Die US-Intervention

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Die US-Intervention
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger John F. Kennedy konnte es für US-Präsident Lyndon B.
Johnson keine Zweifel darüber geben, dass eine harte Haltung notwendig war. Johnson wollte
unbedingt verhindern, dass „Vietnam den gleichen Weg nimmt wie China“. Während die
Guerillas weitere Erfolge verbuchen konnten, machte sich der neue Machthaber in Saigon,
General Duong Van Minh, in Washington unbeliebt, weil er einen Kompromiss mit der FNL
anstrebte und von den US-Militärs mehr Zurückhaltung forderte. Im Januar 1964 wurde er
nach Zustimmung aus den USA von einer Gruppe Hardliner gestürzt. Auf seiner zweiten
Reise nach Saigon im März musste Verteidigungsminister Robert McNamara mittlerweile
erkennen, dass 40% des Staatsgebietes unter FNL-Kontrolle standen und die ARVN in einem
desolaten Zustand war. Vor der amerikanischen Öffentlichkeit zeigte sich McNamara dagegen
zuversichtlich. Dem Präsidenten empfahl er weitere materielle Unterstützung für den Süden,
teilte aber nicht die Forderungen der Stabschefs, Truppen zu entsenden und Luftangriffe zu
führen.
Johnson weitete die von Kennedy begonnenen Infiltrierungen des
US-Soldaten in
Nordens entschieden aus, entband die CIA von der Aufgabe und wies
Vietnam
sie dem Generalstab zu (OPLAN 34-A). Dabei führten kleine
31.12.1960 900
südvietnamesische Gruppen Anschläge und Sabotageakte im Innern
31.12.1961 3200
und an der Küste Nordvietnams durch. Während zwei dieser
Kommandounternehmen im Golf von Tonking Anfang August ihre
31.12.1962 11 500
Angriffe durchführten, kam es zum so genannten Tonking31.12.1963 16 300
Zwischenfall. Auf offener See war eine bedrohliche Situation
31.12.1964 23 300
zwischen der nordvietnamesischen Küstenwache und zwei
amerikanischen Kriegsschiffen entstanden, die die USA als
31.12.1965 184 300
unprovozierte Angriffe interpretierten. Tatsächlich waren die Berichte 31.12.1966 425 300
vor Ort vom US-Geheimdienst NSA entsprechend umgedeutet
worden. Vor dem Kongress leugnete McNamara eine amerikanische 31.12.1967 485 600
Verantwortung für die südvietnamesischen Attacken. Dies verschaffte 31.12.1968 536 100
Johnson eine breite Unterstützung für das Eingreifen in einen
31.12.1969 474 400
Bürgerkrieg, der in einem weit entfernten, der US-Öffentlichkeit
kaum bekannten Land stattfand. Am 7. August 1964 verabschiedete 31.12.1970 335 800
der US-Kongress eine gemeinsame Resolution, die so vage formuliert 31.6.1971 250 900
war, dass der Präsident daraus nahezu alle Kampfeinsätze ableiten
konnte. Aber noch zögerte Johnson, der auch große innenpolitische Ambitionen hatte, vor den
Neuwahlen im November mit weiteren Aktionen vorzupreschen.
Gegen Ende des Jahres war der Führung in Hanoi klar geworden, dass ihre Hoffnung, die
Krise des Saigoner Regimes würde den Verzicht der Amerikaner auf Südvietnam
herbeiführen, nicht eingetreten war. Der Tonking-Zwischenfall zeigte, dass sich eine direkte
Konfrontation nicht länger vermeiden ließ. So ging man daran, den 1960 fertig gestellten HồChí-Minh-Pfad weiter auszubauen, um der FNL mehr Unterstützung zukommen zu lassen.
Dabei kam ihnen die Hilfe der UdSSR zugute, die mit der Waffenlieferung der neuen
Atommacht China zusammenfiel. In Moskau war der um Ausgleich mit den USA bemühte
Chrustschow gestürzt worden. Außerdem wollte man gegenüber dem neuen Konkurrenten
China als „brüderlicher Helfer“ gegen „die Imperialisten“ nicht zurückstehen.
Anfang 1965 schien das Saigoner Regime sich allmählich aufzulösen. Als die FNL sich nicht
länger scheute, US-Basen zu attackieren, setzte sich in Washington die Fraktion durch, die
eine Bombardierung Nordvietnams für erforderlich hielt. So begann die Operation Rolling
Thunder, zunächst eine Bombardierung des Hồ-Chí-Minh-Pfads, dann eine sich immer weiter
erstreckende Luftoffensive gegen die Demokratische Republik Vietnam. Um die schwierige
Lage im Süden auszugleichen, sollte der Norden die militärische Macht der USA zu spüren
bekommen. Der amerikanischen Öffentlichkeit wurden Ausmaß und Bedeutung der Angriffe
verschwiegen. Am 8. März 1965 landeten, auf Drängen von William Westmoreland, dem
Oberkommandierenden in Vietnam, die ersten amerikanischen Kampftruppen in Đà Nẵng, um
den dortigen Stützpunkt zu schützen. Am Ende des Jahres sollten es schon 184.000 Soldaten
sein.
Das Phoenix-Programm
Schließlich initiierte die CIA das so genannte Phoenix-Programm, um der FNL die logistische
und taktische Grundlage für ihre Operationen zu entziehen. Von der US-amerikanischen und
südvietnamesischen Armee fortgeführt und weiter durch die CIA überwacht, sollte es sich als
ein zwiespältiges Unternehmen erweisen, dem nach US-amerikanischen Angaben bis 1969 ca
6.000, nach südvietnamesischen Quellen ca. 20.000 Menschen zum Opfer fielen und bei dem
es zu etlichen Menschenrechtsverletzungen kam. Einerseits versuchte man die sozialen
Dienstleistungen der Kommunisten zu ersetzen, andererseits nutzte das Militärregime unter
dem neuen „starken Mann" Präsident Nguyễn Văn Thiệu das Programm, nach dessen
Übernahme von den Amerikanern, um zusätzlich vermeintliche Oppositionelle zu ermorden.
Zudem veröffentlichte die südvietnamesische Regierung das zuvor streng geheime Programm,
was zu einer weiteren Verschärfung der innenpolitischen Debatte über den Vietnamkrieg in
den USA führte.
101st Airborne Division 1967 in Vietnam
Der Konflikt geriet immer mehr in den Mittelpunkt der innenpolitischen Diskussion in den
USA. Gegen Ende 1967 waren bereits 485.000 Soldaten in Südvietnam stationiert, ohne dass
ein durchschlagender Erfolg erzielt wurde. 16.000 Amerikaner waren mittlerweile gefallen.
Als in den USA die kritischen Fragen nach dem Sinn der Intervention immer lauter wurden,
musste der stets optimistische Westmoreland der beunruhigten Öffentlichkeit vor beiden
Häusern des Kongresses versichern, dass die Steigerung der Bodentruppen und die
Überlegenheit der Army schon bald den Sieg bringen werde.
Moderne Kriegführung
Der Krieg war durch einen asymmetrischen Charakter gekennzeichnet. Die technische und
materielle Überlegenheit lag zu jeder Zeit des Konflikts auf Seiten der Amerikaner. Der
Vietnamkrieg bot den durch den Kalten Krieg hochgerüsteten Vereinigten Staaten die
Gelegenheit, ihre neu entwickelten Waffen zu erproben und auch gegen sowjetisches
Kriegsgerät einzusetzen. Die USA verfeuerten dabei rund 15 Millionen Tonnen Sprengstoff,
mehr als doppelt so viel wie im Zweiten Weltkrieg und fünfmal so viel wie im Korea-Krieg.
Jagdbomber wie die F-4 Phantom sicherten die Lufthoheit, strategische Bomber wie die
Boeing B-52, die in Guam oder Okinawa aufstiegen, ermöglichten Flächenbombardements
des Dschungels. 1972 setzte die amerikanische Luftwaffe erstmals Präzisionsbomben mit
eingebauter Videokamera ein, die anhand des Videosignals in das Ziel ferngelenkt wurden, so
die AGM-62 Walleye. Bekannt wurde die Filmaufnahme einer eine Brücke anfliegenden
Gleitbombe.
Hubschraubereinsatz in Vietnam, 1966.
Ein CH-47-Chinook-Hubschrauber versorgt die Soldaten
Als wichtige Innovation gegenüber früheren Kriegen erwies sich der Einsatz von
Hubschraubern, der auf eine Entscheidung McNamaras zurückging. Auf dieser Grundlage
konnte die Hervorlockung der gegnerischen Verbände aus dem Dschungel durch die
Infanterie betrieben werden, da nach einem Feindkontakt die Möglichkeit bestand, die
eigenen Soldaten wieder auszufliegen bzw. immer neu auszuwechseln, und den
entscheidenden Schlag der Luftwaffe zu überlassen.
In Kampfsituationen neigten die unerfahrenen amerikanischen Soldaten oft dazu, ihre
kompletten Magazine im Dauerfeuer zu leeren, was u. a. zu einer Änderung des
Dauerfeuermodus in einen 3-Schuss-Modus in den nachfolgenden M16-Versionen führte.
70% der abgefeuerten Artilleriegeschosse wurden im Zuge des Search and Destroy ohnehin
in Situationen verbraucht, bei denen es zu gar keinen oder nur leichten Gefechten kam. So
wurde die Rechnung aufgemacht, dass pro getötetem Feind statistisch 50.000 Schuss benötigt
wurden.
Insbesondere der massive Gebrauch von Luft- und Artillerieunterstützung sowie die
amerikanische Doktrin der großen Feuerkraft auf mittlere Distanz, die eingeführt wurde, um
die eigenen Verluste möglichst klein zu halten, führten zu hohen Opferzahlen unter der
Zivilbevölkerung. Den amerikanischen Soldaten, denen die vietnamesische Kultur und
Sprache meistens fremd waren, fiel es außerdem schwer, zwischen Freund und Feind zu
unterscheiden, zumal die FNL die zivilen Strukturen als ständige Basis für ihre Logistik und
Strategie nutzte. Der großflächige Einsatz von Entlaubungsmitteln, wie z.B. Agent Orange,
führte zu Langzeitkontaminationen der Vegetation und der Bevölkerung, sei es durch direkte
Aufnahme der Gifte oder indirekt über die Nahrungskette; in der Folge kam es u.a. zu
vermehrten Krebserkrankungen. Im Ergebnis führte jede Militäraktion der US-Armee und des
Saigoner Regimes den Kommunisten weitere Anhänger unter der Landbevölkerung zu.
Boeing B-52 wirft Bomben ab
Die Oster-Offensive
Durch die Annäherung zwischen Peking und Washington aufgeschreckt, startete die
nordvietnamesische Führung im März 1972 eine neue Offensive. Wieder kam diese Aktion
für den Gegner überraschend; die NVA drang tief in den Süden vor und drohte das Land in
zwei Hälften zu schneiden. Als das Thiệu-Regime seine Truppen an den umkämpften
Gebieten konzentrierte, ging die wiedererstarkte FNL im Mekong-Delta und in der Region um
Saigon zum Angriff über.
Im Wahljahr zeigte Nixon sich nicht bereit, den bevorstehenden Verlust seines Verbündeten
hinzunehmen. Im Zuge von Operation Linebacker wurden die offen agierenden
kommunistischen Truppen massiv bombardiert, was diesmal deren Einsatzfähigkeit
zusammenbrechen ließ. Der Hafen Haiphong wurde im Mai vermint, der gesamte Norden
einer Seeblockade unterworfen. Weder die Sowjets noch die Chinesen zeigten eine ernst zu
nehmende Reaktion. Die überwiegende Mehrheit der Amerikaner war mit der Politik ihres
Präsidenten einverstanden. Bis Mitte des Jahres wurde die Offensive gebrochen. Mit 100.000
Toten hatte die NVA viermal so hohe Verluste erleiden müssen wie die ARVN. Der direkte
Vorstoß der Kommunisten war erneut gescheitert.
Diplomatie und Luftangriffe
Im Herbst des Jahres 1972 hatte Kissinger mit dem kommunistischen Spitzenpolitiker Lê Ðức
Thọ über Verhandlungen endlich eine vorläufige Übereinkunft erzielen können:
Weiterbestand des Thiệu-Regimes; Anerkennung der FNL sowie neutraler Personen als
politische Kraft und Zusammenarbeit in einem gemeinsamen Gremium, das allgemeine
Wahlen koordinieren sollte; vollständiger Abzug der US-Verbände und das Ende der Angriffe
auf Nordvietnam. Am 1. September 1972 waren nur noch 39.000 US-Soldaten in Südvietnam
stationiert.
Unterzeichnung des Friedensabkommen
Aber der misstrauische Thiệu, der von den Einzelheiten nur über seinen Geheimdienst erfuhr,
zeigte sich an einem Kompromiss nicht interessiert, worin er von Nixon auch weitgehend
bestärkt wurde. Kissinger versuchte dies mit demonstrativem Optimismus auszugleichen
(„der Frieden steht vor der Tür“), was den Erfolg seines Präsidenten bei den Wahlen
zusätzlich begünstigte. Um aber den Kommunisten zum Wohl des Saigoner Regimes weitere
Konzessionen abzutrotzen, setzten die USA Hanoi mit Operation Linebacker II unter Druck.
Die so genannten „Weihnachtsbombardements“ trafen im Dezember 1972 Haiphong und
Hanoi, töteten 2000 Zivilisten und fügten dem Ansehen der USA weiteren Schaden zu.
Letztlich wurden dadurch bloß Einzelheiten im Vertragstext geändert, während Thiệu sich
allein auf die brieflichen Zusagen Nixons verließ.
Am 27. Januar 1973 wurde in Paris das Friedensabkommen von allen beteiligten Parteien
unterzeichnet. Bis zum März verließen die letzten US-Soldaten das Land. Kissinger äußerte
die Einschätzung, dass das Saigoner Regime noch „anderthalb Jahre“ existieren würde.
Einsatz von Agent Orange im Mekong-Delta
Täter und Opfer
Der Vietnamkrieg wurde auf äußerst menschenverachtende, grausame und auch extrem
umweltschädigende Weise geführt. So setzten die USA das Herbizid Agent Orange ein,
welches als Entlaubungsmittel dem Vietcong die Deckung im Dschungel nehmen sollte.
Agent Orange war mit Dioxinen verunreinigt, die krebserregend wirken und das Erbgut
schädigen. Selbst Jahrzehnte später werden dadurch in Vietnam missgebildete Kinder
geboren. Weiterhin wurde auch das Gift Dimethylarsinsäure (Agent Blue) eingesetzt, um die
Reisernten zu vernichten.
Der Sozialistischen Republik Vietnam wurden hierfür weder Reparationen gezahlt, noch
wurden von Seiten der USA anderweitige Wiedergutmachungen geleistet. Stattdessen musste
Hanoi 1993 die Schulden des geschlagenen Saigoner Regimes auf sich nehmen, um die
Gewährung neuer Kredite und die Aufhebung des US-Embargos zu erreichen.
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