaktionen in mehreren Situationen Ermittlung z.B. der allgemeinen Ängstlichkeit, des individuellen Reaktionsprofils (Mittelwerte von Situationen/Reaktion z.B. stärkere Reaktion mit Herzklopfen als mit belegter Stimme auf Angst) Kritik: Auch dieses Verfahren kann verzerrt werden, z.B. durch verzerrte Wahrnehmung d. Verhaltens, Erinnerungsprobleme, ... Merke: Fragen nach Verhalten in hypothetischen Situationen ersetzen nicht die Untersuchung des tatsächlichen Verhaltens in realen Situationen. Verhaltensbeobachtung:: Kann im Alltag oder im Labor stattfinden; jede Art von Verhalten kann beobachtet werden. Wichtig ist hier die Stabilitätsprüfung! (Verhalten fluktuiert in realita sehr stark) Nachteile: sehr aufwendig, nur beobachtbares Verhalten kann erfasst werden, sie ist im Alltag oft nicht möglich, intimes Verhalten kann aus ethischen Gründen nicht beobachtet werden Merke: Verhaltensbeobachtung ist die Methode der Wahl zur Messung der Persönlichkeit, kann aber nur bestimmte Persönlichkeitsbereiche erfassen. Beschreibung der Variation von Messwerten Datenanalyse im Eigenschaftsparadigma bezieht sich stets auf Variationen und Kovariationen. Eigenschaftsmessungen sind oft normalverteilt, da erfasste Eigenschaften meistens von vielen unabhängigen Faktoren abhängig sind. (z.B. Gene, ...) Denkbar sind jedoch auch schiefe Verteilungen, bei denen die Variabilität auf ein bestimmtes Intervall eingeschränkt ist (z.B. aggressives Verhalten bei Kindern) unerwünscht, da Personen nicht gut voneinander unterschieden werden können Der Mittelwert einer Skala sollte nahe dem Mittelpunkt der Skala liegen, damit sonst eine schiefe Verteilung resultieren könnte. Die Streuung sollte möglichst groß sein gute Unterscheidung möglich Merke: Bei Eigenschaftsmessungen sollten sich symmetrische Verteilungen mit großer Streuung ergeben. 2. Merke: Lineare Transformationen der Messskala ändern interindividuelle Unterschiede proportional und damit nicht wesentlich Die z-Transformierung erlaubt es Personen durch ihre Situationsprofile und durch ihre Reaktionsprofile, also ihre individuellen Besonderheiten in mehreren Reaktionen relativ zu einer Referenzpopulation zu charakterisieren. Beschreibung der Kovariation von 2 Variablen Ein geeignetes Maß für die Kovariation zweier Variablen ist die Korrelation r. Diese misst allerdings nur lineare Zusammenhänge! Merke: Korrelationen zwischen Profilen messen die Ähnlichkeit der Profilgestalt unabhängig von Profilniveau und Profilstreuung Beschreibung der Konsistenz vieler Messungen Problem: Die meisten Persönlichkeitsskalen enthalten mehr als 2 Items. viele Korrelationen sind berechenbar, allerdings ist das Muster dann schwer interpretierbar Lösung: 2 Verfahren (hauptsächlich): Qualität der Einzelitems Trennschärfe: Korrelation zwischen einem Item und dem Mittelwert der restlichen Items Bei hohen Werten „trennt“ das Item die Personen so gut wie der Rest der Skala! Bei Konstruktion einer Skala wird bei der Itemanalyse die Trennschärfe als Kriterium genutzt. o Maß für die Qualität der einzelnen Items - Qualität der Skala z.B. über Retestreliabilität, ist allerdings aufwendig Alternative: interne Konsistenz Retestreliabilität wird aus Daten zu einem Messzeitpunkt geschätzt (über Cronbach-Alpha) Cronbach-Alpha: Gibt die Reliabilität des Skalenmittelwertes an Beide Verfahren lassen sich auf die Urteilerübereinstimmung beziehen Beurteiler entsprechen dann den Items! Merke: Trennschärfen messen die Qualität von Items oder Beurteilern, Retestreliabilität und interne Konsistenz die Qualität von Skalen oder des mittleren Urteils vieler Beurteiler. Validität von Persönlichkeitsmessungen Misst das Gemessene auch wirklich die Persönlichkeitsunterschiede? Lösung: Hinzuziehen eines Außenkriteriums (falls vorhanden) und Korrelation berechnen. Die Validierung von Persönlichkeitsmessungen ist relativ schwierig im Vergleich mit der Reliabilität. Merke: Die Validität einer Variable wird meist durch die Korrelation mit einem Außenkriterium bestimmt. Je höher die Korrelation ist, umso sicherer kann man sein, dass die Variable wirklich das misst, was sie messen soll 2.4.4 Empirische Bewährung Beurteilerübereinstimmung: Merke: Die Beurteilerübereinstimmung ist für die Verhaltensbeobachtung meist hoch, jedenfalls bei ausreichendem Beobachtertraining. Bei Persönlichkeitsskalen oder Q-Sorts ist sie jedoch nur mittelhoch, vor allem, da sich die Urteile auf unterschiedliche Situationen beziehen. Interne Konsistenz und Validität von Fragebogenskalen: - Interne Konsistenz kann über Cronbachs-Alpha bestimmt werden (mindestens .80) Interne Konsistenz kann durch Ersetzen von Items niedriger Trennschärfe gesteigert werden oder es werden einfach mehr Items aufgenommen Gründe, warum es trotzdem nicht klappt: - unzureichende Konstrukterklärung: Keine klare Def. der zu messende Persönlichkeitsunterschiede - Erfahrungsferne des Konstrukts: Befragte haben keine/wenig eigene Erfahrung zu dem gefragten Konstrukt (z.B. Abwehrmechanismen) - zu breites Konstrukt: „loses Bündel schwacher korrelierender Persönlichkeitsunterschiede“ - Validität: z.B. durch Korrelation von Selbst- und Bekanntenurteilen, ABER: systematische Fehler (siehe Kap. 3) Merke: Für Fragebogenbeurteilungen der Persönlichkeit werden regelmäßig interne Konsistenzen um .80 und Validitäten von .50-.60 erreicht Zeitliche Stabilität: - Lässt sich durch Korrelationen zu verschiedenen Messzeitpunkten bestimmen - bei Persönlichkeitsfragebögen liegt sie meist bei .80; allerdings ist hier unklar, ob die Eigenschaft oder das Urteil über die Eigenschaft stabil bleibt - bei Verhaltensbeobachtung kann die Eigenschaft/das Verhalten direkt gemessen werden (z.B. IQ-Test) - im Labor ist Stabilität oft geringer (wegen der inszenierten Szenarien) Mittelung über viele Situationen/Reaktionen erhöht die Stabilität Merke: Die Stabilität ist für Eigenschaftsbeurteilungen meist ausreichend hoch. Bei der Verhaltensbeobachtung muss meist über viele Situationen gemittelt werden, um eine vergleichbar hohe Stabilität zu erzielen. Transsituative Konsistenz Problem: Stabilität von Eigenschaftsmessungen innerhalb der gleichen Situation ist größer als in unterschiedlichen Situationen (transsituative Konsistenz) o spricht gegen Annahme des Eigenschaftsparadigmas, dass Eigenschaften Situationen in gleicher Weise beeinflussen o Beziehung zwischen Situationen und Persönlichkeit musste überdacht werden Lösung: Situationsprofile - Eigenschaften müssen sich nicht nur in Profilniveau (Mittelwerten aus vielen Sit.), sondern können sich auch in stabilen Situationsprofilen äußern - 2 komplementäre Persönlichkeitsaspekte beim Vergleich von Verhalten über Situationen: individuelle Besonderheiten in der mittleren Tendenz das Verhalten in diesen Sit. zu zeigen und individuelle Besonderheiten in der Tendenz, Verhalten in best. Situationen besonders stark/schwach zu zeigen - individuelle Besonderheiten in Situationsprofilen werden subjektiv als Konsistenz erlebt transsituative Inkonsistenz ist also kein Argument gegen den Eigenschaftsbegriff Personenorientierte Herangehensweise: Über ähnliche Situationsprofile können Persönlichkeitstypen bestimmt werden Variablenorientiert: Bildung von Situationsklassen, in denen Konsistenz höher ist als insgesamt. Zerlegung von Eigenschaften in spezifischere Teile (z.B verbale Aggression vs. aggr. gegen Kinder und aggressiv gegen Erwachsene) Merke: Bei transsituativer Inkonsistenz treten Wechselwirkungen zwischen Personen und Situationen auf, die sich in einer unterschiedlichen Gestalt der individuellen Situationsprofile und niedrigen Korrelationen zwischen Situationen äußern. Dieses Problem kann durch Bildung von Situationsprofiltypen oder durch Bildung von Situationstypen verringert werden. Reaktionskohärenz (analog zur transsituativen Konsistenz) - Korrelation zwischen Reaktionen über Personen, die sich auf die gleiche Eigenschaft beziehen - mangelnde Reaktionskohärenz weist auf individuelle Besonderheiten in Reaktionsprofilen hin Lösung: - Bildung von Reaktionsprofiltypen (personenorientiert) - Definition speziellerer Eigenschaften, die Klassen kohärenter Reaktionen entsprechen (variablenorientiert) Merke: Bei Reaktionsinkohärenz treten Wechselwirkungen zwischen Personen und Reaktionen auf, die sich in einer unterschiedlichen gestalt der individuellen Reaktionsprofile und niedrigen Korrelationen zwischen Reaktionen äußern. Dieses Problem kann durch Bildung von Reaktionsprofiltypen oder durch Bildung von Reaktionstypen verringert werden 2.4.5 Bewertung - Grundbegriffe sind explizit und operational - Individuumzentrierte Ansätze beschreiben einzelne Personen gut – hier wird allerdings nicht die Persönlichkeit beschrieben (fehlende Vergleichspopuation; Abhilfe verschafft mit Abstrichen Q-Sort) - Differentielle Ansätze können Personen einer best. Population vergleichen; nutzt man hier Persönlichkeitsskalen, geht der Bezug zu spezifischen Situationen und Reaktionen verloren. - Abhilfe verschaffen Situations-Reaktions-Inventare oder reale Verhaltensbeobachtung - Wechselwirkungen von Personen und Situationen/Reaktionen können mit Situationsund Reaktionsprofiltypen beschrieben werden Probleme: - die vermittelnden Prozesse zwischen Eigenschaft und Situation bleiben offen mit Eigenschaften gefüllte black-box - Eigenschaften sind statische Konzepte; in der Realität verändern sie sich langfristig - Suche nach Eigenschaften wird stark von alltagspsychologischen Überlegungen beschränkt (z.B. wenn Fahrtüchtigkeit interessiert sind Sit. und Reakt. erst mal durch Alltagspsychologie vorgegeben) Merke: Im Eigenschaftsparadigma können individuelle Besonderheiten im Erleben und Verhalten gut beschrieben werden, aber es kann nur schlecht erklärt werden, wie Eigenschaften im aktuellen Erleben und Verhalten wirksam werden und wie sie sich im Verlauf der Persönlichkeitsentwicklung verändern. Da die Wahl der Situationen und Reaktionen, auf die sich Eigenschaften beziehen, zunächst alltagpsychologisch vorgegeben ist, haben Eigenschaftskonzepte eine Tendenz, in der Alltagspsychologie zu verharren. Das wirkt sich hinderlich auf die persönlichkeitspsychologische Forschung aus. 2.5 Das Informationsverarbeitungsparadigma Hier werden im Gegensatz zum Behaviorismus und zum Eigenschaftsparadigma die Prozesse innerhalb der black-box, die Situations-Reaktions-Beziehungen erzeugen, genauer betrachtet. 2.5.1 Allgemeines Menschenbild - Erleben und Verhalten beruht auf Verarbeitung von Information, - Information: Bedeutung eines bestimmten Zustandes von Materie oder Energie für ein informationsverarbeitendes System - menschliches Verhalten beruht also auf Informationsverarbeitung im Nervensystem, das interne und externe Signale empfangen und umwandeln kann. Die Umwandlungsprozesse nutzen Infos, die die aktuelle Situation überdauern: Das Wissen Modelle der Informationsverarbeitung - klassische Modelle - das ACT*-Modell von Anderson (1983) - konnektionistische Modelle Klassische Modelle: - stark an Infoverarbeitung in Computern orientiert, die Schritt für Schritt von Input zu Output führen - Reize aus Umwelt o. eigener Person in sensorisches Register, dort durch Prozesse der Mustererkennung erster Analyse unterzogen - durch Aufmerksamkeitsprozesse in KZG, dort mit Wissen aus LZG in Verbindung gebracht und hinsichtlich Bedeutung bewertet - Kurz- und Langzeitgedächtnis entsprechen hier Arbeitsspeicher und Festlatte eines Computers Das ACT (adaptive control of thoughts) Modell lokal aktivierte Inhalte des LZG führen Funktionen des KZG aus Inhalte des LZG bestehen aus prozeduralem Wissen (Wie-Wissen) und deklarativem Wissen (Faktenwissen) deklaratives Netzwerk durch propositionales Netzwerk repräsentiert siehe Abb. 2.20, S.67 und genauer Anderson prozedurales Wissen wird durch Produktionsregeln (wenn-dann-Anweisungen) repräsentiert Vorgang der Infoverarbeitung: bestimmte Knoten durch entsprechende Wahrnehmung aktiviert, Aktivation breitet sich aus, wird mit zunehmendem Abstand vom Ursprung schwächer. Starke, d.h. oft gebrauchte Knoten sind leichter zu aktivieren (Analogie zu Erregungsausbreitung bei Nervenzellen) Aktivierungsprinzip auch bei Produktionsregeln, Wenn-Teil aktiviert, dann Dann-Teil aktiviert - KZG und LZG lassen sich durch Netzwerkeigenschaften beschreiben: KZG besteht aus momentan aktivierten Knoten, LZG besteht aus allen prinzipiell aktivierbaren Knoten - sparsames Modell, aus dem sich aus Annahmen über Netzwerkparameter Vorhersagen für die Info-Verarbeitung treffen lassen ACHTUNG: keine direkte Beziehung zwischen Knoten und Neuronen, es gibt z.B. kein Neuron “Großmutter” Konnektionistische Modelle verteilte Speicherung (ACT = lokal) Informationen durch komplexe Knotenmuster repräsentiert (analog zu Zellverbänden) Wechselwirkung vieler Knoten in Form von gegenseitiger Aktivierung und Hemmung erzeugen Bedeutung Informationsverarbeitung nicht nur sequentiell, sondern auch viele Prozesse gleichzeitig (parallel) Merke: In allen Informationsverarbeitungsmodellen spielt das Wissen im Langzeitgedächtnis eine zentrale Rolle; es beeinflusst nahezu alle Verarbeitungsprozesse Die 3 Modelle unterscheiden sich vor allem in Rolle, die dem Bewusstsein zugewiesen wird Klassische Modelle: Inhalte im sensorischen Register unbewusst, im KZG und LZG bewusst unbewusste Infos können keinen Einfluss auf Bewusstsein ausüben (solange sie unbewusst sind) ACT*-Modell: Bewusstsein = hohe Aktivierung von Knoten , d.h. nur deklaratives Wissen ist bewusst, prozedurales Wissen ist unbewusst. Bewusst werden kann nur Wenn- und Dann-Anteil, nicht die Produktionsregel, es sei denn, sie wird zu deklarativem Wissen (z.B. Grammatikregel) Unbewusste Prozesse können demnach Einfluss auf Verhalten haben! Konnektionistische Modelle: bewusste Prozesse sequentiell und langsam, nur die Spitze des Eisbergs ausgedehnter, schnell und parallel ablaufender unbewusster Prozesse Merke: Je stärker Informationsverarbeitungsmodelle neurowissenschaftlich orientiert sind, desto größeren Raum geben sie unbewussten Verarbeitungsprozessen und unbewussten Ergebnissen solcher Prozesse Impulse und reflektive Informationsverarbeitung Informationsverarbeitungsmodelle neigen dazu, die vielen Teilsysteme des menschlichen Nervensystems über „einen Kamm zu scheren“. Unterscheidung nach Strack & Deutsch: impulsives vs. reflektives InfoVerarbeitungssystem beide laufen parallel ab und können Verhalten beeinflussen impulsives System nutzt assoziative Strukturen und führt ständig und automatisch zu Verhaltensimpulsen und Gedächtnisbildung über das Verhalten reflektive Prozesse werden phasenweise zugeschaltet; sie verarbeiten propositionale Strukturen und sind Voraussetzung für rationale Analyse und Reflektion können zu willentlichem Verhalten und langanhaltenden Denk- und Handlungsprozessen führen beide Systeme können unterschiedliches/widersprüchliches Verhalten anregen Eigentlich sind sogar 3 Arten der Verhaltensinitiierung auszumachen - willentlich gesteuert - automatisiert - spontan, ohne vorher automatisiert worden zu sein 2.5.2 Persönlichkeitskonzept Im Rahmen des Infoverarbeitungsparadigma beruhen individuelle Besonderheiten im Erleben und Verhalten auf 3 verschiedenen möglichen Quellen a) auf Architektur des infoverarbeitenden Systems b) auf Parametern infoverarbeitender Prozesse c) auf Wissen zu a) - es werden heute keine qualitativen Unterschiede in der Architektur angenommen (Würde z.B. bei der Vererbung problematisch sein) keine Quelle individueller Besonderheiten?! - quantitative Unterschiede in der Feinstruktur/der Vernetzung können z.B. zu unterschiedlichen Intelligenzniveaus führen Bestätigung für diese Hypothese fehlt bis heute zu b) Beispiele für individuelle Besonderheiten in Parametern von Verarbeitungsprozessen, unabhängig von Wissen kognitiver Bereich Geschwindigkeit, mit der einfachste Aufgaben bearbeitet Schwellen für Wahrnehmung, Erinnerung, Einspeicherung affektiver Bereich Temperamentseigenschaften und manche Motive werden auf Parameter zurückgeführt, die Verlaufscharakteristiken von Systemen der Verhaltensregulation bestimmen Reiz-Reaktions-Gradienten (wie stark nimmt die Reaktion mit wachsender Reizintensität zu? Reizschwellen Diese Regulationsprozesse werden auf der neurophysiologischen Ebene meist in der Wechselwirkung zwischen Erregungs- und Hemmungsprozessen in best. Hirnregionen gesucht. zu c) Wissen - mittelfristig stabil - Eigenschaft individuelle Besonderheiten: Persönlichkeitseigenschaften einige wissensbezogene Eigenschaften: Deklaratives Wissen: o Selbstkonzept: Bild, was man von sich selbst hat o Einstellungen: Was finde ich wie? Prozedurales Wissen: - Problemlösestil - Bewältigungsstil (bei belastenden Situationen) - Handlungskontrollstil: Art und Weise, wie Motivation in Handlung umgesetzt wird (Rubikon-Modell, Lage- vs. Handlungsoriertierung) Propositionale vs. assoziative Wissensnutzung: Ersteres ist eher bewusstseinsfähig, das andere eher nicht beide beeinflussen aber Verhalten explizites vs. implizites Wissen ???? Merke: Im Informationsverarbeitungsparadigma wird von einer universellen Architektur des informationsverarbeitenden Systems ausgegangen. Indivuduelle Besonderheiten werden in der anatomischen Feinstruktur des Gehirns, Geschwindigkeit und Schwellen informationsverarbeitender Prozesse und in deklarativem und prozeduralem und in explizitem und implizitem Wissen gesucht 2.5.3 Methodik Darauf ausgerichtet Parameter in informationsverarbeitenden Prozessen zu bestimmen und unterschiedliches Wissen zu testen Bestimmung Eigenschaften, primär durch Beobachtung von Situations-ReaktionsBeziehungen, sekundär durch Persönlichkeits- Wissens- oder SituationsReaktions-Inventare Unterschied zu Eigenschaftsparadigma: o Definition der Situationen und Reaktionen, auf die sich Eigenschaften beziehen, beruhen auf Prozessmodell der Infoverarbeitung: o d.h. im Fall von Persönlichkeitsinventaren sind Situations- und Reaktionsbeschreibungen durch Prozessmodell vorbestimmt, die erfragten Eigenschaften müssen keine alltagspsychologische Entsprechung haben. Vorteile: - Eigenschaftskonstrukte, die keine Entsprechung in Alltagspsychologie (z.B.Handlungskontrolle) können operationalisiert werden Nachteile: Fragen von Beurteilern nur dann korrekt beantwortet, wenn sie sich an entsprechendes Verhalten der Beurteilten erinnern, in Praxis basiert Urteil auf Erinnerung an wenige Situationen alltagspsychologische Eigenschaften, Beurteiler schon längst Urteil gebildet, das nur noch abrufen Urteil spiegelt Verhalten besser wider, wenn das Verhalten alltagspsychologisch gut erfassbar ist Wissen Wissen lässt sich nicht nur durch Fragebögen abfragen, sondern auch indirekt durch seinen Einfluss auf die Infoverarbeitung prüfen. o durch Fragebögen wird fast nur deklaratives Wissen erhoben (prozedurales Wissen wird eher ungenau angegeben) o indirekte Erfassung: Einfluss von Wissen auf Wahrnehmung, Gedächtnisleistung, etc. kann untersucht werden Merke: Wissen lässt sich nicht nur durch Fragebögen abfragen, sondern auch indirekt durch seinen Einfluss auf die Informationsverarbeitung prüfen - es können auch individuelle assoziative Strukturen bestimmt werden durch Bestimmung der quantitativen Assoziationsstärke auch Einstellungen können erhoben werden - Messung impliziter Einstellungen: - Primingtechnik von Fazio (1995): Untersucht wird, ob Reaktion auf einen Reiz die Reaktion auf einen nachfolgenden Reiz beeinflusst ABER: geringe interne Konsistenz und Retestreliablilität bei Erhebung interindividueller Unterschiede - Impliziter Assoziationstest (IAT): Erfasst wird individuelle Assoziationsstärke zwischen Gegensatzpaaren (z.B. ich – andere) als Teil des impliziten Persönlichkeits-Selbstkonzepts höhere interne Konsistenz „Methode der Wahl“ zur Erfassung individueller Assoziationsstärken (noch mal genauer angucken!!!) Merke: Zur reliablen Erfassung interindividueller Unterschiede in impliziten Einstellungen und Selbstkonzepten wurden Implizite Assoziationstests (IATs) entwickelt, die Assoziationsstärken zwischen Objekt- und Attributpaaren erfassen o Erfassung individueller Besonderheiten in Emotion, Erwartungen, Attributionen: werden z.B. durch Situations-Reaktions-Fragebögen erfasst oder direkte Befragung vor oder nach Situation oder videounterstütztes Erinnern oder lautes Denken ABER: evtl. Gedächtniseffekte (videounterstüt. Erinnern), Veränderung der Problemlösung durch Verbalisierung (lautes Denken) - allerdings: Messung von Prozessparametern (z.B. Geschwindigkeit, Schwellen) muss über viele Durchgänge gemittelt werden, im stabile Eigenschaftsmessung zu bekommen Merke: Durch videounterstütztes Erinnern oder lautes Denken in nichtsozialen Situationen können Wissen und Prozessparameter in realen Situationen teilweise erfasst werden Methode des Vergleichs des Verhaltens mit dem Verhalten eines komplexen kognitiven Modells o im Eigenschaftsparadigma nicht verwendet o hiermit können im Gegensatz um Eigenschaftsparadigma Ursachen z.B. für Fehler ausgemacht werden o durch Rekonstruierung der Regeln, mit denen Verhalten erklärt werden kann (siehe Entwicklung, Siegler) z.B. unvollständiges Wissen, falsches Wissen, ... Merke: Durch den Vergleich des Verhaltens mit dem Verhalten eines Informationsverarbeitungsmodells, das komplexe Wissensstrukturen oder mehrere interindividuell variierende Parameter enthält, können im Informationsverarbeitungsparadigma komplexe Eigenschaftsmuster untersucht werden. Dazu zählen in der Wissensdiagnostik spezifische Wissenslücken und systematisch fehlerhaftes Wissen und in der Intelligenzdiagnostik komplexe Problemlösestile 2.5.4 Empirische Bewährung o durch starke allgemeinpsychologische Orientierung des Informationsverarbeitungsparadigmas wird Prüfung der zeitlichen Stabilität von Eigenschaftsmessungen vernachlässigt o gilt besonders für verhaltensbasierte Eigenschaftsmessungen, dort besonders für Problemlösen in komplexen Problemlösesituationen nur bei starker Aggregation der Daten liefern Verhaltensdaten bei komplexem Problemlösen persönlichkeitspsychologisch verwertbare Informationen - mangelnde Konsistenz individueller Informationsverarbeitungsparameter ist analog zu fehlender transsituativer Konsistenz Merke: Die Stabilität und Konsistenz von Messungen der Lösungsqualität für komplexe Probleme sind bei kurzfristigen Messungen oft sehr niedrig. Nur bei Mittelung des Verhaltens über sehr viele Einzelentscheidungen im Verlauf des Problemlösens wird eine individualdiagnostisch ausreichend hohe Zuverlässigkeit der Daten erreicht. Allgemein muss bei Messungen von Prozessparametern oder Wissen eine ausreichend hohe Stabilität und Konsistenz zwischen strukturell ähnlichen Aufgaben bzw. Situationen nachgewiesen werden, bevor diese Daten persönlichkeitspsychologisch interpretiert werden können 2.5.5 Bewertung - hier werden wie im Eigenschaftsparadigma Eigenschaften bestimmt, die in ein Prozessmodell der Info-Verarbeitung eingebaut werden Suche komplexer Eigenschaften ist möglich - leider wird oft di zeitliche Stabilität vernachlässigt oft bedenkliche Diagnostik (z.B. Personalentscheidungen) - Qualität ist abhängig vom zugrundliegenden Prozessmodell Besonderheiten von Personen müssen adäquat abgebildet werden können (nicht unbedingt die Gemeinsamkeiten differentieller Ansatz) Merke: Informationsverarbeitungs- und Eigenschaftsparadigma sind keine Gegensätze, sondern gut miteinander vereinbar, indem Eigenschaften in ein Modell der Informationsverarbeitung eingebettet werden. Dabei muss in die Eigenschaften und ihre Beziehungen untereinander ebensoviel Überlegung gesteckt werden, wie in die allgemeinpsychologischen Aspekte des Modells. Prinzipielle Beschränkung des Informationsverarbeitungs- und des Eigenschaftsparadigmas: Sie liefern ein statisches Bild von Eigenschaften und ihrer Vernetzung im System der Persönlichkeit Aber: Eigenschaften und die Persönlichkeitsorganisation können sich längerfristig verändern 2.6 Das dynamisch-interaktionistische Paradigma Modellvorstellungen, wie sich Eigenschaften langfristig verändern können d.h. Schnittpunkt von Persönlichkeits- und Entwicklungspsychologie Modell der Person-Umwelt Wechselwirkung bildet theoretischen Kern des dynamischinteraktionistischen Paradigmas 2.6.1 Allgemeines Menschenbild 3 Grundannahmen: 1.) o Organisation ihres Verhaltens und Organisation ihrer Umwelt (z.B. soziale Beziehungen) mittelfristig konstant Die Voraussetzung für Persönlichkeitspsychologie überhaupt o siehe auch Modell der Umwelt von Bronfenbrenner (S.84), Makro- Exo, Meso, Mikrosystem, Umwelteinflüsse können von allen Schalen indirekt auf Person wirken, werden durch darunter liegende Schalen vermittelt 2.) - Person und Umwelt können sich langfristig ändern - Bei Personen Voraussetzung der Entwicklungspsychologie - Bei Umwelt Wenn sich Mitglieder ändern, ändert sich auch die Umwelt 3.) o Änderungsprozesse beruhen auf Veränderungsprozessen innerhalb der Person und der Umwelt und auf Einflüssen der Umwelt auf die Person und umgekehrt Entwicklung Person Resultat von 4 Prozessen: - Veränderungsprozesse in der Person - Veränderungsprozesse in der Umwelt - Einflüsse der Umwelt auf die Person - Einflüsse der Person auf die Umwelt (vor allem hier ist Unterschied zu anderen Entwicklungsmodellen) Modelle: o Umweltdetermination: Umwelt wirkt auf Person – behavioristische Auffassung, dass Reaktion auf aktuelle Umwelt durch Lerngeschichte determiniert ist (außer Reflexe) o Entfaltung: Umwelt wirkt auf Person aber hauptsächlich wirkt genetische Information, die zeitweise Umwelteinfluss zulässt o Kodetermination: Umwelt wird auf Person, Gene wirken auf Person – hier kann Umwelt auch genetische Reifungsprozesse verändern o Dynamische Interaktion: Kodetermination + Wirkung von Person auf Umwelt Personen können Umwelt in mehrfacher Hinsicht beeinflussen: Auswahl: Umwelten auswählen, die regelmäßig in bestimmten Situationen aufsuchen oder vermeiden, z.B. Parties, Garten Herstellung: Umwelten herstellen, indem sie dauerhaft bestimmte Situationen schaffen, z.B. Beziehung zu jemandem knüpfen, Baum pflanzen Veränderung: Umwelt ändern, indem sie längerfristig Situationen verändern, z.B. eine Freundschaft beginnen oder aufkündigen, einen Baum verpflanzen diese Wirkungen der Person auf die Umwelt verändern zukünftige Umweltwirkungen auf die Person - echte Wechselwirkung zwischen Person und Umwelt über Zeit Das dynamisch-interaktionistisches Paradigma lässt sich auf soziale Entwicklung, aber auch auf Wissenserwerb anwenden: Beispiel: Kind sieht Pferd liest nur noch Pferdebücher Interesse wird gesteigert Reitstunden neue Freunde weitere Verstärkung d. Interesses wird Tierärztin Merke: Die zentrale Annahme des dynamisch-interaktionistischen Modells ist, dass es eine kontinuierliche Wechselwirkung zwischen Person und Umwelt geben kann Merke2: Im Modell der Kodetermination kann es zu statistischen Interaktionen zwischen Umwelt und Person kommen, im Modell der dynamischen Interaktion zusätzlich zu dynamischen Interaktionen zwischen Person und Umwelt 2.6.2 Persönlichkeitskonzept Sind Wirkungen von Umwelt/Person persönlichkeitspsychologisch relevant? - dafür müssen sie an Entstehung/Veränderung individueller Besonderheiten beteiligt sein Beispiel Aggressivität: Merke: Individuelle Entwicklungsveränderungen (z.B. Aggressivität steigt im Alter 10-14, nimmt dann wieder ab) relativ zur Altersgruppe können durch differentielle Entwicklungsfunktionen (unterscheidet sich diese Form der Aggressivitätsentwicklung von der bei anderen der Vergleichsgruppe,) auf Basis z-transformierter Werte (damit verschiedene Personen vergleichbar) innerhalb der Altersgruppe beschrieben werden. Merke: Voraussetzungen für Persönlichkeitsentwicklung sind mittelfristige Stabilität und langfristige Instabilität von Eigenschaften gilt auch für Umwelteigenschaften o Umwelteigenschaften sind differentiell repräsentiert als Variablen, die den Mitgliedern einer Kohorte eine bestimmte individuelle Umweltentwicklungsfunktion zuordnen o durch z-Transformation: differentielle Umweltentwicklungsfunktion Merke: Die Persönlichkeitsentwicklung findet im Kontext der Umwelt statt. Mit der Persönlichkeit entwickelt sich auch die individualtypische Umwelt, beschreibbar durch differentielle Umweltentwicklungsfunktionen. Merke: Die Modelle der Umweltdetermination, Entfaltung, Kodetermination und dynamischen Interaktion lassen sich persönlichkeitspsychologisch interpretieren als Modelle über die Wechselwirkung zwischen Persönlichkeit und Umwelt. waagerechte Pfeile sind dann Stabilitäten und diagonale Pfeile sind Einflüsse auf das jeweils andere Erweiterung auf Informationsparadigma: Einflüsse von Umwelteigenschaften auf Persönlichkeitseigenschaften oder umgekehrt, werden als Resultate von Infoverarbeitungsprozessen aufgefasst Merke: Im Informationsverarbeitungsparadigma lassen sich nicht nur Hypothesen über intraindividuelle Prozesse ableiten, sondern auch Hypothesen über Umweltmerkmale, die relevant für diese Prozesse sind. 2.6.3 Methodik Fast alle Studien in zur Persönlichkeitsentwicklung differentiell orientiert interessiert Auswirkungen einer normalen interindividuellen Umweltvariation auf Mitglieder einer Kohorte – (Zusammenhang zwischen 2 Variablen: Korrelation) Differentieller Ansatz: Umweltwirkungen auf die Persönlichkeit werden anhand gezielter Umweltveränderungen untersicht (mit Kontrollgruppe) o eher im klinischen Bereich, da im Normalbereich einer Persönlichkeitseigenschaft niemand Lust hat, seine eigene Persönlichkeit durch Umwelteinflüsse verändern zu lassen o teilweise sind natürliche Experimente (z.B. mit Austauschschülern) möglich Merke: Durch Nutzung natürlicher Experimente lassen sich Effekte der Umwelt auf die Persönlichkeit und umgekehrt prüfen, auch wenn die Kausalaussagen nicht so stark sind wie bei echten Experimenten Im dynamisch-interaktionistischen Paradigma werden Einflüsse zwischen Persönlichkeits- und Umwelteigenschaften durch Korrelationen beschrieben Probleme: o viele Interpretationsmöglichkeiten bieten sich an Merke: Aus einer Korrelation alleine lässt sich wenig über kausale Wirkungen ableiten, weil es sieben verschiedene Interpretationsmöglichkeiten gibt Merke: Aus der zeitlichen Ordnung von 2 korrelierenden Variablen kann nicht auf die Richtung des Einflusses geschlossen werden, auf der die Korrelation beruht. Dieser Fehler kann durch Kreuzkorrelationsdesigns vermieden werden, aber auch hier muss man aufpassen: o Kreuzkorrelationsdesigns dürfen nur verwendet werden, wenn die Stabilität der verglichenen Variablen gleich hoch ist o Zusatz: entsprechen der Logik dieses Paradigmas Merke: Kreuzkorrelationen dürfen nicht direkt miteinander verglichen werden. Sie müssen in Pfadkoeffizienten umgerechnet werden; die Koeffizienten der direkten Pfade liefern eine Schätzung der Einflussstärke im Rahmen des betrachteten Modells Merke: Einfache Korrelationen zwischen Umwelt und Persönlichkeit, aber auch komplexe Pfadmodelle über deren Zusammenhang, können kausale Aussagen immer nur innerhalb des jeweils betrachteten Modells machen. Die Nichtbeachtung wirksamer Variablen kann zu einer Fehlinterpretation der gefundenen Zusammenhänge führen. Aussagen über Kausalität in der Persönlichkeitsentwicklung sind immer modellabhängig. Merke: Untersuchungen zu Persönlichkeitsentwicklung erfordern Längsschnittstudien. Dabei treten neben praktischen Schwierigkeiten (dauert lange, wie finde ich jeweils die Teilnehmer wieder) auch methodische Probleme auf (selektive Schrumpfung; Untersuchungseffekte: Stichprobe ändert sich nicht mehr repräsentativ, Interaktionen zwischen Untersuchungsdauer und Leistung, ...), die sich aber teilweise kontrollieren lassen. 2.6.4 Empirische Bewährung Studien zur Persönlichkeitsentwicklung: das dynamisch-interaktionistische Paradigma lässt sich empirisch umsetzen, erfordert aber Längsschnitt-Studien der Persönlichkeit und der Umwelt über längere Zeit Komplikationen oft kommen reduzierte Formen des Kreuzkorrelationsdesigns vor: Kodeterminationsmodell: Umwelt und Persönlichkeit wirken auf spätere Persönlichkeit selten werden replizierbare statistische Umwelt-Persönlichkeitsinteraktionen gefunden (z.B. Wechselwirkung Genom-Umwelt; enge pos. Beziehungen und belastende Umweltbedingungen) Probleme: Stichprobengröße, Person-Umwelt-Kovarianz, Altersabhängigkeiten der Interaktionen) - Katapultmodell (launch model): - setzt sensitive Perioden voraus, in denen Umwelteigenschaften die Persönlichkeitsentwicklung nachhaltig beeinflussen - beim ersten Mal nur Umwelt, beim zweiten Mal nur Persönlichkeit erhoben - z.B. in Sprachentwicklung (Japaner velrelnen in Japan Unterscheidung von r und l) - kann leicht zu Fehlinterpretationen führen (wenn Modell schlecht ist) Merke: Empirisch wird das dynamisch-interaktionistische Modell wegen des großen Aufwandes selten verwendet. Häufiger werden statistische Interaktionen zwischen Umwelt und Persönlichkeit geprüft; replizierbare Interaktionen wurden dabei nur in wenigen Fällen gefunden. Das Katapultmodell setzt eine prägende Wirkung der Umwelt in einer bestimmten sensitiven Periode der Entwicklung voraus, so dass es hier besonders leicht zu Fehlinterpretationen von Umwelteffekten kommen kann. 2.6.5 Bewertung Ein geeigneter Rahmen für alle Untersuchungen zur Persönlichkeitsentwicklung: dynamisch-interaktionistisches Paradigma schließt keine Einflüsse aus es enthält alla anderen hier betrachteten Modelle der Persönlichkeitspsychologie als Spezialfälle Nachteil: sehr aufwendig wenn bestimmte Pfade als unbedeutend belegt werden, kann man eingeschränkte Modelle anwenden (Kodetermination, Entfaltung, ...) Merke: Dynamisch-interaktionistisches Paradigma ist ein weitgehend nicht realisierbares Ideal der Forschung zur Persönlichkeitsentwicklung - in diesem Ansatz fehlen die Prozesse, die zwischen Umwelt und Persönlichkeitsentwicklung vermitteln hier kommt Informationsverarbeitungsparadigma zum tragen Merke: Eine Erklärung der Persönlichkeitsentwicklung muss über die Beschreibung von Pfadstärken hinausgehen, indem Prozesse identifiziert werden, die Umwelten personabhängig und Personen umweltabhängig machen. Hierfür ist das Informationsparadigma hilfreich. Wie weit sich die Persönlichkeitsentwicklung vollständig durch Prinzipien der aktuellen Informationsverarbeitung erklären lässt, ist derzeit offen. 2.7 Das evolutionspsychologische Paradigma Versucht grundlegende Fragen der Persönlichkeit zu beantworten: z.B. Warum gibt es so große Persönlichkeitsunterschiede? Versuch, Persönlichkeitsunterschiede und Persönlichkeitsentwicklung mit evolutionstheoretischen Annahmen zu erklären 2.7.1 Allgemeines Menschenbild Menschliches Erleben und Verhalten ist Resultat der Evolution Anpassung eher an Umwelt der Vorfahren als an eigene Genetische Variation: - je nach Umwelt steigt oder sinkt die Häufigkeit relativ zu anderen (durch natürliche Selektion) Einfluss der Fortpflanzungschancen - natürliche Selektion: Reproduction of the fittest – auch soziale Umweltbedingungen sind wichtig für Reproduktionserfolg Merke: Die genetische Variation beruht auf Mutation und sexueller Rekombination, die natürliche Selektion auf dem Reproduktionserfolg von Genen. Dieser Reproduktionserfolg hängt bei Menschen wesentlich von der intra- und intersexuellen Selektion ab. Merke2: Der Reproduktionserfolg eines Gens eines Individuums beruht auf seinem Vorkommen in den Nachkommen des Individuums und seiner Verwandten. Von daher kann es adaptiv sein (d.h es wird sich langfristig im Verlauf der Evolution durchsetzen), sich für genetisch Verwandte zu opfern. In der Evolutionsbiologie werden 2 Arten von Erklärungen unterschieden, da genetischer Einfluss auf Verhalten nicht direkt nachweisbar ist: Merke: Ultimate Erklärungen von Verhalten begründen es durch Reproduktionsvorteile in der evolutionären Vergangenheit; proximate Erklärungen geben an, wie das Verhalten konkret zustande kommt - „gute“ evolutionäre Ansätze bieten daher immer biologisch ultimate und psychologisch proxmiate Erklärungen an als proximate Mechanismen dienen zum Beispiel psychologische Mechanismen, wie z.B. „je näher ich mich jemandem fühle, desto eher helfe ich ihm“ Gefühl der emotionalen Nähe korreliert mit ca. .50 mit genetischem Verwandtschaftsgrad Gefühl der emotionalen Nähe beruht auf Vertrautheit aktiviert „Nähegefühl“ aktiviert Hilfeleistung aus ultimaten Erklärungen abgeleitete Prinzipien entsprechen nicht unbedingt proximaten Mechanismen; aber „Vertrautheit-Nähe-Hilfe-Mechanismus führt zu Korrelation zwischen Verwandtschaftsgrad und Hilfeleistung - Merke: Proximate Mechanismen müssen nicht direkt Prinzipien entsprechen, die aus ultimaten Erklärungen abgeleitet werde, sie dürfen ihnen aber nicht widersprechen. Merke2: Ultimate Erklärungen durch natürliche Selektion müssen in evolutionspsychologischen Erklärungen ergänzt werden durch Angabe proximater evolvierter psychologischer Mechanismen (EPMs; bereichs- und kontextspezifischer proximater Mechanismus, der als Anpassung an Umwelt der Vorfahren verständlich ist und der genetisch fixiert ist). Evolutionspsychologie muss universelle Mechanismen der Info-Verarbeitung, Verhaltensregulation und Individualentwicklung als EPMs identifizieren. - z.B. durch Überprüfung des Vorhandenseins von EPMs, die in der Vergangenheit hilfreich zur Lösung adaptiver Probleme gewesen sind - für bekannte Mechanismen kann versucht werden, bes. Fitness in der Verganghenheit nachzuweisen. (z.B. Angst vor Schlangen) 2.7.2 Persönlichkeitskonzept Unterschiede in Persönlichkeiten sind evolutionspsychologisch schwerer zu erklären als Gemeinsamkeiten 2 Grundaussagen: 1) Persönlichkeitsunterschiede beruhen, wenn sie genetisch mitbedingt sind, auf der Variation im Verlauf der Evolution 2) und wenn sie durch Umweltunterschiede mitbedingt sind, werden sie durch EMPs vermittelt zu 1): - kann nicht allzu große Persönlichkeitsunterschiede bedingen, da sonst Inkompatibilitäten entstehen – bei unterschiedlichen Geschlechtern können noch die größten Unterschiede auftreten - können durchaus große Unterschiede bewirken wirken über EPMs zu 2): Merke: Genetisch bedingte Persönlichkeitsunterschiede sind evolutionär erklärbar u.a. durch Mutation und sexuelle Rekombination. Diese Variationsquellen erfüllen eine wichtige Funktion in der Evolution, weil sie ein Sicherheitsreservoir für neue Umweltbedingungen aufrecht erhalten, insbesondere in evolutionären Wettrennen zwischen Wirt und Parasit. Umweltbedingte Persönlichkeitsunterschiede werden durch EPMs vermittelt. Weitere evolutionspsychologische Prinzipien: frequenzabhängig Selektion: o Fitness eines Gens hängt von der Häufigkeit in der Population ab (z.B. beim Geschlecht: 1:1; wenn wenig Männer bessere Verbreitung der Gene besser nen Jungen zu kriegen mehr Männer 1:1) o setzt Koexistenz zweier alternativer Gene/Genkomplexe voraus – muss nicht in gleiche Proportionen vorliegen o z.B. kann auch die Koexistenz verschiedener sexueller Strategien durch frequenzabhängige Selektion erklärt werden Merke: Unterschiede in Soziosexualität können durch frequenzabhängige Selektion alternativer sexueller Strategien zustande kommen, die entweder mehr auf elterliche Investition des Partners oder eher auf dessen „genetische“ Qualität setzen. Merke2: Frequenzabhängige Selektion führt dazu, dass die Fitness von genetisch beeinflussten Persönlichkeitsmerkmalen von der Häufigkeit dieser Merkmale in der Population abhängt, und wirkt sich stabilisierend auf genetische Unterschiede in der Population aus. Konditionale Entwicklungsstrategien: - genetisch determinierte Mechanismen, die in Abhängigkeit typischer Umweltbedingungen unserer evolut. Vorfahren in die Individualentwicklung in best. Richtungen lenken - bei Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsunterschieden in Jugend- und Erwachsenenalter und Umweltunterschieden in der Kindheit könnte dies der Fall sein vermittelnder proximater Mechanismus muss gefunden werden - Beispiel: väterliche Fürsorge im Kindesalter und Persönlichkeitsmerkmale im Jugendalter Merke: Nach der Hypothese von Draper und Harpending entwickelt sich das Reproduktionsverhalten individuell in Form einer konditionalen Entwicklungsstrategie; Bedingung ist die väterliche Fürsorge Merke2: Das weibliche Reproduktionsverhalten wird möglicherweise proximat durch Geruchsstoffe des Vaters und/oder nichtverwandter Männer in der Familie mitbestimmt. Merke3: Die beobachtete Beziehung zwischen väterlicher Fürsorge und Reproduktionsverhalten ihrer Töchter könnte auch auf genetischen Unterschieden zwischen Vätern/Töchtern beruhen, die deren Reproduktionsverhalten beeinflussen. Dies lässt sich durch Adoptionsstudien entscheiden. Strategische Spezialisierung - unterschiedliche Individuen nutzen zur Lösung adaptiver Probleme meist unterschiedliche Strategien - da Konkurrenz am größten zwischen „gleichstrategische“ Individuen ist, fördert nat. Selektion die Suche nach alternativen Strategien z.B. Frequenzabhängige Selektion oder konditionale Entwicklungsstrategien (wenn Umweltbedingungen sich regelhaft unterscheiden) als strategische Spezialisierung - Beispiel „Geschwister“: da regelhaft unterschiedliche Bedingungen herrschen, könnte sich hier eine konditionale Entwicklungsstrategie entwickelt haben Merke: Sulloway nimmt an, dass sich Spätergeborene von Erstgeborenen durch strategische Spezialisierung in Form konditionaler Entwicklungsstrategien abgrenzen. Vertiefung Erstgeborene: - stärkere Identifizierung mit Autoritätsfiguren - Nutzen „harter“ Taktiken (Status, ...) Spätergeborene: - eher in Frage stellen von Autoritäten - „weiche“ Taktiken - moralische Normen Merke2: Sulloway konnte insbesondere die Hypothese einer größeren Offenheit gegenüber neuen intellektuellen Erfahrungen bei Spätergeborenen durch historische Analysen der Akzeptanz wissenschaftlicher Neuerungen und durch Fragebogenstudien stützen, wobei diese Befunde kontrovers diskutiert werden. Merke3: Proximat können Geschwisterpositionseffekte auf die Persönlichkeit durch Bekräftigungslernen und EPMs für Verhalten in Dominanzhierarchien, aber auch durch hormonelle oder andere Geburtspositionseffekte zustande kommen allerdings mit Skepsis zu betrachten, da gefundene Effekte minimal sind Umgekehrt: Persönlichkeitsunterschiede können auch wieder Einfluss auf die Evolution einer Art haben Adaptive Persönlichkeitswahrnehmung: - EPMs zur Persönlichkeitseinschätzung könnten sich entwickeln, da daraus z.B. Vorhersagen für „Treue“ gemacht werden können – Vorteil Adaptive Selbstdarstellung: - Fähigkeit z.B. zur Irreführung lässt andere Menschen Vorhersagen machen, die für die Person zum Vorteil werden „evolutionäres Wettrennen“ zwischen den beiden Fähigkeiten Merke: Das evolutionspsychologische Paradigma beansprucht, nicht nur vorhandene Persönlichkeitsunterschiede oder deren Vortäuschung per Selbstdarstellung evolutionär zu erklären, sondern auch die alltagspsychologische Wahrnehmung von Persönlichkeitsunterschieden. Dabei wird angenommen, dass adaptive Persönlichkeitswahrnehmung und adaptive Selbstdarstellung in einem evolutionären Wettrennen koevolvieren. 2.7.3 Methodik - evolutionspsychologische Analyse steht und fällt mir der Qualität der Begründung für die Zuordnung eines psychologischen Mechanismus zu einem EPM. - Gefahr von Scheinerklärungen – Umwelt wird so angenommen, dass die den Mechanismus ergeben - genetische Steuerung von EPMs nicht nachweisbar bislang - besser: Ausgehen von adaptivem Problem und dann EPM suchen (als andersrum) - homologe Mechanismen sind förderlich für den Nachweis von EPMs – schwierig bei psychologischen Mechanismen, da Homologie nur indirekt (nicht an „Knochen“ oder so) belegt werden kann Suche nach analogen psychologischen Mechanismen bei vielen Arten können zu Hypothesen über Homologien führen - Persönlichkeitsunterschiede bei Tieren können mit genügender Genauigkeit beobachtet werden Argument gegen Anthropomorphisierung Merke: Persönlichkeitsunterschiede von Tieren lassen sich mit guter Übereinstimmung zwischen Beobachtern beschreiben und sagen beobachtetes Verhalten gut vorher. Die Beschreibungen reflektieren durchaus Unterschiede im realen Verhalten, auch wenn sie nicht frei von Tendenzen zur Anthropomorphisierung sind. - - Ökonomie, Effizenz... eines EPM muss nicht nachgewiesen werden; im Gegenteil: man will ja darauf hinaus, dass die Fitness in vergangenen Umwelt höher war (z.B. Präferenz für Süßes und Fettes) Problem: interindividuelle Unterschiede können adaptiv verständlich sein, aber nicht adaptiv sein: selektiv neutrale Varianten, nicht adaptive genetische Varianten, nicht adaptive Ergebnisse seltener oder neuer Umweltbedingungen hierzu kann die Evolutionspsychologie nichts beitragen 2.7.4 Empirische Bewährung - noch zu jung für Bewertung (seit 1990) - viele neue Konzepte und Fragestellungen positiv 2.7.5 Bewertung Chancen: - Persönlichkeitsunterschiede könnten nicht nur als Produkte der indiv. Lebensgeschichte, sondern auch als Produkt der Geschichte verstanden werden insg. besseres Verständnis - neue Anforderungen an vorhandene persönlichkeitspsychologische Konstrukte Möglichkeit neuer Persönlichkeitskonstrukte Risiken: - wegen schlechter empirischer Testbarkeit könnte es zu Scheinerklärungen kommen - Beschränkung d. EPM-Konzepts auf Mechanismen der Info-Verarbeitung zu eng gibt bereichsübergreifende Mechanismen (z.B. Fähigkeit zu reflektivem Denken nach bereichsunspezifischen Prinzipien; starke Umweltschwankungen in der jüngeren Geschichte könnten außerdem die Evol. bereichsunabhängiger Mechanismen begünstigt haben (z.B. Intelligenz). Fragen: 1. Fünf Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie 1.1 Das psychoanalytische Paradigma 2.2.1 Allgemeines Menschenbild 100. S. 15/2f Charakterisieren Sie die Freudsche Auffassung vom ES und seine Funktionsprinzipien. (V) eigene Antwort: Das ES ist eine von 3 psychischen Instanzen (Es, Ich, Über-Ich), die für die Energieverarbeitung der angeborenen Triebe zuständig sind. Da bei der Geburt nur das Es vorhanden ist, repräsentiert es das Gesamtreservoir der Energie, die durch angeborene Instinkte verarbeitet wird, sowie angeborene Dispositionen. Das ES ist dem Lustprinzip unterworfen. Es ist bestrebt, Energie sofort zu entladen, indem es Lust sucht und Schmerz vermeidet. - Das ES umfasst die inneren Triebe und versucht sich durchzusetzen um direkte Triebbefriedigung zu erreichen S. 16/1 101. Charakterisieren Sie die Freudsche Auffassung vom ICH und seine Funktionsprinzipien. (V) Im Verlauf der Entwicklung bilde sich aus Teilen des Es durch den Kontakt zur Außenwelt das ICH heraus. Es ist dem Realitätsprinzip unterworfen: Es vermittle zwischen den Ansprüchen des Es und der Außenwelt (durch Einfluss auf Außenwelt und durch Eindämmung der Triebansprüche des Es). - das ICH vermittelt zwischen ES, Über-Ich und Außenwelt will auch Triebbefriedigung erreichen, aber in Übereinstimmung mit den Normen des Über-Ich und der äußeren Umwelt (Realitätsprinzip) S. 16/1 102. Charakterisieren Sie die Freudsche Auffassung vom Über-Ich und seine Funktionsprinzipien. (V) Das Über-Ich stellt eine besondere Instanz im Ich dar. Die durch die Eltern und Vorbilder vermittelten Normen der Kultur würden verinnerlicht. Das Über-Ich beobachte das Ich und suche es anstelle der Eltern und Vorbilder zu kontrollieren. So muss das Ich zwischen Es und Außenwelt und Über-Ich vermitteln. - Internalisierung der Eltern als Richtlinie, was erlaubt ist und was nicht Gewissen, sorgt dafür, dass sich das Verhalten an Normen orientiert 2.2.2 Persönlichkeitskonzept 104. - 103. - - S. 17/2 f Was ist nach Freud unter dem Ödipus-Komplex zu verstehen und wie soll er bei Jungen, wie bei Mädchen verlaufen? (V) Das Kind liebe beide Elterneile und möchte von ihnen geliebt werden, befinde sich aber gleichzeitig in einer Rivalitätssituation zum gleichgeschlechtlichen Elternteil: Junge sieht sich als Konkurrent zu seinem Vater um die Gunst der Mutter. Deshalb Angst vom Vater kastriert zu werden (Kastrationsangst). Dieser Wunsch nach Besitznahme der Mutter und aggressiver Rivalität mit dem Vater: Ödipuskonflikt. Konflikt wird bewältigt, indem der Junge sich mit dem Vater identifiziere und seine Triebimpulse gegenüber der Mutter in Zärtlichkeit umwandle. Insbesondere übernehme der Junge die Wert- und Moralvorstellungen des Vaters. Mädchen sieht sich als Konkurrentin zu seiner Mutter um die Gunst des Vaters und lastet der Mutter an, dass sie keinen Penis habe (Penisneid). Wunsch nach Übernahme des väterlichen Penis werde später durch den Wunsch ersetzt, von ihm ein Kind zu bekommen. Gefördert wird die Zuwendung zum Vater durch Identifikation mit der Mutter & Angst vor Liebesentzug u. Bestrafung durch die Mutter. Insbesondere übernehme d. Mädchen dabei die Wert- und Moralvorstellungen der Mutter. S. 18/1 Welche Bedeutung haben die verschiedenen kindlichen Entwicklungsphasen nach Freud für die Entstehung von Charaktertypen? (V) Lassen die Eltern in einer der drei Phasen (oral, anal, phallisch) eine zu große Triebbefriedigung zu oder schränkten sie diese zu sehr ein, komme es zu einer Fixierung der vorhanden frühkindlichen Triebimpulse, die den Charakter fortan bestimmten. Beispiel: anale Fixierung: überkorrekter Mensch S. 17 - 20 folgende Frage gehört vielleicht auch irgendwo ins Kap. 6, hab’s dort auch reingestellt 98. Welche Annahmen macht die Psychoanalyse zur Persönlichkeitsentwicklung? Welche Kritik lässt sich dagegen einwenden? (R) - Frühkindliche Geschichte der Triebregulation in der oralen, analen und phallischen Phase (Kritik: Phasenlehre gilt als überholt) Am Ende der phallischen Phase weitgehend ist Persönlichkeit weitgehend konstant Die Rolle früher Objektbeziehungen ist wichtig für die spätere Persönlichkeit Bevorzugung bestimmter Abwehrmechanismen bestimmt die Persönlichkeit 2.2.3 Methodik S. 21 f 105. Warum ist es problematisch, wenn nicht unmöglich, aus den Berichten von Erwachsenen deren frühe Kindheit rekonstruieren zu wollen? (V) Erwartungen, was früher wohl passiert war, nachfolgende Erlebnisse und suggestive Fragen können erwiesenermaßen bewirken, dass Erinnerungen weit v. d. Realität entfernt sein können (Erinnerungsfehler). - Gedächtnisverzerrungen: Die Erinnerungen können bewusst oder unbewusst verfälscht sein man kennt die tatsächlichen Gegebenheiten nicht sicher Dadurch Gefahr der Selbsterfüllenden Prophezeiung - 2.2.4. Empirische Bewährung teilw. S. 22/1, S. 22/2 f 94. Welche Einwände können gegen die Psychoanalyse als differentiellpsychologischem Paradigma erhoben werden? (F02) - Freuds Auffassung der Charakterformung als Konsequenz der frühkindlichen Triebregulation (Phasenlehre) erwies sich entweder als empirisch nicht prüfbar oder kann in den zentralen Annahmen als widerlegt gelten. Ödipuskomplex konnte empirisch nicht nachgewiesen werden Erinnerung Erwachsener an ihre Kindheit wegen Gedächtnisverzerrung eine unzulängliche Methodik Viele unbeweisbare Behauptungen und selbsterfüllende Prophezeiungen S. 22/2 ff, S. 25/2 95. Welche Konzepte der Psychoanalyse sind für die heutige Persönlichkeitspsychologie von Bedeutung und welche sind als überholt zu betrachten? (R, V, F04) - - von Bedeutung sind Freuds Konzepte unbewusster Prozesse und der Abwehrmechanismen. Weiter das Konzept, dass mentale Repräsentationen früher Objektbeziehungen - vor allem zwischen Kind und Eltern - die weitere Entwicklung der Persönlichkeit u. Beziehungen beeinflussen. überholt sind: die psychoanalytische Phasenlehre, sexuelle Motive von Kindern, Penisneid/Kastrationsangst, Ödipuskonflikt (s.a. Frage 94). S. 22/2 ff, S. 25/2 96. Nennen Sie vier zentrale Konzepte des psychoanalytischen Paradigmas und bewerten Sie deren empirische Bewährung aus Sicht vieler Nicht-Psychoanalytiker. (V, H03) - Abwehrmechanismen: weitgehend empirisch verankert und bestätigt Phasenlehre: teilweise widerlegt, teilweise nicht prüfbar Ödipuskomplex: konnte empirisch nicht nachgewiesen werden Frühe Objektbeziehungen: wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung Quelle? 99. Welches sind die Möglichkeiten und Probleme einer empirischen Überprüfung der Psychoanalyse? (V) - die Psychoanalyse enthält Widersprüche, sie kann in manchen Bereichen alles erklären sie enthält selbsterfüllende Prophezeiungen die Konzepte sind oft schwer bis gar nicht operationalisierbar Psychoanalytiker halten empirische Überprüfung nicht für notwendig Quelle ? 1. Psychoanalytiker sind neuerdings zunehmend davon überzeugt, das psychoanalytische Persönlichkeitsmodell ließe sich etwa anhand neuropsychologischer oder kognitionswissenschaftlicher Ergebnisse untermauern oder präzisieren. Welche grundsätzliche Kritik lässt sich an diesem Ansinnen anbringen? (F03) - selbst Freud war nicht der Ansicht, dass es sich z.B. beim Strukturmodell um eine neurologisch nachweisbare Tatsache handelt viele Konzepte sind nicht operationalisierbar und deswegen nicht nachweisbar Quelle ? Was unterscheidet „Ich-Psychologen“ von traditionellen Psychoanalytikern (im Sinne Freuds)? (V) 106. - Ich-Funktionen besonders betont Dem Ich wird eine Eigene Energie zugeschrieben Das Ich als Konfliktfreier Bereich Es werden mehr rationale Prozesse betont 107. - Im AS fand ich nichts zu in diesem Kapitel. Vielleicht C & S ab S. 188 Erläutern Sie die folgenden vier Kennzeichen, die die Psychoanalytische Theorie charakterisieren sollen: Sie ist deterministisch, dynamisch, strukturell und entwicklungsbezogen. (V) deterministisch: der spätere Charakter kann relativ vollständig aus der kindlichen Entwicklung in den psychosexuellen Phasen vorhergesagt werden dynamisch: die Triebbefriedigung erfolgt in einem Modell des dynamischen Gleichgewichtes strukturell: Definition der Struktur unbewusst, vorbewusst, bewusst entwicklungsbezogen: alles wird aus der Entwicklung in den psychosexuellen Phasen heraus erklärt 66. Welches sind die Vor- und Nachteile von Fallstudien als Forschungsansatz der Persönlichkeitsforschung (am Beispiel der klassischen Psychoanalyse)? (R, H02) - Vorteile: Individuum wird in seinen Besonderheiten ganzheitlich erfasst (bei der Psychoanalyse durch freie Assoziation, Traumdeutung etc.) Gute allgemeingültige oder vergleichende Aussagen können nur bei genauer Kenntnis des individuellen gemacht werden Nachteile: Aufwand ist sehr groß Kann zu falschen Annahmen führen, da kein standardisiertes Vorgehen Vergleiche zwischen Personen ist wegen der individuell angepassten Methodik schwierig 2.4.2 explizit Skript S. 12; AS, ca. S. 40, „Der differentielle Ansatz“; Stern äußerte in der Abgrenzung von der Allgemeinen Psychologie den Satz: „… aus der Fehlerquelle wurde selbst ein Problem.“ Was meinte er damit und was ist Gegenstand seiner Psychologie? (R, H02) 1. - 2.4 Das Eigenschaftsparadigma Persönlichkeitskonzept in der Allgemeinen Psychologie werden die Phänomene untersucht, die bei allen Menschen (weitestgehend) gleich sind Dort wird die Varianz zwischen den Personen als Fehler angesehen (Innergruppenvarianz) Diese Varianz, d.h. die Unterschiede zwischen Personen machte Stern zum Gegenstand seine Psychologie explizit Skript S. 12; AS, ca. S. 40f 7. William Stern gilt als „Begründer“ der Differentiellen Psychologie. Von welcher psychologischen Disziplin grenzte sich Stern mit welchen Argumenten ab? (F02) - Abgrenzung von der allgemeinen Psychologie Begründung: wenn man nur nach allgemeinen Gesetzmäßigkeiten sucht, kann man nie das Besondere der Menschen selbst erklären Deswegen Untersuchung der Interindividuellen Varianz und Bestimmung von deren Herkunft Die folgenden Fragen 32 – 36 konnte ich nicht sicher dem AS zuordnen. Sie werden vielleicht im C&S, Kap. 15, S.410ff besprochen. In Seb. Sommers Fragenliste waren diese Fragen am Schluss des Fragenblockes zu Bedürfnisse, Motive und Interessen. AS S. 45/2, C&S Kap. 15, S. 410 ff; 32. Welche Fragestellung behandeln implizite Persönlichkeitstheorien und wie können implizite Persönlichkeitstheorien empirisch erfasst werden? Bei welcher Persönlichkeitstheorie spielen sie eine zentrale Rolle? (R, F02, H02, H03) - Mit welchen Begriffen beschreiben Individuen die Persönlichkeit von Menschen? (AS, 45/2) Klassifizierung des Denkens und Verhaltens anderer Menschen Denken und Verhalten anderer Menschen in bestimmten Situationen vorhersagen - 33. 34. - Erfassbar durch Rollen-Konstrukt-Repertoire-Test (Rep- Test, Kelly, 1955) In der Persönlichkeitstheorie von Kelly spielen die impliziten Persönlichkeitstheorien eine zentrale Rolle C&S Kap. 15, S. 414-426 Die „persönlichen Konstrukte“ sind in der Theorie von G.A. Kelly von zentraler Bedeutung. Nennen Sie mindestens vier wesentliche Eigenschaften von Konstrukten. (R, H03) bipolar dichotom, also nicht kontinuierlich (z.B.: „ist ängstlich“: ja/nein, s. S. 48) Konstrukte entwickeln sich allmählich über viele ähnliche Situationen hinweg (role of recurrences, C&S S.415) Konstrukte verändern sich: durch „Definition“ (Wissen wird jedes Mal präziser, wenn d. Konstrukt angewandt wird) durch „Extension“ (Bei erfolgreicher Anwendung auf neue Situation) Range of Convenience (Bereich ihrer Anwendbarkeit) Focus of Convenience (bevorzugte Bereich, in dem das Konstrukt angewendet werden kann, = Bereich der besten Vorhersage) Permeability (inwieweit & wie leicht neue Ereignisse i. d. Anwendbarkeitsbereich aufgenommen werden können) Konstrukte sind hierarchisch organisiert (höhere Konstrukte beinhalten untergeordnete Konstrukte) Konstrukte sind individuell, also einzigartig (ihre Bedeutung ist interindividuell nicht identisch) Konstrukte sind präverbal Was verstand G.A. Kelly unter „persönlichen Konstrukten“ und wie können diese empirisch erfasst und u.U. auch therapeutisch genutzt werden? (F02) implizite Vorstellungen von Personen, die dazu dienen, Verhalten anderer zu erklären und vorherzusagen Erfassung durch Repertory-Grid-Technik Unsicherheit (anxiety) oder Bedrohung (threat), die durch Probleme bei der Interpretation und Vorhersage von Verhalten entstehen, können durch Weiterentwicklung oder Veränderung des Konstruktsystems einer Person eventuell verringert werden C&S S. 426 ff; AS S. 46/2; (s.a. #36) 35. - Bitte beschreiben Sie kurz den Rollen-Konstrukt-Repertoire-Test von Kelly. Was daran ist individuumszentrierte Messung und wie lässt sich eventuell eine differentielle Messung daraus machen? (H02) Beim Rep- Test von Kelly sind bestimmte Rollen vorgegeben, die i.d.R. eine wichtige Rolle im Leben einer Person einnehmen (Vater, Mutter, bester Freund). PB stellt sich dann konkrete Personen in diesen Rollen vor. Nun folgen unterschiedliche triadische Vergleiche zwischen diesen Personen, wobei Pb eine Charakteristik nennen soll, in der sich zwei dieser Personen ähneln und sich gleichzeitig von der Dritten unterscheidet. Diese Eigenschaft (Ähnlichkeitskonstrukt) wird als emgergenter Pol eingetragen, und der Begriff, worin sich diese beiden Personen von der dritten Person unterscheiden, wird unter impliziter Pol eingetragen. Dann werden auch alle anderen vorgegebenen Personen diesen Polen zugeordnet. - Somit entsteht individuumszentriert das persönliche Konstruktsystem des Untersuchten Um diese Beschreibungen von Konstrukten zu messen, werden sie nach Ähnlichkeit klassifiziert. Jetzt kann man die Anzahl verschiedener Konstrukte auszählen und so eine quantitative Aussage über die kognitive Komplexität der Person machen Diese rein individuumszentrierte Messung wird anschließend mit verschiedener Personen verglichen = differentielle Messung. (s.a. #35); 8zu „idiographisch“ s.a. Kap. 3.1.3, S. 103f) 36. Beschreiben Sie die Vorgehensweise und Auswertung der Repertory-Grid-Technik nach Kelly. Erläutern Sie, inwiefern dieser Ansatz als „idiothetische“ (individuumszentrierte) Forschungsrichtung interpretiert werden kann und warum er sich u.U. therapeutisch nutzen lässt. Durch welches methodische Vorgehen ließe sich ein interindividueller Vergleich vornehmen? (R, F03) - Wählen eines Konstrukts für drei Personen, wobei sich zwei ähneln und sich von der dritten unterscheiden sollen Beurteilen der Personen anhand der Konstrukte Hier wird idiothetisch vorgegangen, es werden also Gesetzmäßigkeiten in den persönlichen Konstrukten einer einzelnen Person aufgedeckt Unsicherheit oder Hilflosigkeit, die durch Probleme bei der Interpretation und Vorhersage von Verhalten entstehen, können durch Weiterentwicklung oder Veränderung des Konstruktsystems einer Person eventuell verringert werden Nun kann eine Matrix (Konstrukte x Personen) erstellt werden, die dann statistisch ausgewertet werden kann Interindividueller Vergleich durch Vergleich der Ergebnismatrizen 2.4.3 Methodik 67. S. 47/2, S. 123f Erläutern Sie den Begriff Persönlichkeitsinventar. (R) eigene Antwort: Persönlichkeitsinventare bestehen aus mehreren Persönlichkeitsskalen. Sie sollen entweder die Persönlichkeit möglichst breit erfassen oder viele unterschiedliche Eigenschaften eines engeren Persönlichkeitsbereiches (z.B. versch. Formen der Ängstlichkeit) messen. AW 2: - bei einem Persönlichkeitsinventar (Beispiel: FPI) wird die Ausprägung einer Person auf verschiedenen Persönlichkeitsmerkmalen mit Hilfe mehrerer Persönlichkeitsskalen durch Fremd- oder Selbstbeurteilung erfasst 2.4.4 Empirische Bewährung S. 57 - 60 70. Welche Bedeutung hat die transsituative Konsistenz für das Eigenschaftsparadigma? (R) - die niedrige transsituative Konsistenz mancher Eigenschaften (z.B. Ängstlichkeit) wurde als Gegenargument gegen das Eigenschaftsparadigma ins Feld geführt, das stabile Situations-Reaktions-Beziehungen postuliert - das Problem kann durch Bildung von Situationsprofiltypen oder Situationsprofilen veringert werden 2.4.5 Bewertung S. 62 65. Nennen Sie die 4 Kritikpunkte am Eigenschaftsparadigma. (R, F04) eigene Antwort: Eigenschaften sind letztlich immer nur Abstraktionen, ermittelt durch z.B. Persönlichkeitsfragebögen oder beobachtetes Verhalten. Man erhält keine Information über die Prozesse, die zwischen Situation und Reaktion vermitteln. Eigenschaften sind statische Konzepte. Im Verlauf der P.- Entwicklung können sich Eigenschaften aber verändern. Die Auswahl von Situations- Reaktions- Beziehungen zum Ermitteln der Eigenschaften geschieht stark beeinflusst durch alltagspsychologische Überlegungen. ? - Eigenschaften weisen nicht, wie postuliert, eine langzeitige Stabilität auf Die transsituative Konsistenz der Eigenschaften ist meist gering Es wird nicht der Einfluss der Situation auf das Verhalten berücksichtigt Statisches Konzept der Eigenschaften ist unrealistisch 2.6 Das dynamisch-interaktionistische Paradigma Die folgende Frage gehört ev. zu Kap 5.1. Dort hab ich’s auch reinkopiert. Auch bei 6.3 44. - Nennen Sie die vier Modelle zur Umweltdetermination des Verhaltens. Worin unterscheiden sie sich? Was versteht man unter Dispositionismus/Personalismus, Situationismus und dem Terminus „Interaktion von Person und Situation“? (R, F02, F03) Umweltdetermination Entfaltung Dynamisch-interaktionistisches Modell Kodetermination Dispositionismus/Personalismus: Das Verhalten ist nur durch die Eigenschaften bestimmt (Eigenschaftsparadigma) Situationismus: Das Verhalten ist nur durch die Umwelt/Situation bestimmt (Umweltdetermination) Interaktion von Person und Situation: Das Verhalten ist durch die Umwelt und die Persönlichkeit bestimmt, und Umwelt und Persönlichkeit wirken gegenseitig aufeinander ein ... konnte zu 2.4 (Eigenschaftsparadigma) passen, vielleicht aber auch als Abschluss zu allen Paradigmen: 127. Gesetz den Fall, Sie möchten für einen komplexen Merkmalsbereich wie „Persönlichkeit“ oder „Intelligenz“, der viele Teilbereiche umfasst, für eine einzelne Person ein Profil erstellen, um zum Beispiel etwas über besonders stark oder schwach akzentuierte Persönlichkeitszüge oder kognitive Stärken und Schwächen dieser Person zu erfahren. Welche Informationen benötigen Sie hierfür? (H02) - Messungen der betreffenden Merkmalswerte der Person Information über die Merkmalsverteilung in der zu Grunde liegenden Population ...keine Ahnung, wo die Fragen ab 108 bis Kap. 3 hingehören 108. - Nennen Sie vier grundlegende Annahmen des humanistisch-existentiellphänomenologischen Menschenbildes, sowie einen Hauptvertreter dieser Richtung. (R, F04, H02) s.a. # 115 Charakter/Persönlichkeit existiert tatsächlich und ist nicht nur ein theoretisches Konstrukt Verhalten ist vollständig durch die Persönlichkeit definiert, die Umwelt wird nicht berücksichtigt Idiographisch: qualitative Beschreibung der Einzigartigkeit eines Menschen Kritik an der Wundtschen Elementenpsychologie Rogers, Allport, Jaensch, Klages, Lersch, Sprangler, Rotacker 109. Wodurch ist das therapeutische Klima bei der klientenzentrierten Therapie nach Rogers gekennzeichnet und welchen Prozess setzt es in Gang? (R) - Klient hat die volle Verantwortung für seine Gesundung Wie eine Bandage wird der Klient vor schädlichen Einflüssen von außen geschützt und die natürliche Heilung unterstützt s.a. #2 bei Kap. 1.4 110. Wenden Sie die Kriterien für empirische Wissenschaften auf den phänomenologischen Ansatz innerhalb der Persönlichkeitsforschung an. (F04) - Sparsamkeit: ? Empirische Verankerung: eher gering Produktivität: auch eher gering Prüfbarkeit: gering, wegen schlechter empirischer Verankerung Widerspruchsfreiheit Anwendbarkeit: ? Vollständigkeit: ? Explizitheit: vage Deutungen und ungerechtfertigte Interpretationen 111. 112. - Welches sind Methoden zur Persönlichkeitserfassung, die im Bereich phänomenologischer Eigenschaftstheorien häufig eingesetzt werden? (V) s.a. #125 Selbst- und Fremdbeurteilung Biographik Qualitative Beschreibung des Charakters Nennen Sie vier Autoren, welche phänomenologische Eigenschaftstheorien vertreten haben. (V) Rogers, Allport, Jaensch, Klages, Lersch, Sprangler, Rotacker 113. Welches sind typische Probleme der phänomenologischen Eigenschaftstheorien? (V) - Vernachlässigung der Situation Überbetonung von Dispositionen Spekulation, Interpretation und Deutung anstelle von empirischer Prüfung Anfälligkeit gegen Beobachtungsfehler und Vorurteile des Beobachters 114. Welche Einwände können gegen die phänomenologische Strategie erhoben werden? (V) - Vernachlässigung der Situation Überbetonung von Dispositionen Spekulation, Interpretation und Deutung anstelle von empirischer Prüfung Anfälligkeit gegen Beobachtungsfehler und Vorurteile des Beobachters 115. - Nennen Sie einige Grundlagen und Themen der humanistischen, der existentiellen und der phänomenologischen Tradition in der Persönlichkeitspsychologie. (V) s.a. # 108 Kritik der Wundtschen Elementenpsychologie Methode der Biographik Radikal eigenschaftstheoretische Sichtweise Charakter existiert tatsächlich, ist nicht nur theoretisches Konstrukt 116. 124. 125. Heiß sprach von „Person als Prozess“. Was ist damit im Unterschied zur älteren Charakterkunde bzw. Eigenschaftstheorie gemeint? Was ist an dieser Konzeption auch heute noch aktuell? (F04) Persönlichkeit nicht statisch betrachtet, sondern als intraindividueller Prozess Eigenschaften werden langfristig als änderbar angesehen Beschreibung einer Eigenschaft als individuelles Profil über verschiedene Situationen Nennen Sie einige Vertreter der historischen Persönlichkeitspsychologie (deutsche Charakterologie). (V) Lersch, Jaensch, Klages, Spranger, Rotacker Welches sind die typischen Methoden der historischen Persönlichkeitspsychologie (der deutschen Charakterologie) zur Erfassung von Persönlichkeitseigenschaften? (V) s.a. #111 - Selbstbeurteilung - Fremdbeurteilung - Biographik - Qualitative Beschreibung des Charakters 135. Was versteht man unter einem essentialistischen Persönlichkeitsverständnis? (V) - Charakterologie / Phänomenologischer Ansatz Die Vorstellung, dass die Persönlichkeit tatsächlich vorhanden und nicht nur ein theoretisches Konstrukt ist 126. Nennen Sie mögliche Gründe, weshalb die Beiträge des deutschen Charakterologen P. Lersch nicht mehr in Lehrbüchern der Persönlichkeitspsychologie behandelt werden. (V, F02, F03) - Lersch wurde der Mitläuferschaft während der Naziherrschaft verurteilt - Charakterologie empirisch schlecht verankert - Methodisch zweifelhaft Nicht Berücksichtigung des Situationseinflusses auf das Verhalten