DENKWEISEN AUS ASIEN UND EUROPA. Nagarjuna und Whitehead

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Christian Thomas Kohl
Sichtweisen aus Asien und Europa.
Das zwischen den Dingen Liegende
Nagarjuna und Alfred North Whitehead
1
Abstract
In diesem Text geht es zunächst um eine Zurückweisung eines
indologischen Interpretationsmusters, nach dem in Nagarjunas
Philosophie den Dingen eine fehlende Existenz zugeschrieben
wird. Das halte ich für einen Versuch, den Buddhismus auf die
Stufe eines Aberglaubens herabzustufen. Weiterhin geht es um
das zwischen den Dingen Liegende und um den Begriff der
Abhängigkeit und um zahlreiche ganz ähnliche Begriffe, die der
Philosoph A. N. Whitehead verwendet, um ein Prinzip zum
Ausdruck zu bringen, das von ihm auch als die Verflochtenheit
der Dinge bezeichnet wird. Ein viel früherer Hinweis auf das
zwischen den Dingen Liegende stammt von dem indischen
Philosophen Nagarjuna. Bei beiden Philosophen gibt es Dutzende
von Begriffen und Bildern, die sich vom Denken an ein Objekt
lösen, um sich mehr auf das zu konzentrieren, was zwischen den
Dingen passiert, auf Zwischenräume und Zwischenzustände.
Mein eigenes Beispiel dafür ist ein Vogelschwarm, der weder
verklumpt noch auseinanderfällt. Solch ein Zwischenzustand
lässt sich nicht auf einen einzigen Begriff festnageln, der die
Vielfalt der Beziehungen zum Ausdruck bringen könnte.
2
1.Vorbemerkung
„Wenn wir es nun, Sokrates, bei der Beantwortung so vieler
Fragen über die Götter und die Entstehung des Universums
nicht schaffen, eine Geschichte zu finden, die völlig in sich
übereinstimmend und in allen Punkten ganz genau ist, solltest du
nicht verwundert sein; denn es sollte schon genügen, wenn
unsere Geschichte nicht weniger plausibel als andere ist. Wir
müssen nämlich immer daran denken, dass wir alle bloß Menschen
sind, ich, der ich sie erzähle, und ihr, die ihr sie hört, und dass
uns deshalb bei diesen Fragen wohl eine wahrscheinliche
Geschichte genügen muss…“ (Platon, Timaios).
3
2. Vorbemerkung
Whitehead schreibt in seinem Buch Abenteuer der Ideen über
Ähnlichkeiten von Ideen, die auf den ersten Blick nicht zu
erkennen sind, weil sie in unterschiedlichen Sprechweisen
formuliert wurden. Und damit möchte ich in mein Thema
einführen: Gibt es eine Entsprechung von asiatischen und
europäischen Denkweisen?
„Selbst scharfen Denkern fällt es mitunter schwer, die
Entsprechungen zwischen Ideen zu sehen, die in
unterschiedlichen Sprechweisen formuliert und durch
unterschiedliche Beispiele illustriert worden sind. Manchmal ist
es zwischen Philosophen, die genau die gleiche Idee auf
verschiedene Weise formuliert hatten, zum erbitterten Streit
gekommen. Deshalb muss man, wenn man in der Religion einen
neuen Anfang machen will, der auf Ideen von profunder
Allgemeinheit basiert, darauf gefasst sein, dass es tausend
Jahre dauert, bis er sich durchsetzen kann. Religionen sind in
dieser Beziehung wie die Spezies im Tierreich: keine von ihnen
entsteht durch einen spontanen Schöpfungsakt in endgültiger
Gestalt“ (A.N. Whitehead, Abenteuer der Ideen,
Suhrkampverlag Frankfurt am Main 1971, S. 323). 3. 3.
4
3.Vorbemerkung
Vorprägung. Können wir heute, im 21. Jahrhundert den
indischen buddhistischen Philosophen aus dem 2. Jahrhundert
verstehen? Werden wir nicht durch unsere eigenen
Vorprägungen daran gehindert? In seinen Heraklit-Studien hat
sich der fast 100-jährige Philosoph Hans-Georg Gadamer genau
mit dieser Frage beschäftigt. Gadamer schreibt dort: „Unsere
eigene Vorprägung sitzt so tief, dass sie im Verständnis anderer
Kulturen und Geschichtswelten uns behindert. Um zu besserem
Verständnis zu gelangen, muss man sich seiner eigenen
Vorprägung bewusst zu werden versuchen“ Hans-Georg
Gadamer, Der Anfang des Wissens, Philipp Reclam, Stuttgart
1999, S. 67). Meine Vorprägung, mit der ich die Philosophie
Nagarjunas zu verstehen suche, ist durch die
Auseinandersetzung mit Whiteheads Schriften geprägt und
umgekehrt. Beide Philosophen haben sich von der
Substanzmetaphysik und von Begriff der Subjektivität
verabschiedet, beide haben das zwischen den Dingen Liegende
als eine hängende und abhängige Grundlage angestrebt und mein
Verständnis vorgeprägt.
5
4. Vorbemerkung
A. N. Whitehead, Denkweisen, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am
Main 2001: “Philosophische Wahrheiten sind daher eher in den
Voraussetzungen der Sprache als in ausdrücklichen
Feststellungen zu suchen”(S. 45). “Verbundenheit ist das Wesen
jeglicher Art von Dingen”.(...) „Keine Tatsache ist nur sie
selbst”.(...) “Dies bedeutet, dass immer da, wo ein Einzelfaktum
erörtert wird, eine Voraussetzung unterschlagen wird, nämlich
die Koordination mit der Umgebung, die erforderlich ist für die
Existenz dieses Faktums”. (S.54) “Die Tatsache ist eine
Abstraktion, zu der man gelangt, wenn man das Denken auf rein
formale Beziehungen beschränkt, die schließlich als endliche
Realität maskiert werden. Darum fällt Wissenschaft in ihrer
Perfektion auf das Studium von Differentialgleichungen zurück.
Die wirkliche Welt ist der Wissenschaft durch das Netz
gegangen”. (S. 62) “Philosophie ist die Kritik der Abstraktionen,
die spezifische Denkweisen beherrschen”. (S.89) “Diese
gegenseitige Durchdringung ist eine fundamentale
Erfahrungstatsache”. (S. 93) “Die Definition der Umgebung ist
genau das, was in speziellen Abstraktionen übergangen wird”. (S.
95) “So suggerieren zum Beispiel einzelne Wörter, jeweils in
6
ihrer lexikalischen Bedeutung, und einzelne Sätze, abgetrennt
durch Schlusspunkte, die Möglichkeit, vollständig von jeglicher
Umwelt abstrahierbar zu sein. So kann man durchaus sagen,
dass das Problem der Philosophie darin besteht, wechselseitige
Verbindungen von Dingen zu verstehen, die auch ohne Bezug
zueinander verstanden werden können. Aber eben diese
Voraussetzung ist irrig. Wir sollten uns von ihr verabschieden
und davon ausgehen, dass jede Entität – welcher Art auch immer
– notwendigerweise über eine für sie wesentliche Verbindung
mit dem Universum der Dinge verfügt. Diese Verbindung kann
als die Seinsweise betrachtet werden”. (S. 105) “Alles, was in
irgendeinem Sinne existiert, hat zwei Seiten, sein individuelles
Selbst und seine Signifikanz im Universum. Und jeder dieser
Aspekte ist ein Faktor des anderen”. (S. 146) “Die Umwelt
dringt in die Natur jedes einzelnen Dings ein”. (S. 170)
7
1. Einleitung
In der Geschichte des Buddhismus ist der indische Philosoph
Nagarjuna, der wahrscheinlich im 2. Jahrhundert lebte,
besonders durch zwei Schlüsselbegriffe seiner Philosophie
bekannt geworden, es sind die Sanskritworte ‚Sunyata‘ und
‚pratityasamutpada‘. Auf diese Begriffe haben sich nicht etwa
europäische Philosophen, sondern ausgerechnet europäische und
amerikanische Philologen, also Sprachwissenschaftler,
Indologen, gestürzt.
„Schwerpunkt der klassischen Indologie war seit ihren ersten
Anfängen die Sanskrit-Philologie, bereits in der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts kamen Studien der mittelindischen
Sprachen (Pali und Prakrit-Dialekte) hinzu. Viele von der
klassischen Indologie erstellte Übersetzungen oder Fachartikel
bereicherten andere Wissenschaften wie zum Beispiel die
vergleichende Sprach- und Religionswissenschaft oder
Archäologie. Auch für die Zukunft bleiben noch zahlreiche
Aufgaben, so etwa die deutsche Übersetzung wichtiger
Sanskrit-Texte, die bislang nur in – oft unvollkommener –
englischer Übertragung vorliegen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Indologie
8
Indologen haben den Schlüsselbegriff Sunyata meistens mit
dem deutschen Wort ‚Leerheit‘ übersetzt und
pratityasamutpada mit der Bezeichnung ‚abhängiges Entstehen‘.
Diese Übersetzungen von einzelnen Wörtern, jeweils in ihrer
lexikalischen Bedeutung, ohne Rücksicht auf den
Textzusammenhang und auf die ausgesprochenen und nicht
ausgesprochenen philosophischen Ideen, die dem Text zugrunde
liegen und darüber hinaus zahllose philologische
Interpretationen haben den Eindruck hervorgerufen, Nagarjuna
hätte die Dinge für leer, nicht real, nicht existierend gehalten,
für eine Halluzination oder Fiktion.
[An dieser Stelle möchte ich an die philosophische
Kurzdefinition einer Fiktion erinnern: „Das menschliche
Vorstellungsgebilde der Welt ist ein ungeheures Gewebe von
Fiktionen voll logischer Widersprüche, d. h. von
wissenschaftlichen Erdichtungen zu praktischen Zwecken bzw.
von inadäquaten, subjektiven, bildlichen Vorstellungsweisen,
deren Zusammentreffen mit der Wirklichkeit von vornherein
ausgeschlossen ist.“ Hans Vaihinger: Philosophie des Als Ob,
1911, S. 14]
9
Stellvertretend und symptomatisch für die Indologie möchte ich
hier nur zwei herausragende, bedeutende Gelehrte nennen, L.
Schmithausen und Etienne Lamotte. Von Lamottes
Übersetzungen habe ich viel gelernt. Schmithausen schreibt,
über den Begriff Sunyata bei Nagarjuna: „Das Zustandekommen
in Abhängigkeit von anderem läuft somit auf [In-Wahrheit]
Nichtzustandekommen, auf [In-Wahrheit] Nichtexistieren
hinaus, die Eigenwesenlosigkeit [nihsvabhavata] auf Sunyata im
Sinne von Nichtigkeit“ ( L. Schmithausen, in: Historisches
Wörterbuch der Philosophie, Joachim Ritter, Karlfried Gründer
[Hg.]; Bd. 10, Basel 1998, S. 629). Demnach soll Sunyata das
Nichtzustandekommen, die Nichtexistenz oder die Nichtigkeit
der Gegebenheiten [dharma] bezeichnen.
[Hier möchte ich nur in ganz kurzgefasster Form in Erinnerung
rufen, dass wir in der Philosophie unter den Begriffen der
Substanz oder des Seins oder des Wesens der Dinge keineswegs
eine chemische Substanz oder materielle Existenz oder die
einfache Tatsächlichkeit oder das Dasein der Dinge verstehen,
sondern die immaterielle Idee oder das Urbild eines Dings,
etwas, das dauerhaft und unveränderlich, unabhängig von jeder
10
Art von Fremdbestimmung, aus sich selbst heraus existiert,
körperlos ist, alle Dinge durchdringt und das wesentliche Sein
der Dinge ausmachen soll. In der traditionellen griechischen
Philosophie wurde es bereits von Platon mit dem griechischen
Begriff ousia, eigenes Sein, oder dem Begriff der Idee
bezeichnet oder auch mit noch anderen Begriffen, ohne eine
Festlegung in der Wortwahl. Im Gegensatz dazu war für Platon
die Existenz der Dinge nicht mehr als ein schattenartiges
Abbild, eine zweitklassige Imitation der Idee oder des eigenen
Seins. Die traditionellen indischen Philosophien bezeichneten ein
derartiges eigenes Sein mit dem Terminus svabhava. Ein solches
eigenes Sein wird von der buddhistischen Philosophie
zurückgewiesen, keineswegs jedoch die Existenz der Dinge, das
Dasein oder die Welt, in der wir leben. Allerdings muss bei dem
Begriff des Seins der Hinweis des Philosophen Hans-Georg
Gadamers bedacht werden, der bemerkte: „Was das Sein
eigentlich meint, das auf diese Weise zustande gekommen sein
soll, haben sie nicht gesagt“ Hans-Georg Gadamer, Der Anfang
des Wissens, Stuttgart 1999, S. 147. Dabei ist zu beachten: All
diese Sätze dienen nur der Bestimmung des Seins und des
Absoluten. Sie sind natürlich ohne Rücksicht formuliert worden,
11
ob es auch wirklich etwas gibt, das diesen Bestimmungen
entspricht. Mit diesen Worten vom Sein ist noch nichts über die
Wirklichkeit des Seins gesagt. Wir haben es nur mit Worten zu
tun.]
Selbst unsere besten Ideen haben Grenzen, die nicht
überschritten werden dürfen. Auch der Begriff von Sunyata hat
nicht den Rang eines Grundbegriffs oder einer Theorie für
Alles. Sunyata ist ein eingeschränkter, nur für eine spezielle
Fragestellung brauchbarer Begriff. Er bezieht sich auf die
spezielle Fragestellung nach einem eigenen Sein oder nach etwas
Absolutem, was in der Geschichte der Philosophie auch mit dem
Begriff Substanz bezeichnet wurde. Es ist extrem voreilig,
einfach bedenkenlos zu verallgemeinern und es ist eine
unzulässige und unhaltbare Verallgemeinerung, die
philosophische Idee der fehlenden Substanz der Dinge
aufzublasen und nun alles als nichts zu erklären. Sunyata kann
nicht auf die Existenz der Dinge ausgedehnt werden. Mit dieser
Idee kann man nicht das Dasein in seiner einfachen
Tatsächlichkeit in Abrede stellen. Das ist nicht nur ein
Übersetzungsfehler, sondern ein kolossaler philosophischer
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Fehlschlag, der die Philosophie Nagarjunas zu einem
Aberglauben macht und zu einer zurückgebliebenen
Schwärmerei, durch die wir das Vertrauen in den gesunden
Menschenverstand, in jedes systematische philosophische
Denken und in unsere sinnliche Wahrnehmung verlieren würden,
wenn wir solch einer unhaltbaren und plumpen Verallgemeinerung
Glauben schenken. Wir müssten jede Philosophie aufgeben, um
von dem Aberglauben an die Nichtexistenz der Dinge überzeugt
zu sein. Es gibt nichts, was diese aufgeblasene Wissenswolke
einiger Sprachwissenschaftler irgendwie rechtfertigte.
Etienne Lamotte, ein herausragender und hoch qualifizierter
Übersetzer der Werke Nagarjunas und seines
zentralasiatischen Übersetzers, Kumarajiva, dem wir mehrere
bedeutende, umfassende Übersetzungen aus dem Chinesischen
ins Französische verdanken, hatte Nagarjuna folgendermaßen
verstanden: „Nicht aufgrund einer Leerheit sind die Wesen und
Gegebenheiten leer, sondern sie sind leer, weil sie nicht sind“
( Etienne Lamotte, Der Mahayana-Buddhismus, in: Heinz Becher
& Richard Gombrich, Die Welt des Buddhismus, München 2002,
S. 93).
13
Dadurch wollen uns zwei einflussreiche Gelehrte ( und mit ihnen
zahlreiche indologisch geschulte Sprachwissenschaftler)
überzeugen, in den philosophischen Arbeiten Nagarjunas ginge
es um den Begriff des Nichts, um die Nichtexistenz und
Unwirklichkeit der Dinge, sie würden im buchstäblichen Sinn
Leere und Abwesenheit von Inhalt illustrieren.
Gewiss, der Begriff ‚Sunyata‘ steht im Zentrum der Philosophie
Nagarjunas, mit dem engumgrenzten Geltungsbereich, sich von
der Vorstellung von einem eigenen Sein oder von etwas
Absolutem zu verabschieden. Dieser beschränkte
Geltungsbereich wird durch das Interpretationsmuster von
Schmithausen und Lamotte über die Maßen ausgedehnt. Nach
ihrer Interpretation soll von Nagarjunas Philosophie nicht nur
die Vorstellung von einem ideellen Sein, von einer ideellen
Essenz der Dinge, sondern auch die ganze materielle Existenz
der Dinge bestritten werden.
„Die Neigung zu übertriebenen Behauptungen ist schon immer
eines der Grundlaster der Wissenschaft gewesen, und so hat
man denn zahlreichen, innerhalb strikter Grenzen unzweifelhaft
wahren, Aussagen, dogmatisch eine nicht bestehende universelle
14
Gültigkeit beigemessen“ (Whitehead).
Immer wenn ich höre und lese, Buddha Sakyamuni oder
Nagarjuna sollen die Dinge dieser Welt als ein Nichts oder als
eine Fiktion und Einbildung erklärt haben, deren
Zusammentreffen mit der Wirklichkeit von vornherein
ausgeschlossen ist, überfällt mich ein Gefühl der Lähmung, von
Langeweile, von Misstrauen, Argwohn und Skepsis über solch
verdrehte, absurde Beleidigungen des gesunden
Menschenverstandes und der sinnlichen Wahrnehmung. Solch ein
Amalgam von philosophischen Begriffen, solch einen verkorksten
Tiefsinn und Aberglauben soll Nagarjuna gelehrt haben?
[Der Begriff 'Aberglaube' hat eine lange Geschichte, nach einer
modernen Definition des Sozialpsychologen Judd Marmor
bezeichnet er heute Glaubenssätze und Praktiken, die
wissenschaftlich unbegründet sind und nicht dem erreichten
Kenntnisstand einer Gesellschaft entsprechen. Dagegen kann
man die meisten Philosophien, auch die Philosophie Nagarjunas,
als einen Versuch beschreiben, ein kohärentes, logisches,
notwendiges System allgemeiner Ideen zu finden, durch das alle
15
Bestandteile unseres Erlebens interpretierbar werden. „Das
Hauptverfahren der Philosophie im Umgang mit ihren
Gegebenheiten ist die Methode der beschreibenden
Verallgemeinerung“ (Whitehead).]
Leider sind derartige philologischer Fehlschläge zu einem
dogmatischen Interpretationsmuster der vergangenen 100
Jahren geworden. Soll das die philosophische Idee und die
Aussage Nagarjunas sein? Soll das seinem Geist und seinen
Absichten entsprechen? Wollte Nagarjuna die Außenwelt
leugnen? Müssen wir jetzt etwa die Außenwelt beweisen, um
eine Gegenposition einzunehmen? Die Existenz der Welt, in der
wir leben, ist evident, man sieht sie doch, wir leben doch in ihr,
wir sind doch ein Teil von ihr. Das reicht vollkommen aus für
eine Zurückweisung des Aberglaubens an das Nichts. Die Welt,
in der wir leben, wird eigentlich nur von extremen
subjektivistischen Philosophien geleugnet wird. Doch haben
solche extremen Sichtweisen nur einen geringen
Erklärungswert über die Welt, wenn überhaupt. Deswegen
sollten wir uns von solchen extremen Subjektivisten einfach nur
verabschieden. Sie haben die gleiche scharfe Trennung zwischen
16
Geist und Materie akzeptiert, die sie bei ihren
'materialistischen' Gegnern bemerkt haben. Während für ihre
'materialistischen' Gegner die physische Natur die einzige
Realität und der Geist eine Randerscheinung ist, ist für sie die
die Natur reine Erscheinung und das Bewusstsein die einzige
Realität. Bei Subjektivisten gibt es keine Verschmelzung von
beidem.
Durch ihr Interpretationsmuster haben Schmithausen und
Lamotte Nagarjuna in die Nähe des idealistischen Philosophen
George Berkeley (1685-1753) gerückt. Berkeley lehrte, dass
eine vom Wahrnehmen und Denken unabhängige Außenwelt nicht
existiert. Sollte Nagarjuna, der Begründer eines mittleren
Weges, der alle extremen Denkweisen zurückgewiesen hat,
selber ein extremer subjektivistischer Philosoph gewesen sein,
der die Außenwelt infrage stellt? Wollte er zurückweisen, was
offensichtlich existiert? Wollte Nagarjuna die Welt in der wir
leben, leugnen? Oder war Nagarjuna ein 'Nihilist'? War er blind
oder wollte er einfach nicht seinen Augen trauen? Zu derartig
exotischen, absurden und zurückgebliebenen, altmodischen
subjektivistischen Schlussfolgerungen und Unterstellungen
können wir kommen, wenn wir die Bedeutung von einem zentralen
17
Begriff übersetzen, ohne nach den Ideen zu fragen, die dem
Begriff und dem ganzen Text zugrunde liegen. Solche
indologischen Unterstellungen haben die Diskussion um einen
bedeutenden buddhistischen Philosophen vergiftet. Eine
philosophische Interpretation und Diskussion beginnt nicht mit
der Übersetzung von Begriffen, die man nicht verstanden hat,
sondern mit Fragen nach den Ideen, die einem Begriff und dem
ganzen Text zugrunde liegen. Mit solchen Fragen sind wir nicht
am Ende, sondern am Anfang eines philosophischen Verstehens
angekommen.
Der Buddhismus hatte von Anfang an einen negativen Ruf, der
ihm unterstellte, die Welt zu leugnen. Das ist ein grobes
Missverständnis, weil ja gerade in der Erkenntnis der
wolkenartigen, regenbogenartigen und nebulösen Wirklichkeit
die Voraussetzung besteht, sich von der Welt zu befreien und
alle Bindungen an diese Welt aufzugeben.
Befreiung ist erst dann möglich, so lehrte Buddha Sakyamuni,
wenn wir die Grundlosigkeit der Dinge sehen, ihr Hängen
aneinander und ihre Bindungen untereinander. Wir hängen gierig
18
an den Dingen, solange wir nicht sehen, dass wir einer Fata
Morgana nachjagen. Das sind die Kerngedanken Buddha
Sakyamunis. Nagarjuna betont ebenso den flüchtigen,
fragmentarischen, verschwommenen, sich in Luft auflösenden
Charakter der Dinge, wenn er von ihnen sagt, sie seien nicht
zusammen aber fallen auch nicht auseinander. Weder sind die
Dinge zusammen, noch sind sie nicht zusammen, [MMK 6.8], sagt
Nagarjuna wörtlich in seinem Hauptwerk. In meinen eigenen
Worten: Solche 'Dinge' wie Vogelschwärme unterliegen
wahrscheinlich nicht nur anziehenden Kräften, sondern auch
abstoßenden Kräften, die verhindern, dass die Vögel miteinander
verklumpen. Mit meinen Worten formuliert sind das die
Kerngedanken Nagarjunas, die er in zahlreichen Bildern
dargestellt hat, wie zum Beispiel in dem Bild vom Feuer und vom
Brennstoff. Davon wird im 3. Teil dieses Textes die Rede sein.
Vom Nichts zu sprechen, ist eine grobe Irreführung, der es an
Feinfühligkeit und feiner Wahrnemung fehlt.
Sprachwissenschaftler überschreiten ihre Kompetenz, wenn es
um eine philosophische Interpretation der grundlegenden Ideen
Nagarjunas geht.
Der Buddhismus wäre schon längst nichts weiter als ein
19
Aberglaube, wenn er nicht von seinen Anfängen bis zur
Gegenwart in Verbindung mit einer intellektuellen Bewegung
gestanden hätte, mit einer Liebe nach Weisheit, wie wir die
Philosophie nennen, mit einer Anstrengung der Vernunft, ein
mehr oder weniger vollständiges philosophisches System zu
formulieren. Dieses Streben nach Rationalität ist auch eine
Grundlage der Religionsphilosophie, die sich im 18. Jahrhundert
entwickelte, aus dem Bemühen, das Wesen und die Wahrheit des
religiösen Glaubens aus der Vernunft zu begreifen, ohne
Rücksicht auf Offenbarungsansprüche. Dabei schließe ich mich
den Religionswissenschaftlern Mircea Eliade, Richard Otto, F.
Heiler und G. Mensching an, die als einen Einheitsbegriff ‚das
Heilige‘ ausgewählt hatten, um das in der religiösen Erfahrung
ursprünglich Erscheinende zu bezeichnen. 'Das Heilige' ist auch
für den Buddhismus ein Kennzeichen.
Sprachwissenschaftler setzen sich über diesen rationalen Kern
der buddhistischen Philosophie einfach hinweg. Durch ihre
willkürlichen, irrationalen Fehlschläge der Übersetzungen eines
Schlüsselbegriffs ist die Philosophie Nagarjunas erheblich
geschwächt worden. Solche indologischen
Sprachwissenschaftler haben ein vollständig veraltetes Bild von
20
der buddhistischen Philosophie geschaffen. Sie haben den
Buddhismus auf eine Art mystischen Singsang über eine
uneinsehbare Welt reduziert und zu einem zurückgebliebenen
Aberglauben herabgestuft. Ich möchte das an dieser Stelle mit
einem traditionellen Gleichnis von einem Bananenbaum belegen:
21
Bananenstaude.
22
Kommentar: Bananen sind eine Pflanzengattung in der Familie
der Bananengewächse. Eine Banandenstaude hat keinen Stamm.
Was wir für einen Stamm halten könnten ist ein Scheinstamm,
der aus massiven Blattstielen besteht, die nicht verholzen. Das
ist ein häufig genanntes Beispiel im frühen Buddhismus. Wir
sollen alle Dinge so betrachten, ohne einen festen Kern, ohne
eine Substanz. Von einer fehlenden Existenz der Bananen ist im
Buddhismus überhaupt nicht die Rede.
23
Die Realität ist wie ein Nebel.
24
Kommentar: Auch Nebel ist ein traditionelles Gleichnis im
frühen Buddhismus. Im Nebel erscheint alles weniger wirklich
Von einem Nichts ist nicht die Rede.
25
Spiegelbild.
Kommentar: Auch ein Spiegelbild ist nicht ein Nichts, auch ist es
nicht leer Es existiert, es ist da. Es gibt ein Spiegelbild in einem
Spiegel oder in einem See. Nur besteht es eben nur aus Licht,
es stellt keine Verdoppelung der materiellen Wirklichkeit dar,
es täuscht eine Verdoppelung vor. Es existiert in einem
Zwischenbereich zwischen dem Nichts und einer materiellen
Wirklichkeit. Vor allen Dingen ist es nicht greifbar. Wir können
es nicht festhalten. Es fesselt uns nicht an diese Welt und wir
können uns leicht von ihm befreien. Wenn wir alle Dinge wie ein
Spiegelbild betrachten, können wir loslassen.
26
Wie sollten Nagarjunas Schlüsselbegriffe übersetzt werden?
Für ganz ähnliche Fragen der Übersetzung und Interpretation
ist der Bibelübersetzer Martin Luther (1483 – 1546) bekannt
geworden. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 29. April
2015 schreibt Reinhard Binger über eine Korrektur der
Lutherbibel durch die Evangelische Kirche Deutschlands und
nennt die Gründe, warum Theologen im Jahre 2015 an unzähligen
Stellen zum Deutsch Martin Luthers zurückkehren. Binger
schreibt:
„Charakteristisch für Luthers Übersetzung war insgesamt, dass
er recht frei mit den einzelnen Wörtern der Urtexte umging.
‚Die Grammatik soll nicht über die Bedeutung herrschen‘, sagte
Luther einmal. Übersetzung war für den Reformator immer auch
Auslegung. Nicht die Bedeutung einzelner Worte, sondern die
Theologie eines Textes wollte er so präzise und prägnant wie
möglich ins Deutsche übertragen. Vom Ergebnis sind die in
Leipzig versammelten Fachleute noch immer angetan“.
Nagarjuna hat bisher keinen philosophischen Übersetzer vom
Rang Martin Luthers gefunden, wir sind durch philologische
Methoden des Übersetzens noch immer mit dem Ergebnis
konfrontiert, dass Nagarjunas Philosophie als nihilistisch,
27
schwierig, dunkel und bestenfalls exotisch gilt. Auch werden ihr
viele paradoxe und nebulöse Tiefsinnigkeiten unterstellt, mit
denen uns Nagarjuna Rätsel aufgegeben haben soll. Dadurch
wollen uns Sprachwissenschaftler dann weismachen, Nagarjunas
Philosophie könne mit europäischen philosophischen Ideen kaum
verstanden, verglichen und interpretiert werden.
Während Nagarjuna bei Indologen und Sprachwissenschaftlern
seit zwei oder drei Generation eine Hochkonjunktur erlebt,
haben sich europäische Philosophen in den letzten 200 Jahren
nur ganz selten mit indischen Philosophien auseinander gesetzt.
Indische Philosophien waren für sie bestenfalls
Weisheitslehren, aber nicht Philosophie. Darauf ist der
Philosophie-Historiker Elmar Holenstein in seinem PhilosophieAtlas eingegangen. Holenstein schreibt:
„Der Forschungsstand ist heute ein anderer als in den
Jahrzehnten unmittelbar vor und nach 1800. Zu viele der
wahrhaft großen Philosophen außerhalb Europas waren Kant
(1724 -1804) und Hegel (1770 – 1831) wohl noch nicht einmal
dem Namen nach vertraut, etwa Nagarjuna, Vasubandhu,
Bhartrihari, Dharmakirti, Shankara, Gangesha in Süd-Asien, Xun
Zi, Wang Bi, Fazang Zhu Xi, Wang Yangming, Yi Hwang und Ogyu
28
Sorai in Ostasien“. (…) Von der Mehrzahl dieser Gelehrten sind
Texte überhaupt erst im Verlauf des 20. Jahrhunderts in
europäische Sprachen zugänglich gemacht worden“(1).
Eine bedeutende Ausnahme war übrigens der Philosoph Karl
Theodor Jaspers (1883 – 1969).
Nagarjuna hat seine Idee von der Wirklichkeit keineswegs nur
in den Begriffen 'Sunyata' und 'Pratityasamutpada' zum
Ausdruck gebracht. Diese beiden Sanskrit-Begriffe sind in
seinem Hauptwerk [MMK] nur eine zusammenfassende
Verallgemeinerung von 25 Gleichnissen, mit denen er die
Wirklichkeit untersucht, dargestellt und verglichen hat.
Welche Ideen liegen diesen 25 Gleichnissen zugrunde? Der
Kerngedanke Nagarjunas besteht in dem Hinweis auf das
zwischen den Dingen Liegende und wird mit verschiedenen
Begriffen bezeichnet, mit dem Begriff des Zusammenhangs der
Dinge, mit dem Begriff der Abhängigkeit und des
Zusammenseins. Das sind alles vage Begriffe, die schwer in
konkrete Worte zu fassen sind. Auch ergänzende und ähnliche
Begriffe aus anderen Philosophien und Wissenschaften können
nicht die vage Bedeutung auflösen. Ich meine solche Begriffe
29
wie beispielsweise Bindungen, Verschränkungen, Zwischenräume,
Verwicklungen, Verflochtenheit, Wechselspiel, oder die
wechselseitige Verbundenheit der Dinge. Oder Gobertis
Hinweise auf die Mitte, die Vereinigung, auf den Durchgang, den
Übergang, den Weitergang, den Abstand, die Entfernung, das
Band und auf den Kontakt. (2)
Diese und zahlreiche weitere Begriffe bringen etwas andere
Aspekte von dem, was zwischen den Dingen passiert, zum
Ausdruck. Bis heute gibt es keinen einzelnen, einzigen oder
zusammenfassenden Begriff für die etwas schwerfällige
Bezeichnung von dem zwischen den Dingen Liegendem, den ich
von Albert Einstein übernommen habe, als er von einem Feld
sprach. Es ist nicht immer von genau demselben Sachverhalt die
Rede. Die Worte Sunyata und Pratityasamutpada können nur als
Sammelbegriffe für das zwischen den Dingen Liegende
verstanden werden. Sunyata und Pratityasamutpada lassen sich
nicht durch ein einziges Wort übersetzen, auf einen einzigen,
konkreten Begriff festnageln.
[Eine Nebenbemerkung: Seit dem 7. Jahrhundert ist das Wort
Sunyata von Brahmagupta in die indische Mathematik
30
eingeführt worden, wo es die Zahl 0 bezeichnet, eine Zahl, die
sich in der Mitte zwischen den positiven Zahlen und den
negativen Zahlen befindet
8-7-6 -5 -4 -3 -2 -1 0 +1 +2 +3 +5 +6 +7 +8
https://de.wikipedia.org/wiki/Null
An dieser Zahlenreihe sieht man, dass Sunyata eher die Mitte
als eine Leerstelle oder Leerheit bezeichnet.]
Die Hauptströmungen der europäischen Philosophien haben sich
nicht mit dem beschäftigt, was zwischen den Dingen passiert.
Sie sind ganz andere Wege gegangen. Sie haben vor allem seit
Platon (428 – 348 vor Christus) die extremen Ideen des
Absoluten, des Seins und der Substanz oder aber seit René
Descartes (1596 – 1650) das gegenteilige Extrem, das
unabhängige Subjekt thematisiert. Sie konnten seit Aristoteles
(384 – 322 vor Christus) mit Zwischenzuständen gar nichts
anfangen. Denn bereits Aristoteles hatte ein logisches Prinzip
formuliert nach dem ein Sachverhalt entweder besteht oder
nicht, tertium non datur, ein Drittes gibt es nicht. Es ist ein
Denken in einem Schwarz-Weiß-Schema ohne Zwischenbereiche.
31
Es durchzieht die europäische Philosophiegeschichte und
Wissenschaftsgeschichte wie ein roter Faden, von Aristoteles
bis heute.
An dieser Stelle möchte ich das Schwarz-Weiß-Schema durch
einige Bilder zurückweisen, die das Dritte darstellen, den
Zwischenzustand zwischen Tag und Nacht.
32
1. Claude Monets Abenddämmerung.
33
2. Abenddämmerung
34
3. Abenddämmerung
35
4. Abenddämmerung
36
5. Abenddämmerung
37
6. Abenddämmerung
38
7. Abenddämmerung
39
8. Abenddämmerung
40
Kommentar: Tag und Nacht sind weder zusammen, noch nicht
zusammen. Der Abend befindet zwischen Tag und Nacht. Er
kann auch als ein Zwischenraum bezeichnet werden. Der Abend
ist mit dem Tag und mit der Nacht verbunden und verschränkt,
er stellt einen Übergang dar. Er kann nicht als ein Nichts oder
als leer bezeichnet werden.
Diesem grundlegenden logischen Prinzip des Aristoteles wagten
erst im 20. Jahrhundert einige Mathematiker und Physiker zu
widersprechen. Für die Mathematik war es besonders Jan
Brouwer (1881 – 1966). Für die Physik begann es bereits mit
Faraday (1791-1867) und Maxwell (1831-1879). Aber darauf soll
an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden.
41
Magnetfeld. Es bedurfte eines kühnen Gedankensprunges, um
zu erkennen, dass nicht das Verhalten von Körpern, sondern das
von etwas zwischen ihnen Liegendem, das heißt, das Verhalten
des Feldes, für die Ordnung und das Verständnis der Vorgänge
maßgebend sein könne» [Albert Einstein, Leopold Infeld, Die
Evolution der Physik, Rowohlt, Hamburg 1957, Seite 194].
42
Allerdings gibt es in der europäischen Philosophie des 20.
Jahrhunderts vereinzelte Ansätze, die in die gleiche Richtung
weisen, in die Nagarjuna vor fast 2000 Jahren gegangen ist. Es
sind Ansätze, die durchaus mit Zwischenzuständen und
Zwischenräumen etwas anfangen konnten. Ein Ansatz ist von
A.N. Whitehead (1861 – 1947) vertreten worden. Er soll in kurz
gefasster Form mit Nagarjunas Ansatz verglichen werden.
43
2. Alfred North Whitehead
A. N. Whitehead war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
ein außerordentlicher Mathematiker, Philosoph und
Wissenschaftsphilosoph, der die philosophische Tradition
Europas als eine Reihe von Fußnoten zu Platon charakterisierte
und sie gegen den Strich bürstete. Whitehead war ein
historischer Philosoph, es ging ihm jedoch nicht um die
geschichtlichen Ablauf der Philosophie, ihm ging es darum, die
erhellenden Potentiale der betrachteten Philosophen für die
gegenwartsbezogene Diskussion bestimmter philosophischer
Sachfragen zu erkunden. Seine Rückblicke waren
problembezogene Prüfungen dessen, was von der Vergangenheit
zu lernen ist. Whitehead integrierte sich selber in diese
philosophische Tradition Europas, um die beiden grundlegenden
Ideen der europäischen Philosophie, die Idee des Absoluten und
des unabhängigen Subjekts, abzuschütteln und hinter sich zu
lassen. Damit hat Whitehead den europäischen Denkweisen eine
neue Richtung gegeben. Welche Richtung? Auf das zwischen den
Dingen Liegende, wie es Albert Einstein (1879-1955) für die
Physik seit Faraday formulierte, auf die Mitte, die Vereinigung,
den Durchgang, den Übergang, auf die Beziehung und das Band
44
zwischen den Dingen, auf den Kontakt, wie es ein recht
unbekannter Gelehrter, Vincenzo Gioberti 1864 in Neapel
formulierte (2).
Whiteheads organistische Prozessphilosophie ist von Christoph
Kann zusammengefasst worden und soll hier nicht noch einmal
dargestellt werden. Doch dient seine gelungene Darstellung als
eine bequeme Grundlage für diesen kleinen Überblick: Christoph
Kann, Fußnoten zu Platon. Philosophiegeschichte bei A. N.
Whitehead. Felix Meiner Verlag Hamburg 2001.
Hier soll an einen wichtigen Punkt der Philosophie Whiteheads
erinnert werden. Ich meine vor allem den Begriffe der
wechselseitigen Abhängigkeiten der Dinge oder der
wechselseitigen Verbundenheit der Dinge und ganz ähnliche
Begriffe, die ich ohne einen Vollständigkeitsanspruch darstellen
möchte. Sie lassen sich nicht auf einen Begriff bringen.
Whitehead verwendet immer wieder andere Begriffe, er lässt
sich nicht auf einen Begriff festnageln, „denn der voreilige
Gebrauch irgendeines geläufigen Worts muss unweigerlich dazu
führen,“ meint Whitehead in Abenteuer der Ideen, „dass wir
den angestrebten Grad von Allgemeinheit nicht erreichen“. „Wir
45
brauchen die Ausdrücke „zusammen“, „das immanent
Schöpferische“, „die Konkreszenz“, „das Erfassen“, „das
Fühlen“, „die subjektive Form“, „die Gegebenheiten“,
„Wirklichkeit“, „Werden“ und „Prozess“, sagt Whitehead.
Relationalität oder die wechselseitige Abhängigkeit der Dinge.
Für diese und ähnliche Begriffe hat sich weder bei Whitehead
selber noch in seiner Wirkungsgeschichte ein einzelner Begriff
durchgesetzt. Wie beiläufig taucht der Begriff der
Abhängigkeit auf, wenn eine unabhängige, unbewegliche, starre
Existenz der Dinge negiert wird (Seite 66 bei Christoph Kann).
Wie ein roter Faden durchzieht er Whiteheads Gesamtwerk.
Wirkliche, konkrete Dinge sind abhängig von anderen konkreten
Dingen, sie befinden sich in einer Vernetzung mit ihrer realen
Welt (Seite 196). Whitehead spricht von einer offensichtlichen
Verbundenheit des Universums (Seite 201). An einer anderen
Stelle ist von Relationen die Rede, sie bezeichnen die
Beziehungen oder auch die inneren Relationen, die alle Realität
aneinander binden (Seite 208).
Bei unseren Anschauungen - macht Whitehead gegenüber
Immanuel Kant geltend – geht es nicht nur um abstrakte Daten.
46
Den Daten entsprechen wechselseitige Zusammenhänge der
Realisierung (Seite 229) in einem mehrstufigen
Empfindungsprozess. Christoph Kann fasst Whitehead's
Sichtweise zusammen: „Initiiert durch die Aristotelische
Substanzmetaphysik hat für Whitehead die Philosophie einen
Weg eingeschlagen, der den Gesichtspunkt einer universellen
Bezogenheit der Erfahrungswirklichkeit sowie den platonisch
Grundgedanken vom Sein als Werden preisgegeben hat“ (Seite
239).
Bei der Substanzmetaphysik bleibe - nach Whitehead – die
Frage nach Zusammenhängen und Beziehungen zwischen den
Dingen außerhalb der Betrachtung, eine Welt, in der es
Beziehungen zwischen realen Individuen gibt, wird „schlechthin
unverständlich“ (Seite 126).
Whitehead meint, auch bei den mathematischen Grundlagen der
Physik Isaak Newtons lassen sich keine inneren Gründe des
Zusammenwirkens angeben (Seite 181). Es fehlen reale
Beziehungen zu realen Subjekten und realen Objekten (Seite
171). Auch fehlt die Kategorie des Bezogenseins der Dinge,
schreibt Whitehead an einer anderen Stelle mit ganz ähnlichen
Worten (Seite 132). Denn gemäß unserem natürlichen
47
Bewusstsein und unserer Selbsterfahrung erscheint die Natur
nicht als ein Nebeneinander isolierter Materieteilchen, sondern
als ein Geflecht organisch verbundener Wesenheiten (Seite
182).
Geflecht
Dieses Geflecht zwischen den Dingen, taucht unter
verschiedenen Bezeichnungen auf. Whitehead nennt es auch
Beziehungsfeld (Seite 183), manchmal ist von einer notwendigen
Kohärenz oder Bezogenheit aller Glieder eines Systems die
Rede (Seite 108) oder von einem Kraftfeld (Seite 185)
48
Kraftfeld
oder von elementaren Prozesseinheiten, die den materiellen
Dingen zugrunde liegen, statt der überholten Idee eines leeren
Raumes (Seite 185).
Whitehead weist darauf hin, in der neuen Physik gebe es eine
Wechselwirkung mit der Umgebung (Seite 186), atomare
Einheiten werden von einem Feld umfasst, das zugleich das Feld
anderer Organismen ist (Seite 187). Hier wird deutlich, wie
Whitehead Einheiten der Physik zum Modell für seinen Begriff
einer organistischen Wirklichkeit nimmt, wie Christoph Kann
zutreffende betont (S. 188). Es geht Whitehead immer wieder
um die wesentliche Verbundenheit der Dinge (S. 127) und um
den Strukturzusammenhang der Geschehnisse (S. 187), was
49
manchmal nexus oder Funktionszusammenhang genannt wird
(Seite 188).
50
Verbindungen
51
Verbindungen
52
Verbindungen
53
U-Bahnnetzt. Le Metro. Paris
54
Schienennetz Deutsche Bahn
55
3. Nagarjuna
„Wenn Darwin oder Einstein Theorien verkünden, die unsere
Ideen modifizieren, dann ist das ein Triumph der Wissenschaft.
Wir sagen nicht, dass die Wissenschaft schon wieder eine
Niederlage erlitten hat, weil ihre alten Ideen aufgegeben
wurden. Wir wissen, dass ein weiterer Schritt der
wissenschaftlichen Einsicht gelungen ist. Die Religion wird ihre
alte Kraft nicht wieder erlangen, solange sie Veränderungen
nicht in demselben Geiste begegnen kann wie die Wissenschaft.
Ihre Prinzipien mögen zeitlos sein, aber der Ausdruck dieser
Prinzipien verlangt eine kontinuierliche Weiterentwicklung“.
[A.N. Whitehead. Wissenschaft und moderne Welt. 219]
Nagarjuna war ein bedeutender und einflussreicher
buddhistischer Philosoph Indiens. Wahrscheinlich lebte er im 2.
Jahrhundert. In seinem Hauptwerk, Mulamadhyamaka-Karika,
Lehrstrophen über die grundlegenden Lehren des Mittleren
Weges [MMK (2)], war die erste Frage nicht die nach dem Geist
oder dem Bewusstsein, sondern nach den Dingen der Welt, in
der wir leben. Besonders hat Nagarjuna auf die Abhängigkeit
der physischen Objekte von anderen Objekten hingewiesen.
56
Dadurch hatte er eine neue Sichtweise für das zwischen den
Dingen Liegende eröffnet.
Hier ein Überblick von einigen Bildern von abhängigen, an
einander gebundenen Objekten, die Nagarjuna in den 25.
Kapiteln der MMK untersucht. Seine Bilder, Metaphern,
Allegorien oder symbolische Beispiele haben eine Frische und
Realitätsnähe, die abstrakte philosophische Ideen und Begriffe
nie erreichen können:
1. Ein Ding und seine Ursache. 2. Der Geher, das Gehen und die
begangene Strecke. 3. Der Seher und das Sehen. 4. Ursache und
Wirkung. 5. Kennzeichen und Zu-Kennzeichnendes. 6.
Leidenschaft und der von Leidenschaft Ergriffene. 7.
Entstehen, Bestehen und Vergehen. 8. Tat und Täter. 9. Der
Sehende und das Sehen. 10. Feuer und Brennstoff. 11. Anfang
und Ende. Leid und Ursachen des Leids. 13. Der Junge und der
Alte, süße Milch und saure Milch. 14. Etwas und etwas anderes.
15. Der Begriff des Seins und der Begriff des Nichts. 16.
Bindung und Befreiung. 17. Tat und ihre Frucht. 18. Der Begriff
der Identität und der Begriff der Verschiedenheit. 19.
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. 20. Der Grund und die
Frucht. 21. Entstehen und Vergehen. 22. Der Gedanke ‚den
57
Buddha gibt es über den Tod hinaus’ und der Gedanke ‚es gibt
ihn nicht’. 23. Das Reine und das Unreine. 24. Der Buddha und
bodhi [Erwachen]. 25. Nirvana und das Seiende.
Mein Kommentar: Ein Ding ist nicht unabhängig von seinen
Bedingungen, aber auch nicht identisch mit ihnen, ein Geher
existiert nicht ohne eine begangene Strecke, aber er ist auch
nicht eins mit ihr. Bei einem Seher gibt es weder eine Identität
mit dem Sehen, noch eine Trennung vom Sehen. Es gibt keine
Ursache ohne eine Wirkung und keine Wirkung ohne eine
Ursache. Der Begriff ‚Ursache’ hat keine Bedeutung ohne den
ergänzenden Begriff der ‚Wirkung’. Ursache und Wirkung sind
nicht eins, aber sie fallen auch nicht in zwei getrennte Begriffe
auseinander. Ohne ein Kennzeichen können wir nicht von einem
Zu-Kennzeichnenden sprechen und umgekehrt. Wie sollte es
einen von Leidenschaft Ergriffenen geben, ohne Leidenschaft?
Ohne eine Tat gibt es keinen Täter, ohne Brennstoff kein Feuer.
Bei diesen Bildern, die meistens aus Zwei-Körper-Systemen,
manchmal aus zwei oder drei Begriffen bestehen, sind die
Körper oder Begriffe nicht eins, aber sie fallen auch nicht
auseinander. Die Körper sind abhängig von einander, sie sind
aneinander gebunden. Sie befinden sich in einem
58
Zwischenzustand, in dem sie weder richtig zusammen, noch
richtig getrennt sind. Etwas passiert zwischen ihnen. Das ist der
erste und wichtigste Aspekt der Philosophie Nagarjunas. Er soll
uns öffnen für das zwischen den Dingen Liegende und für einen
Umgang mit den Dingen, bei denen wir nicht immer auf Granit
beißen müssen, bei dem wir das Loslassen lernen können.
59
Abb. 1. MMK, 1. Kapitel : Ursache und Wirkung. Eine
Hochgeschwindigkeits-Photographie von Harold E. Edgerton.
Foto:
http://www.artsology.com/gfx/edgerton/edgerton_banana.
jpg
Kommentar: Ein Geschoss, das gerade durch eine Banane
durchgedrungen ist. Die Durchdringung des Geschosses ist
die direkte Ursache für die Wirkung: die Banane beginnt zu
platzen. Ursache und direkte Nahwirkung können nicht
voneinander getrennt werden, weder zeitlich noch räumlich.
Beide Prozesse sind nicht dasselbe, aber es sind auch nicht
zwei getrennte Prozesse. Die zwei Prozesse sind abhängig von
einander. Sie sind aneinander gebunden. Sie befinden sich in
einem Zwischenzustand, in dem sie weder zusammen, noch
getrennt sind (etwas passiert zwischen ihnen).
60
Abb. 2. MMK, 2. Kapitel: Ein Läufer und die gelaufene Strecke.
http://images.wallpapersmela.com/2014/08/Usain-bolt-HDwallpapers.jpg Usain Bolt (links im Bild). Kommentar: Ein Mensch
ist nicht unabhängig von seinen Bedingungen, aber auch nicht
identisch mit ihnen. Ein Läufer existiert nicht ohne eine
gelaufene Strecke, aber er ist auch nicht eins mit ihr. Ein
Läufer und die gelaufene Strecke sind weder eins noch zwei
getrennte Körper. Das wichtigste Kennzeichen der Körper ist
ihre Interdependenz, ihr fehlendes eigenes Sein oder ihre
fehlende unabhängige Existenz.
61
Abb. 3. MMK, 8. Kapitel: Tat und Täter. Foto:
http://fighting.de/wp-content/uploads/2012/04/fighting.jpg
Kommentar: Wenn es keine Tat gibt, gibt es auch keinen Täter.
Beide existieren nicht für sich alleine. Tat und Täter sind keine
isolierten Komponenten. Sie entstehen nur in Abhängigkeit von
einander. Sie sind aneinander gebunden. Nicht das Verhalten von
Körpern, sondern das zwischen ihnen Liegende, das
Zusammenspiel, das motorische Nervensystem, zwischen einem
Täter, dem Boxer, und seiner Tat, dem Schlag, ist entscheidend.
62
Abb. 4. MMK.10. Kapitel: Feuer und Brennstoff.
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/fa/Lightma
tter_firebreath.jpg
Kommentar: Ohne Feuer gibt es keinen Brennstoff. Ohne
Brennstoff gibt es kein Feuer. Die materiellen oder
immateriellen Komponenten eines Zwei-Körper-Systems
existieren nicht isoliert, sie sind nicht eins und existieren doch
nicht unabhängig voneinander. Etwas passiert zwischen diesen
Körpern und deswegen sind sie nicht substantiell real. Nagarjuna
betont eine zentrale Idee: Die Körper sind nicht getrennt und
sie sind nicht eins. Das wichtigste Kennzeichen der Körper ist
ihre Abhängigkeit von einander und ihre Bindung aneinander.
63
4. Ergebnis
Nagarjuna und Whitehead haben es abgelehnt, sich auf einen
einzigen Begriff festzulegen, der das zwischen den Dingen
Liegende bezeichnet. Sogar solche wichtigen Bezeichnungen wie
Zwischenzustände der Dinge, die Zwischenräume, die
Zwischenbereiche und die verflochtenen Zusammenhänge sind
nicht umfassend.
Die Dinge gleichen einem Regenbogen oder einer schwebenden,
luftigen, in einander fließenden, leichten Wolke. Durch ihre
Bindungen haben sie auch etwas Unwirkliches an sich, das sich
schwer in Worten aber vielleicht etwas leichter in Bildern
darstellen lässt. Bei einem Zwischenzustand verklumpen die
Dinge nicht miteinander, aber sie sind auch nicht getrennt
voneinander, ganz ähnlich wie bei einem Vogelschwarm die
Einheit nicht durch einen Zusammenprall der einzelnen Vögel
hergestellt wird. Welch ein befreiender Anblick!
1. https://www.youtube.com/watch?v=XH-groCeKbE
2.
http://www.weltderphysik.de/gebiete/fluide/news/2013/rolle
nde-schwärme-mikrokugeln-organisieren-sich-selbst/
64
5. Anhang I
A. N. Whitehead: „Abenteuer der Ideen“. Einige Textauszüge.
Einige Textpassagen aus Whiteheads Buch „Abenteuer der
Ideen“ [A.N. Whitehead. Abenteuer der Ideen. Suhrkamp
Verlag Frankfurt am Main 1971] sollen die eben erwähnten
einzelnen Begriffe zusammenhängend darstellen und seine
philosophischen Methoden kurz erläutern.
Whitehead schreibt dort: „Die Aufgabe der Philosophie besteht
darin, eine Zusammenordnung von Ideen auszuarbeiten, die sich
in den konkreten Fakten der realen Welt manifestieren soll. Sie
sucht nach den allgemeinen Zügen, die die vollständige Realität
eines Faktums charakterisieren, und ohne die jedes Faktum den
Charakter einer Abstraktion annehmen müsste. Die
Wissenschaft dagegen abstrahiert und begnügt sich damit, das
Faktum nicht in seiner Vollständigkeit, sondern nur im Hinblick
auf gewisse wesentliche Aspekte zu verstehen. Die
Wissenschaft und die Philosophie kritisieren sich wechselseitig,
und die eine regt immer das Vorstellungsvermögen der anderen
an. Philosophische Systeme haben die Aufgabe, die konkreten
Fakten zu erleuchten, von denen die Einzelwissenschaften
65
abstrahieren. Und die Einzelwissenschaften sollten ihre
Prinzipien in den konkreten Fakten finden, die das
philosophische System ihnen präsentiert. Die Geschichte des
Denkens ist die Geschichte der Fehlschläge und Erfolge dieses
gemeinsamen Unternehmens“(S. 286).
Etwas später lesen wir: „Die griechische Auffassung vom
gegliederten Zusammenhang der Harmonie ist durch den
Fortschritt des Denkens gerechtfertigt worden. Aber die
lebhafte Vorstellungskraft der Griechen neigte auch dazu,
jeden Faktor des Universums mit einer ganz eigenständigen
Individualität auszustatten, wie sie sich z. B. in dem
selbstgenügsamen Reich der Ideen beobachten lässt, das in
Platons frühem Denken dominierte und hin und wieder auch in
seinen späteren Dialogen noch durchschlägt. Man kann den
Griechen aus dieser exzessiven Individualisierung keinen
Vorwurf machen. Denn schließlich baut ja unser ganzes
Sprechen auf dem gleichen Irrtum auf. Wir sprechen habituell
von Steinen, Planeten und von Tieren, ganz so, als ob es möglich
wäre, dass ein individuelles Ding auch nur einen Augenblick lang
losgelöst von seiner Umwelt existieren könnte, die in Wahrheit
doch ein notwendiger Bestandteil seines eigenen Wesens ist.
66
Diese Weise des Abstrahierens ist einfach eine
Denknotwendigkeit, bei der die entsprechende systematisch
geordnete Umwelt stillschweigend vorausgesetzt und in den
Hintergrund verdrängt wird. Das ist eine Feststellung, der man
nicht widersprechen kann“(S. 297).
„Die Newtonsche Physik“, so schreibt Whitehead einige Seiten
danach, „beruht auf der Vorstellung, dass jedes Stück Materie
eine vollkommen unabhängige Individualität besitzt: jeder Stein
müsste sich danach absolut vollständig beschreiben lassen, ohne
dass man auf irgendeinen anderen materiellen Körper
einzugehen brauchte. Es wäre denkbar, dass er sich - gleichsam
als der einzige Bewohner des Universums – allein in einem
überall gleichförmigen Raum befände und immer noch der
gleiche Stein wäre, der er jetzt ist. Und es wäre auch nicht
nötig, bei seiner Beschreibung auf seine Vergangenheit oder
Zukunft einzugehen: er lässt sich immer jetzt, in diesem
Augenblick, vollkommen adäquat begreifen.
Das ist die konsequente Newtonsche Grundvorstellung, die im
Lauf der Entwicklung der modernen Physik Stück für Stück
verschwand und preisgegeben wurde. Sie beruht ganz und gar
auf der Annahme der ‚eindeutigen Lokalisierbarkeit‘ (simple
67
location) und der ‚Äußerlichkeit‘ aller Beziehungen zwischen
Körpern ( external relations), wobei es allerdings im letzteren
Punkt zu einigen Meinungsverschiedenheiten kam. Newton neigte
dazu, diese Beziehungen als Druck und Stoß zwischen sich
berührenden Körpern aufzufassen; seine unmittelbaren
Nachfolger – so z.B. Roger Cotes – fügten dem noch den Begriff
der Fernwirkung hinzu. In beiden Fällen aber blieb das, was
vorlag, ein rein in der Gegenwart aufgehendes Faktum, nämlich
das Bestehen einer äußerlichen Beziehung zwischen Körpern, die
sich entweder berührten oder voneinander entfernt waren.
Die gegenteilige Auffassung, nach der Beziehungen ‚intern‘
beziehungsweise wesenszugehörig sind, ist in ihrer Darstellung
meist durch eine Sprache verzerrt worden, die die Äußerlichkeit
der Beziehungen im Sinne Newtons als Voraussetzung enthält.
Den meisten Vertretern dieser Auffassung, selbst F.H. Bradley,
ist es so gegangen. Man muss sich hier darüber klar werden,
dass nicht nur Beziehungen die durch sie zueinander in
Beziehung gesetzten Dinge modifizieren, sondern dass auch das
Umgekehrte gilt und die Dinge das Wesen der zwischen ihnen
bestehenden Beziehungen modifizieren. Eine Beziehung ist
nichts Abstrakt – Universales, sondern genauso konkret wie die
68
Dinge, zwischen denen sie besteht.
Das ist eine Wahrheit, die z.B. durch den Gedanken, dass die
Ursache der Wirkung immanent bleibt, illustriert wird. Wir
werden ein Verständnis der Natur finden müssen, in dem diese
konkrete Verbundenheit physischer und geistiger Funktionen
ihren Ausdruck findet, ebenso wie die Verbundenheit zwischen
Vergangenheit und Gegenwart und der konkrete Zusammenhang
unter physischen Realitäten, die für sich betrachtet individuell
verschieden sind.
Die moderne Physik hat den Standpunkt der eindeutigen
Lokalisierbarkeit aufgegeben. Die physischen Dinge, die wir als
Sterne, Planeten, Felsbrocken, Moleküle, Elektronen, Protonen
und Energiequanten bezeichnen, muss man sich als
Modifikationen eines Feldes vorstellen, das sich über die
Gesamtheit von Raum und Zeit erstreckt. Diese Modifikation ist
in einem bestimmten Bereich besonders intensiv, und das ist
nach normalem Sprachgebrauch der Ort, wo sich der fragliche
Gegenstand befindet. Aber sie bereitet sich von dort – mit
endlicher Geschwindigkeit – bis in die entferntesten Raum –
Zeitbereiche aus. Es ist selbstverständlich ganz natürlich und
für gewisse Zwecke auch vollkommen angemessen, wenn man
69
diesen Zentralbereich der Erregung als das Ding selbst
anspricht, das sich dort befindet. Aber man kommt in
Schwierigkeiten, wenn man diese Denkweise zu lange durchhält.
Denn in der Physik ist das Ding mit dem identisch, was es tut,
und was es tut, ist eben genau diese Ausbreitung eines
Erregungsvorgangs. Und man kann den Zentralbereich auch nicht
von den entfernteren Bereichen der Erregungsausbreitung
trennen. Das Ding widersetzt sich hartnäckig dem Versuch, es
als ein rein gegenwärtiges Faktum aufzufassen“(S. 301 – 303).
Die folgenden Zitate sind dem Kapitel ‚Zur philosophischen
Methode‘ entnommen: „Unbestreitbar ist in der Philosophie der
Einfluss der früheren Literatur viel größer als in allen anderen
Wissenschaften, und mit Recht. Aber die Ansicht, dass sich in
ihr ein technisches Vokabular herausgebildet hätte, das für alle
Zwecke und für alle vorkommenden Bedeutungsnuancen
hinreichend wäre, ist vollkommen unbegründet. Tatsächlich ist
die philosophische Literatur ja so ungeheuer umfangreich und
die Vielzahl der philosophischen Schulen so groß, dass sich
überall eine Fülle von Belegen für die – höchst verständliche und
endschuldbare – Unkenntnis irgendeines bestimmten
Sprachgebrauchs finden lässt“(S. 406 – 407).
70
Whitehead schreibt einige Seiten später: „Diese
Bezeichnungsweisen sind so gewählt worden, um der Bedingung
Genüge zu tun, dass die Sprechweise einer sich entwickelnden
Theorie nach Möglichkeit zwanglos aus der Sprechweise der
großen Meister hervorwachsen sollte, die ihre Grundlagen gelegt
haben. Der Sprachgebrauch, der zu einer bestimmten Zeit in
bestimmten philosophischen Schulen herrscht, bildet immer nur
einen kleinen Ausschnitt aus dem Gesamtvokabular der
philosophischen Tradition“. (…) „Mit Hilfe der gerade gängigen
Sprechweisen kann man immer nur die Lehrmeinungen der
gerade herrschenden Schule und ihrer anerkannten Varianten
zum Ausdruck bringen“. Und die Forderung, dass eine andere
Lehrmeinung, die in anderen Teilen der Tradition wurzelt, sich
ebenfalls auf diese Sprachauswahl beschränken müsste, läuft
auf nichts anderes hinaus als auf den dogmatischen Anspruch,
dass gewisse Vorannahmen niemals revidiert werden dürften.
Dann sind nur die Lehrmeinungen zulässig, die sich mit Hilfe des
geheiligten Vokabulars zum Ausdruck bringen lassen. Was man
vernünftigerweise fordern darf ist, dass jede Lehrmeinung sich
in ihren Sprechweisen auf die eigene Tradition gründen sollte.
Und wenn in dieser Beziehung Vorsorge getroffen worden ist,
71
kann man in der lauten Entrüstung über eingeführte
Neologismen nicht mehr sehen als ein Maß für den unbewussten
Dogmatismus des Entrüsteten“ (415).
Die Methoden der Philosophie. Immer wieder kommt
Whitehead auf die Rolle zu sprechen, die der Philosophie und
ihren Methoden zukommen. Er schreibt: „Das Hauptverfahren
der Philosophie im Umgang mit ihren Gegebenheiten ist die
Methode der beschreibenden Verallgemeinerung“(S. 416).
Auf diese Methode der beschreibenden Verallgemeinerung ist
Whitehead immer wieder zurückgekommen. So schreibt er
beispielsweise in seinem Werk Prozess und Realität: „Die
wichtigste Methode der Mathematik ist Deduktion; die der
Philosophie ist deskriptive Verallgemeinerung“ ( Zitiert in:
Christoph Kann, op. cit., S.144).
Auch für die Metaphysik macht Whitehead in Prozess und
Realität Verallgemeinerungen geltend: „Metaphysische
Kategorien sind nicht dogmatische Feststellungen des
Offensichtlichen, sie sind vorläufige Formulierungen der
allgemeinen Prinzipien“(Zitiert in: Christoph Kann: op. cit. S.
145). Für die Forschungsmethode spielt die Verallgemeinerung
auch eine Rolle. Die wahre Forschungsmethode „geht aus von der
72
Grundlage einzelner Beobachtungen, wodurch Anwendbarkeit
gewährleistet werden soll. In einem zweiten Schritt hebt die
Methode von diesem Ausgangspunkt ab, ‚schwebt durch die
dünne Luft phantasievoller Verallgemeinerung und versenkt sich
dann wieder in neue Beobachtungen, die durch rationale
Interpretation geschärft sind‘“(Christoph Kann, op. cit. S. 110).
Das Allgemeine. Später lesen wir bei Whitehead über das
Allgemeine: „Schon das erste undeutliche Aufdämmern eines
großen Prinzips pflegt von einer ungeheuren emotionalen
Kraftentfaltung begleitet zu sein. Die turbulente Fülle der
einzelnen Handlungen, die aus solchen komplexen, einen Kern
tiefer Intuition umgebenden Gefühlen entspringen, fällt in
primitiven Zeiten oft abstoßend und bestialisch aus. Schließlich
aber bildet sich in der zivilisierten Sprache eine ganze Gruppe
von Wörtern heraus, von denen jedes die allgemeine Idee in
irgendeiner speziellen Form verkörpert. Wenn wir das
Allgemeine erkennen wollen, das in diesen speziellen
Ausprägungen enthalten ist, müssen wir die ganze Gruppe der
entsprechenden Wörter einer vergleichenden Betrachtung
unterziehen, in der Hoffnung, das ihnen gemeinsame Element zu
entdecken. Das ist ein für die Zwecke der philosophischen
73
Verallgemeinerung unbedingt notwendiges Vorgehen; denn der
voreilige Gebrauch irgendeines geläufigen Worts muss – infolge
der mit seiner üblichen Konnotationen – unweigerlich dazu
führen, dass wir den von uns angestrebten Grad von
Allgemeinheit nicht erreichen“(S. 417).
„Um also durch philosophische Verallgemeinerung – als
Verallgemeinerung des Erlebnisakts zu verstehen – zum Begriff
des fundamentalen, konkret Wirklichen (final actuality) zu
gelangen, bedarf es einer scheinbaren Redundanz von
Ausdrucksformen: und zwar weil wir darauf angewiesen sind,
dass die jeweils verwendeten Wörter sich wechselseitig
korrigieren. Wir brauchen die Ausdrücke ‚zusammen‘, ‚das
immanent Schöpferische‘, ‚die Konkreszenz‘, ‚das Erfassen‘, ‚das
Fühlen‘, ‚die subjektive Form‘, ‚die Gegebenheiten‘,
‚Wirklichkeit‘, ‚Werden‘ und ‚Prozess‘ (S. 419).
74
6. Anhang II
Christian Thomas Kohl
Denken und Sehen: Ein Zusammenspiel
1. „Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen“. Ist eine
solche Bemerkung im 21, Jahrhundert noch denkbar, ist darin
noch irgendeine Erkenntnis enthalten, widersprechen nicht alle
Philosophien und Wissenschaften einer solchen naiven Aussage?
Welche Philosophie oder Wissenschaft interessiert sich heute
noch für das Sehen? Max Planck hatte 1941 in einem Vortrag in
Berlin bemerkt, dass vom Sehen, Hören, Tasten im
wissenschaftlichen Weltbild nicht die Rede sei. [1] Der
Aristotelesforscher Ingemar Düring sagte uns im Jahre 1966:
Nach einer Meinung die schon Aristoteles mit fast allen
Philosophiekollegen teilte, sei das philosophische Denken die
höchste menschliche Aktivität und der oberste Wert [2]. Wer
wollte dem widersprechen? Denkweisen, besonders
philosophische und wissenschaftliche Denkweisen, können nicht
vom Sehen infrage gestellt werden. Auch die Väter des
modernen wissenschaftlichen Denkens, Kopernikus, Kepler,
Galilei, Descartes und Newton haben seit dem Jahre 1500
75
Aristoteles nicht widersprochen, jedenfalls nicht in der Frage
des Denkens. Sie haben das wissenschaftliche, abstrakte
Denken noch einmal eine Stufe höher gehoben. Sie haben es in
eine mathematische Form gegossen. Galilei sprach für ein ganzes
wissenschaftliches Zeitalter, als er sagte, das Buch der Natur
sei in der Sprache der Mathematik geschrieben. Mathematische
Formeln und geometrische Formen, Naturgesetze, all das konnte
niemand sehen. Mit dem Sehen konnte man nicht die Fallgesetze
bestätigen oder widerlegen. Mit den Augen konnte man nur die
Sonne täglich aufgehen sehen. Man konnte nicht sehen, dass
sich die Erde um ihre eigene Achse dreht. Aber man konnte so
etwas denken und mathematisch berechnen. Dementsprechend
ist der Satz von René Descartes wahrscheinlich der
bekannteste Satz der Philosophie und Wissenschaft der
modernen Welt: Ich denke, darum bin ich. Denken ist wichtig,
meinte René Descartes, das Sehen und die anderen Formen der
Wahrnehmung spielen beim Verstehen der Welt keine Rolle.
2. Und eine zweite Selbstverständlichkeit wurde von nun an
behauptet: Denken und Sehen sind zwei getrennte Dinge, sie
haben nichts mit einander zu tun. Die Wahrnehmung und die
76
wahrgenommen Dinge wurden seit dem 16. Jahrhundert
abgewertet. Das Sehen und die gesehenen Natur, farbige Vögel
und bunte Landschaften, sich immer wieder neu bildende
Wasserwellen, helle und dunkle Gegenstände im Licht, diese
unendliche Vielfalt der konkreten Bilder, die wir mit unseren
Augen sehen, sie wurden abgewertet. Sie sollten eine geringere
Bedeutung und Wirklichkeit haben, die mehr den Bereichen der
Träume, Visionen, Fiktionen, Illusionen und Phantasien,
zugeordnet wurden. Bis heute nennen wir solche inneren Dinge
Phänomene. Das war nur ein anderes Wort für Erscheinungen.
Ganze Philosophien und Wissenschaften wurden nach diesem
schillernden Begriff genannt: Phänomenologie. Von nun an
wurden die Menschen in eine Welt der Erscheinungen versetzt.
Die konkrete Welt, in der wir leben, hieß nun Erscheinung und
die konkreten Dinge dieser Welt wurden nur noch als subjektive,
abstrakte Phänomene zur Kenntnis genommen. Es war keine
Welt für Menschen, die sich auf das Sehen verlassen hatten.
Viele wissenschaftliche Denkweisen versuchten uns nun eines
Besseren zu belehren. Man braucht nur ein beliebiges
Physikbuch über Farben aufzuschlagen, um zu erfahren, dass die
Welt farblos sein soll. Farben, so behauptete schon Isaac
77
Newton, gibt es nicht in dieser Welt. Farben gibt es nur in
unserem Bewusstsein (‚in our minds’, wie Newton es
formulierte). Farben, so belehrte uns Isaac Newton, sind nur die
Dispositionen von Dingen, bestimmte Lichtstrahlen zu
reflektieren [3]. Farben, so belehrte uns Newton, gibt es nur im
menschlichen Wahrnehmungsapparat, im Bewusstsein. Wo dieser
Ort genau liegen soll ist keine ausgemachte Sache, jedenfalls
nicht da draußen, in der Natur. Das Sehen spielt keine Rolle
mehr beim philosophischen oder wissenschaftlichen Erkennen
der Welt. Es war vollkommen getrennt vom begrifflichen
Denken. Es konnte dem Denken nicht mehr in die Quere kommen,
wenn es darum ging, die Welt zu erkennen und zu verstehen. Das
Sehen hatte in den physikalischen Wissenschaften und in den
verschiedensten Spielarten der Phänomenologie
abgewirtschaftet.
3. Allerdings wagten in Europa einige Seher und Querdenker zu
widersprechen. Sie widersprachen beiden grundlegenden
Annahmen europäischer Philosophien und Wissenschaften, die
das Denken und die die dualistische Trennung von Sehen und
Denken betrafen. Ohne Vollständigkeitsanspruch möchte ich
78
einige Hinweise auf solche Querdenker geben. Der erste
europäische Physiker, der das Sehen wieder aufwertete, war
meines Erachten der Physiker Michael Faraday. Sein Kollege,
der berühmte mathematische Physiker James Clerk Maxwell
schreibt über Faraday in der Einleitung seines Werkes 'Treatise
on Electricity and Magnetism' im Jahre 1873: « Faraday sah
beispielsweise vor seinem geistigen Auge Kraftlinien, die den
gesamten Raum durchdringen, wo Mathematiker Kraftzentren
sahen, die sich über eine Entfernung hinweg anziehen; er
gewahrte ein Medium, wo jene nichts anderes als Distanz
sahen « [4].
4. Auch über den Philosophen Ludwig Wittgenstein haben wir
Hinweise, die von dem Philosophen Ray Monk im Sommer 2012
stammen, nach denen es Ludwig Wittgenstein mehr um das
Sehen, als um das Denken ging. Er dachte offenbar in Bildern
[5].
5. Der Philosoph Hans Blumenberg hat sein Leben einem Gebiet
gewidmet, das man vielleicht einen Zwischenbereich zwischen
dem Sehen und dem philosophischen Denken in abstrakten
79
Begriffen nennen könnte : Es ist das Denken in Metaphern oder
sollten wir sagen, das Sehen von Metaphern ? [6]
6. Der Gehirnforscher und Neurobiologe Semir M. Zeki ist nach
intensiven Untersuchungen zu dem Ergebnis gekommen, dass
Sehen sich nicht vom Verstehen trennen lässt. Er widerspricht
nachdrücklich der dualistischen Konzeption Immanuel Kants,
nach der Wahrnehmen und Verstehen zwei grundverschiedene
Fähigkeiten seien [7].
7. Mit anderen Methoden als mit den Methoden der
Neurobiologie ist Irvin Rock in seinen psychologischen Studien
über die Wahrnehmung zu ganz ähnlichen Ergebnissen
gekommen, wenn er am Ende seiner vielfältigen Untersuchungen
schreibt : « Trotz der Autonomie der Wahrnehmung gegenüber
dem Bewußtsein würde ich sie als intelligent betrachten :
Intelligent drückt dabei Fähigkeiten aus, wie sie in ähnlicher
Form für Denkprozesse typisch sind : Beschreibung, Schluss und
Problemlösung » [8].
8. Als ein letztes Beispiel für die Aufwertung des Sehens
möchte ich einen bedeutenden Maler zu Wort kommen lassen :
80
Cy Twombly (1928-2011) : ‘The image cannot be dispossessed of
a primordial freshness which ideas can never claim’. ‚Dem Bild
kann eine ursprüngliche Frische nicht genommen werden, die
Ideen niemals für sich beanspruchen können’. [9]
Anmerkungen zum Anhang II
[1] Vgl. Max Planck. Sinn und Grenzen der exakten
Wissenschaft. München 1971, S.22
[2]. Ingemar Düring, Aristoteles, Heidelberg 1966, S. 220.
[3]. Isaac Newton, Optics., zitiert in: Edwin Arthur Burtt, The
Metaphysical Foundations of Modern Physical Science, Kegan
Paul, London 1925, p. 233. Newton schreibt: “so colours in the
object are nothing but a disposition to reflect this or that sort
of rays more copiously than the rest“.
[4] James Clerk Maxwell, Treatise on Electricity and Magnetism
zitiert in: Giulio Pruzzi: Maxwell: Der Begründer der
Elektrodynamik, Spektrum der Wissenschaft, 2/2000,
Heidelberg 2000, Seite 48
[5] Vgl.Ray Monk : http://www.newstatesman.com/culture/artand-design/2012/08/ludwig-wittgenstein%E2%80%99spassion-looking-not-thinking
81
[6] Vgl. Hans Blumenberg, Quellen, Ströme, Eisberge,
Herausgegeben von Ulrich von Bülow und Doris Krusche,
Suhrkamp Verlag Berlin 2012. Blumenberg schreibt in seinem
Nachlass, Seite 258 :« Die Metapher erfrischt den Verstand ;
aber sie bedarf auch der Auffrischung durch den Verstand ».
[7] Semir M. Zeki. Das geistige Abbild der Welt. In : Gehirn
und Bewußtsein. Mit einer Einführung von Wolf Singer.
Spektrum. Akademischer Verlag. Heidelberg 1994, S. 332
[8] Irvin Rock. Wahrnehmung. Vom visuellen Reiz zum Sehen
und Erkennen. Spektrum. Akademischer Verlag. Heidelberg
1998, S. 198
[9] Hier die ursprüngliche Formulierung des Satzes von Cy
Twombly, er ist von John Crowe Ransom (1888-1974)
http://quotes.dictionary.com/the_image_cannot_be_disposses
sed_of_a_primordial
http://www.full-stop.net/wpcontent/uploads/2011/07/twombly6.jpg
82
Cy Twombly
83
7. Anmerkungen
(1) Elmar Holenstein, Philosophie-Atlas: Orte und Wege des
Denkens. Amman Verlag, Zürich 2004, S. 19
(2) Vgl. Paolo Zellini, Eine kurze Geschichte der Unendlichkeit.
Verlag C.H. Beck. München 2010, S. 71
(3) Nagarjuna: Die Philosophie der Leere: Nagarjunas
Mulamadhyamaka-karikas. Übersetzung des buddhistischen
Basistextes mit kommentierenden Einführungen / Bernhard
Weber-Brosamer, Dieter M. Back. Wiesbaden Harrassowitz
1997 [ MMK ]
(4) A.N. Whitehead, Abenteuer der Ideen. Suhrkamp Verlag AG,
2000
84
8. Literaturauswahl
a) Vorsokratiker
Geoffrey S. Kirk, Die vorsokratischen Philosophen: Einführung,
Texte und Kommentare von Geoffrey S. Kirk, John E. Raven und
Malkom Schonfield, Stuttgart 1994
Hans-Georg Gadamer, Der Anfang der Philosophie, Stuttgart
1996
Hans-Georg Gadamer, Der Anfang des Wissens, Stuttgart 1999
b) Platon
Hans-Georg Gadamer, Wege zu Plato, Stuttgart 2001
Carl Friedrich von Weizsäcker, Ein Blick auf Platon, Stuttgart
1988
c) Aristoteles
Ingemar Düring, Aristoteles, Heidelberg 1966
d) Geschichte der Metaphysik
Heinrich Schmidinger, Metaphysik. Ein Grundkurs, Stuttgart,
Berlin Köln 2000
e) Klassische Mechanik
Edwin Arthur Burtt, The Metaphysical Foundations of Modern
physical Science, London 1925
Stephen Shapin, Die wissenschaftliche Revolution, Frankfurt am
Main 1998
85
K. Simonyi, Kulturgeschichte der Physik, Leipzig/Jena/Berlin
1980
Alexandre Koyré, Galilei, Berlin 1988
f) Philosophie
Clément Rosset, Le réel et son double. Essai sur l'illusion,
Gallimard 1984
A.N. Whitehead. Wissenschaft und moderne Welt. Suhrkamp
Frankfurt 1988
A.N. Whitehead, Abenteuer der Ideen, Suhrkamp Verlag,
Frankfurt am Main 1971
A. N. Whitehead, Denkweisen, Suhrkampverlag, Frankfurt 2001
Christoph Kann, Fußnoten zu Platon, Philosophiegeschichte bei
A.N. Whitehead, Hamburg 2001
g) Nagarjuna
Nagarjuna, Die Philosophie der Leere, Nagarjunas
Mulamadhyamaka-Karikas, Bernhard Weber-Brosamer/Dieter
M. Back [Hg.], Wiesbaden 1997
Etienne Lamotte, Traité de la Grande Vertue de Sagesse de
Nagarjuna, Mahaprajnaparamita-sastra, Tome I-V, Louvain 1944
ff.
h) Etwas ausführlichere Literaturangaben in:
Christian Thomas Kohl, Buddhismus und Quantenphysik:
Schlussfolgerungen über die Wirklichkeit, Windpferdverlag,
Oberstdorf 2013
86
9.Kurzbiographie.
Christian Thomas Kohl, 1945 geboren, hat in Berlin und Paris
Politikwissenschaft, Geschichte der Philosophie und Geschichte
der Physik studiert, seine Schwerpunkte sind die Geschichte
der Quantenphysik aber auch die Geschichte des frühen
Buddhismus. Seit 1975 ist sein Schwerpunkt Asien. Zunächst
hat er indonesische Musik bei Gutama Soegijo in Berlin studiert,
dann widmete er sich Konzertveranstaltungen mit asiatischer
Musik in Freiburg und seit 1985 bemüht er sich darum,
asiatische Denkweisen mit denen der Quantenphysik zu
vereinen. Seit 1990 Oberstufenlehrer für das Fach Geschichte
an Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz und in Deutschland.
Seit 2010 nimmt er als invited speaker an internationalen
Konferenzen an den Universitäten von Bangkok, Honkong und
Guntur, Südindien, zum Thema 'Buddhismus und
Wissenschaften' teil.
Buchveröffentlichung:
1. Christian Thomas Kohl. Buddhismus und Quantenphysik.
Schlussfolgerungen über die Wirklichkeit. Windpferdverlag
2013
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2. Christian Thomas Kohl. Nagarjuna and Quantum Physics.
Akademikerverlag Saarbrücken 2012
3. Christian Thomas Kohl. Denkweisen aus Asien und Europa.
Akademikerverlag Saarbrücken 2012
Email: [email protected]
Homepage: http://ctkohl.googlepages.com
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Januar 2015. Guntur. Acharya Nagarjuna University.
A UGC sponsored International seminar on
Understanding the Contemporaneity of Acharya
Nagarjuna’s Philosophy in the Global Context was
organized by Center for Mahayana Buddhist Studies on
28-30, January 2015 in the University. The Chief Guest was
Prof. Christian Thomas Kohl, Dept. of Education,
University of Freiburg, Germany. Vice-Chancellor Prof. K.V.
Rao presided over the Inaugural. The Rector, the Registrar,
the Principal of College of Arts, Commerce and Law also
spoke on the occasion. Participants from the United States
of America, Germany, South Korea, and Srilanka
participated in the Conference. Dr. L. Udaya Kumar was
the Conference Director. Faculty members of the
Department, research scholars, and students also
participated.
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