Thomas Candrian Zusammenfassung Der Nationalsozialismus 1925 - 1939 Geschichte 13.05.2016 D:\75884716.doc Thomas Candrian Inhalt INHALT 2 ZEITTAFEL 3 GOLDENEN ZWANZIGER 4 1918 bis 1923 4 Besserungen ab 1924 4 Die Goldenen Zwanziger Gesellschaftliche Umwälzungen Ursachen und Wirkungen 4 5 5 Die langsame Destabilisierung 6 DIE WELTWIRTSCHAFTSKRISE 8 Ursachen 8 Produktion 9 Arbeitsmarktsituation 9 Maßnahmen zur Überwindung und Auswirkungen in Deutschland DER AUFSTIEG DES NATIONALSOZIALISMUS NSDAP: Entstehungszeit 1920-1929 HITLER KOMMT ZUR MACHT 10 12 13 16 Gleichschaltung und Rassismus 17 Rechtspolitik 18 Wirtschaftspolitik 19 Sozialpolitik 19 Frauen- und Familienpolitik 20 Religionspolitik 20 Forschung und Medizin 21 Kulturpolitik 21 Organisation des Militärs 21 Außen- und Rüstungspolitik 22 KRIEGSZEIT 24 Widerstand gegen den Nationalsozialismus 25 Judenvernichtung 26 QUELLEN / LITERATUR 28 Seite 2 Thomas Candrian Zeittafel 1918 1919-1923 1924 1925 1926 1928 1929 1930-1932 1932 1933 1933 1934 1935 1938 1939 1942 Ende des 1. Weltkrieges Es Herrscht Hunger, Arbeitslosigkeit, Hyperflation, Spanische Grippe Langsame Entspannung Schnelle Entwicklung der Wirtschaft, aber immer noch hohe Arbeitslogiskeit. Viel Fremdkapital fliesst aus der USA zu, schleichende Verschuldung Trotz guter Wirtschaftslage immer noch hohe Arbeitslosigkeit Anzeichen einer Rezession, Geldgeber fordern Schulden zurück, Krise am Aktienmarkt pflanzt sich überall fort Weitere Verschlechterung der Wirtschaftssituation, zuletzt über 35% Arbeitslosigkeit NSDAP tritt mit massivem Finanzprogramm zur Wahl und gewinnt 37% der Stimmen Ernennung Hitlers zum Führer, Ziel: Gleichschaltung aller Bürger Schuldenbereinigungsgesetz (Schuldnerschutz größer als Gläubigerschutz) Einführung des 1. Mai als Tag der Arbeit (gesetzlicher Feiertag) Steuerreform und Verdopplung der Urlaubstage Massiver Reformen, Aussetzung der Versailler Verträge Anschluss Österreichs zum Grossdeutschen Reich April: Albanien wird von Italien annektiert. 1. September: Deutschland greift Polen an, Beginn des 2. Weltkrieges. Sich abzeichnende Wende im Kriegsgeschehen Seite 3 Thomas Candrian Goldenen Zwanziger 1918 bis 1923 Das Ende des Ersten Weltkriegs durch den Versailler Vertrag hatte für das zivile Deutschland tiefreichende Erschütterungen gebracht: Hungersnot, Arbeitslosigkeit, Bettelei als einzige Existenzsicherung für verkrüppelte Heimkehrer aus dem ersten industrialisierten Krieg ohne heutige medizinische Möglichkeiten (Prothetik, Antibiotika, Schmerzmittel), mit 14% die höchste Säuglingssterblichkeit in Europa, Rachitis-Epidemien durch Vitaminmangel und Attentate auf führende Politiker wie Matthias Erzberger und Walther Rathenau, hervorgerufen durch Hasspredigten, prägten das politische Klima am Anfang der Zwanziger Jahre in Deutschland. Benito Mussolini riss mit dem Marsch auf Rom 1922 die Macht in Italien an sich. Eine zunehmende Inflation, die sich zu einer Hyperinflation im Jahr 1923 steigerte, Putschversuche wie der Kapp-Lüttwitz- und Hitler-Ludendorff-Putsch und nachfolgende Niederschlagungen von Massenstreiks. Besserungen ab 1924 Die Einführung der Rentenmark stoppte die Hyperinflation und auch der Versailler Vertrag konnte durch Dawes-Plan und Young-Plan den Möglichkeiten der deutschen Wirtschaft teilweise angepasst werden. Bald setzte eine Phase wirtschaftlicher Aufwärtsentwicklung und politischer Beruhigung ein. Die politischen Spannungen zwischen Deutschland und Frankreich konnten durch die Verträge von Locarno erheblich gemildert werden. Der überraschende Rapallo-Vertrag mit Sowjetrussland von 1922 hatte Deutschland zurück in die Weltpolitik gebracht. Der Vertrag normalisierte die Beziehungen der beiden Staaten, die mit ihm ihre internationale Isolation durchbrechen wollten, und sollte die Verhandlungsposition des Deutschen Reiches gegenüber den Westmächten stärken. Mit dem Deutschen Reich und dem kommunistischen Russland schlossen sich zwei Geächtete der damaligen internationalen Politik zusammen. Der Vertrag hatte hauptsächlich den Inhalt, dass das Deutsche Reich und Russland ihre durch den Krieg und die russische Revolution unterbrochenen diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen wieder aufnahmen. Des Weiteren verzichteten beide Staaten auf Reparationen für Kriegsschäden, das Deutsche Reich zudem auf Entschädigungen für im Zuge der Revolution verstaatlichten ehemals deutschen Besitz. Der Beitritt Deutschlands in den Völkerbund 1926 trug ebenfalls zur politischen Beruhigung bei. In diesem Zeitraum entstand eine allgemeine Entspannungsphase auf den politischen, aber auch wirtschaftlichen Ebenen. Dieses Phänomen ging von den USA aus, wirkte sich jedoch schon nach kurzer Zeit auch positiv auf Deutschland, Frankreich und England aus. Die Goldenen Zwanziger Trotz aller Spannungen und Konflikte, die die junge Republik zu meistern hatte, schien die Demokratie zunehmend erfolgreich. Die Neuordnung der Währung und die im Gefolge des Dawes-Plans ins Land strömenden US-amerikanischen Kredite leiteten eine Phase relativer wirtschaftlicher und politischer Stabilisierung ein, die so genannten Goldenen 20er Jahre. Dazu trug bei, dass Stresemann unter wechselnden Regierungen Außenminister blieb und mit seinem französischen Kollegen Aristide Briand eine erste noch vorsichtige Politik der Seite 4 Thomas Candrian Annäherung einleitete. Gleichzeitig versuchte er, schrittweise eine Revision des Versailler Vertrages zu erreichen und Deutschland wieder als gleichberechtigten Partner in die internationale Gemeinschaft zurück zu führen. Die Aufnahme in den Völkerbund und die Verträge von Locarno sind als erste Erfolge auf diesem Wege anzusehen. Mit dem Berliner Vertrag, der ein deutsch-sowjetisches Freundschafts- und Neutralitätsbündnis darstellte, versuchte der Reichsaußenminister Befürchtungen über eine einseitige deutsche Westbindung entgegenzuwirken. Solche Sorgen hatte es in der Sowjetunion, aber auch in Deutschland selbst gegeben. Gesellschaftliche Umwälzungen Durch den seit dem Krieg herrschenden Frauenüberschuss eroberten sich Frauen neue Berufsfelder. Das Schlagwort die neue Frau wurde für konservativ Eingestellte zum Schimpfwort. In dieses Bild ordneten viele auch die sinkende Geburtenrate ein. Frauen rauchten erstmals. Die Kunstrichtung der goldenen Zwanziger bezeichnete man auch als "Neue Sachlichkeit". Sie entstand aus der Erfahrung des ersten Weltkrieges und des sich anschließenden gesellschaftlichen Wandels. Viele Künstler zeigten sich engagiert und politisch interessiert. Die Kunst befreite sich ein weiteres Stück aus akademischen Zwängen. Sport wurde zum Vergnügen der Massen. Propagandistisch begleitet von Zeitungskönigen wie August Scherl und den Brüdern Ullstein wurden Flugtage ein Renner. Ruderregatten, AVUSAutorennen auf der ersten zweibahnigen Automobilstrecke Deutschlands mit steilster Nordkurve, Turnfeste und Sechstagerennen im Sportpalast zogen mehr Menschen an, als alle anderen Veranstaltungen vorher. Carl Diem veranstaltete große Sportfeste. Das Rhönrad wurde erfunden und eine neue, unerhörte Nacktkultur überzeugte mit ihrem Motto Licht und Luft nicht jeden. Boxen und Radsport wurden populäre Sportarten. Ein bekannter Boxer zu dieser Zeit war z.B. Max Schmeling. Ursachen und Wirkungen Im weiteren Sinne veranschaulicht der Begriff Goldene Zwanziger Jahre den wirtschaftlichen Aufschwung der weltweiten Konjunktur, er bezeichnet vor allem die Blütezeit der deutschen Kunst, Kultur und Wissenschaft. Beteiligt am Aufschwung der Konjunktur sind ebenfalls die hohen Kredite, die Deutschland damals aus dem Ausland, besonders aus den USA, erhielt. Deshalb wird unter anderem von einer Scheinblüte gesprochen, da diese Schulden irgendwann zurückgezahlt werden mussten. Nach dem ersten Weltkrieg begrüßten sich Berliner häufig mit der Frage: Bist Du auch ein Zwanziger?, womit man die Gemeinsamkeit der Altersgruppe der um 1900 Geborenen unterstreichen wollte. Weitere Stationen auf dem Weg der Aussöhnung mit den ehemaligen Kriegsgegnern bildeten die Unterzeichnung des Briand-Kellogg-Pakts, der die Ächtung des Kriegs als Instrument der Politik zum Inhalt hatte, und – trotz erheblicher Widerstände von rechter Seite, die in einem Volksbegehren mündeten – die Annahme des Young-Plans, der eine endgültige Regelung der Reparationsfrage darstellte und Voraussetzung für die vorzeitige Räumung des Rheinlands von alliierter Besatzung war. Auch der Abschluss von Wirtschaftsverträgen mit Ungarn, Rumänien und Bulgarien im Jahr 1927 stärkte das Ansehen der Weimarer Republik im Ausland. Innenpolitisch gelang es, die republikfeindliche Deutschnationale Volkspartei (DNVP) in die Regierungsverantwortung einzubinden. Bei der Reichstagswahl im Dezember 1924 erhielten die völkischen Parteien mit 0,9 Millionen Stimmen eine Million Stimmen weniger als noch im Mai. Auch die Wahl des greisen Generalfeldmarschalls Paul von Hindenburg 1925 zum Reichspräsidenten, der sich vor Seite 5 Thomas Candrian der Wahl angeblich die Zustimmung Wilhelms II. holte, wirkte sich anfangs eher stabilisierend für die Demokratie aus. Die langsame Destabilisierung Zu einer heftigen Auseinandersetzung kam es 1925 und 1926 um die Behandlung des Vermögens der früher regierenden Fürstenhäuser. Dieses Vermögen war bei der Revolution beschlagnahmt, aber nicht enteignet worden. Es kam zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, bei denen die noch monarchistische Justiz eher auf Seiten der Fürstenhäuser stand. Die DDP brachte daraufhin im Reichstag einen Gesetzentwurf ein, der den einzelnen Ländern die Regelung der Auseinandersetzungen unter Ausschluss des Rechtsweges gestattet hätte. Die KPD machte daraufhin das erste Mal in der Weimarer Republik von der Möglichkeit Gebrauch, ein Gesetz durch Volksbegehren und Volksentscheid zu erreichen, die SPD schloss sich ihr an. Da der Reichstag den Gesetzesentwurf ablehnte, kam es zu einem Volksentscheid, bei dem die Mehrheit der Stimmberechtigten benötigt wurde. Bei dem Entscheid scheiterte der Entwurf, da er nur von 36,4% der Stimmberechtigten (14,46 Mio. Stimmen, Hindenburg hatte bei seiner Wahl 14,66 Mio. Stimmen erhalten) unterstützt wurde, allerdings hatten auch nur 1,5% der Wähler mit Nein gestimmt. Ein Problem bei der Abstimmung war der Aufruf der rechten Parteien zum Wahlboykott, so dass die Wahl nicht mehr geheim war, da man bei einer Stimmabgabe von einer Unterstützung des Vorschlags ausgehen konnte. Aus diesem Grund nahmen, vor allem im ländlichen Raum, Stimmberechtigte aus Furcht nicht am Volksentscheid teil. Der Volksentscheid führte zu einer Beteiligung großer Bevölkerungsteile an einer wichtigen Entscheidung, aber war auch eine Misstrauenserklärung an das parlamentarische System und destabilisierte dieses. Insgesamt waren auch diese Jahre nur eine Phase der relativen, nicht der absoluten Stabilisierung. Auch in diesen Jahren besaßen nur zwei Regierungen eine Mehrheit im Parlament, und die Koalitionen mit Mehrheit waren immer in der Gefahr zu zerbrechen, keine Regierung überstand eine komplette Legislaturperiode. Ein weiteres Zeichen für die noch vorhandene Instabilität ist auch, dass weiterhin teilweise mit Hilfe eines Ermächtigungsgesetzes regiert wurde. Die Parteien fühlten sich weniger dem Allgemeinwohl als vielmehr ihrer Klientel oder dem eigenen Erfolg verpflichtet. Auch die Weichen für die Wirtschaftskrise wurden in diesen Jahren gelegt, da es im Außenhandel ein Ungleichgewicht gab, welches durch kurzfristige Auslandkredite ausgeglichen wurde. Die Reparationszahlungen konnten nicht allein aus Steuergeldern finanziert werden, so dass die Kredite zunehmend nicht nur für den Aufschwung sondern auch für die zu leistenden Zahlungen verwendet werden mussten. Als diese Kredite abgezogen wurden kam es zum Zusammenbruch der Wirtschaft. Zudem konnten die Arbeitslosenzahlen im Reich nie unter eine Million gesenkt werden, was vor Allem rechtsradikale Gruppierungen durch Propaganda gegen Arbeitslosigkeit und Schulden für sich zu nutzen versuchten. Trotz dieser eigentlich guten Voraussetzung scheiterte die Absicherung des republikanischen Staates durch fehlende Unterstützung breiter Bevölkerungsschichten. Hunger und Elend der letzten Kriegsjahre und die Finanzskandale von 1923 und 1929 schürten das Misstrauen zur Weimarer Republik in weiten Teilen der Bevölkerung. Der von Otto Braun fast das ganze Jahrzehnt regierte Teilstaat Preußen blieb zwar ein Hort der politischen Stabilität, dies reichte jedoch schließlich nicht aus, wie mit dem Preußenschlag sichtbar wurde. Seite 6 Thomas Candrian Beendet wurden die "Goldenen Zwanziger" von der Weltwirtschaftskrise 1929, ausgehend vom Börsenkrach am Schwarzen Donnerstag der Wallstreet in New York. Soziale Spannungen brachen wieder auf und resultierten im Zeichen politischer Radikalisierung und von den Eliten unabgefedert zum Aufstieg des Nationalsozialismus. Seite 7 Thomas Candrian Die Weltwirtschaftskrise Auf Grund der Überproduktion von Konsumgütern und landwirtschaftlichen Produkten übertraf das Angebot die Nachfrage, was zu einem Produktionsstillstand in einigen Unternehmen führte. Eine Depression war die Folge. Viele Unternehmen meldeten Konkurs an und entließen ihre Arbeiter. Die sogenannten „Goldenen zwanziger Jahre“ in Europa wurden hauptsächlich über kurzfristige Kredite in Milliardenhöhe finanziert. Diese forderten die USA beim Einbruch der dortigen Volkswirtschaft zurück, da die Banken zahlungsunfähig waren. Viele Bürger hatten sich zur Zeit des Aufschwungs mit Aktien an der guten wirtschaftlichen Lage beteiligen wollen. Der Verkauf von über 16 Millionen Aktien am 24. Oktober 1929, dem Schwarzen Donnerstag, ließ den Amerikanischen Aktienmarkt zusammenbrechen. Dies führte zu einer Umkehr der Finanzströme. Gelder, die in den Jahren davor in andere Volkswirtschaften investiert worden waren, wurden überstürzt abgezogen. In vielen europäischen Staaten und in anderen Staaten der Welt löste dieser Kreditabzug schwerste wirtschaftliche Krisenerscheinungen aus. In den einzelnen Staaten wurde unterschiedlich auf die Herausforderung reagiert: Ausgehend von den skandinavischen Ländern, insbesondere Schweden, begannen die funktionierenden Demokratien mit dem Übergang zum Wohlfahrtsstaat, um in das Marktgeschehen einzugreifen. Zaghafte Reformansätze des US-Präsidenten Hoover wurden ab 1933 als New Deal von seinem Nachfolger Franklin D. Roosevelt verstärkt, so auch durch wachstumsfördernde öffentliche Investitionen, die durch vermehrte Schuldenaufnahme (Deficit spending) finanziert wurden. Viele Staaten wie Großbritannien koppelten ihre Währungen vom Golddevisenstandard ab und konnten so wenigstens ihre Währungsreserven erhalten. Das Deutsche Reich unter Reichskanzler Heinrich Brüning versuchte dagegen durch Stärkung seiner Währung, einhergehend mit rapidem Sozialabbau, aus der Krise zu kommen. Dies trug zu einer Radikalisierung der Politik bei, die den Aufstieg des Nationalsozialismus begünstigte. Ursachen Die Weltwirtschaftskrise kann auf mehrere Ursachen zurückgeführt werden. Die Krise ging von einem weltweiten Preisverfall auf den Agrar- und Rohstoffmärkten aus. Im Ersten Weltkrieg hatten die USA, Südamerika und auch einige Kolonien ihre Produktion stark ausgeweitet, um die gewachsene Nachfrage der europäischen Staaten, die als Produzenten kriegsbedingt weitgehend ausfielen, zu befriedigen. Als Europa seine Produktion nach 1918 dann wieder aufnahm, kam es zu einem Überangebot, das zu deutlich fallenden Preisen führte. Seite 8 Thomas Candrian Der Börsenkrach an der New Yorker Börse vom Oktober 1929 hatte eine ähnliche Wirkung. Er war die Folge von Überproduktion und kreditfinanzierter Massenspekulation. Nach dem Ersten Weltkrieg hatten die USA ihre Produktionskapazitäten – vor allem bezüglich der neuen Konsumgüter wie Automobile, Kühlschränke, Fotoapparate – massiv ausgebaut, um den aus dem Nichts entstandenen landesweiten Bedarf decken zu können. Als der Markt gegen Ende der zwanziger Jahre zunehmend gesättigt war, stand die Industrie vor einem Abgrund. Gleichzeitig mit dem industriellen Aufschwung hatte sich ein Spekulationsfieber ausgebreitet, das auch die nicht traditionell mit der Börse in Verbindung stehenden Gesellschaftsschichten erfasste. Um Aktien kaufen zu können, von deren baldigem dramatischem Kursgewinn sie überzeugt waren, nahmen viele Menschen kurzfristige Kredite auf, teilweise zu horrenden Zinssätzen. Sobald sich an der Börse die ersten Anzeichen eines Abschwungs regten, stießen viele Spekulanten, um sich vor dem Schlimmsten zu retten, ihre Wertpapiere ab, was den Verfall der Kurse noch weiter beschleunigte. Zwar wird der 25. Oktober 1929 als Schwarzer Freitag bezeichnet, die stärksten Rückgänge des New Yorker Dow Jones Index wurden allerdings am 24. Oktober um 12,8 Prozent und am 29. Oktober um noch einmal 11,7 Prozent festgestellt. Die These, dass die deutschen Reparationszahlungen eine Ursache der Weltwirtschaftskrise waren, da sie als Zahlungen ohne Gegenwert zu verwirrenden Zinsgefällen beitrugen, wird von den Wirtschaftshistorikern nicht einhellig geteilt. Der britische Ökonom John Maynard Keynes hatte hingegen bereits nach Bekanntwerden der Bedingungen des Friedensvertrages von Versailles vor erheblichen negativen Folgen für die Gesamtwirtschaft gewarnt. Produktion In Deutschland war 1929 bereits ein Schrumpfen der Wirtschaft von 2 % zu verzeichnen. Also war die Wirtschaftskrise auch in der Produktion nicht der Auslöser für den Abwärtstrend, denn diese Entwicklung hatte bereits vorher eingesetzt. Bis Mitte 1929 kann man nur von einer Stagnation der Produktion sprechen, die aber mit einer steigenden Arbeitslosigkeit einherging. Zu Beginn der Krise erfolgte in der Agrarproduktion auch anfangs kein Abwärtstrend. Im Gegenteil, ab 1931 wurde die Produktion von Nahrungsmitteln sogar ausgeweitet, um einen Ausgleich zu den Einkommensverlusten, die durch Preisrückstände entstanden waren, zu schaffen. Arbeitsmarktsituation Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland schien sich bis 1930 nicht von den Jahren zuvor zu unterscheiden. Die Zahl der Arbeitslosen lag 1927 unter 5 %; Ende September 1929 gab es 1,4 Millionen Arbeitslose, im Februar 1930 waren es 3,5 Millionen, was auf jahreszeitliche Schwankungen zurückgeführt wurde. Als diese Zahl wider Erwarten im Frühjahr 1930 nicht zurückging, hofften Reichsregierung und die Reichsbank noch lange auf eine Selbstheilung der Wirtschaft, obwohl die Arbeitslosenzahl schon Ende des Jahres mit 5 Millionen Arbeitslosen im weltweiten Vergleich auf höchstem Niveau stand. Erst als sich der geringe Rückgang Mitte 1931 nicht fortsetzte, wurde man sich der extremen Entwicklung der Krise vollends bewusst. Zu dieser Zeit lief Brünings Sparprogramm bereits auf vollen Touren. Die öffentlichen Gehälter wurden um 25 % vermindert und die Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe wurden stark gekürzt. Im Februar 1932 erreichte die Krise auf dem Arbeitsmarkt ihren Höhepunkt: Es standen 6.120.000 Arbeitslose, also 16,3 % der Gesamtbevölkerung, nur 12 Mio. Beschäftigten gegenüber. Zu den Arbeitslosen könnte man auch noch die große Masse der schlecht bezahlten Kurzarbeiter und Angestellten zählen, aber auch die kurz vor dem Ruin stehenden Kleinunternehmer. Seite 9 Thomas Candrian Ganz anders die Situation in Japan. Die japanische Volkswirtschaft stieg von 1929 bis 1933 um sechs Prozent, obwohl auch Japan um 1930 eine ernste Rezession hatte, die aber rasch bewältigt wurde. Arbeitslosigkeit und soziale Verwerfungen wie in den USA und Deutschland traten in Japan nicht ein. Maßnahmen zur Überwindung und Auswirkungen in Deutschland Unmittelbar nach der Reichstagswahl 1930 wuchsen die Kreditabzüge in schwindelerregende Höhen. Dies beruhte hauptsächlich auf zwei Gründen, einem außen- und einem innenpolitischen. Erstens wurde die NSDAP zweitstärkste Partei, und von dieser politischen Entwicklung war man im Ausland beunruhigt. Die Reichsregierung ihrerseits betrachtete die Wirtschaftskrise als ein Ungleichgewicht des Staatshaushaltes. Das Defizit betrug Ende 1929 1,5 Milliarden RM. Die Reichsbank schritt aber erst ein, als die Deckung der Gold- und Devisenreserven des Geldumlaufs durch den Transfer der gekündigten Auslandskredite unter die gesetzlich festgelegte 40-Prozent-Grenze fiel, doch die Erhöhungen des Leitzinses verschärften die Krise noch. Gleichfalls krisenverschärfend wirkten die Maßnahmen, die Reichskanzler Heinrich Brüning ergriff. Brüning hatte immer versucht, der Bevölkerung die Ursachen der Wirtschaftskrise und sein Konzept zur Abhilfe klarzumachen. Er erklärte, dass die getroffenen Regierungsentscheidungen zu einer Wiedergenesung der deutschen Wirtschaft führen würden, aber nur, wenn die Bevölkerung die sich daraus ergebenen Härten mit Geduld ertrüge. Er hoffte, seine Deflationspolitik würde den Export wiederbeleben und so genügend Devisenreserven für die Reparationszahlungen erwirtschaften. Außerdem wollte er so mehr Arbeitsplätze in der Industrie schaffen. Mit Hilfe von Notverordnungen versuchte er die öffentlichen Ausgaben und vor allem den Staatsetat den sinkenden Preisen und fallenden Steuereinnahmen anzupassen – ein Rennen, das er nicht gewinnen konnte, weil seine Maßnahmen dazu beitrugen, dass Preise und Steuereinnahmen immer weiter sanken. Auf Grund der im Rückblick offenkundigen Verfehltheit von Brünings Deflationspolitik vermutete die ältere Forschung, es sei sein primäres Ziel gewesen, durch absichtliche Verschärfung der Krise die Alliierten davon zu überzeugen, dass die Reparationsforderungen einfach nicht erfüllbar waren. Zudem würde die Einstellung der Zahlungen die radikalen politischen Kräfte schwächen. Weil er den Zusammenhang zwischen Reparationen und Deflationspolitik aber fast ausschließlich in öffentlichen Reden, nicht aber in internen Besprechungen äußerte, glauben neuere Forschungen dagegen, dass er ehrlich davon überzeugt war, zu seiner Politik keine Alternative zu haben. Brüning steckte in einer Zwickmühle: Er musste den Reparationsgläubigern Deutschlands ehrlichen Willen nachweisen, den Young-Plan zu erfüllen, machte sich aber eben dadurch für die politische Rechte angreifbar, auf deren innenpolitische Unterstützung er gleichwohl hoffte. So strebte er die Zollunion mit Österreich an, die aber, wie bereits erwähnt, wegen Frankreichs Widerstand den Zusammenbruch des Bankensystems einleitete. Ob es realisierbare Alternativen zu Brünings Deflationspolitik und zur sparsamen Haushaltsführung gab, die die Krise nur verschärften, ist in der historischen Forschung sehr umstritten. Tatsache ist, dass bei der Reichstagswahl Juli 1932 nur die NSDAP mit einem Programm massiver, reflationärer Kreditausweitung und Arbeitsbeschaffung auftrat und so ihren Stimmenanteil mit 37,3 % Seite 10 Thomas Candrian mehr als verdoppeln konnte. Das Zentrum, aber auch die gemäßigte Linke blieben den Vorstellungen finanzieller und wirtschaftspolitischer Orthodoxie verhaftet und hatten so der wirtschaftspolitischen Propaganda der extremen Rechten wenig entgegenzusetzen. Während Franklin D. Roosevelt in den USA mit seinem expansiven Programm des New Deal die Demokratie stabilisieren konnte, erzielte in Deutschland die rechtsextreme NSDAP bei diesen Wahlen ihren endgültigen Durchbruch. Die Kreditausweitung, die unter Brünings Nachfolgern eingeleitet wurde und die Hjalmar Schacht, Reichsbankpräsident von 1933 bis 1939, dann massiv betrieb, war jedenfalls nur durch die ganz erheblichen Verschleierungsmechanismen möglich. Sie erschien in den ersten Jahren wirtschaftspolitisch erfolgreich, basierte aber im Wesentlichen auf der Rüstungskonjunktur der Vorbereitung eines großen, letztlich selbstzerstörerischen Eroberungskrieges. Seite 11 Thomas Candrian Der Aufstieg des Nationalsozialismus Die Zeit des Nationalsozialismus wird oft einer Epoche des Faschismus zugeordnet. Dieser entstand in Italien und herrschte von 1922 bis 1943. Sie hatte wesentliche Merkmale: die Diktatur einer einzigen, zentralistisch aufgebauten Partei, einen Führerkult, Militarismus, aggressiven Nationalismus, antidemokratische, antikommunistische und totalitäre Ziele sowie eine in Konkurrenz zum Sozialismus beanspruchte „Einheit von Volk und Staat“. Der Nationalsozialismus unterschied sich aber vom italienischen Faschismus durch seinen radikalen Rassismus und Antisemitismus, die seine weiträumigen Eroberungs- und Vernichtungsziele begründeten. Das NS-Regime begann, als der deutsche Reichspräsident Paul von Hindenburg den NSDAPFührer Adolf Hitler zum deutschen Reichskanzler ernannte und dieser das Kabinett Hitler aus Nationalsozialisten, Deutschnationalen und Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten zur neuen Regierung berief. Es wurde bis 1934 durch Terrormaßnahmen gegen politische Gegner, gesetzliche Aufhebung großer Teile der Weimarer Reichsverfassung, Verbot aller anderen Parteien und Gleichschaltung fast aller politisch-gesellschaftlichen Kräfte durchgesetzt und gefestigt. Von Anfang an verfolgte das NS-Regime eine Innen- und Außenpolitik, die Deutschlands Niederlage im Ersten Weltkrieg vergessen machen und seine damals verlorene Großmachtstellung erneuern und erweitern sollte. Dazu setzte die Hitlerregierung bis 1936 mit dem Austritt aus dem Völkerbund, Aufrüstung und der Besetzung des entmilitarisierten Rheinlands wichtige Teile des Versailler Vertrags außer Kraft. 1938 folgte der Anschluss Österreichs an das nunmehr „Großdeutsche Reich“. Im selben Jahr erlaubte das Münchner Abkommen Deutschland die Annexion des Sudetenlandes. Dieser Politik stimmten die meisten Deutschen zu. Volksabstimmungen ergaben 1935, 1936 und 1938 große Mehrheiten für damalige Entscheidungen Hitlers. Dies hatte vier Hauptgründe: Gleichschaltung und Terror gegen alle Andersdenkenden schüchterten die Bevölkerung ein. Ein beginnender Aufschwung der Weltkonjunktur, staatliche Investitionsprogramme, vor allem für Aufrüstung und militärisch nutzbare Infrastrukturen, belebten die Wirtschaft und bewirkten in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre Vollbeschäftigung, wobei die Löhne auf dem niedrigen Niveau der Weltwirtschaftskrise verharrten. Die Ideologie der Volksgemeinschaft vermittelte vielen Deutschen das Gefühl, in einer zunehmend egalitären Gesellschaft ohne Klassengegensätze zu leben. Sie erlebten die außenpolitischen Maßnahmen der Nationalsozialisten als Erfolge und Wiedergutmachung vergangener nationaler Demütigungen. Mit dem Angriff auf Polen begann das NS-Regime seine jahrelang vorbereitete Eroberungsund Germanisierungs-Politik gewaltsam durchzusetzen. Damit löste es den Zweiten Weltkrieg aus, in dessen Verlauf die nationalsozialistische Gewalt zu millionenfachem Völkermord anwuchs. Seit 1940 schlossen NS-Deutschland, das faschistisch regierte Italien und das Kaiserreich Japan - die so genannten Achsenmächte - den Dreimächtepakt als politische und militärische Koalition. Nach raschen Siegen über die Niederlande, Belgien, Frankreich und Norwegen 1940 brach das NS-Regime den Deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt von 1939 Seite 12 Thomas Candrian und griff am 22. Juni 1941 die Sowjetunion an („Unternehmen Barbarossa“). Am 11. Dezember 1941 erklärte das Deutsche Reich auch den USA den Krieg. Die Kriegswende begann im Herbst und Winter 1942/1943 mit den deutschen Niederlagen in den Schlachten von El Alamein, im Atlantik und Stalingrad. Die britischen und USamerikanischen Luftstreitkräfte erreichten fast völlige Lufthoheit über Deutschland und bombardierten zunehmend ganze Stadtzentren im Bombenkrieg. Im Sommer 1944 landeten alliierte Truppen in der Normandie (Operation Overlord) und eröffneten damit die zweite Front im Westen mit dem Ziel, die deutschen Truppen auf deutsches Gebiet zurückzudrängen und das NS-Regime schließlich zu stürzen. Im Oktober 1944 erreichten alliierte und sowjetische Truppen etwa gleichzeitig die Grenzen des „Altreichs“. Nach Hitlers Selbstmord am 30. April 1945 eroberte die Rote Armee Berlin, und USamerikanische und sowjetische Truppen trafen sich in Mitteldeutschland. Daraufhin kapitulierte die Wehrmacht am 8. Mai 1945 bedingungslos. Der Zweite Weltkrieg kostete etwa 55 bis 60 Millionen Menschenleben. In seinem Verlauf ermordeten Nationalsozialisten und ihre Helfer etwa ein Drittel aller europäischen Juden (Shoa), etwa 3,5 Millionen nichtjüdische Sowjetbürger und Polen mindestens 100.000, eventuell über 500.000 Sinti und Roma (Porajmos), etwa 200.000 Behinderte (u.a. „Aktion T4“), eine unbekannte Zahl deutscher „Asozialer“ und etwa 5.000 Homosexuelle. Diese Gruppen galten im rassistischen NS-Jargon als „Rassen-“ bzw. „Volksschädlinge“, „minderwertig“ und „lebensunwert“. Vor dem Krieg waren bereits etwa 20.000 als gefährlich eingestufte politische Regimegegner, meist Angehörige der Linksparteien, und etwa 1.200 Zeugen Jehovas ermordet worden. NSDAP: Entstehungszeit 1920-1929 Die politischen, sozialen und ökonomischen Bedingungen für den Aufstieg des Nationalsozialismus wurden im und durch den Ersten Weltkrieg geschaffen. Sie belasteten und begleiteten die Weimarer Republik seit ihrer Gründung: die unvollständige, mit Bürgerkrieg beendete Novemberrevolution, die Auflagen des Friedensvertrages von Versailles, die Realitätsverweigerung großer, von rechtsgerichteten Parteien und Medien beeinflusster Bevölkerungsteile, rechts- und linksradikale Kräfte, die die parlamentarische Demokratie verachteten und mit Putschversuchen ablösen wollten, eine weitgehend aus dem Kaiserreich beibehaltene Verwaltung und Justiz, Wirtschaftskrisen, die Inflation, Lohn-Deflation und Massenarbeitslosigkeit bewirkten, fortwährend instabile und handlungsunfähige Regierungen, die den Wirtschaftskrisen nicht energisch genug gegensteuerten und diese noch verschärften, das Versäumnis und die Unfähigkeit der demokratischen, liberalen und linksgerichteten Kräfte, sich auf ein gemeinsames Handeln gegen die Antidemokraten und Nationalsozialisten zu verständigen, Aushöhlung der Demokratie durch ein Präsidialsystem, das die Nationalsozialisten an die Macht brachte. Seite 13 Thomas Candrian Von 1880 bis 1914 etablierte sich der Antisemitismus in Deutschland, so in der Deutschen Turnerschaft, dem Offizierskorps, den meisten Studentenverbindungen und einigen nationalistischen und rassistischen Parteien. Diese Gruppen radikalisierten sich während des Krieges. Das Programm der Deutschvölkischen Partei erklärte die „Vernichtung des Judentums“ zur „Weltfrage des 20. Jahrhunderts“. Die Novemberrevolution beendete die faktisch bestehende Militärdiktatur in Deutschland und ermöglichte die Gründung einer parlamentarischen Republik. Die kaiserlichen Militärs behielten trotz der Kriegsniederlage ihre bisherige Stellung und wurden nicht demokratisiert. In dieser innenpolitischen Situation entstand die NSDAP. Sie war weder die einzige noch die erste rechtsextreme Partei, die die Republik von Grund auf ablehnte und bekämpfte. Die NSDAP ging am 24. Februar 1920 aus der Deutschen Arbeiterpartei (DAP) in München hervor. Sie vertrat in ihrem 25-Punkte-Programm von Anfang an entschieden antidemokratische, völkisch-nationalistische und rassistische, vor allem antisemitische Positionen. Ende des Jahres erwarb sie den Münchner Beobachter und machte ihn zum Völkischen Beobachter (VB), dem „Kampfblatt der nationalsozialistischen Bewegung Großdeutschlands“. Adolf Hitler war bis dahin ein in der Öffentlichkeit unbekannter, erfolgloser österreichischer Kunstmaler. Er war im Ersten Weltkrieg einfacher Gefreiter in einem bayrischen Regiment gewesen. Im Auftrag des Militärs besuchte er unter anderem Veranstaltungen der DAP (Deutsche Arbeiterpartei) und wurde zunächst von ihr als Redner angeworben. In dieser Funktion kam er zum Ruf eines „Trommlers“ und „Einpeitschers“ der Partei, der er in Bayern schnell einen gewissen Zulauf aus völkischen Kreisen verschaffen konnte. Hitler wurde 1921 zum Vorsitzenden der NSDAP. Der Organisation schlossen sich auch ehemals führende kaisertreue Militärs an, so zum Beispiel der ehemalige OHL-General Erich Ludendorff. Die NSDAP-Mitglieder gehörten von Beginn an zu den entschiedensten Gegnern der Republik, obwohl auch sie in ihrem Rahmen Wähler zu gewinnen versuchten. Die NSDAP gewann zunächst vor allem in München eine gewisse Anhängerschaft, spielte aber in Bayern während der ersten Jahre der Republik ansonsten kaum eine wichtige politische Rolle. Außerhalb Bayerns wurde Hitler Anfang der 1920er Jahre nicht wirklich ernst genommen. Dennoch versuchten nationalsozialistische Putschisten unter der Führung von Hitler und Ludendorff am 9. November 1923 mit dem sogenannten Hitler-Ludendorff-Putsch die Regierung in Bayern und im Reich abzusetzen. Der von der nationalsozialistischen Propaganda so bezeichnete „Marsch auf die Feldherrnhalle“ in München wurde von der bayerischen Landespolizei niedergeschlagen. In einem anschließenden Prozess wurde Hitler zur gesetzlichen Mindeststrafe von 5 Jahren Festungshaft in der Festung Landsberg verurteilt. Ludendorff wurde freigesprochen. Die NSDAP wurde verboten. Es entstanden daraufhin zugelassene Ersatzorganisationen. Den Prozess konnte Hitler als Propagandaveranstaltung nutzen. In der Haft, während der Hitler viele Vergünstigungen genoss, entschloss sich Hitler, die Macht in Deutschland auf legalem Wege zu erringen. Er diktierte seinem damaligen Sekretär und späteren Stellvertreter Rudolf Heß seine programmatische Autobiografie „Mein Kampf“, in der er seine Ziele und Vorhaben, die er nach 1933 umsetzen sollte, vorwegnahm. Schon am 20. Dezember 1924 wurde Hitler wieder aus der Haft entlassen. Seite 14 Thomas Candrian Am 27. Februar 1925 wurde die NSDAP in München neu gegründet und die meisten nationalsozialistischen Gruppen und Parteien vereinigten sich in ihr unter der unumschränkten Führung Hitlers. Die Strukturen der Partei wurden in den folgenden Jahren geprüft und ihre Organisation verbessert. Die NSDAP war bis zur Reichstagswahl von 1930 kaum mehr als eine Splitterpartei, und nur eine von vielen im Reichstag vertretenen völkischen Parteien am politisch rechten Rand. Die lange Zeit größte und einflussreichste unter ihnen, die den völkischen Block anführte, war die DNVP. Bei der Reichstagswahl am 20. Mai 1928 verlor die NSDAP sogar zwei Mandate und kam mit 2,6 % der Wählerstimmen auf nur 12 Sitze im Reichstag. Nachdem sich die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in Deutschland, die seit 1924 relativ stabil geworden waren, ab Mitte 1929 innerhalb weniger Monate wieder dramatisch verschlechterten, änderte sich die politische Parteienlandschaft in kurzer Zeit zugunsten der ideologischen Pole des links- und rechtsextremen Spektrums, was sich gerade auch auf die NSDAP begünstigend auswirkte. Seite 15 Thomas Candrian Hitler kommt zur Macht Im Kontext der Weltwirtschaftskrise stieg die Arbeitslosigkeit in Deutschland sprunghaft an. So verstärkte sich bei vielen Wählern nun der Ruf nach einem „starken Mann“. Vor diesem Hintergrund gewann die Propaganda der NSDAP innerhalb kurzer Zeit ungeahnte Überzeugungskraft: Hitlers Wahlkampfparole, sein Ziel sei es, die „politischen Parteien aus Deutschland hinweg zu fegen“, stieß nun bei vielen Unzufriedenen, besonders aus der Mittelschicht, auf offene Ohren. Sie trieb ihm viele Wähler zu, nicht nur aus dem völkischnationalen, sondern auch dem bürgerlich-konservativen Lager. Auf die am 28. März 1930 an der Frage der Regelung der Arbeitslosenversicherung gescheiterten SPD-geführten Regierung Hermann Müller folgte ein Kabinett unter der Führung von Heinrich Brüning vom rechten Flügel des Zentrums. Bei den anschließenden Wahlen konnte die NSDAP die Zahl ihrer Abgeordneten von 12 auf 107 erhöhen und wurde damit zur zweitstärksten Partei. Es kam zum zweiten Präsidialkabinett Brüning, nun von der SPD toleriert. Die Regierung verfügte Lohn- und Gehaltskürzungen, beschränkte die Leistungen der Arbeitslosenversicherung, hob aber gleichzeitig die Beitragssätze an. Zugleich erhöhte sie die Steuern auf Löhne und Einkommen, die Umsatzsteuer sowie die Steuern auf Bier, Tabak und Zucker. Die Präsidialkabinette Brüning (1930–1932) trugen wesentlich zur Entfremdung der Bevölkerung von der Weimarer Demokratie bei und gewöhnten sie an nichtdemokratische politische Verhältnisse. Die NSDAP schaffte es, unter anderem mit finanzieller Unterstützung von Großindustriellen die Stimmung der Bevölkerung durch populäre Parolen gegen den Parlamentarismus aufzugreifen. Nachdem Hitler, der seit 1925 auf eigenes Betreiben staatenlos war, Ende Februar 1932 die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten hatte, nahm er an der Reichspräsidentenwahl 1932 teil. Bezeichnend für die Situation der Republik war, dass keiner der Kandidaten Thälmann, Hitler und Hindenburg ein Demokrat war. Die Parteien der Mitte bis zur SPD unterstützten den Sieger Hindenburg, um einen Erfolg Hitlers zu verhindern. Bei der nächsten Reichstagswahl am 31. Juli 1932 erhielt die NSDAP 230 Mandate und war damit die stärkste Fraktion im Reichstag. Es folgten viele Hin und Hers in der Regierung. Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 bedeutete faktisch das Ende der Weimarer Republik – auch wenn die Weimarer Verfassung formal nie außer Kraft gesetzt wurde. Die Nationalsozialisten feierten die Übergabe der politischen Gewalt an sie und ihre rechtskonservativen Verbündeten, die mit Hitlers Ernennung zum Reichskanzler erfolgt war, als „Machtübernahme“, „Machtergreifung“ und „nationale Revolution“, wovon aber nicht die Rede sein kann; vielmehr war Hitler formell mit der Regierungsbildung beauftragt worden, weshalb man in der modernen Geschichtswissenschaft von „Machtübertragung“ o.ä. spricht. Aber auch von vielen Deutschen wurde dies Ereignis begeistert begrüßt. Damit begann die in den Folgemonaten durchgesetzte NS-Diktatur. Mit seiner Regierungsbildung („Kabinett Hitler“) setzte Hitler auf ein Bündnis mit den alten Eliten: Nur drei Minister kamen aus der NSDAP, die übrigen waren Mitglieder der DNVP und des Stahlhelms. Hindenburg löste den Reichstag am 1. Februar 1933 auf und setzte Neuwahlen an. In der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes am 4. Februar wurde Seite 16 Thomas Candrian die KPD verboten und erste Notverordnungen erlassen, die vor allem gegen Kommunisten und Sozialisten gerichtet waren und die Presse-, Meinungs- sowie Versammlungsfreiheit einschränkten. Nach dem Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 erließ Hindenburg die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat, die diese Grundrechte der Weimarer Verfassung noch stärker beschnitt. Die Nationalsozialisten sahen zunächst in der organisierten Arbeiterbewegung ihren Hauptgegner, sodass sie in einem ersten Schritt zur Machtfestigung deren Organisationen verboten und zerschlugen. Viele Mitglieder der KPD, der SPD und der kleineren kommunistischen und sozialistischen Parteien sowie der Freien Gewerkschaften wurden misshandelt und in „Schutzhaft“ genommen. Überall im Reich entstanden in Turnhallen, Scheunen oder Kellern provisorische Haftorte der SA, in denen die politischen Gegner festgehalten und gefoltert wurden. Ein erstes Konzentrationslager des später dann planmäßig und zentralstaatlich eingerichteten Lagersystems der SS wurde in Dachau errichtet. Es wurde in den Medien bekannt gemacht und gegenüber der Bevölkerung als „Polizeimaßnahme“ für politische Kriminelle begründet. Eine große Zahl der in den Lagern Inhaftierten fiel den Haftbedingungen zum Opfer, zu denen auch Folter und Mord gehörten. Die NS-Propaganda ersetzte die freie Presse und Kultur in allen Lebensbereichen. Die NSDAP erhielt viele neue Mitglieder, die die älteren Nationalsozialisten nach dem Wahltermin spotthaft als „Märzgefallene“ bezeichneten. Gleichschaltung und Rassismus Dann begann die Gleichschaltung, das heißt Unterwerfung, Selbstunterwerfung und Angleichung aller gesellschaftlichen Organisationen und Institutionen unter das NS-Regime. Erster Schritt dazu war die Gleichschaltung der Länder, die alle hoheitlichen Aufgaben verloren. Ähnliche Maßnahmen betrafen bis Ende 1934 die meisten Vereine, Verbände, Gewerkschaften, die Handwerkerschaft, Studentenverbindungen, Medien, Kultureinrichtungen und die Justiz. Viele der betroffenen Organisationen ordneten sich oft lieber unter, statt von dem neuen System aufgelöst oder verboten zu werden. Die beiden großen Kirchen waren anfangs von der organisatorischen Gleichschaltung ausgenommen. Die katholischen Bischöfe behielten durch das Reichskonkordat ihre Ämter und Bezirke, die evangelischen Landeskirchen schlossen sich vorbeugend im Juni/Juli 1933 zu einer Reichskirche unter Leitung eines Reichsbischofs zusammen. Jedoch spaltete sich dann die evangelische Kirche in von Deutschen Christen beherrschte Landeskirchen und Gemeinden der Bekennenden Kirche. Die Deutschen Christen propagierten ein „judenreines“ Evangelium und waren dem Führer ergeben. In der Bekennenden Kirche sammelten sich Christen, die Übergriffe des Staates auf den Glauben und Ausschluss jüdischer Mitglieder ablehnten. Dennoch bildeten diese keine einheitliche Opposition gegen das NS-Regime, vielmehr blieben große Teile dem „Führerstaat“ treu und bejahten den Zweiten Weltkrieg. Nach anfänglichen Erfolgen wurde auch die Bekennende Kirche etwa ab 1937 zunehmend verfolgt. Die Entrechtung und Verfolgung der deutschen Juden begann direkt nach Hitlers Machtübernahme, zunächst mit gezieltem Straßenterror der SA. Ab März 1933 wurden jüdische Ärzte, Rechtsanwälte, Apotheker, Bademeister usw. aus ihren Freiberufen gedrängt, von ihren Verbänden ausgegrenzt und erhielten Berufsverbote. Am 1. April 1933 organisierte die SA den ersten Boykott jüdischer Geschäfte. Mit dem Gesetz zur Seite 17 Thomas Candrian Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 wurden missliebige Beamte aus dem Staatsdienst entfernt. Der darin enthaltene Arierparagraph war das erste rassistische Gesetz für „Nicht-Arier“ und betraf Anhänger des jüdischen Glaubens oder vermuteter jüdischer Herkunft. Sie wurden zuerst aus dem öffentlichen Dienst, dann auch aus Vereinen, Berufsverbänden und evangelischen Landeskirchen entfernt, die ähnliche Paragraphen einführten. Sie wurden dann auch gesetzlich aus allgemeinen Schulen und allmählich aus dem gesamten öffentlichen Leben ausgeschlossen. Nur ehemaligen jüdischen Soldaten des Ersten Weltkriegs bot das Frontkämpferprivileg bis 1935 einen geringen Schutz. Das Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zielte auf die Ausschaltung jüdischer Rechtsanwälte und wurde ebenfalls am 7. April 1933 erlassen. Daraufhin wählten etwa 200.000 politisch oder rassisch Verfolgte den Weg der Emigration. Das NS-Regime begrüßte dies als „Flucht von Systemgegnern“. Gleichzeitig ließ es Konzentrationslager – zuerst das KZ Dachau – einrichten, in denen vor allem politische Gegner, aber auch religiöse Minderheiten massenhaft interniert wurden. 1935 entzog das Reichsbürgergesetz sämtlichen deutschen Juden ihre Bürgerrechte. Dennoch emigrierten daraufhin nur wenig mehr von ihnen als zuvor. Die meisten hatten sich auf die Diskriminierungen eingestellt und hofften auf Ablösung des Regimes. 1938 setzte sich die systematische Entrechtung der deutschen Juden mit den Arisierungen, der Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben und der Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens fort. Mit administrativen Maßnahmen wie z. B. durch einen zusätzlichen Vornamen, einem „J“ im Reisepass, Kennkarten und Meldelisten wurden alle Juden erfasst. Die Novemberpogrome vernichteten reichsweit die jüdische Kultur in Deutschland. Erstmal wurden zehntausende Juden in KZs inhaftiert. In ihrem 25-Punkte-Programm hatte die NSDAP unter anderem die Enteignung und Verstaatlichung von Großbetrieben gefordert. Hitler ignorierte dies jedoch, um die Unterstützung der Großindustrie und Reichswehr nicht zu verlieren. Dies rief in der NSDAP Unzufriedenheit und Konflikte über das weitere Vorgehen hervor. Die Sturmabteilung (SA) unter Hitlers Duzfreund Ernst Röhm wollte die Reichswehr übernehmen und trat für eine soziale Umgestaltung der Gesellschaft ein. Dies war mit Hitlers Kriegsplänen nicht vereinbar. Auf Rat von Himmler, Goebbels und Göring ließ Hitler zwischen 30. Juni und 1. Juli 1934 reichsweit etwa 200 Gegner und mögliche Konkurrenten in der NSDAP als angebliche Teilnehmer eines durch Röhm geplanten Putsches ermorden. Unter den Opfern waren Gregor Strasser, von Bredow, von Schleicher, von Kahr und Röhm. Damit entschied Hitler den innerparteilichen Machtkampf. Eine gerichtliche Untersuchung dieser Taten fand nie statt. Nach Hindenburgs Tod am 2. August 1934 übernahm Hitler nach einem Gesetz, das ebenfalls seine Regierung beschlossen hatte, das Amt des Reichspräsidenten und trug nun die Titel Führer und Reichskanzler. Auch das Berufsbeamtentum musste einen „Führereid“ ablegen, so dass regimekritische Akademiker ihre Ämter verloren. Damit hatte Hitler seine Herrschaft innenpolitisch durchgesetzt, stabilisiert und dauerhaft abgesichert. Rechtspolitik An Aufbau, Aufgaben und grundsätzlicher Struktur der Gerichte änderte sich im Übergang von der Weimarer Republik zum Nationalsozialismus nichts. Auch ein Großteil der Gesetze, wie das BGB oder das StGB, wurden allenfalls in Teilen verändert. Die Weimarer Reichsverfassung blieb offiziell die Verfassung des Deutschen Reiches. Faktisch wurde sie jedoch durch eine Seite 18 Thomas Candrian Vielzahl von Gesetzen ausgehebelt. Dies betraf insbesondere die Grundrechte, die Gewaltenteilung und die Gesetzgebung. Viele Gesetze und Verordnungen standen im direkten Widerspruch zur Weimarer Reichsverfassung. Geänderte Strafgesetze galten rückwirkend. Wirtschaftspolitik Das Wirtschaftsleben im NS-Staat gründete auf Anreiz und Verpflichtung. Dabei blieb die privatwirtschaftliche Verfügung über die Unternehmen grundsätzlich unangetastet. Zugleich investierte das Regime, wie bereits vor 1933 seinen Förderern in der Großwirtschaft angekündigt und zugesagt, in die Aufrüstung sowie in die militärisch-zivile Infrastruktur. Während die Arbeiterbewegung mit allen Mitteln unterdrückt und verfolgt wurde, wurde zugleich beschränkt auf „deutschblütige“ Arbeitskräfte eine Reihe sozialpolitischer Verbesserungen eingeführt. So wurde symbolisch-demagogisch bereits 1933 der 1. Mai als traditioneller „Kampftag“ der Arbeiterbewegung zum arbeitsfreien Feiertag umgewidmet und die Freizeitorganisation „Kraft durch Freude“ bot Urlaubsmöglichkeiten und Kulturveranstaltungen an. Eine der dringendsten Aufgaben Hitlers nach der Machtübernahme war die Überwindung der Wirtschaftskrise, die ihm zur Erringung der Macht verholfen hatte, ihn bei einem Misserfolg aber auch gefährdet hätte. Dies erreichte er vor allem mit Krediten (den Mefo-Wechseln) finanzierten Konjunkturprogrammen und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Eine wichtige Maßnahme war die Erzeugungsschlacht in der Landwirtschaft. Im September 1933 wurden alle landwirtschaftlichen Betriebe, Genossenschaften und Landwirtschaftskammern im Reichsnährstand zwangsvereinigt. Der Nährstand wurde verherrlicht und als Quelle der rassischen Erneuerung populiert, in der Realität verlor er aber an Bedeutung. Mit dem Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit wurde am 20. April 1934 auch in den Unternehmen das Führerprinzip eingeführt. In der Betriebsgemeinschaft war der Betriebsführer für seine „Gefolgschaft“ verantwortlich; diese war ihm zu Treue verpflichtet. Um wichtige Industrielle an die Wehrmacht zu binden, wurden sie zu Wehrwirtschaftsführern ernannt. Treuhänder der Arbeit kontrollierten schon seit Mai 1933 die Betriebe und sorgten für die Gleichschaltung der Wirtschaft, sie regelten auch den Erlass der Tarifordnungen. Zu einer Erhöhung des Lebensstandards kam es für die meisten Berufstätigen nicht, da bald die Rüstung Priorität erhielt. Am Ende des Krieges brach die Industrie durch die Bombardierung der Infrastruktur und Industrieanlagen und die fehlende Rohstoffversorgung zusammen, die Versorgung mit Lebensmitteln wurde problematisch, der Schwarzmarkt blühte auf. Zu einer allmählichen Erholung kam es erst mit den Darlehen des Marshallplans und der Währungsreform. Sozialpolitik Die gesellschaftspolitischen Maßnahmen der Nationalsozialisten dienten dazu, die Menschen zu „erfassen“ und sie in Organisationen wie dem Deutschen Jungvolk, der Hitler-Jugend, der Reichswehr oder dem Reichsarbeitsdienst zu beeinflussen. Schon für die Kleinkinder gab es nationalsozialistische Kindergärten mit ausgebildeten Erziehern, für uneheliche oder Seite 19 Thomas Candrian überzählige Kinder gab es die Einrichtung Lebensborn, wo sie in staatlichen Heimen erzogen wurden. Die einzelnen Berufe wurden in nationalsozialistischen Organisationen zusammengefasst, so zum Beispiel dem Deutschen Kraftfahrerbund, dem Reichslehrerbund oder dem Deutschen Ärztebund. Auch die Freizeit wurde „organisiert“. Reisen, Ferienlager und sonstige Veranstaltungen der Organisation Kraft durch Freude (KdF) sollten die Leute für den Nationalsozialismus einnehmen. Die sozialen Leistungen, wie zum Beispiel die Ausweitung der Sozialversicherungen, die Einbeziehung der Rentner in die Krankenversicherung, staatliche Darlehen für Hausbauer, Einführung von Kindergeld, Konzertaufführungen in Betrieben, Maßnahmen des Arbeitsschutzes und Arbeitspausen, dienten vor allem der Überzeugung und Gewinnung der Leute sowie der Stärkung der Arbeitskraft. Natürlich galten all diese sozialen Leistungen nur für „erbtüchtige“, „gesunde“ und „leistungsbereite“ „Volksgenossen“. Angehöriger von als „schädlich“ beurteilten „Fremdrassen“ wie Juden, Sinti, Roma, Slawen und Schwarze, körperlich oder geistig Behinderte sowie die zahlreichen Gruppen des subproletarischen Rands der deutschen Mehrheitsbevölkerung („Asoziale“) blieben davon ausgeschlossen. Frauen- und Familienpolitik In der Folgezeit wurden Frauen aus dem Arbeitsleben verdrängt, um Arbeitsplätze für Männer zu schaffen („Die Welt der Frau ist das Heim.“). Das nationalsozialistische Frauenbild wurde im BDM früh vermittelt. Frauen mussten ein Pflichtdienstjahr ohne Ausbildung absolvieren, um sich auf die Ehe vorzubereiten. Frauen, die heirateten, wurden finanziell unterstützt. 1941 wurde die Produktion von Verhütungsmitteln verboten. Auf Schwangerschaftsabbrüche stand ab 1943 die Todesstrafe. Religionspolitik Der Nationalsozialismus tendierte auf einen totalitären Weltanschauungsstaat, der keine anderen Überzeugungen und Glaubensbekenntnisse tolerieren konnte. Dies betraf vor allem die jüdische Religion, ihre Ausübung, ihren Schutz und ihren Rechtsstatus. Auch die Zeugen Jehovas wurden verfolgt und als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen zahlreich ermordet. Den beiden Großkirchen hatte Hitler in seiner Regierungserklärung vom März 1933 eine staatstragende Rolle zugesprochen. Er setzte dann zunächst auf die Deutschen Christen, die bei den Kirchenwahlen im Juni 1933 einen Erdrutschsieg erreichten und dann einen Teil der Landeskirchen beherrschten. Daraufhin wählten auch die unterlegenen Gruppen Ludwig Müller zum Reichsbischof. Gegen den Ausschluss von getauften Juden entstand der Pfarrernotbund, aus dem 1934 die Bekennende Kirche hervorging. Diese kämpfte auf der Basis der Barmer Theologischen Erklärung gegen staatliche Übergriffe auf kirchliche Angelegenheiten und gegen den totalen Staat ohne Rechtsbindung. In der Regel zeigten sich aber die evangelischen Kirchen und ihre Hierarchien als willfährige Unterstützer und Sympathisanten des Regimes. Seite 20 Thomas Candrian Die katholische Kirche distanzierte sich bis 1933 vom Rassismus der NSDAP. Am 22. Juli 1933 aber schloss der Vatikan überraschend das Reichskonkordat mit der neuen Reichsregierung, um so die deutschen katholischen Bischöfe, ihre Bistümer und Strukturen vor Zugriffen des totalitären Regimes zu schützen. Im Gegenzug wurden Priester und Bischöfe verpflichtet, sich nicht in Politik einzumischen. Damit gab die bis dahin recht starke Zentrumspartei ihre Oppositionshaltung auf und verlor dann ihre Existenzberechtigung. Hitler gewann durch das Konkordat auf diplomatischer Bühne internationales Ansehen. Forschung und Medizin Hauptanliegen vieler nationalsozialistisch gesinnter Ärzte und Professoren im Deutschen Reich war die „Heranzüchtung kerngesunder Körper“ (Zitat Adolf Hitler) und die „Ausmerzung des Schwachen und Kranken“ bzw. der Juden. Diesen Zwecken dienten z. B. die Lebensborn-Heime, in denen arische Kinder geboren und aufgezogen wurden, die Rassenhygiene sowie die eugenischen Maßnahmen (der Mord an Alten, Kranken und Behinderten). Kulturpolitik Das kulturelle Leben war geprägt von der Politik und diente propagandistischen Zwecken. Die meisten Werke entstanden von regimekonformen Künstlern und dienten der NS-Propaganda oder vermittelten zumindest die Auffassungen der Nationalsozialisten. So wurden häufig eine von der modernen Technik unberührte landwirtschaftliche Idylle oder auch germanische Götter dargestellt. Organisation des Militärs Mit der Reichswehr übernahmen die Nationalsozialisten die Streitkräfte der Weimarer Republik. Die Reichswehr war staatstreu und unterstützte die NSDAP bis zur Machtübernahme nicht aktiv, viele Soldaten waren aber selbst keine Anhänger der Republik, so dass sie diese auch nicht verteidigten. Die Reichswehr hoffte unter Hitler auch auf einen Fortschritt bei der Revision des Versailler Vertrages, die Führung der Reichswehr war schon am 3. Februar über die Pläne Hitlers informiert worden, Befürchtungen hatte sie gegenüber der SA. Bestrebungen innerhalb der SA die Reichswehr zu übernehmen, beendete Hitler durch die Niederschlagung des so genannten Röhm-Putsches, bei dem er die SA ausschaltete, da er die Reichswehr als für den Krieg besser geeignet ansah. An dieser Aktion war auch die Reichswehr beteiligt, sie tolerierte sogar die Ermordung zweier ihrer Generäle. Am 3. August wurde die Reichswehr nach dem Tod des bisherigen Oberbefehlshabers, Reichspräsident von Hindenburg, auf die Person Hitlers vereidigt und damit zu einem Instrument Hitlers. Mit der Wiedereinführung der Wehrpflicht am 16. März 1935 wurde die Reichswehr in Wehrmacht umbenannt. Die Reichswehr wurde ausgebaut und modernisiert, 1939 hatte sie eine Stärke von 2,75 Millionen Mann. Den Widerstand innerhalb der Wehrmachtsführung gegen seine Kriegspläne, mehr aus Zweifel an der Machbarkeit der Pläne als aus ideologischen Gründen, schaltete er durch die BlombergFritsch-Krise aus und schuf das Oberkommando der Wehrmacht. Der weiter vorhandene Widerstand konnte sich, insbesondere nach den ersten Kriegserfolgen, nicht durchsetzen. Die Wehrmacht tolerierte den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion, Teile der Wehrmacht waren auch an Exekutionen beteiligt. Erst als Deutschland Niederlagen wie in der bei Stalingrad Seite 21 Thomas Candrian hinnehmen musste, versuchten Mitglieder der Wehrmacht im Attentat vom 20. Juli 1944 durch eine Beseitigung Hitlers ein Ende des Krieges zu erreichen. Außen- und Rüstungspolitik Der Vertrag von Versailles wurde schrittweise gebrochen und aufgehoben. Zugleich beteuerte Hitler seinen Friedenswillen. Dies wurde im Ausland, vor allem in der Appeasement-Ära Großbritanniens, zunächst geglaubt; man versuchte, Hitler durch Entgegenkommen zu „zähmen“ und einen neuen Weltkrieg zu vermeiden. 1935 wurde das Saarland wieder ins Deutsche Reich integriert, nachdem eine unter internationaler Kontrolle durchgeführte Volksabstimmung eine überwältigende Zustimmung dafür (90,8 %) ergab. Die Reichswehr wurde mit Einführung der Wehrpflicht in die Wehrmacht umgewandelt, gleichzeitig wurde die Existenz der Luftwaffe enthüllt. Beide Schritte verletzten den Versailler Vertrag. Auch der Einmarsch von 1936 in das entmilitarisierte Rheinland war ein Vertragsbruch. Im August 1936 benutzte Hitler die Olympischen Spiele in Berlin als Propagandabühne für die Weltöffentlichkeit. Der Vierjahresplan sollte das Deutsche Reich bis spätestens 1940 kriegsbereit machen. Das Regime unterstützte nun zusammen mit Mussolinis Italien den faschistischen General Franco im Spanischen Bürgerkrieg gegen die dortige Republik auch militärisch. Dies bot Hitler die Gelegenheit, die Einsatzfähigkeit seines Militärs im Kriegsfall zu testen. Die Legion Condor der deutschen Luftwaffe zerstörte 1937 bei einem ersten Flächenbombardement die baskische Stadt Guernica. Am 20. Februar 1938 verkündete Hitler in einer Rede sein Ziel, alle Deutschen Mitteleuropas in einem Staat zu vereinen. Am 12. März 1938 kam er einer beabsichtigten Volksabstimmung in Österreich zuvor und verkündete nach dem Einmarsch der Wehrmacht (Unternehmen Otto), unter dem Jubel der auf dem Heldenplatz versammelten Wiener, den „Eintritt meiner Heimat in das Deutsche Reich“. Durch das praktisch unerfüllbare Karlsbader Programm provozierte Hitler die Sudetenkrise, die am 29. September 1938 im Münchner Abkommen zur Angliederung des Sudetenlandes an das Deutsche Reich führte. Nach dem Anschlag auf Ernst Eduard vom Rath am 7. November 1938 in Paris inszenierten die Nationalsozialisten die Novemberpogrome. Zum Teil als Zivilpersonen auftretende ortsbekannte SA- und SS-Angehörige legten in zahlreichen Synagogen Feuer, misshandelten und ermordeten viele deutsche Juden vor den Augen der Polizei, die befehlsgemäß nicht einschritt, und deportierten ab dem 10. November Zehntausende Juden in die KZs. Die den Opfern auferlegte „Judenbuße“ von über einer Milliarde Reichsmark wurde zur Finanzierung der Aufrüstung als unmittelbare Kriegsvorbereitung genutzt. Mitte März 1939 wurde die Slowakei als selbständiger Staat ausgerufen. Das danach von der ehemaligen Tschechoslowakischen Republik verbliebene Gebiet wurde als Protektorat Böhmen und Mähren vom Deutschen Reich abhängig. Eine Woche später wurde auch das Memelland dem Deutschen Reich angegliedert. Um sich den Rücken für seine Expansionsziele im Osten freizuhalten, schloss Hitler mit der Sowjetunion im August 1939 den Deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt. In dessen geheimem Zusatzprotokoll wurde Polen für den Fall eines Krieges zwischen den beiden Staaten aufgeteilt. Seite 22 Thomas Candrian Dagegen versprach Hitler, nicht gegen Stalin zu agieren, falls dieser sich Finnlands bemächtige, was er anschließend auch tat. Seite 23 Thomas Candrian Kriegszeit Der Angriff auf Polen ohne Kriegserklärung am 1. September 1939 löste den Zweiten Weltkrieg aus. Am 3. September erklärten zunächst Großbritannien und Frankreich dem Deutschen Reich den Krieg. Nach dem Sieg der Wehrmacht über Polen wurde dessen Westteil (Großpolen, Westpreußen, Oberschlesien) von Deutschland annektiert und die Mitte zum Generalgouvernement erklärt. Am 17. September besetzte die Rote Armee fast kampflos Ostpolen; Polen wurde wie im Hitler-Stalin-Pakt vereinbart aufgeteilt. Im so genannten „Blitzkrieg“ überrannte die Wehrmacht förmlich die Staaten Dänemark, Norwegen und die Beneluxstaaten; Frankreich wurde 1940 besiegt und in zwei Zonen geteilt. Der Norden und Westen Frankreichs blieb unter deutscher Besatzung, der östliche und südliche Teil unter französischer Kontrolle; Marschall Pétain regierte von Vichy aus diesen „Rest Frankreichs“ als Marionettenstaat des Deutschen Reichs. Hitlers Popularität war durch die „Auslöschung der Schande von Versailles” auf ihrem Höhepunkt. 1940/1941 besetzte Deutschland zusammen mit dem faschistischen Italien die Länder Jugoslawien und Griechenland. Beide Länder wurden unter den verbündeten Diktaturen aufgeteilt. Ihrer Eroberung folgte jedoch ein zermürbender Partisanenkrieg. Ungarn, Rumänien und Bulgarien wurden als Verbündete des Großdeutschen Reiches gewonnen. Auf Bitten Mussolinis wurden die italienischen Truppen in Nordafrika seit Januar 1941 durch deutschen Verbände unterstützt, das Deutsche Afrikakorps, bekannt geworden durch Generalfeldmarschall Erwin Rommel, den „Wüstenfuchs“. Am 22. Juni 1941 marschierte die Wehrmacht in den sowjetisch besetzten Teil Polens ein und überfiel unmittelbar danach unter umstrittenen Gründen die Sowjetunion selbst. In dem als Vernichtungsfeldzug geplanten „Unternehmen Barbarossa“ drangen die deutschen Streitkräfte bis Moskau, Leningrad und Stalingrad vor. Die jüdische Bevölkerung in den besetzten Gebieten wurde erfasst und in Konzentrationslager deportiert, unzureichend ernährt, zur Zwangsarbeit herangezogen und in dafür eigens eingerichteten Gaswagen und Gaskammern in Vernichtungslagern ermordet. Besonders in den besetzten Ostgebieten wurden auch viele Tausend Juden von den „Einsatzgruppen“ und von SS-Einheiten erschossen und in Massengräbern verscharrt. Die Zahl der im Holocaust insgesamt durch Erschießungen, Vergasungen, Hunger, Misshandlung, Zwangsarbeit und Krankheiten umgekommenen Juden wird auf ungefähr sechs Millionen geschätzt. Ihr Eigentum wurde enteignet und zu Reichseigentum erklärt. Auf diese Weise standen den Besatzungstruppen finanzielle Mittel in Landeswährung zur Verfügung. Im Winter 1941/1942 geriet die Offensive der Wehrmacht in der Sowjetunion ins Stocken. Am 11. Dezember 1941 erklärte Hitler, nach dem Angriff des deutschen Verbündeten Japan auf den amerikanischen Stützpunkt Pearl Harbor, den USA den Krieg, die Großbritannien mit Gütern versorgten. In der Schlacht von Stalingrad musste sie durch Fehlentscheidungen Hitlers ihre erste (kriegsentscheidende) Niederlage hinnehmen. Bis Ende 1943 konnte die Rote Armee der Sowjetunion, die auch von den USA mit Waffenlieferungen unterstützt wurde, weite Gebiete zurückerobern. Am 13. Mai 1943 mussten die Achsenmächte in Nordafrika kapitulieren. Seite 24 Thomas Candrian Inzwischen war der seit 1924 ideologisch angekündigte und seit 1933 politisch angebahnte Holocaust an den Juden im Gang (s.u.). 1943 begann der Bombenkrieg der Alliierten auf deutsche Städte, bei dem etwa 300.000 Zivilisten ums Leben kamen. Am 18. Februar 1943 verkündete Goebbels in der Sportpalastrede den „Totalen Krieg“. Ab Ende 1944 flohen viele Deutsche aus ihrer angestammten Heimat im Osten vor der anrückenden Roten Armee. 1944 eroberte diese weite Teile von Südosteuropa. Am 6. Juni begann die Invasion der westlichen Alliierten in der Normandie, nachdem sie schon zuvor nach der Landung auf Sizilien von Süden her Italien eroberten und gegen Hitler-Deutschland im Vormarsch waren. Am 20. Juli scheiterte ein Attentat und ein Putschversuch von Wehrmachtsangehörigen und Mitgliedern der Widerstandsgruppe des „Kreisauer Kreises“ gegen Hitler. Anfang 1945 beschlossen die Alliierten auf der Konferenz von Jalta die Aufteilung des Reiches nach dem Krieg. Um den Alliierten keine brauchbare Infrastruktur zu hinterlassen erteilte Hitler am 19. März 1945 den Nerobefehl, der aber nur teilweise ausgeführt wurde. Im April erreichten die sowjetischen Truppen die Reichshauptstadt und es kam zur Schlacht um Berlin. Hitler tötete sich am 30. April im Bunker der Reichskanzlei, nachdem er testamentarisch Admiral Karl Dönitz zu seinem Nachfolger als Reichspräsident und Oberbefehlshaber der Wehrmacht bestimmt hatte. Neben Hitler töteten sich in der Folge auch andere führende Funktionäre, so Joseph Goebbels und Heinrich Himmler – dieser jedoch erst später in Gefangenschaft, nachdem er mit gefälschten Ausweisen gestellt wurde. In den frühen Morgenstunden des 7. Mai 1945 schließlich unterzeichnete Generaloberst Jodl – von Dönitz hierzu autorisiert – die bedingungslose Kapitulation der deutschen Streitkräfte, die durch Unterzeichnung einer weiteren Kapitulationsurkunde ratifiziert am nächsten Tag in Kraft treten sollte. Der Zweite Weltkrieg dauerte in Südostasien noch bis zum 12. August an. Er forderte insgesamt etwa 60 Millionen Tote. In den letzten Kriegsmonaten und im Anschluss an die Besetzung des Reichs wurden die meisten noch verbliebenen Deutschen aus Osteuropa vertrieben. Widerstand gegen den Nationalsozialismus Schon vor der Machtübernahme begann der Widerstand verschiedenster Gruppen gegen die Nationalsozialisten. In der Zeit des Nationalsozialismus selbst beschränkte sich der Widerstand, der immer mit Lebensgefahr verbunden war, auf eine verschwindend kleine Minderheit der deutschen Bevölkerung, wohingegen dieser Widerstand in den im Zweiten Weltkrieg besetzten Gebieten, beispielsweise im Partisanenkrieg, größere Ausmaße angenommen hatte. Kurz nach der Machtübernahme der NSDAP waren vor allem kommunistische, sozialdemokratische und andere linke Gruppen aktiv. Diese wurden jedoch innerhalb weniger Jahre durch die Gestapo und die SS stark geschwächt. Im Reich konnte beispielsweise der katholische Bischof von Münster und Kardinal Clemens August Graf von Galen durch seine öffentliche Verurteilung der Morde an den Behinderten dazu beitragen, dass die Aktion T4 von den Nationalsozialisten eingestellt wurde. Einzelpersonen der evangelischen Bekennenden Kirche wie etwa Pastor Martin Niemöller oder Dietrich Bonhoeffer schlossen sich nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges Widerstandskreisen an. Bonhoeffer musste wie viele andere NS-Gegner seinen Mut im KZ mit dem Leben bezahlen. Der kommunistische Einzelkämpfer Georg Elser verübte am 8. November 1939 im Münchner Bürgerbräukeller ein Bombenattentat auf Hitler, das dieser aber überlebte, weil er den Saal unerwartet kurz vor der mit einem Zeitzünder eingestellten Detonation der Bombe verließ. Elser wurde bald gefasst und im April 1945 im KZ Dachau ermordet. Die Münchner studentische Widerstandsgruppe Weiße Rose um Seite 25 Thomas Candrian die Geschwister Hans und Sophie Scholl rief in mehreren Flugblättern zum Widerstand gegen das NS-Regime auf. Außerdem suchte diese Gruppe Kontakt zu Widerstandskreisen in der Wehrmacht. Die bedeutendsten Mitglieder der Gruppe wurden im Februar 1943 gefasst und vom Volksgerichtshof unter dem Vorsitz des berüchtigten Richters Roland Freisler zum Tode verurteilt und kurze Zeit später hingerichtet. Im Kölner Raum traten die Edelweißpiraten auf, einige Gruppen von aus der bündischen und kommunistischen Tradition kommenden Jugendlichen, die sich zunächst gegen die Uniformität der Hitler-Jugend wandten, im Lauf des Krieges aber auch zu konkreten Widerstandsaktionen übergingen, die bis hin zu Sabotageakten reichten. Die Widerstandsgruppe Rote Kapelle bestand aus verschiedenen unabhängigen Gruppen, die auf mehreren Ebenen gegen das Regime arbeitete. Der vereinzelt und vergleichsweise selten vorkommende Widerstand von Privatpersonen, der sich eher im Stillen abspielte, entsprang oft einer moralischen Abscheu gegen die Taten des Regimes oder aus Mitleid mit den Opfern. Er reichte von der Verweigerung des Hitlergrußes bis hin zur verbotenen Versorgung mit Lebensmitteln für Zwangsarbeiter oder dem Verstecken von Verfolgten, meist Juden. Hitler überlebte mehrere Anschläge, darunter das bis heute bekannteste Attentat vom 20. Juli 1944, das vom militärischen Widerstand, der auch Kontakt zur Widerstandsgruppe Kreisauer Kreis hatte, organisiert worden war. Im Anschluss an das Sprengstoffattentat, das von Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg durchgeführt wurde, kam es in Berlin in der „Operation Walküre“ zu einem Putschversuch, der aber nach dem Bekanntwerden von Hitlers Überleben schnell in sich zusammenfiel und niedergeschlagen wurde. Die unmittelbaren Akteure des Putschversuchs, Mitglieder der Wehrmacht, unter ihnen auch Stauffenberg selbst, wurden noch in der Nacht vom 20. auf den 21. Juli 1944 erschossen. Im Zuge der folgenden Ermittlungen kam es zur Entdeckung weiterer Umsturzpläne aus den Jahren 1938 bis 1944. Bis zum Kriegsende wurden in Prozessen vor dem Volksgerichtshof, die anfangs in Ausschnitten in der Wochenschau gezeigt wurden, über 200 Personen im Zusammenhang mit dem Attentat vom 20. Juli zum Tode verurteilt. Mehreren populären Generälen (u. a. Erwin Rommel, Günther von Kluge), die in den Verdacht der Mitwisserschaft gerieten, wurde der Ehrensuizid nahegelegt. Widerstand leisteten auch in Deutschland oder im Exil lebende Künstler wie der kritische Schriftsteller und Dramatiker Bertolt Brecht und andere, die sich mit ihren Mitteln – meist publizistisch – gegen das NS-Regime wandten. Von den Alliierten wurde der Widerstand in Deutschland selbst, anders als der in den besetzten Gebieten, so gut wie nicht unterstützt, vielmehr führte das alliierte Kriegsziel einer bedingungslosen Kapitulation zu einer indirekten Solidarisierung mit der Führung und ließ auch nach einem Staatsstreich kaum günstigere Friedensbedingungen erwarten. Judenvernichtung Der Holocaust, der systematische Völkermord an etwa sechs Millionen Juden und „Judenmischlingen“, darunter über drei Millionen Polen und 1,8 Millionen Kindern, war das größte Verbrechen der Nationalsozialisten. Er begann mit Massenerschießungen von Juden und polnischen Führungskräften durch besondere „Einsatzgruppen“ im Polenfeldzug. Es folgten großangelegte Deportationen („Umsiedelung“) und Internierungen in Ghettos und Arbeitslager, wo bereits Hunderttausende als Zwangsarbeiter umkamen. Dorthin wurden auch deutsche und österreichische Juden deportiert; mit Massakern wie dem in Babij Jar (29./30. September 1941) Seite 26 Thomas Candrian und Riga (29. November – 1. Dezember 1941) wurden überfüllte Getthos für nachrückende Judentransporte geleert. Mit dem Krieg gegen die Sowjetunion 1941–1945 weiteten sich die Judenmorde zum flächendeckenden Völkermord aus. Zur Durchführung der Aktion Reinhardt ab Juni 1941 wurden drei Vernichtungslager eingerichtet; ab Dezember 1941 begannen die ersten Morde in Gaswagen nach dem Vorbild der Aktion T4. Damit sollte die Wirkung von Giftgas getestet werden, um effektiver töten zu können und moralische Skrupel der Mörder bei Massenerschießungen zu vermeiden. Auf der geheimen Wannseekonferenz am 20. Januar 1942 organisierten Vertreter aller wichtigen NS-Behörden die begonnene „Endlösung der Judenfrage“ im Detail und verabredeten europaweite Deportationen von bis zu 11 Millionen Juden in die osteuropäischen Getthos und Lager. Bis Sommer 1942 waren die Krematorien im KZ Auschwitz-Birkenau fertiggestellt; nun wurden die Massenmorde auf industrielle Vergasung konzentriert. Die Verwertung des Eigentums der etwa drei Millionen Vergasten wurde bis ins Detail geregelt. Außer den Juden betrachteten die Nationalsozialisten auch Roma, Sinti, Jenische (als Zigeuner und Asoziale bezeichnet), Slawen und Homosexuelle als „lebensunwert“ und „rassisch minderwertig“. Diese Gruppen – die größte unter ihnen etwa 2,5 bis 4 Millionen sowjetische Kriegsgefangene – wurden ebenfalls massenhaft ermordet, teilweise ebenfalls in den Vernichtungslagern. Hauptgrund für diese Verbrechen war die Rassen- und LebensraumIdeologie, die Hitler 1924 in „Mein Kampf“ dargelegt hatte und die seit 1939 in einem Weltkrieg verwirklicht wurde. Anhänger der Linksparteien, Zeugen Jehovas, oppositionell eingestellte Jugendliche waren schon vor Kriegsbeginn als politisch unerwünschte Gruppen verfolgt und zu Tausenden ermordet worden. Die NS-Herrscher versuchten ihre Verbrechen möglichst geheim zu halten und mit Euphemismen wie Umsiedlung oder Sonderbehandlung zu tarnen. Die Deutschen erfuhren durch private Berichte und Andeutungen in Medien dennoch genug Details, um auf den organisierten Judenmord schließen zu können. Das spurlose Verschwinden jüdischer Nachbarn, das Ziel ihrer öffentlichen Abtransporte wurden wahrgenommen, aber nicht weiter hinterfragt. Der Satz „du kommst sonst ins KZ“ war seit 1933 ein Drohwort für fast jeden. Gerüchte über die Lager „im Osten“ kamen mit den Fronturlaubern praktisch in jedes Dorf, alliierte Rundfunksender, die trotz Verbot gehört wurden, meldeten die Massenmorde. Der polnische Geheimdienst lieferte den Briten bereits 1942 den Beweis für den Massenmord in Auschwitz. Die ständigen Angriffe gegen jüdische Bevölkerungsteile seit April 1933 wurden zum Teil passiv akzeptiert und von den Nutznießern begrüßt. Enteignungsartige „Arisierungen“ selbst kleinster Geschäfte oder Betriebe hatten immer Nutznießer und geschahen vor den Augen der örtlichen Bevölkerung. Gegenüber der Mittäterschaft oder Gleichgültigkeit der meisten Deutschen waren Rettungsaktionen für Juden eine seltene Ausnahme. Oskar Schindler bewahrte rund 1.200 jüdische Zwangsarbeiter aus Krakau vor der Ermordung. Das von der Bekennenden Kirche 1938 eingerichtete Büro Grüber verhalf vor allem Judenchristen bis zu seiner Schließung 1940 heimlich zur Ausreise. In den Nürnberger Prozessen wurden nur führende Personen unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschheit und Kriegsverbrecher verurteilt. Eine wirkliche Aufarbeitung der NS-Verbrechen und ihrer Ermöglichung begann in Westdeutschland erst um 1960. Seite 27 Thomas Candrian Quellen / Literatur Artikel in der Wikipedia 1. Weltkrieg 19. 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