Vietnam boomt dank Offenheit

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Ausgabe 2 | 8. März 2017
Vietnam boomt dank Offenheit
Die diversifizierte Wirtschaft Vietnams weist eine starke Dynamik auf, die von Exporten und Direktinvestitionen in den Produktionssektor, speziell in den IT-Bereich, angetrieben wird. Das Land profitiert von asiatischen Großkonzernen, die sich auf der Suche
nach niedrigeren Lohnkosten aus China zurückziehen und sich dank der handelsfreundlichen Politik sowie diversen Freihandels­
abkommen in Vietnam ansiedeln.
vor der globalen Krise 2008/2009 auf.
Obwohl die Ernten 2016 von einer beispiellosen Dürre getroffen wurden, hat
sich das Wirtschaftswachstum erholt.
Zwischen 2014 und 2016 lag es
im Durchschnitt bei 6,3%. Mittel- bis langfristig wird eine Wachstumsrate von 6,2%
erwartet. Die erfolgreiche Rückkehr zur
makroökonomischen Stabilität beruht auf
dem Export von Industrieerzeugnissen –
drei Viertel aller Güter sind für den Export
bestimmt – sowie auf Direktinvestitionen.
© alexis84/iStock/Thinkstock/Getty Images
Die Wirtschaft Vietnams gehört zu den
leistungsstärksten und diversifiziertesten
im gesamten südostasiatischen Raum
und weist heute dieselbe starke Dynamik
und aussichtsreiche Position wie
Reiseziel Vietnam – die offene, handelsfreundliche Politik zieht ausländische Unternehmen an.
Die aktuelle Expansion ist einem Wandel
der Exportstruktur hin zur Fertigung von
Hightechprodukten zu verdanken. So
werden die größten Exporterlöse heute in
der Elektronik-, Computer- und Handybranche erzielt. Innerhalb weniger Jahre
hat sich die ITK-Industrie zur wichtigsten
Exportbranche entwickelt und erwirtschaftet über 25% aller Waren- und
Dienstleistungsexporte. Allein 16% der
Exporte entfallen auf die Handybranche,
die mit der Ansiedlung von SamsungFabriken starke Impulse erhalten hat. Dies
ist einer der Gründe für die solide Exportleistung in Zeiten nachlassender globaler
Nachfrage.
Die positive Entwicklung der Direktinvestitionen geht überwiegend auf asiatische
Großkonzerne zurück, die sich aus China
Christoph Witte
Country Manager,
Credendo
[email protected]
zurückziehen und von den, relativ gesehen, niedrigeren und regional wettbewerbsfähigen Lohnkosten profitieren.
Auch die akzeptable Infrastruktur, die
dynamische Erwerbsbevölkerung sowie
das wirtschaftsfreundliche Klima erklären, warum Hersteller Vietnam als Standort für neue Investitionen bevorzugen.
Die derzeitige Attraktivität unter Investoren beruht ebenfalls auf der leichten
Beschleunigung des Liberalisierungsprozesses unter der neuen Regierung sowie
auf der offenen, handelsfreundlichen
Politik, die sich in diversen Freihandelsabkommen äußert.
Stärkung der makroökonomischen
Bedingungen
Die Verbesserung der makroökonomischen Bedingungen hat eine robuste Zahlungsbilanz zur Folge. Einerseits ist die
Leistungsbilanz dank dem raschen Anstieg der vietnamesischen Exporte in
etwa ausgeglichen. Da Vietnam ein Nettoimporteur von Brennstoffen ist, dürften
die anhaltend niedrigen Ölpreise dieses
positive Ergebnis dauerhaft stärken.
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Andererseits profitiert die Zahlungsbilanz
von einem permanenten Aufwärtstrend
der Direktinvestitionen: Die Nettozuflüsse
sind zwischen 2014 und 2016 um eindrucksvolle 60% gestiegen. Die mittel- bis
langfristigen Aussichten sind sowohl für
Exporte als auch für Direktinvestitionen
positiv.
In der Folge ist der Vietnamesische Dong
(VND) 2016 trotz des Umstiegs auf ein
flexibleres Wechselkurssystem weitgehend stabil geblieben. Der Wechselkurs
wird dabei täglich an einen Korb auslän­
discher Währungen angepasst und
schwankt um maximal 3% in einem Handelsband gegenüber dem US-Dollar. Auch
die finanziellen Rahmenbedingungen
sind für Verbraucher und Binnenkonjunktur günstig, da die niedrigen Ölpreise eine
moderate Inflation ermöglichen und
niedrigere Zinsen die Binnennachfrage
fördern. Dies ist für künftiges BIP-Wachstum von großer Bedeutung, da die Binnennachfrage parallel zu einem dominanten Exportsektor unaufhörlich steigt
(Waren- und Dienstleistungsexporte entsprechen nahezu 95% des BIP).
Trumps Protektionismus könnte
die Aussichten verdüstern
Trumps protektionistische Handelspolitik
stellt für die positiven Aussichten Vietnams ein Abwärtsrisiko dar, da die USA
der wichtigste Exportmarkt des Landes
sind. Der angekündigte Ausstieg der USA
aus dem TPP-Abkommen ist für Vietnam
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eine schlechte Nachricht, da Asien in
hohem Maße von dieser Partnerschaft
profitieren würde. Der mögliche Ersatz
der TPP durch das weniger ehrgeizige und
eher klassische Freihandelsabkommen
Chinas (RCEP) würde Vietnam immer noch
gewisse Fortschritte ermöglichen. Ein
größeres Risiko, das allerdings durch gute
bilaterale Beziehungen eingedämmt werden könnte, würde von höheren US-Einfuhrzöllen ausgehen. Diese könnten die
zweitwichtigste Exportbranche des Landes, den Textil- und Bekleidungssektor, in
Schieflage bringen, da die USA als größter
Exportpartner 50% aller Waren abnehmen.
Bislang wurde Vietnam von Kapitalrückführungen und Abwertungsdruck infolge
der Wahl Donald Trumps im November
2016 kaum getroffen. Ein von größerer
Volatilität und Unsicherheit geprägtes
internationales Umfeld, das zu Kapitalabflüssen aus Schwellenländern führt,
würde für Vietnam sicherlich nicht folgenlos bleiben, besonders wenn der Renminbi weiter an Wert verlöre. Die solide
Zahlungsbilanz, günstige Wirtschaftsaussichten und politische Stabilität könnten
dem Land jedoch helfen, dem externen
Druck standzuhalten. In diesem Kontext
wird eine adäquate makroökonomische
Politik seitens der Regierung von ausschlaggebender Bedeutung sein. Darüber
hinaus dürften die große Zahl bilateraler
Freihandelsabkommen, die Exporte und
die Direktinvestitionen in den Produktionssektor dem Land wichtige Impulse
verleihen und das erhebliche Wachstumspotential Vietnams damit weiter stärken.
ten von Staatsunternehmen und staatlichen Geschäftsbanken.
Anhaltende Risiken durch
­Bankensektor und schwache
­Haushaltslage
Der Bankensektor konnte sich dank der
starken Wirtschaftsleistung ein Stück weit
erholen, und die Situation hinsichtlich
notleidender Kredite hat sich verbessert.
Die Liquidität ist gestiegen, und mit dem
2013 begonnenen Verkauf eines kleinen
Anteils dieser notleidenden Kredite an die
vietnamesische „Bad Bank“ (VAMC) wurde
eine Bereinigung der Bankbilanzen eingeleitet. Darüber hinaus wurden Regulierung und Aufsicht gestärkt, mehrere
inländische Banken haben sich zusammengeschlossen, und ausländischen Banken wurde erlaubt, einige schwache vietnamesische Banken zu übernehmen.
Trotz der wirtschaftlichen Erholung werden die mittel- bis langfristigen Aussichten Vietnams nach wie vor von zwei
anhaltenden Schwächen getrübt: der stetigen Verschlechterung der Haushaltslage
sowie dem anfälligen Bankensektor. Die
Staatsverschuldung (einschließlich Garantien, die sich auf 12% des BIP belaufen) ist
auf einem hohen Niveau und dürfte 2016
bei 62% des BIP liegen, nachdem sie seit
2011 um 35% gestiegen ist. Die Ursachen
für diese Entwicklung sind Steuersenkungen, niedrigere Öleinnahmen und gestiegene Zinsaufwendungen (von 4,1% auf
9,3% der Einnahmen zwischen 2011 und
2016), die zu einem Haushaltsdefizit von
durchschnittlich 6,6% geführt haben.
Die zusätzliche Staatsverschuldung,
deren Aufwärtstrend zudem von Umstrukturierungskosten für Banken verschärft
wird, erfolgt vorwiegend in lokaler Währung, da der externe Anteil im betreffenden Zeitraum von 51% auf 36% zurückgegangen ist. Für die Zukunft wird eine Verlangsamung des Schuldenanstiegs
prognostiziert, doch dazu müssten der
Haushalt konsolidiert und das Defizit
schrittweise reduziert werden. Einen weiteren Unsicherheitsfaktor bilden schwer
einzuschätzende Eventualverbindlichkei-
„Die große Zahl bilateraler Freihandelsabkommen, die Exporte
und die Direktinvestitionen in den
Produktionssektor dürften dem
Land wichtige Impulse verleihen.“
Allerdings ist der Bestand an notleidenden Krediten nach wie vor hoch und wird
sogar deutlich höher als der offizielle Wert
von 2,6% eingeschätzt. Die unzureichend
ausgestattete VAMC ist nicht in der Lage,
eine schnelle Abwicklung zu gewährleisten, und trübt damit die wirtschaftlichen
Perspektiven. Hinzu kommt, dass für die
notwendige erhebliche Rekapitalisierung
nur begrenzte Mittel zur Verfügung stehen. Folglich muss Hanoi im Bankensek-
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tor mehr ausländisches Kapital anziehen
und hat mit dem jüngsten Beschluss, die
bei 30% liegende Obergrenze für ausländische Beteiligungen zu erhöhen, hierfür
bereits die Weichen gestellt. Auch hat der
etwas robustere Zustand der Banken seit
2015 eine schnellere Kreditexpansion
ermöglicht (insbesondere in der Finanzund Immobilienbranche). Dies wirft Fragen nach einer neuerlichen Gefahr finanzieller Instabilität auf: Das Verhältnis von
Kreditvolumen zu BIP wurde für 2016 auf
121% geschätzt und näherte sich damit
dem Niveau vor der Kreditklemme 2010
an. Folglich muss die Regierung bei der
Restrukturierung des Bankensektors die
folgenden Schwerpunkte setzen: Lösung
des Problems notleidender Kredite, Stärkung des Risikomanagements, adäquate
Eigenkapitalpuffer sowie Steigerung der
Transparenz.
Wirtschaftliche Umstrukturierung
verläuft schleppend
Unterdessen befindet sich der wirtschaftliche Transformationsprozess auf einem
guten Weg. Auch wenn der Staat unverändert dominanten Einfluss auf die Wirtschaft ausübt, wurde die Privatisierung
von Staatsunternehmen unter der neuen
Regierung leicht beschleunigt, nachdem
ausländische Investoren nunmehr größere Anteile an wichtigen Staatsunternehmen halten dürfen, die in vielfältigen
Bereichen wie z.B. Bankensektor, Telekommunikation, Lebensmittelbranche
oder Versicherungswesen tätig sind. Diese
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Entwicklung hat nicht nur positive Auswirkungen auf ausländische Direktinvestitionen und öffentliche Infrastrukturprogramme (die mit Privatisierungserlösen
finanziert werden), sondern auch auf
Staatsunternehmen. Letztere dürften
vom verbesserten Finanzmanagement
und der gesteigerten Rentabilität profitieren, zumal sie sich vor dem Hintergrund
der Freihandelsabkommen und der
ASEAN-Wirtschaftsgemeinschaft auf
wachsende ausländische Konkurrenz einstellen müssen.
Moderate Auslandsverschuldung,
unzulänglicher Liquiditätspuffer
Die Auslandsverschuldung ist in den vergangenen zwei Jahren in hohem Tempo
gestiegen: absolut gesehen um 26% und
um 17 Prozentpunkte im Verhältnis zum
BIP. Damit lag das Verhältnis Verschuldung zu BIP im Jahr 2016 bei 45%, was in
diesem Jahrhundert den Spitzenwert
markiert, aber im Vergleich zu anderen
Schwellenländern immer noch moderat
ist. Dieser Anstieg beruht hauptsächlich
auf Entwicklungen im Privatsektor vor
dem Hintergrund starken Kreditwachstums bei staatlichen Geschäftsbanken.
Gemäß aktuellen IWF-Prognosen sollte
sich die Auslandsverschuldung mittel- bis
langfristig auf diesem vertretbaren
Niveau stabilisieren. Die Schuldendienstverpflichtungen gegenüber dem Ausland
weisen mit 5% der Exporteinnahmen
einen niedrigen Stand auf und spiegeln
damit die moderate Auslandsverschul-
dung und die vergleichsweise längeren
Laufzeiten wider, die die mit dem starken
US-Dollar einhergehenden Rückzahlungsrisiken ausgleichen. Während Vorzugsfinanzierung internationaler Gläubiger vor einigen Jahren noch dominierte,
ist der Anteil der privaten Verschuldung
inzwischen angestiegen. Dies könnte
künftig zu höheren Refinanzierungskosten führen.
„Staatsunternehmen müssen
sich vor dem Hintergrund der
­Freihandelsabkommen und der
ASEAN-Wirtschaftsgemeinschaft
auf wachsende ausländische
­Konkurrenz einstellen.“
Die Währungsreserven befinden sich
nach einem starken Jahr 2016 auf einem
Rekordstand. Obwohl sie mehr als das
Doppelte der kurzfristigen Verschuldung
abdecken, liegt die Deckung der Importe
jedoch überwiegend (2007/2008 ausgenommen) unter der adäquaten Dreimonatsmarke (2,3 im vergangenen September). Dies ist unter anderem auf starke
Importe zurückzuführen (Warenimporte
mit Kapital aus Direktinvestitionen) sowie
auf die Aufwendung von Währungsreserven zur Verteidigung des Vietnamesischen Dong gegen Abwertungsdruck.
Es besteht die Möglichkeit, dass dieses
Risiko, das von einem Umfeld potentieller
Kapitalabflüsse und regionalen Wäh-
rungsverfalls weiter verschärft werden
könnte, mit einem etwas flexibleren Vietnamesischen Dong abnimmt. Gleichzeitig
macht der praktisch nicht vorhandene
Puffer an Devisenreserven das Land anfällig für Schwankungen der Anlegerstimmung. Daher wird Hanoi der Aufrechterhaltung des Anlegervertrauens künftig
hohe Priorität einräumen müssen.
Das mittel- bis langfristige politische
Risiko Vietnams (4/7) stuft Credendo
höher ein als das kurzfristige (3/7). Die
Aufrechterhaltung der makroökonomischen Stabilität wird künftig nicht nur
Fortschritte bei der Haushaltskonsolidierung erfordern, sondern auch von einer
Beschleunigung der laufenden Reform
des Bankensektors und der Staatsunternehmen abhängen. Die Anstrengungen
müssen über die 2016 beobachteten
leichten Verbesserungen hinausgehen.
Die Notwendigkeit dieser Reformen in
Verbindung mit Problemen wie Korruption und politischer Beeinflussung der
Justiz unterstreichen den unvollendeten
Transformationsprozess Vietnams und
erklären die Bewertung des wirtschaftlichen Risikos mit Kategorie C (bei möglicher Bewertung von A bis C).
Weitere Länderberichte und aktuelle Risikobewertungen finden Sie auf der neuen
Internetseite von Credendo, ehemals
­Credimundi, unter www.credendo.com.
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