35/08 Missionssonntag Sonntag, 19. Oktober 2008 Alexander Widmer Thema: „…und lehret sie halten…“ Matth. 28,20 Liebe Brüder und Schwestern, Liebe Gäste, Der Predigttext des heutigen Gottesdienstes steht in Matthäus 28:20 und lautet: „... und lehret sie halten ...“ Es besteht ein kleines bisschen Resthoffnung für diejenigen, die nicht so sehr am Thema Mission interessiert sind, denn dieser Text hat allgemeine Gültigkeit. Er steht zwar in einem Abschnitt, den wir „Missionsbefehl“ nennen, doch er richtet sich an die gesamten damaligen Gläubigen – also die Jünger und ihr Umfeld – und ist somit ein Auftrag an die gesamte Gemeinde. Lassen wir also die Weltmission eine Hilfe sein, das Thema „Verkündigung und Lehre“ so zu betrachten, wie wir es hier in Korntal vielleicht nicht gewohnt sind, in der Hoffnung, alte Wahrheiten neu zu entdecken. Ungewohnt war schon die Schriftlesung. „Etwas lang“ hat Jürgen Kuberski gesagt, als ich sie ihm zugemailt habe. Dazu noch zwei Textstellen ... Die Erklärung dazu findet sich in unserem Hintergrund: Meine Frau Tanja und ich haben unsere geistliche Heimat in der Evangelisch-methodistischen Kirche. Dort sieht die Gottesdienstordnung zwei Schriftlesungen vor: aus dem AT und dem NT. Dadurch soll die Einheit der ganzen Heiligen Schrift betont und von der Gemeinde sichtbar bezeugt werden. Eine gute Tradition, wie ich finde. Ungewohnt ist der Predigttext – oder seine Länge: „Etwas kurz“, könnte man meinen. Nun, wir werden sehen, ob uns die Zeit reicht, für diesen kurzen Text. Ungewohnt ist die sonderbare Kleidung, mit der hier Prediger und Brüder vor Euch stehen. Als es in der Vorbereitung zum Gottesdienst darum ging, sagte einer: „Als Missionar hat man eh’ Narrenfreiheit!“ Ich bin zwar Missionar, doch als Narr würde ich mich nicht bezeichnen. Die Freiheit, die ich als Missionar an manchen Stellen habe, weiß ich allerdings durchaus zu schätzen. Missionare erleben, wie in verschiedenen Kulturen Christen Dinge unterschiedlich handhaben – oder eben auch nicht. Es wird einfacher sichtbar, was zentrale Inhalte der Verkündigung und was Äußerlichkeiten sind. 1. Der Rahmen der Verkündigung Äußerlichkeiten sind nicht so wichtig Einige dieser Äußerlichkeiten haben wir bereits erwähnt: Schriftlesung und Textlänge. Mit ein paar Bildern möchte ich Euch etwas von unserem Dienst unter Amazonasindianern weitergeben. Alles ebenfalls Äußerlichkeiten ... 1.) Wir befinden uns im Ort Mamayaque am Cenepa-Fluss. Ihr seht die Füße des Aguaruna-Indianers, der in der dortigen Gemeinde für die Schriftlesung verantwortlich ist. 2.) Hier seht Ihr meine Predigtschuhe, wenn ich im Stamm unterwegs bin. (es sind robuste Sportschuhe abgebildet, die am Baumstamm gelehnt, in der Sonne trocknen) 3.) Das hier ist der „Große Saal“ in Tampe, einem anderen Dorf bei den Aguaruna-Indianern. (Kirchengebäude, ohne Wände, Holzbauweise und mit Palmblättern gedeckt) 4.) Und hier das Spendenaufkommen in der dortigen Kinderkirche. (Eine Yuca- bzw. Manyokwurzel, Eier und ein Bund Kochbananen) 2 5.) Wie viel Kosmetik verträgt der Prediger? (Ein peruanischer Missionar trägt indianische Gesichtsbemalung beim Predigen) 6.) Wo sollte die Pastorenfortbildung zum Thema „Taufe“ stattfinden? (Eine Gruppe Laienpastoren steht am Ufer eines dreckbraunen Flusses) Die Frage nach dem Ort ist Nebensache: Die Schriftlesung aus Nehemia zeigt dies ganz deutlich, denn Esra liest das Gesetz auf dem Platz vor dem Wassertor vor. Ein Ort in Jerusalem, der weit weg vom Tempel liegt. Ein Ort, der vermutlich nichts mit besonderer Frömmigkeit zu tun hat. Fragen drängen sich auf: Steht es der Brüdergemeinde gut an, in der Stadthalle Gottesdienste abzuhalten? Wo nur darf die wöchentliche Bibelstunde stattfinden? ... John Wesley, der Begründer der methodistischen Bewegung, nahm das heilige Wort Gottes aus den „heiligen“ Räumen der anglikanischen Kirchengebäude und verkündigte es an den völlig „un-heiligen“ Orten der englischen Bergbau- und Industriearbeiter. Und da, wo es keinen Hügel oder andere Erhöhungen gab, da predigte er eben von seinem Pferd herab. Damit löste er eine der größten Erweckungsbewegungen des 18. und 19. Jahrhunderts aus. Wir können zusammenfassend festhalten: Die Beispiele aus der Bibel, der Kirchengeschichte und der Mission zeigen uns, dass Äußerlichkeiten nicht wirklich wichtig sind. Noch sind wir beim Rahmen der Verkündigung. Ein weiterer Punkt dazu ist die Zuhörerschaft: Wem gilt die Verkündigung? Noch einmal blicken wir auf Predigttext und Schriftlesung: Nehemia 8:2 „Und Esra, der Priester, brachte das Gesetz vor die Gemeinde, Männer und Frauen und alle, die es verstehen konnten, “ Es ist sicherlich keine neue Entdeckung, dass die Verkündigung allen gilt. Doch es hilft, sich das hin und wieder bewusst zu machen. An dieser Stelle danke ich allen Mitarbeitern, die in den verschiedenen Kreisen und Gruppen Verkündigung, also biblische Lehre vermitteln. Euer Dienst ist wichtig – nicht weniger wichtig als die Predigt am Sonntag im Gottesdienst. Ich denke an die Bibelstunde im Altenzentrum oder die Kinderkirche, die gerade parallel zum Gottesdienst stattfindet. Bibelarbeiten im Jugendkreis oder im Orientierungsjahr, Frauenstunden, ... und diejenigen, die ich gerade nicht genannt habe, bitte ich, mir nicht böse zu sein – auch Ihr gehört dazu! Wort Gottes will unter’s Volk, gehört unter’s Volk, muss unter’s Volk. Und es ist unsere Aufgabe, Formen, also Äußerlichkeiten, zu finden, die zur jeweiligen Gruppe möglichst gut passen. Der heutige Predigttext „... und lehret sie halten ...“ ist ein Auszug aus dem sog. Missionsbefehl. Hat sich Esra noch an Israel als die Gemeinde Gottes gewandt, so gilt der Auftrag zur Verkündigung heute, laut dem Missionsbefehl, der weltweiten Gemeinde aller Menschen, die an Jesus Christus glauben. Der Missionsbefehl hat die geografische Ausbreitung im Blick. Doch der Sinn ist derselbe: Menschen, die in einer festen Beziehung zum lebendigen Gott stehen, benötigen Verkündigung und Lehre. Dem Wort „... und lehret sie halten ...“ geht voraus, dass diese Menschen vorher bekehrt und getauft wurden. Wir können also auf die Frage, wem die Verkündigung gilt, sagen, dass sie für alle Christen bestimmt ist: Männer, Frauen, Kinder, Alte, Jugendliche, Migranten, Alteingesessene, ... Aber eben auch in der weltweiten Perspektive können wir sagen, dass sie allen gilt: Urwaldvölkern, Stadtmenschen, schriftlosen Völkern genauso wie Völkern, die namhafte Philosophen hervorgebracht haben. Und damit stehen wir heute vor einer herausfordernden Aufgabe: Das Wort Gottes, das ewig und beständig ist, braucht ein Gesicht, einen Weg, wie es für diese so verschiedenen Völker verständlich gelehrt werden kann. 3 Damit sind wir beim nächsten Hauptpunkt der Predigt angekommen: 2. Der Inhalt der Verkündigung ... ist verständlich Gottes Wort ist nicht am heiligsten, wenn es in der Luther- oder der Elberfelderübersetzung zu lesen ist. Auf dem Bild seht Ihr die ersten Verse des 2. Buches Mose – in Aguaruna. Aus der einfachsten spanischen Übersetzung (so ähnlich wie „Hoffnung für alle“ im Deutschen) haben Indianer mit geringer theologischer Bildung angefangen, das AT in ihre Sprache zu übersetzen. Bisher hatten sie nur die spanischen Bibeln. Wieder greife ich auf die Schriftlesung zurück und wir hören aus Nehemia 8:2,8 „Und Esra, der Priester, brachte das Gesetz vor die Gemeinde, Männer und Frauen und alle, die es verstehen konnten, ... Und sie legten das Buch des Gesetzes Gottes klar und verständlich aus, so dass man verstand, was gelesen worden war. ...“ Die Juden, die 80 Jahre lang in einer anderen Kultur gefangen gehalten wurden, verstehen ihre eigene Religion nicht mehr! Sitten und Bräuche, Wertvorstellungen, Sprache, ... alles hatte sich verändert. Eine reine Übersetzung aus dem Hebräischen ins jetzt gesprochene Aramäische ist da nicht ausreichend – es muss erklärt werden! Elberfelder übersetzt diesen Vers mit: „gaben den Sinn an, so dass man das Vorgelesene verstehen konnte.“ In der bekannten spanischen Reina Valera Übersetzung steht: „y explicaban su sentido“ (= erklärten seine Bedeutung) Verkündigung und Lehre heißt, dass Gottes Wort erklärt, ausgelegt sein will. Wenn der Hörer nicht versteht, was gemeint ist, dann hat die Predigt, Andacht, Vorlesung, Bibelarbeit, ... sein Ziel verfehlt. Der Inhalt der Verkündigung ... … erwartet eine Veränderung beim Hörer Jetzt sind wir in unserem Predigttext beim letzten Wort angekommen. Bis hierher ging es um die Worte „... und lehret sie ...“. Wir konnten beobachten, dass es nicht um Äußerlichkeiten geht und dass die gesamte Gemeinde von Jung bis Alt angesprochen werden soll. Verständlich soll Verkündigung sein, dazu gehört, dass das Wort angemessen erklärt werden muss. Diese Aspekte beinhaltet das Wort „... und lehret sie ...“ und es gibt noch weitaus mehr Aspekte, auf die wir heute nicht eingehen werden. Wir kommen zum „... halten ...“. Als Ganzes: „... und lehret sie halten ...“. Im Missionsbefehl fasst Jesus im Zeitraffer die Entwicklung eines Glaubenslebens zusammen. Bekehrung, Taufe und Nachfolge. Vielleicht würden einige anstatt Nachfolge lieber Jüngerschaft oder Heiligung sagen. Jedenfalls geht es um einen Prozess im Leben, der Veränderung nach sich zieht: Lebensgewohnheiten, die mit Gottes Wort nicht in Einklang stehen, werden verändert und Schritt für Schritt werden wir dem Idealbild ähnlicher, das wir in der Bibel sehen und das von Jesus vorgelebt und gelehrt worden war. Genauso geht es darum, die Veränderung zu festigen, Beständigkeit im gelebten Glauben zu bewahren. Es gibt Leute, die sagen, dass man Glauben braucht, um sich für ein Leben mit Jesus zu entscheiden, also, um sich zu bekehren. Das sehe ich genauso! Aber wir benötigen den Glauben nicht nur in diesem Moment, sondern Tag für Tag in unserem Leben als Christen. Nur aus dem Glauben können wir leben, der Glaube bewahrt uns davor, anderen Idealen und Wertmaßstäben zu folgen und biblische Maßstäbe aufzugeben. Dieser Glaube kommt aus der Verkündigung. Unsere Schriftlesung aus dem Neuen Testament sagt ganz klar: „So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi“ (Römer 10,17). In der Elberfelder Übersetzung wird das Wort „Predigt“ durch das Wort „Verkündigung“ ersetzt. 4 Der Inhalt der Verkündigung erwartet eine Veränderung beim Hörer und verhilft diesem, diese Veränderung auch zu bewahren. Ihr, die Ihr Predigten, Andachten und Bibelarbeiten haltet: Verändert Euer Dienst die Menschen, zu denen Ihr sprecht? Ihr, die Ihr zuhört – oder zuhören solltet – kommt Ihr mit der Bereitschaft, Euch verändern zu lassen? Ich möchte Euch Luis vorstellen, (Ein Bild von Luis erscheint) einen Indianer vom Stamm der Matsigenka. Zum Abschluss des Semesters kam Luis zu mir – ich hatte die Studentenkasse verwaltet – und bat mich, von all seinen Einnahmen den Zehnten als Spende einzubehalten. Für einen Indianer, der sonst nicht häufig die Möglichkeit zum Geldverdienen hat war das eine ungeheure Entscheidung! Das Wort Gottes in Predigt, Unterricht und Eigenstudium hatte diesen Mann verändert. Das Wort Gottes kommt nicht leer zurück weil Luis bereit war, sich an das zu halten, was er gehört hat. Liebe Brüder und Schwestern, Luis ist gesegnet, weil er hält, was er gehört hat. Aber alle, die ihn gelehrt haben sind durch seinen Gehorsam ebenfalls gesegnet. Schieben wir solche Erlebnisse nicht einfach weit von uns, etwa in den peruanischen Urwald! Der Auftrag zur Verkündigung mit der Erwartung, dass Veränderung geschieht, ist nicht auf die Mission beschränkt! Der Auftrag zur Verkündigung ist nicht auf ein paar Hauptamtliche beschränkt. Er gilt allen Gläubigen. Nur so ist das Priestertum aller Gläubigen in 1. Petrus 2,9 zu verstehen. Wenn auf dem Missionsfeld dann Menschen eine komplette Kehrtwende in ihrem Leben machen – Zauberei, Kriminalität, Gewaltbereitschaft und andere Boshaftigkeiten plötzlich bleiben lassen – dann sind wir schwer beeindruckt von dem Zeugnis eines solchen Lebens, das grundlegend verändert wurde. Wir brauchen Menschen, die aufs Missionsfeld gehen um Gottes Wort zu verkündigen und zu lehren und um solche Veränderung zu erwarten!! Lässt Du Dich zur Verkündigung rufen? Genauso braucht die Gemeinde Menschen, die dasselbe hier zu Hause tun, und Hörer, die bereit sind, sich verändern zu lassen! Lässt Du Dich zur Veränderung rufen? Amen. Herausgeber: Evang. Brüdergemeinde Korntal, Saalstr. 6, 70825 Korntal-Münchingen Tel.: 07 11 / 83 98 78 - 0, Fax: 07 11 / 83 98 78 – 90; e-Mail: [email protected] Die Korntaler Predigten können Sie im Internet über www.Bruedergemeinde-Korntal.de als .doc oder .mp3 abrufen.