1. Geographie Vietnam wird wegen seiner Form oft als „Bambusstange mit 2 Reiskörben“ bezeichnet. Zentralvietnam bildet dabei die 900 km lange Tragestange. Die beiden Tieflandregionen im Norden und Süden: das Delta des Roten Flusses und das Mekong Delta, sind die Reiskammern Vietnams, und stehen für die Reisschalen. Insgesamt erstreckt sich Vietnam über eine Länge von ca. 1700 km und misst dabei an der schmalsten Stelle nicht mehr als 50 km zwischen der Grenze zu Laos und dem Südchinesischen Meer. Insgesamt umfasst Vietnam eine Fläche von 330.000 qkm (ca. 7% weniger als Deutschland). Der Norden, auf vietnamesisch: bac bo1 oder aus der Kolonialgeschichte auch als Tonkin bekannt, nimmt etwa 25% des Territoriums von Vietnam ein und besteht im Nordwesten und Westen aus ausgedehnten Bergländern, die an Laos grenzen, im Norden liegt das Bergland von Tonkin, das sich in der chinesischen Provinz Yunnan sowie in Laos fortsetzt. Das Bergland nimmt fast ¾ der Fläche Nordvietnams ein. Nahe der Grenze liegt auch der höchste Berg Indochinas, der Phan Si Pan (3143 m). Der Rote Fluss (Song Hong) entspringt in der chinesischen Provinz Yunnan und muss auf seinem Lauf von 1200 km große Höhenunterschiede überwinden, er führt daher viel Schutt und Schlamm mit sich. Durch kilometerweite Kanäle wird das Wasser des Flusses mit seinen Sedimenten zur Bewässerung und Düngung der Felder genutzt.. Das rotbraune Sediment hat ihm auch seinen Namen gegeben. Bei Viet Tri schwillt der Rote Fluss durch die Einmündung des Klaren Flusses und des Schwarzen Flusses zu einem gewaltigen Strom an. Die stark schwankende Wasserführung und Brüche in den durch den Fluss selbst erzeugten Dämmen führten oft zu Überschwemmungskatastrophen. Durch künstliche Dämme versucht man Abhilfe zu schaffen, der Deichbau war daher seit jeher eine Gemeinschaftsaufgabe unter Leitung des Staates oder des Herrschers. Durch die Sedimentablagerungen steigt das Niveau des Flussbettes beständig an und es werden höhere Dämme benötigt, oft liegt das Flussbett bereits höher als die umgebende Landschaft. 1 Bis Thanh Hoa 1 Zentralvietnam, auf vietnamesisch: trung bo oder aus der Kolonialgeschichte als Annam bekannt, nimmt ca. 40% des Territoriums von Vietnam ein und ist durch die 1200 km lange Truong-Son-Bergkette geprägt, die parallel zum südchinesischen Meer verläuft und an einigen Stellen bis zur Küste vorstößt. Die Berge erreichen eine Höhe bis zu 2500 m. Im südlichen Teil weitet sich das Gebirge zu einem Hochland, dessen Höhe nach Süden immer mehr abnimmt. Das Hochland Vietnams war in der Vergangenheit fast vollständig von Wald bedeckt, neben der schon lange üblichen Brandrodung und Abholzung trugen vor allem die Anlage von großen Kautschukund Kaffeeplantagen während der Kolonialzeit, sowie die Verdrängung der einheimischen Bevölkerung von den fruchtbaren Böden in den Ebenen dazu bei, dass weite Teile des Baumbestandes abgeholzt wurde. Die Entlaubungsaktionen und Bombardierungen im Amerikanischen Krieg vernichteten ebenfalls große Waldgebiete, dazu kamen Umsiedlungsaktionen der wachsenden Bevölkerung und die Ausbeutung der Tropenhölzer in jüngerer Zeit. Das Tiefland Zentralvietnams und die landwirtschaftlich gut nutzbare Fläche beschränkt sich auf schmale Küstenstreifen, in denen auch die großen Städte liegen, wie z.B. Hue oder Da Nang. Zentralvietnam nimmt etwa 40% der Fläche Vietnams ein. Im Westen hat Zentralvietnam eine gemeinsame Grenze mit Laos. Südvietnam, auf vietnamesisch: nam bo oder aus der Kolonialgeschichte als Cochinchina bekannt, nimmt ca. 35% der Fläche Vietnams ein und besteht im Norden aus einem breiten und niedrigen Hügelland, das nach Süden allmählich in das MekongDelta übergeht. Der Mekong2 durchfließt Vietnam auf den letzten 200 km seines Laufes und bildet an der Küste ein Delta, das mit 45.000 qkm dreimal so groß ist wie das Delta des Roten Flusses. Wegen der 9 Flussarme des Mekong wird das Delta Cuu Long d.h. Neun Drachen genannt. Die Wasserführung des Mekong wird durch ein natürliches Rückhaltebecken reguliert: den Tonle Sap in Kambodscha, darum kommt es hier auch seltener zu Überschwemmungen als im Norden. 2 Der Mekong ist einer der längsten Flüsse der Welt und fließt fast 5.000 km vom Himalaya zum Südchinesischen Meer. Er entspringt in 5.000 m Höhe im tibetischen Hochland und durchfließt danach Yunnan (China), wird zum Grenzfluss zwischen Laos und Burma, später zu Thailand und fließt schließlich Kambodscha und Vietnam. 2 Die eigentliche Reiskammern im Mekong Delta sind die etwas weiter vom Meer weg gelegenen Gebiete am Mekong, in denen 23 Ernten pro Jahr eingebracht werden können. Die Landstriche im Südosten liegen nur etwa 1 m über dem Meeresspiegel und waren mit Mangrovensümpfen bedeckt, die allerdings im Amerikanischen Krieg zum größten Teil durch versprühen von Pestiziden vernichtet wurden. Der Boden ist z.T. stark versalzen, da das Meerwasser bei Flut in die Flussarme zurückgespült wird. Mit Kambodscha, teilt sich Vietnam das südliche Stück seiner Westgrenze. Die Küsten Vietnams grenzen an das südchinesische Meer (Osten) und den Golf von Thailand (Süd-Westen). Zu Vietnam zählen außerdem einige Inselgruppen im südchinesischen Meer und im Golf von Thailand. Am berühmtesten sind vermutlich die Inseln der Ha-Long-Bucht im Norden, z.T. bizarre Kalksteinfelsen, die bereits einem JamesBond-Film als Kulisse dienten und zum Welt-Kultur-Erbe zählen. Auf der Höhe von Da Nang 400 km vor der Küste Zentralvietnams befinden sich die Paracel-Inseln, etwas weiter südlich etwa 500 km von der Küste entfernt liegen die Spratly-Inseln, bei denen Erdölvorkommen vermutet werden. Weitere Inseln sind Phu Quoc, die größte Insel Vietnams, vor der Kambodschanischen Küste und Con Dao, vor dem Mekong-Delta, hier lagern größere Öl- und Gasreserven, die mittlerweile zum größten Devisenbringer des Landes geworden sind. 2. Klima Das Klima unterscheidet sich erheblich zwischen Nord- und Südvietnam. Der Norden weist ein gemäßigtes tropisches Wechselklima auf, es gibt eine kühle Jahreszeit von November bis April und eine heiße von Mai bis Oktober. Der Süden ist tropisch: warm bis sehr heiß während des ganzen Jahres, etwas kühler von November bis Januar, heiß von Februar bis Mai und mit einer Regenzeit zwischen Mai und Oktober. Die Wetterscheide zwischen diesen Gebieten bildet der Wolkenpass (Hai-Van-Pass) nördlich von Đà Nẵng. Während der Regenzeit wüten häufig Taifune, die besonders im Mekong-Delta, aber auch in anderen Küstenregionen Überschwemmungen anrichten können. 3 3. Flora/Fauna/Umwelt Mangroven: In den Überschwemmungsgebieten der Flussdeltas und Meeresküsten findet man Sumpf- und Mangrovenwälder. Sie werden im Wechsel der Gezeiten zweimal am Tag überflutet, so dass nur noch die oberen Baumstämme und Baumkronen aus dem Wasser schauen. Die Bäume weisen hohe Stelzwurzeln und Atemwurzeln auf, die bei Ebbe aus dem Wasser ragen. Waldzerstörung: Während des Vietnamkrieges wurden insgesamt 72 Mio. Tonnen Pflanzenvernichtungsmittel (Agent Orange, Agent Blue und Agent White) über Vietnam abgeworfen, vor allem im Süden des Landes. Dies führte zum Verlust von ungefähr 2,2 Mio. Hektar Waldland und einem Fünftel der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Der Brandrodungswanderfeldbau führt bei steigendem Bevölkerungsdruck ebenfalls zur verstärkten Abholzung, die gerodeten Flächen können sich in den kürzer werdenden Ruheperioden nicht mehr regenerieren und die Rodungsflächen werden vergrößert. Der Abbau von Edelhölzern (z.B. Teak- und Sandelholz) zum Export führt außerdem zur Vernichtung großer Waldflächen. Die Aufforstungsprogramme halten mit der Waldvernichtung kaum schritt, zudem ist die Aufforstung mit schnell wachsenden Weichholzpflanzen bei weitem nicht die ökologische Schutzwirkung eines artenreichen tropischen Regenwaldes. Nutzpflanzen: In Vietnam wurden rund 7.000 verschiedene Pflanzenarten gezählt, doch die gesamte Bandbreite wird auf 12.000 geschätzt. Ca. 2.300 Pflanzenarten finden im Alltag Verwendung, als Nahrungsmittel, Medizin, Tierfutter und Nutzhölzer. Die wichtigsten Kulturpflanzen sind Reis, Tee, Kaffee, Kautschuk und Tabak. Zudem werden Mais, Süßkartoffeln, Maniok, Erdnüsse, Baumwolle, Zuckerrohr und Sojabohnen angebaut. Im Mekong-Delta gibt es große Obst- und Gemüseplantagen. Einige der Früchte, die hier geerntet werden sind: Rosenäpfel, Ananas, Rambutan, Jackfruit, Pomelos, Mangos, Papayas und Bananen. Zudem gibt es etwa 1.500 Holzarten: von Palmen und Bambus über Teakholz, Eichen und Fichten bis zum Mangrovenbaum. 4 Tierwelt: In kaum einem anderen Land sind in den vergangenen Jahren so viele Arten (wieder-)entdeckt worden, etwa 1997 der Große Kleideraffe. Es gibt in Vietnam 280 Arten von Säugetieren, darunter viele vom Aussterben bedrohte Tiere wie das JavaNashorn (nur noch wenige Exemplare sollen noch im Cat-TienNationalpark leben) und den asiatischen Elefanten (400-600 wild lebende Dickhäuter kommen in verschiedenen Provinzen vor). 180 Reptilienarten, 80 verschiedene Spezies von Amphibien und 2.600 Fischfamilien, zwischen 773 und 850 Vogelgattungen und etwa 6.000 Insektenformen wurden gezählt. Elefanten: Schon seit Jahrhunderten werden Elefanten in Vietnam domestiziert, vor allem manche Bergvölker nutzen sie als Arbeitstiere. Haus- und Arbeitstiere: Eines der wichtigsten traditionellen Haustiere in Vietnam ist der Wasserbüffel, der vor rund 2000 Jahren aus China eingeführt wurde. Wasserbüffel sind als Zug- und Lasttiere unentbehrlich und aus der vietnamesischen Kulturlandschaft nicht wegzudenken. Außerdem gehören auf dem Land Schweine, Rinder, Gänse, Hühner, Ziegen, Katzen und Hunde zum Haus. Während man in den Reisanbaugebieten Tiere in der Regel nur zum Eigenbedarf hält, wird im Hügel- und Bergland sowie in den Trockengebieten Vieh (Rinder, Schafe) gezüchtet. Die Hmong sind für die Züchtung von Pferden und Rindern bekannt. Milchwirtschaft beginnt erst langsam eine Rolle zu spielen. Im zentralen Hochland bei Buon Ma Thuot werden Elefanten zu Arbeitstieren ausgebildet. Umwelt- und Tierschutz: Erst 1992/93 hat die vietnamesische Regierung Gesetzte zum Schutz von Flora und Fauna verabschiedet, seit 1992 besteht ein Ausführverbot für rohe Nutzhölzer. 1994 trat Vietnam dem Washingtoner Abkommen über Artenschutz bei, wodurch der Handel mit bedrohten Tierarten offiziell verboten wurde, Durchsetzung und Kontrolle lassen aber noch zu wünschen übrig. 4. Bevölkerung/Minderheiten Von den 82 Mio Einwohnern leben ca. 40% in Bac bo (Nordvietnam), allerdings ist das Bergland nur gering besiedelt, der größte Teil lebt im Delta des Roten Flusses, das mit 2.000 5 Menschen pro qkm zu den am dichtesten besiedelten Regionen der Erde gehört. Trung bo ist vergleichsweise gering besiedelt, hier leben ca. 25% der Bevölkerung. In Nam bo leben ca. 35% der Bevölkerung Vietnams. Altersstruktur: Über 50% der Einwohner Vietnams sind unter 20 Jahre und 71% unter 30 Jahre alt. Das bedeutet, dass mehr als 2/3 der Einwohner nach dem Amerikanischen Krieg geboren wurde oder zumindest den Krieg nicht mehr bewusst miterlebt hat. (Durchschnittsalter: 24 Jahre) Vietnamesen/Kinh: Ca. 88% der im Land lebenden Menschen sind ethnische Vietnamesen (Kinh), damit hat Vietnam, ähnlich wie Kambodscha oder Thailand eine relativ einheitliche Bevölkerungsstruktur). Die Vietnamesen gingen hervor aus einer Vermischung austroindonesischer Völker, die übers Meer nach Norden kamen, und mongolischen Stämmen, die auf dem Landweg bzw. über die großen Ströme und die dazwischen liegenden Gebirgszüge einwanderten. Die wirtschaftliche Grundlage der Vietnamesen ist seit jeher der Nassreisanbau, der sich auf die Tiefländer beschränkt. Die 100-mHöhenlinie stellt so etwas wie eine Grenze dar, oberhalb derer man bis heute nur wenige Vietnamesen antrifft. Minderheiten: Etwa 9 Mio. (12%) Einwohner Vietnams gehören einer der zahlreichen ethnischen Minderheiten an. Insgesamt zählt man in Vietnam 54 verschiedene Gruppen. Die im Tiefland lebenden Minderheiten unterscheiden sich meist weniger durch ihr Aussehen als vielmehr durch Traditionen, Religion, Lebensweise, Schrift und Siedlungsform von den Vietnamesen. a) Hoa (Auslandschinesen) : bilden die Größte Gruppe, die Mehrheit von ihnen lebt im Süden und ist vor allem im Handel und in der Wirtschaft tätig. b) Cham : die ebenfalls im Tiefland wohnenden Cham sind Nachfahren des einstmals mächtigen Reiches von Champa. In den Jahrhunderten nach der Einnahme des Reiches ging die Bevölkerung immer mehr in den Vietnamesen auf, sodass sich heute nur noch etwa 100.000 Menschen zu dieser Volksgruppe bekennen. Die Cham, die früher dem Hinduismus anhingen, sind 6 heute Muslime, also nicht nur eine ethnische, sonder auch eine religiöse Minderheit. c) Khmer : Die Khmer siedeln im Mekong-Delta, das von Vietnam seit dem 18. Jahrhundert in Besitz genommen wurde. Ihre Zahl beläuft sich auf etwa 900.000 Menschen und hat durch Flüchtlinge aus Kambodscha während der Herrschaft der Roten Khmer (19751979) noch zugenommen. Wie ihre Landsleute im Kambodscha sind sie ganz dem Theravada-Buddhismus verhaftet. d) Verschiedene Bergvölker (Montagnards) Der Begriff der Montagnards wird auch von ihnen selbst verwendet. Von den Vietnamesen werden sie gelegentlich abfällig als „moi“ = Wilde bezeichnet. Sie leben in der Regel von Viehzucht und Brandrodungswanderfeldbau, aber auch vom Handel und bewohnen (je nach Ethnie) keine kompakten Dörfer wie die Vietnamesen, sondern lockere Streusiedlungen mit Pfahlbauten oder im Süden z.T. auch Langhäuser. Um die Bergregionen stärker an das vietnamesische Kernland anzubinden, werden auch vermehrt Vietnamesen angesiedelt, was die Bergbewohner allerdings immer mehr zur Minderheit in ihrem eigenen Siedlungsgebiet macht. Größte Gruppen: Jarai (Süden): ca. 250.000 Tay (Norden/Grenzregion zu China): ca. 1,2 Mio. Nung (Norden/aus Südchina) Thai (Thai leben auch in Laos, China und Thailand) Muong (gelten als Nachfahren der vietnamesischen Ureinwohner) Hmong oder Meo (sind erst im 19. Jh. aus Südchina eingewandert) Hoa: Bei der Machtübernahme in Südvietnam durch die Kommunisten kontrollierten die Chinesen den Großhandel zu 100%, daneben fast das gesamte Import-Export-Geschäft, 80% der Schwerindustrie, ebenso die Textilproduktion und Nahrungsmittelverarbeitung. Als die Betriebe 1978 verstaatlicht wurden, verschlechterten sich ihre Lebensbedingungen rapide. Dies geschah zeitgleich mit dem Anwachsen der Spannungen zwischen Vietnam und China infolge der vietnamesischen Kambodscha-Politik, was 1979 sogar zum Krieg zwischen den beiden Ländern führte. Die Folge war eine starke Fluchtbewegung, die die chinesische Bevölkerung um über 1 Mio. auf die Hälfte reduzierte. Die Flüchtlinge suchten als Boat people sowohl Zuflucht im Mutterland China als auch in Übersee. 7 Bildung: Das Schulsystem in Vietnam ist vergleichsweise gut ausgebaut, allerdings gibt es große Unterschiede innerhalb des Landes (Ballungsgebiete – Bergland). Der Schulunterricht bis zur 6. Klasse ist kostenlos (???) Die Analphabetenquote liegt bei ca. 6% Eine Studie der Weltbank (1997) beklagt vor allem die zu großen Klassen, zu wenig Unterrichtsstunden, schlecht ausgebildete und unterbezahlte Lehrer und viele Schulabbrecher. 5. Gesellschaft / Geschichte vor allem 3 Gesichtspunkte haben Vietnam stark geprägt: - die über 2.000 Jahre lange kriegerische und kulturelle Auseinandersetzung mit dem mächtigen Nachbarn China, das als äußerer Konrahent zu permanentem Abwehrkampf zwang, gleichzeitig aber die Kunst, Religion und Gesellschaftsethik, die Struktur der vietnamesischen Gesellschaft prägte. - die starke Bindung an die Dorfgemeinschaft. Jeder Vietnamese, weiß der Volksmund, „trägt noch heute sein Dorf mit sich herum“, auch wenn er längst in der Stadt lebt. - der Einfluss des Westens von den französischen Missionaren und Kolonialherren bis zum ebenfalls aus Europa importierten Marxismus. Dorf: In ihrer Siedlungsweise mussten sie sich den starken jahreszeitlichen Wasserschwankungen und den häufigen Laufveränderungen der Flüsse sowie den Dammbauten anpassen. Daher haben sich in Vietnam mit Ausnahme von Hanoi (und später auch Saigon) keine Städte entwickelt. Alle anderen heute existierenden Städte des Landes gehen auf Gründungen der Franzosen zurück. Auch heute leben noch 80% der Vietnamesen in Dörfern, die streng hierarchisch gegliedert sind und den Einzelnen ganz in den Dienst der Gemeinschaft stellen. Das traditionelle Vietnam war Lang Nuoc, ein Dörferstaat. Wer Vietnam beherrschen wollte, musste jedes einzelne Dorf unter Kontrolle bringen. “Dorftradition bricht Königsrecht“ oder „An der Dorfhecke endet die Macht des Kaisers“ – die Autonomie des Dorfes ist in Vietnam sprichwörtlich. Dass Vietnam nach lang währender chinesischer Okkupation und kultureller Überformung trotzdem seine Identität behalten hat , ist im Überleben uralter Dorftraditionen begründet. Während Familien8 und Staatskulte der Sinisierung anheimfielen, bewahrten sich die Dorfkulte, in denen Animismus, autochthones Brauchtum und Heldenverehrung konserviert blieben, ihre Eigenart. Die straffe Organisation der Dörfer entwickelte sich ursprünglich aus dem Kampf mit der Natur ums Dasein. Das Wir-Gefühl der Dorfgemeinschaft wurde von 2 Einrichtungen gestützt: dem Dinh und dem Ältestenrat. Der Dinh, ein altehrwürdiges Bauwerk, war und ist teils heute noch eine Art Rathaus, Dorfzentrum und ein Tempel, der – von den Dörflern selbst gewählten – Dorfgottheit. Der Ältestenrat bestimmte die dörfliche und überregionale Politik und stellte den guten Kontakt zur Dorfgottheit her. In diesen Rat kam man nicht durch Wahlen, sondern durch Bildung, Wohhabenheit und die Würde des Alters. Wenn das Dorf seine (zum Teil nach kaiserlicher Willkür hohen) Steuerpflichten erfüllte, konnte es sich frei verwalten. Zur Zeit des französischen Kolonialismus fiel der größte Teil des bebauten Landes allmählich in die Hände von Spekulanten und korrupten Dorfältesten. Grundstücksspekulationen und Pachtbedingungen, die praktisch Leibeigenschaft bedeuteten, führten zu Unruhen und Bauernaufständen, die blutig niedergeschlagen wurden. So war denn auch eine der Parolen der kommunistischen Partei bei ihrer Gründung 1930 „Der Boden, denen, die ihn bearbeiten!“ Einer der Gründe für den Erfolg Ho Chi Minhs war, dass er die marxistischen Ziele an dörflichen Strukturen und Institutionen festmachen konnte: Die Genossenschaften wurden als Fortsetzung der landwirtschaftlichen Nachbarschaftsgruppen verstanden, die Kader wurden mit den Mitgliedern geheimer Gesellschaften verglichen, die den Kampf der Bauern gegen ausländische Invasoren anführten, die klassenlose Gesellschaft schien dem religiösen Leitbild einer harmonischen Weltordnung zu entsprechen. In der Praxis berücksichtige die Politik der Kommunisten die alten Dorfstrukturen jedoch nur wenig. Nach dem Scheitern des zweiten Fünfjahresplans 1981 rang sich die Führung zu einer Liberalisierung mit marktwirtschaftlichen Anreizen durch: einen Teil der Erträge konnten die Bauern auf dem freien Markt verkaufen. Der Erfolg war durchschlagend: innerhalb weniger Jahre war die Selbstversorgung erreicht; 1989 schaffte Vietnam hinter Thailand und den USA den Sprung zum drittgrößten Reisexporteur der Welt. 9 Geschichte: 6. Wirtschaft/Bodenschätze Jährliches Pro-Kopf-Einkommen (2004): EUR 520,00 (damit gehört es statistisch gesehen zu den ärmsten Ländern der Welt) Arbeitslosenquote: 5-6% Beschäftigungsstruktur: 67% Landwirtschaft und Fischfang 20% Dienstleistung u. Handel 13% Industrie und Handwerk Landwirtschaft: Grundlage der vietnamesischen Wirtschaft ist seit alters her der Nassreisanbau in den Tiefländern. Daneben spielt die Fischerei eine große Rolle. Vietnam ist außerdem der weltweit größte Produzent von schwarzem Pfeffer und der zweitgrößte Produzent von Kaffee (nach Brasilien), Reis und Cashewnüssen sowie die Nr. 4 bei Kautschuk und die Nr. 7 bei Tee (Zahlen von 2004). Seit einigen Jahren ist Vietnam einer der größten Reisexporteure der Welt. Bodenschätze/Industrialisierung: Der industrielle Sektor Vietnams ist noch unterentwickelt. Das Land ist allerdings reich an Bodenschätzen wie Anthrazitkohle und Metallen (Eisenerz, Bauxit, Mangan, Chrom, Zink und Silber) sowie den Energieträgern Kohle und Erdöl. Die Bodenschätze Vietnams befinden sich, abgesehen vom Erdöl, überwiegend in den Bergregionen des Nordens. Verschiedene Faktoren standen der Nutzung bisher im Wege: - Transportprobleme bei den Bodenschätzen aus dem Norden - die Ausbeutung als Kolonie Frankreichs - Zweiteilung des Landes und Vietnamkrieg - politische und wirtschaftliche Fehlentscheidungen bei der Wiedervereinigung: Übertragung des Wirtschaftssystem des Nordens auf den Süden: Kollektivierung der Landwirtschaft und Bildung von großen Genossenschaften; Verstaatlichung von Industrie und Handel ab 1978 entzog den ansässigen Chinesen ihre wirtschaftliche Grundlage. - durch den vietnamesischen Einmarsch in Kambodscha und den anschließenden Grenzkrieg mit China fiel der nördliche Nachbar 10 als Handelspartner aus. - Handelsboykott der USA, dem sich auch die ASEAN-Staaten anschlossen. Vietnam wandte sich damit militärisch und wirtschaftlich den Staaten des Warschauer Paktes zu und wurde Mitglied im Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe. Am Ende der 1970er Jahre geriet Vietnam in eine schwere Wirtschaftskrise. Selbst Reis, das Grundnahrungsmittel, musste immportiert werden. Doi Moi: Der 6. Parteitag 1986 ging als Reformparteitag in die Geschichte Vietnams ein, denn es wurde die neue Wirtschaftspolitik Doi Moi eingeführt. Der Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft wurde beschlossen, wobei sich Staat und Partei aus der Wirtschaft zurückziehen sollten und nur noch den politischen Anspruch aufrechterhielten. Auf dem 7. Parteitag 1991 wurde die Wirtschaftspolitik festgeschrieben, der Erwerb von Grund und Boden verbrieft und Privateigentum garantiert. 1994 beendeten die USA das Wirtschaftsembargo und nahmen 1995 offizielle diplomatische Beziehungen zu Vietnam auf. 1995 wurde Vietnam zudem Mitglied in der Vereinigung der ASEAN-Staaten, die einstmals als Verband antikommunistischer Länder gegründet worden war. 7. Politisches System Việt Nam = Viet im Süden amtlich: Sozialistische Republik Vietnam (Cộng hoà Xã hội Chủ nghĩa) Amtssprache Hauptstadt Staatsform Fläche Einwohnerzahl Bevölkerungsdichte BIP/Einwohner Währung Vietnamesisch Hà Nội Sozialistische Volksrepublik mit Einparteiensystem 331.690 km² 85,1 Mio. 257,8 Einwohner pro km² 620 US-$ (2004) Đồng 11 Die Sozialistische Republik Vietnam ging 1976 aus der Vereinigung der Demokratischen Republik Vietnam (Nordvietnam) und der Republik Südvietnam hervor. Gemäß der Verfassung ist die Kommunistische Partei Vietnams mit ca. 2 Mio. Mitgliedern die alleinige politische Kraft im Lande. Die Partei und ihre Unterorganisationen sind omnipräsent auf allen Ebenen der Gesellschaft. Etwa alle 5 Jahre tagt der Parteikongress, dazwischen übernimmt das Zentralkomitee dessen Aufgabe, es besteht aus 170 Mitgliedern und hält zweimal im Jahr Sitzungen ab, die als Plenum bezeichnet werden. Die Nationalversammlung, ein Einkammernparlament mit ca. 500 Delegierten, ist die höchste gesetzgebende Körperschaft in Vietnam. Sie wird vom Volk in fünfjährigem Turnus gewählt bzw. meist nur bestätigt. Dennoch herrscht in Vietnam Wahlpflicht. Zweimal im Jahr tritt die Nationalversammlung für etwa 14 Tage zusammen und berät über Gesetze, die meist schon vorher von Politbüro und Partei erlassen wurden. Am Schluss steht, nach oft kontroverser Diskussion, die einstimmige Verabschiedung dieser Gesetze. Die Nationalversammlung entscheidet über Krieg und Frieden und steht dem Obersten Gericht vor. Auch die Ernennung und Entlassung von hohen Staatsbeamten (Minister, Richter etc.) gehört zu ihren Aufgaben. Aus den Reihen der Nationalversammlung wird der 17-köpfige Staatsrat gewählt. Er ist das höchste Organ der Nationalversammlung und zugleich höchster Repräsentant des Staates. In der Verfassungsreform von 1992 wurde die kollektive Staatsführung durch einen Staatspräsidenten ersetzt. Der Ministerrat stellt die Regierung und setzt sich zusammen aus einem Premierminister und den Fachministern, die für die Umsetzung und Anwendung der von der Nationalversammlung verabschiedeten Gesetze zuständig sind. 12 8. Religionen 70% Buddhisten 9% Christen 2-3% Caodaisten 1% Muslime 17% Sonstige 13