VIETNAM Der 30jährige Krieg in Indochina endete mit dem Sieg der Kommunisten, den auch die USA nicht verhindern konnten. Es war nicht nur ein Unabhängigkeits- und ein Bürgerkrieg, sondern auch die Auseinandersetzung zwischen Kommunismus und Kapitalismus. Dem folgte ein Stellvertreterkrieg zwischen kommunistischen Bruderstaaten. 1. PHASE: DER UNABHÄNGIGKEITSKRIEG 1946 - 1954 Bis 1945 gehört Vietnam gemeinsam mit Laos und Kambodscha zur "Indochinesischen Union" unter der Kolonialherrschaft Frankreichs. 1942 wird es im Weltkrieg nach der Niederlage Frankreichs gegen Deutschland von Japan besetzt; nach der Kapitulation Japans im 2. Weltkrieg folgt die Ausrufung der ..Demokratischen Republik Vietnam" durch die vietnamesische Unabhängigkeitsbewegung. Deren Führung liegt bei den Kommunisten unter Ho Chi Minh; Regierungssitz ist Hanoi im Norden des Landes. Die Franzosen versuchen nach 1945 ihren Einfluss in Indochina zurück zu gewinnen und beginnen einen Krieg gegen die kommunistische Regierung. Ho Chi Minh zieht sich nach blutigen Auseinandersetzungen mit seiner Regierung in den Dschungel zurück, von wo er, mittlerweile unterstützt durch das kommunistisch gewordene China, einen Guerillakrieg gegen die Franzosen führt. Die Durchführung von sozialen Reformen für die Bauern in allen von den Kommunisten kontrollierten Gebieten sichert ihnen die Unterstützung der Bevölkerung. Die militärische Niederlage der Franzosen führt 1954 zur Teilung des Landes in ein kommunistisches Nordvietnam und ein nationales Südvietnam unter französischem Einfluss. Die beiden Landeshälften sollen durch Wahlen zwei Jahre später wieder zusammengeführt werde. Laos und Kambodscha werden als unabhängige Königreiche anerkannt (Genf er Konferenz). Als Folge der Genfer Konferenz übernehmen die USA zunehmend die Rolle Frankreichs in Indochina; Ziel ist eine Eindämmungspolitik gegen den Kommunismus. Unter den westlichen Staaten wird bezüglich der Ausbreitung des Kommunismus die Domino-Theorie vertreten: Wenn ein Staat kommunistisch wird, dann fallen der Reihe nach alle den Kommunisten in die Hände, so wie umstürzende Dominosteine. Dies wollen die USA durch wirtschaftliche, zunehmend jedoch auch militärische Hilfe an Südvietnam verhindern. In Südvietnam herrschen chaotische Verhältnisse, politische Tätigkeit verschiedener religiöser Gruppen (Buddhisten, Katholiken) mit Terror, Diktatur. Die Wahlen zur Wiedervereinigung werden in beiden Staaten verhindert. In Nordvietnam wird ein straffer kommunistischer Einheitsstaat geschaffen; radikale Bodenreform mit Landverteilung an die Bauern, Säuberung von "Klassenfeinden" mit tausenden Todesurteilen, der wirtschaftliche Wiederaufbau erfolgt, Ho Chi Minh wird als Nationalheld gefeiert. Die Tätigkeit der Kommunisten im Süden wird vom Norden her organisiert (= "Vietkong"); diese organisieren sich im Dschungel, regeln die Versorgung über Dschungelpfade von Laos und Kambodscha her (Ho Chi Minh - Pfad) und destabilisieren den Süden durch Terror. US-Präsident Kennedy erhöht 1961 die Militärpräsenz der Amerikaner in Südvietnam, sein Nachfolger Johnson geht 1963 diesen Weg weiter. 75884675 1/3 2. PHASE DES VIETNAMKRIEGS: 1964-1975: KAPITALISMUS GEGEN KOMMUNISMUS UND BÜRGERKRIEG Kriegsanlass: Nach angeblichem Angriff nordvietnamesischer Kanonenboote auf zwei amerikanische Zerstörer befiehlt US-Präsident Johnson Vergeltungsangriffe der Luftwaffe gegen Nordvietnam. Es kommt zur raschen Ausweitung des Krieges. Auf dem Höhepunkt der Kampfhandlungen sind 550 000 Mann US- Truppen in Vietnam eingesetzt, als Luftwaffe und Bodentruppen. Die USA unterstützen in Südvietnam ein korruptes. autoritäres Regime, gleichzeitig kommt es durch die Anwesenheit der amerikanischen Soldaten zur Amerikanisierung Südvietnams, zahlreiche Bordelle vor allem in Saigon. Gegen die Guerilla-Kämpfer im Dschungel wird das Entlaubungsmittel Agent Orange eingesetzt, ein dioxinhaltiger Reststoff der deutschen Chlorchemie, mit dessen Hilfe dem Vietcong die Tarnung entzogen werden soll. Als Folge werden noch nach dem Krieg 100000e von Kindern mit schweren Behinderungen geboren. Es folgen brutale Bombardierungen u. a. mit Napalm (Brandbomben, seit 1980 als chemische Waffe durch die UNO geächtet), gegen die Guerillakämpfer. Die USSoldaten sind wenig kampfmotiviert; die Kritik in den USA und anderen westlichen Staaten nimmt zu. Anfang 1968 startet der Vietcong, der für die Versorgung im Dschungel auf weitaus größere Erfahrungen und die zuvor aufgebauten Strukturen zurückgreifen kann, eine Großoffensive gegen die US-Streitkräfte. die zu großen Verlusten auf beiden Seiten führt. Als im März 1968 ein Massaker von US-Soldaten an 504 Bewohnern eines Dorfes bekannt wird, erschüttert das international die moralische Glaubwürdigkeit der USA. Präsident Johnson lässt unter dem Druck der Öffentlichkeit 68er-Revolte in den USA und Euro a die Bombardierung einstellen und beginnt Friedensverhandlungen mit Nordvietnam. Unter US-Präsident Nixon setzt ein schrittweiser Rückzug aus Vietnam ein. 1973 wird das Pariser Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet. Der Vertrag ist voller Zweideutigkeiten und Widersprüche und führt nicht zu einer Lösung. Der Kampf der Vietnamesen untereinander geht mit unverminderter Heftigkeit weiter (=Bürgerkrieg). Lediglich die direkte Verwicklung der USA ist endgültig beendet. Wiedervereinigung Vietnams: Nordvietnam ist fest entschlossen, Südvietnam zu besiegen und anzugliedern und bereitet sich systematisch darauf vor. Schließlich besetzen 1975 Truppen von Nordvietnam und des Vietcongs Saigon und erzwingen die Kapitulation Südvietnams. Eine provisorische Revolutionsregierung übernimmt in Saigon, das in Ho-ChiMinh-Stadt umbenannt wird, die Herrschaft über Südvietnam. In dieser Kriegsphase wurden schätzungsweise 200 000 südvietnamesische und 56 000 amerikanische Soldaten getötet, auf kommunistischer Seite starben 920 000 Soldaten. Weiters kamen ca. 800 000 Zivilisten ums Leben, großteils durch die Flächenbombardements der US-Luftwaffe. Seit 1975 ist Gesamtvietnam kommunistisch. 1976 bringen vorprogrammierte Wahlen den erwarteten Erfolg 75884675 2/3 für die Kommunisten. Darauf folgt erneuter Terror: Politische Gleichschaltung, "Säuberung" der Verwaltung und des öffentlichen Lebens, 200 000 Menschen verschwinden in Umerziehungslagern. Enteignung der Besitzenden, besonders des städtischen Mittelstandes; Millionen von Menschen werden deportiert und als Landarbeiter eingesetzt. Die politische Führung bleibt bei den nordvietnamesischen Kommunisten (Hanoi). DIE NACHBARSTAATEN VIETNAMS: LAOS UND KAMBODSCHA Kambodscha kann nach dem 2. Weltkrieg lange eine Neutralitätspolitik unter dem diplomatisch sehr geschickt agierenden Staatschef Prinz Sihanouk fahren. Gegen ihn gibt es eine jüngere kommunistische Opposition (Rote Khmer), und ebenfalls eine militärische, die 1970 während eines Auslandsbesuchs des Prinzen durch einen Putsch die Macht an sich reißt. Unter der Militärregierung gerät das Land immer mehr in den Vietnamkrieg hinein, Korruption und Misswirtschaft führen zum Aufstieg der Kommunisten. 1975 nehmen die Roten Khmer die Hauptstadt Pnom Penh ein. Pol Pot-Regime: Unter Staatschef Pol Pot (entstammt dem Mittelstand, studierte wie andere Mitglieder seiner Regierung in Paris) wird ein barbarischer Steinzeitkommunismus eingeführt. 3,5 Millionen Menschen werden aus den Städten wie Viehherden in den Dschungel getrieben und getötet, durch Zwangsarbeit zu Tode gebracht, verhungern. Der Mittelstand wird vernichtet; Abschaffung des Bargelds; Jahrtausende alte kulturelle und religiöse Traditionen werden vernichtet. 3. PHASE: KRIEG ZWISCHEN VERSCHIEDENEN KOMMUNISTISCHEN STAATEN UM IHRE MACHTSPHÄREN (STELLVERTRETERKRIEG): 1978-79 Ziel Hanois ist eine Angliederung von Laos und Kambodscha zu einem Groß-Indochina-Staat. Während diese beiden Staaten vom kommunistischen China unter Mao- Tsetung unterstützt werden, findet Vietnam mit seinen Expansionsplänen Unterstützung beim kommunistischen Gegner Chinas, der Sowjetunion. Der Gegensatz zwischen Vietnam und China hat weitere Ursachen in der Geschichte, weil Vietnam 1000 Jahre lang von China beherrscht wurde, bis es sich frei kämpfen konnte. 1978 kommt es zum ..Stellvertreterkrieg zwischen Vietnam (UdSSR) und Kambodscha (China). Kambodscha wird rasch erobert; die dortige Regierung (Pol Pot) flieht in den Dschungel, in der Hauptstadt Pnom Penh wird eine nordvietnamesische Marionettenregierung eingesetzt. Laos wird durch einen "Freundschaftsvertrag" zu einem vietnamesischen Satellitenstaat gemacht. In der Folge dieses Kriegs gegen China werden ca. 1 Million in Vietnam lebender Chinesen, meist wohlhabender Mittelstand, enteignet umgesiedelt und vertrieben. Die mit Booten zu flüchten versuchen, gelangen als „boat-people" ins Bewusstsein der Welt; 100000e von ihnen ertrinken. China reagiert mit einer militärischen Strafaktion, mehrere Wochen kommt es zu Kampfhandlungen an der chinesisch-vietnamesischen Grenze. Seit 1979 sind Laos und Kambodscha mit Vietnam zu einem politischen Verband zusammengeschlossen. Die UdSSR übernimmt als sozialistischer Führungsstaat die ehemalige Rolle der Franzosen. Mit dem Ende der Sowjetunion 1991 und der wirtschaftlichen Öffnung des kommunistischen Chinas in Richtung Marktwirtschaft kommt es auch in Vietnam zu Veränderungen: 1995 tritt es als erstes kommunistisches Land dem asiatischen Wirtschaftsverband ASEAN bei. Es nimmt diplomatische Beziehungen zu den USA auf, die 2001 zu einem Handelabkommen führen; 1995 schließt es ein Kooperationsabkommen mit der EU. Politisch dagegen gibt es keine Öffnung: Neben der kommunistischen Partei sind keine weiteren politischen Gruppierungen bei den Wahlen zugelassen. 75884675 3/3