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Marxismus und Imperialismus heute1
Alex Callinicos
1991
Diese Zeilen werden zu einer Zeit geschrieben, da der militärische Angriff des Westens gegen den
Irak wütet. Der Imperialismus - im weitestgefaßten Sinne von unmittelbarer Gewaltanwendung, um
seinen Willen als Großmacht kleineren Staaten aufzuzwingen - hat Hochkonjunktur. Diese neue
Wendung ist bemerkenswerterweise just zu einem Zeitpunkt eingetreten, da sich der Glaube
verbreitet hat, die Welt sei in ein postimperialistisches Zeitalter eingetreten. Die zwei wichtigsten
Argumente zur Begründung dieses Glaubens waren folgende.
Zum einen bestand die Erwartung, daß das Ende des Kalten Krieges etwas erzeugen würde, was
George Bush "eine Neue Weltordnung" genannt hat. Es sollte eine Ordnung sein, in der
zwischenstaatliche Auseinandersetzungen friedlich unter der Ägide der Vereinten Nationen geregelt
werden können, Jetzt müssen wir erkennen, daß die neue Weltordnung nur die alte imperialistische ist
- mit dem Unterschied, daß dank der (wahrscheinlich nur zeitweiligen) Freundschaft zwischen den
Supermächten die USA jetzt die UNO benutzen können, um militärische Interventionen zu
rechtfertigen, die sie früher auf die eigene Kappe nehmen mußten.
Das zweite Argument, das angeführt wird, um den Imperialismus auf den Müllhaufen der Geschichte
zu weifen, rührt aus einer sehr weitverbreiteten Interpretation der dramatischen Veränderungen der
Weltwirtschaft in den letzten 30 Jahren. Die Internationalisierung der Produktion und die damit
einhergehende weltweite Integration des Kapitals hätten, so wird behauptet, den Krieg obsolet
gemacht. Tim Congdon, ein führender britischer Monetarist, erklärte kürzlich:
Der Ökonomische Nationalismus, eine der mächtigsten und zerstörerischsten Kräfte im
zwanzigsten Jahrhundert, ist dabei sich zu überleben. Handel und Finanzen haben zunehmend
einen internationalen Charakter angenommen, und die Geschäftsstrategien großer Konzerne sind
dermaßen globalisiert, daß die Idee des Nationalstaates seine Bedeutung verliert.
Congdon machte klar, daß diese ökonomischen Veränderungen politische Konsequenzen zur Folge
haben - darunter langfristig die Abschaffung von Kriegen:
Die Vorstellung von einem Krieg zwischen England und Deutschland oder den USA und Japan ist
natürlich schon jetzt lächerlich. Mit der Zeit werden militärische Widersprüche zwischen Nationen
wirklich absurd werden, wenn die Abgeschiedenheit der Nationen abgebaut und schließlich
bedeutungslos wird.2
Die Vorstellung, daß es wegen ihrer wechselseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeit nicht mehr im
Interesse der Staaten liegen kann, Krieg zu führen, ist alles andere als neu. Im Vorfeld des Ersten
Weltkriegs veröffentlichte der Friedensaktivist Norman Angell 1910 The Great Illusion. Darin versuchte
er zu beweisen, daß ein allgemeiner Krieg zwischen den Großmächten ökonomisch so zerstörerisch
wäre, daß sie wohl kaum ein solch irrationales Abenteuer wagen würden. Diese Analyse wurde dann
von Karl Kautsky in eine scheinbar marxistische Form gegossen - in seinem berühmtberiichtig-ten
Artikel, der unmittelbar nach Ausbruch des Weltkriegs, im August 1914, veröffentlicht wurde:
Für die Fortsetzung des Rüstungswettlaufs nach dem Weltkrieg gibt es keine ökonomische
Notwendigkeit, auch nicht vom Standpunkt der kapitalistischen Klasse selbst, mit Ausnahme von
gewissen Rüstungsinteressen. Im Gegenteil, die kapitalistische Wirtschaß wird genau durch diese
Auseinandersetzungen ernsthaß bedroht. Jeder weitsichtige Kapitalist muß heute seinen
Kameraden zurufen: Kapitalisten aller Länder, vereinigt Euch!3
Und Kautsky setzt seine Argumentation fort, daß wirtschaftliche Entwicklungen die Kapitalisten zur
weltweiten Einheit zwingen könnten:
Was Marx über den Kapitalismus sagte, kann auch auf den Imperialismus angewandt werden: das
Monopol schafft Konkurrenz und die Konkurrenz das Monopol. Die erbinerte Konkurrenz zwischen
den riesigen Unternehmen, Banken und Multimillionären zwang die großen Finanzgruppen, die
die Kleinen schluckten, das Kartell zu erfinden. Ahnlich kann der Weltkrieg zwischen den großen
imperialistischen Mächten eine Föderation der Stärksten zum Ergebnis haben, die auf ihren
Rüstungswettlauf verzichten.
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-2Vom rein Ökonomischen Standpunkt ist es für den Kapitalismus nicht unmöglich, jetzt in einer
anderen Phase zu überleben, indem dieser Prozeß der Kartellbildung auf die Außenpolitik
übertragen wird: in der Phase des Ultraimperialismus4.
Kautskys Voraussage, daß die interimperialistischen Widersprüche innerhalb des Rahmens eines
weltweiten kapitalistischen Kartells friedlich gelöst werden könnten, blieb lange Zeit ohne praktische
Bedeutung, nämlich solange "die allgemeine Krise und der 30jährige Krieg des 20. Jahrhunderts"
(Arno Mayer) zwischen 1914 und 1945 währte.5 In jüngerer Vergangenheit wurde die Idee allerdings
wiederbelebt, daß der Imperialismus nur eine Phase in der Geschichte des Kapitalismus sei, eine
Phase, die bereits überwunden wurde bzw. derzeit überwunden wird. Am einflußreichsten war
vielleicht Bill Warrens Versuch aufzuzeigen, daß die Dritte Welt seit dem Zweiten Weltkrieg "einen
enormen Aufschwung der kapitalistischen Gesellschaftsverhältnisse und Produktivkräfte" erlebt hat,
und nicht, wie Dependenz-Theoretiker à la Andre Gunder Frank behaupten, eine "Entwicklung der
Unterentwicklung". Daraus zieht er den Schluß:
Im Rahmen der wachsenden gegenseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeit lockern sich oder haben
sich die Bande der Abhängigkeit (bzw. Unterordnung), die die Dritte Welt und die imperialistische
Welt verbinden, mit dem Aufkommen eines einheimischen Kapitalismus bereits merklich
gelockert: Die Verteilung der politisch-ökonomischen Macht innerhalb der kapitalistischen Welt
wird deshalb zunehmend weniger ungleich. Obwohl eine Dimension des Imperialismus die
Beherrschung und Ausbeutung der nicht-kommunistischen Welt durch eine handvoll großer
fortgeschrittener kapitalistischer Länder ist (USA, Westdeutschland, Großbritannien, Frankreich,
Japan, usw), befinden wir uns trotzdem in einem Zeitalter des niedergehenden Imperialismus und
des fortgeschrittenen Kapitalismus.6
Zweifellos sind die ökonomischen Veränderungen in den vergangenen 30 Jahren riesig: die
Globalisierung des Kapitals, der Aufstieg der "Newly Industrialising Countries" (NICs), der relative
Niedergang der beiden Supermächte. In diesem Artikel möchte ich der Frage nachgehen, ob diese
Veränderungen (und die damit verbundenen politischen Umwälzungen, insbesondere jene, die mit
dem Ende des Kalten Krieges in Zusammenhang stehen) noch im Rahmen der marxistischen Theorie
des Imperialismus verstanden werden können. Je nachdem, wie man diese Frage beantwortet, hat
das große praktische Bedeutung: Es wird sich zeigen, ob das Schlachten am Golf der letzte Atemzug
einer sterbenden und überholten Form des Kapitalismus ist oder die wesentliche Funktionsweise
eines Systems, das nach wie vor für das Entstehen imperialistischer Kriege verantwortlich ist. Um
diese Frage anzugehen, muß zunächst festgehalten werden, was die marxistische Theorie des
Imperialismus eigentlich ist.
Die marxistische Theorie des Imperialismus
Der Imperialismus kann sehr weit oder sehr eng gefaßt werden: Bezogen auf die
Menschheitsgeschichte bedeutet Imperialismus die Beherrschung kleiner Länder durch stärkere
Staaten. Enggefaßt bezeichnet Imperialismus jene Politik, die von den Großmächten im letzten Drittel
des 19. Jahrhunderts verfolgt wurde, nämlich die Unterwerfung des größten Teils der restlichen Welt
unter ihre formelle Herrschaft Die klassische marxistische Definition, die Lenin gegeben hat, ist
spezifischer als die weite Definition und allgemeiner als die enge. Imperialismus ist weder eine
universelle Eigenschaft der menschlichen Gesellschaft, noch eine besondere Politik, sondern "ein
besonderes Stadium in der Entwicklung des Kapitalismus", bzw., wie der Titel von Lenins Schrift
feststellt, "das höchste Stadium des Kapitalismus". Lenin versuchte, dieses Stadium der
kapitalistischen Entwicklung zu charakterisieren, indem er folgende berühmte Definition des
Imperialismus anbot:
(1) Konzentration der Produktion und des Kapitals, die eine so hohe Entwicklungsstufe erreicht hat,
daß sie Monopole schafft, die im Wirtschaftsleben eine entscheidende Rolle spielen;
(2) Verschmelzung des Bankkapitals mit dem Industriekapital und Entstehung einer Finanzoligarchie
auf der Basis dieses "Finanzkapitals";
(3) der Kapitalexport, im Unterschied zum Warenexport, gewinnt besonders wichtige Bedeutung;
(4) es bilden sich internationale monopolistische Kapitalistenverbände, die die Welt unter sich teilen,
und
(5) die territoriale Aufteilung der Erde unter die kapitalistischen Großmächte ist beendet. 7
Von großen Teilen der Linken wird Lenins Definition so oft wie ein Dogma, wie eine unleugbare
Wahrheit behandelt, daß es durchaus angebracht ist, auf ihre Begrenztheit hinzuweisen. Erstens ist
die Definition ganz offensichtlich eine Aufzählung dessen, was Lenin die wesentlichen Züge des
Imperialismus nennt. Doch anhand dieser Aufzählung ist es nicht möglich, die relative Bedeutung der
einzelnen Merkmale festzulegen. Das ist eine ernsthafte Schwäche, seitdem klar geworden ist, daß
einige Züge weitaus weniger wesentlich sind als andere. Z.B. war das Finanzkapital, die Integration
von Bank- und Industriekapital, in einigen imperialistischen Staaten viel stärker entwickelt als in
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-3anderen, in Deutschland viel mehr als in Großbritannien. Darüber hinaus war die Beziehung zwischen
kolonialer Expansion und dem Wachstum überseeischer Investitionen nicht nur beträchtlich ungleicher
als Lenin nahelegt, sondern einige imperialistische Mächte, insbesondere die USA und Japan, waren
bis 1914 sogar Kapitalimporteure.8
Lenins grundlegende Auffassung vom Imperialismus hält dieser Kritik jedoch stand. In weiser
Voraussicht unterstrich er "den bedingten und relativen Wert aller allgemeinen Definitionen".
Schließlich hatte seine Schrift Imperialismus nicht den Anspruch, eine abgeschlossene
wissenschaftliche Studie zu sein, sondern eher, wie ihr Untertitel sagt, "ein gemeinverständlicher
Abriß", der sich stark auf solche bahnbrechende Werke wie den Imperialismus des Radikalliberalen
J.A.Hobson und das Finanzkapital des Austromarxisten Rudolf Hilferding stützte. Auf der Grundlage
dieser Untersuchungen blieb Lenin keine Zweifel daß "der Imperialismus seinem ökonomischen
Wesen nach Monopolkapitalismus ist. Schon dadurch ist der historische Platz des Imperialismus
bestimmt, denn das Monopol, das auf dem Boden der freien Konkurrenz und eben aus der freien
Konkurrenz erwächst, bedeutet den Übergang von der kapitalistischen zu einer höheren
ökonomischen Gesellschaftsformation".9 Die Widersprüche und Kriege zwischen den Großmächten
waren deshalb nicht nur bloße Auswüchse, wie Kautsky nahelegte, sondern entsprangen der Dynamik
der kapitalistischen Entwicklung, insbesondere der Tendenz, die Marx als Tendenz zur Konzentration
und Zentralisation des Kapitals analysiert hatte. Sie konnten deshalb nur durch die sozialistische
Revolution beendet werden.
Nach der schärferen und systematischeren Version der Theorie von Bucha-rin entspringt der
Imperialismus der dem Kapitalismus innewohnenden Tendenz zur Zentralisation:
Der Zentralisationsprozeß entwickelt sich Schritt für Schritt weiter. Gemischte Unternehmungen
und Bankkonzerne fassen die gesamte nationale Produktion zusammen, die die Form eines
Verbandes der Verbände annimmt und sich somit in einen staatskapitalistischen Trust verwandelt.
Die Konkurrenz erreicht die höchste und letzte denkbare Entwicklungsstufe: die Konkurrenz der
staatskapitalistischen Trusts auf dem Weltmarkt... Die kapitalistische Annexion ist somit ein
Sonderfall der allgemeinen kapitalistischen Tendenz zur Zentralisation des Kapitals.. 10
Nach dieser Auffassung hat der Imperialismus zwei grundlegende Wesenszüge. Der erste entspringt
der Tendenz zur Konzentration und Zentralisation des Kapitals. Die konkurrierende Anhäufung von
Kapital führt sowohl zu einem Wachstum in der Größe der einzelnen Kapitaleinheiten als auch zum
Schlucken des kleineren durch das größere Kapital, insbesondere in der Krise. Die ökonomische
Macht wird zunehmend konzentriert. Branchen werden monopolisiert, von einer Handvoll großer
Unternehmen oder vielleicht nur von einem riesigen Konzern beherrscht. Darüberhinaus tendiert das
Industriekapital zur Verschmelzung mit den großen Banken, zur Bildung des Finanzkapitals. Das
letzte Stadium dieses Prozesses der "Organisation" ist die wachsende Integration des privaten
Kapitals mit dem Nationalstaat, mit anderen Worten, die Entstehung des Staatskapitalismus, Der
zweite Wesenszug ist, daß diese nationale Organisation des Kapitalismus im Rahmen einer
wachsenden Internationalisierung der Produktivkräfte stattfindet. Die Weltwirtschaft, die Bucharin als
"ein System von Produktionsverhältnissen und entsprechenden Austauschverhältnissen im
internationalen Ausmaß"11 definiert, bildet eine Arena, in der die "staatskapitalistischen Trusts"
konkurrieren. Die Konkurrenz zwischen den Kapitalien ist nicht mehr einfach der Kampf zwischen
privaten Unternehmen um Märkte: Zunehmend nimmt sie die Form militärischer und territorialer
Rivalitäten zwischen Staatskapitalien im Weltmaßstab an. "Der Kampf unter den staatskapitalistischen
Trusts wird in erster Linie durch das Verhältnis ihrer militärischen Machtmittel entschieden, denn die
militärische Macht eines Landes ist die letzte Instanz, an die die kämpfenden ,nationalen'
Kapitalistengruppen appellieren."12 Interimperialistische Kriege wie die von 1914-1918 und 1939-1945
sind Wesensziige einer zwischen konkurrierenden Kapitalien aufgeteilten Weltwirtschaft.
Bucharins Version der Theorie des Imperialismus hat auch ihre Schwächen. Er unterschätzt
insbesondere das Ausmaß, in dem die beiden Tendenzen, die er dem Imperialismus zuschreibt nämlich die Tendenz zum Staatskapitalismus und die Tendenz zur Intemationalisierung des Kapitals miteinander in Widerspruch geraten können. Folglich behandelt er Volkswirtschaften wie vollständig
"organisierte" staatskapitalistische Blöcke, in denen jede Tendenz zu wirtschaftlichen Krisen (im
Gegensatz zu Kriegen) eliminiert ist.13 Trotz dieser Irrtümer können wir Bucharins Theorie benutzen,
um die wesentlichen Charakterzüge des Imperialismus als ein besonderes Stadium in der Geschichte
des Kapitalismus zu bestimmen. Wir können dann die Theorie des Imperialismus wie folgt
zusammenfassen:
1. Der Imperialismus ist ein Stadium in der kapitalistischen Entwicklung, in dem i) die
Konzentration und Zentralisation des Kapitals tendenziell zur Integration des privaten
Monopolkapitals mit dem Staat führt; und ii) die Internationalisierung der Produktivkräfte
tendenziell die Kapitalien zwingt, um Märkte, Investitionen und Rohstoffe auf internationaler
Ebene zu konkurrieren.
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-42. Wesentliche Konsequenzen dieser zwei Tendenzen sind u.a. die folgenden:
i) die Konkurrenz zwischen den Kapitalien nimmt die Form militärischer Rivalitäten zwischen
Nationalstaaten an;
ii) die Verhältnisse zwischen den Nationalstaaten sind ungleich: Die ungleiche und kombinierte
Entwicklung des Kapitalismus macht es einer kleinen Zahl fortgeschrittener kapitalistischer
Staaten (den imperialistischen Ländern) möglich, kraft ihrer produktiven Ressourcen und ihrer
militärischen Stärke, den Rest der Welt zu beherrschen;
iii) die ungleiche und kombinierte Entwicklung unter dem Imperialismus verschärft die militärische
Konkurrenz weiter und fuhrt zu Kriegen, sowohl zu Kriegen zwischen den imperialistischen
Mächten selbst, als auch Kriegen, die aus den Kämpfen unterdrückter Nationen gegen die
imperialistische Herrschaft entstehen.14
Das ist eine abstraktere Definition des Imperialismus als die von Lenin, aber sie beinhaltet den Kern
seiner Auffassung, Ein Vorteil dieser Definition ist, daß sie dazu benutzt werden kann zu zeigen, wie
die Dynamik des Imperialismus unterscheidbare Phasen in seiner Entwicklung hervorbringt. Der Rest
des vorliegenden Artikels ist größtenteils der Analyse dieser Phasen gewidmet.
Man kann in der Geschichte des Imperialismus drei Hauptphasen ausmachen: Die Periode des
Klassischen Imperialismus von 1875-1945, jenes Imperialismus, der von Lenin und Bucharin,
Luxemburg und Hilferding, Kautsky und Hobson analysiert wurde und zu Mayers "Dreißigjährigem
Krieg" führte. Die Periode des Supermacht-Imperialismus von 1945 bis 1990, als die Welt politisch
zwischen zwei militärisch konkurrierenden Supermacht-Blöcken aufgeteilt war. Und schließlich den
Imperialismus nach dem Kalten Krieg, Bushs "Neue Weltordnung" - in Wirklichkeit eine instabilere
Version der alten.
Jede Art Zeiteinteilung beinhaltet einen gewissen Grad an Willkür. Wie in der folgenden Diskussion
genauer herausgearbeitet wird, sind Wesenszüge jeder Phase typischerweise in einer weniger
entwickelten Form schon in der vorhergehenden Phase vorhanden. Eine solche Aufteilung der
Geschichte des Imperialismus hilft meines Erachtens trotzdem, die zugrundeliegende Dynamik und
die daraus folgenden Veränderungen zu beleuchten. Aus Gründen, die auf der Hand liegen, wird der
zeitgenössische Imperialismus die detaillierteste Beachtung finden.
Archaischer Imperialismus?
Zuerst ist es jedoch sinnvoll, den anspruchsvollsten bürgerlichen Versuch zu betrachten, den
Imperialismus als eine seinem Wesen nach vorkapitalistische Erscheinung zu erklären. Die
bekannteste Formulierung dieser Theorie ist wohl die des österreichischen Ökonomen Joseph
Schumpeter. In einem Aufsatz, der während des Ersten Weltkriegs geschrieben wurde, beschreibt er
den Imperialismus als "arationale und irrationale, rein triebhafte Neigung[en] zu Krieg und Eroberung".
Daraus folgt, daß der Imperialismus "ein Atavismus" ist, also zu jenen Phänomenen zählt, "die nicht
aus den Lebensbedingungen der jeweiligen Gegenwart, sondern aus den Lebensbedingungen der
jeweiligen Vergangenheit zu erklären sind, vom Standpunkt der ökonomischen Geschichtsauffassung
also jeweils aus den vergangenen, nicht aus den gegenwärtigen Produktionsverhältnissen". Genauer
gesagt, der Imperialismus spiegelt die weiterbestehende Beherrschung Europas durch quasi-absolute
Monarchien und den grundbesitzenden Adel wider, deren Existenzgrund immer die Kriegsführung
war. Die Bourgeoisie ist einem wesentlich feudalen "imperialistische[n] Fürstenstaat" untergeordnet,
daher auch, wie Schumpeter es nennt, "ihre klägliche Schwäche in Politik, Lebensform und
kulturellem Wollen", "weil sich eine kriegerisch orientierte Klasse in herrschender Position erhielt". 15
Schumpeter war in diesem Jahrhundert einer der anspruchsvollsten intellektuellen Verteidiger des
Kapitalismus. Interessanterweise wurde seine Interpretation des Imperialismus vor kurzem durch den
amerikanischen linksliberalen Historiker Arno Mayer wiederbelebt. In seinem einflußreichen Buch The
Persistance of the Old Regime [Das Fortdauern des Alten Regimes] legt Mayer dar, daß Europa vor
1914 "vollkommen vorindustriell und vorbürgerlich" blieb. Der grundbesitzende Adel dominierte noch
sozial und politisch und konnte die Herausforderung einer industriellen Bourgeoisie abwehren, die
ihrerseits bereit war, sich in die alte Ordnung kooptieren zu lassen, anstatt für sich selbst die
Vorherrschaft zu fordern. Als um die Jahrhundertwende die alte Ordnung unter zunehmenden Druck
geriet, setzten die adligen herrschenden Klassen eine konservative Reaktion in Gang, die die
Haupttriebfeder für den Krieg in Europa bildete. So "beschickten innere Klassen-, Status- und
Machtkonflikte den äußeren Krieg mit unabhängigen und ideologischen Impulsen". Der Wettlauf zum
Krieg muß als Auswuchs inländischer Klassenkämpfe gesehen werden; der "Bruch des
internationalen Systems in zwei starre Blöcke" vor 1914 "war eher Wirkung als Ursache. Europas
militärischer Behemoth, riesig und grotesk zugleich, war der Ausdruck der allgemeinen Krise, in der
die Ultra-Konservativen die Oberhand gewannen."16 Mayer hat diese Analyse in seinem berühmten
Erklärungsversuch für die Vernichtung der europäischen Juden durch die Nazis fortgesetzt. Dabei
argumentiert er, daß die Judenvernichtung auf dem Hintergrund "einer Epoche allgemeiner Krise"
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-5gesehen werden muß. "Die Eliten und Institutionen des alten Regimes in der Festung Europa standen
in einem Todeskampf mit den Eliten einer herausfordernden neuen Ordnung," An diesem Kampf
waren z.B. beteiligt "der Handels- und Manufakturkapitalismus (sic) gegen Monopol- und organisierten
Kapitalismus" und "gewohnheitsmäßig herrschende Klassen gegen akademische strategische
Eliten".17
Es sollte eigentlich klar sein, warum diese Theorie des Imperialismus - auch wenn von Mayer
vertreten, der sich selbst als einen "linken Dissidenten der Geschichtswissenschaft" bezeichnet - als
eine bürgerliche Theorie anzusehen ist.18 Es ist eine Theorie, die den Kapitalismus von der
Verantwortung für die schrecklichen Katastrophen, die die Menschheit zwischen 1914 und 1945 in
den Abgrund stürzten, freispricht. Mayers Untersuchung über das, was er den "Judeozid" nennt, ist ein
tapferer Versuch, den Massenmord an den Juden durch die Nazis historisch zu erklären und es nicht
bloß als eine einzigartige, nicht analysierbare Erscheinung zu behandeln. Dabei sieht er jedoch das
größte Verbrechen in der menschlichen Geschichte nicht als Folge der schlimmsten Krise, die der
Kapitalismus in seinem höchsten Stadium durchmachte, sondern als Folge des Zusammenpralls
zwischen der alten Feudalordnung und der bürgerlichen Modernität.
Schumpeter unterstreicht den apologetischen Charakter seiner Theorie, wenn er sagt, daß eine "rein
kapitalistische Welt keinen Nährboden für imperialistische Impulse bieten" könnte:
Was kriegerische Energie war, wäre in einer rein kapitalistischen Welt Arbeitsenergie aller Art.
Und Eroberungskriege, überhaupt die Abenteuer einer aktivistischen äußeren Politik, müßten als
leidige Störung, als Zerstörung des Sinns des Lebens, als Ablenkung von den gewohnten - daher
"wahren" - Aufgaben empfunden werden.19
Dieses Argument steht und fallt mit der Behauptung, daß der staatsinterven-tionistische Charakter des
Imperialismus (die wichtigste Maßnahme am Ende des 19. Jahrhunderts war der Schutzzoll) vom
kapitalistischen Standpunkt aus irrational war. Dies wiederum setzt eine Art Kapitalismus voraus, die
man nur in den Lehrbüchern der neo-klassischen Ökonomie findet, eine Welt, die von vollkommener
Konkurrenz gesteuert wird, in der kein Einzelunternehmen den Markt, für den es produziert,
beeinflussen kann. Schumpeter tritt für eine solche Sichtweise des Kapitalismus ein, erkennt aber
bemerkenswerterweise gleichzeitig an, daß der "Monopolkapitalismus Großbanken und Kartelle
beinahe verschmolzen" und eine mächtige Klasse geschaffen hat, die ein "starkes, unzweifelhaft
ökonomisches Interesse an Schutzzöllen, Kartellen, Monopolpreisen, Exportforcieren (Dumping),
aggressiver Wirtschaftspolitik, aggressiver äußerer Politik überhaupt, Kriegen, schließlich
Expansionskriegen von typisch imperialistischem Charakter" besitzt. Doch obwohl Schumpeter
offensichtlich Hilferdings Theorie mit Stumpf und Stiel übernimmt, besteht er weiter darauf, daß "aus
den grundlegenden Gesetzen der kapitalistischen Entwicklung kein Exportmonopolismus
hervorwächst". Denn die Schutzzölle, von denen die Trusts und Kartelle abhingen, seien ja von
Staaten eingeführt worden, die auf dem europäischen Kontinent vor 1914 vorwiegend noch
vorkapitalistische absolute Monarchien waren 20
Damit setzt er aber das "Fortdauern der alten Ordnung" einfach voraus. Das ist eine sehr beliebte
Argumentationslinie in Großbritannien, insbesondere in der Form von Perry Andersens und Tom
Nairns Behauptung, daß die politische und ideologische Unterordnung der industriellen Bourgeoisie
unter die grundbesitzende Aristokratie den "Great Reform Act" von 1832 überlebte und in der Gestalt
der wirtschaftlichen Vormachtstellung der "City of London" bis ins 20. Jahrhundert fortdauert. Im
gewissen Sinne ist das Argument Mayers eine Übertragung dieser Interpretation der englischen
Geschichte auf Europa als Ganzes.21 Diese Theorie wurde nicht nur in ihrer britischen Version
auseinandergenommen: Denn auch in dem näherliegenderen Fall des kaiserlichen Deutschlands
wurde der überzeugende Nachweis erbracht, daß der Staat, obwohl von Großgrundbesitzern, den
Junkern, besetzt, im Interesse des industriellen Kapitals handelte. 22 Das Europa von vor 1914 war
eine bürgerliche Zivilisation, in der die noch beträchtlichen Überbleibsel der alten grundherrlichen
Ordnung unterhöhlt und assimiliert wurden durch einen industriellen Kapitalismus, der sich zwar
ungleichmäßig entwickelte aber in wachsendem Maße den gesamten Kontinent prägte. 23
Die Schumpeter-Mayer Theorie des Imperialismus kann nur zu dem Preis einer enormen Verdrehung
der historischen Tatsachen aufrechterhalten werden. So argumentiert Schumpeter (der im Gegensatz
zu Mayer oder Anderson keinerlei Zweifel über das vollblütige kapitalistische Wesen der britischen
Gesellschaft hegte), daß der Imperialismus in Großbritannien nur eine Schlagwort war: Nicht nur seien
die Kolonien während der viktorianischen Blütezeit zu einem ökonomischen Hindernis für den freien
Handel geworden, sondern es sei "zweifelhaft, ob man von einem englischen Imperialismus in
unserem Sinne für das 18. Jahrhundert sprechen kann"24. Das sind erstaunliche Behauptungen.
Erstens: Während des 18. Jahrhunderts erhöhte der britische Staat massiv die Militärausgaben, um
eine mächtige Kriegsmaschine aufzubauen, deren Kern die Königliche Flotte war. Das machte eine
Reihe kolonialer Eroberungen möglich, die für die wachsende Vorherrschaft Großbritanniens auf dem
Weltmarkt entscheidend waren.25 Zweitens: Die Eroberung dessen, was manchmal Großbritanniens
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-6"Zweites Imperium" genannt wird (der größte Teil des ersten war in der amerikanischen Revolution
verlorengegangen), fand während der viktorianischen Ära des laissez-faire statt.26 Auch wenn es oft
sehr spezifische Gründe für einzelne Eroberungen gab, so wurden doch die zugrundeliegenden
Wirkungskräfte manchmal ziemlich deutlich sichtbar. Schumpeter geht großzügig über den Burenkrieg
von 1899-1902 hinweg, den er "als eine aus der allgemeinen Tendenz herausfallende
Zufallsaberration" abtut.27 Tatsächlich war er der größte Krieg, den Großbritannien zwischen 1815 und
1914 führte. Jüngste historische Forschungen haben Hobsons zeitgenössische Argumentation
bestätigt, wonach der Krieg von einer Allianz zwischen dem britischen Imperialismus und den
Bergbaukapitalisten provoziert wurde, die darauf erpicht waren, der südafrikanischen Republik die
Kontrolle über die riesigen Goldlager des Witwatersrand zu entreißen.28
Diese und andere Absurditäten (Schumpeter behauptet sogar, daß die USA, die "am wenigsten mit
vorkapitalistischen Elementen, Tatbeständen, Remineszenzen und Machtfaktoren belastet" waren,
daher "den schwächsten Imperialismus aufweisen" müßten!) sollten uns nicht dazu verleiten, die
Bedeutung seiner Theorie des Imperialismus als einer "atavistischen" Erscheinung zu unterschätzen.
Sie stellt den ernsthaftesten Versuch dar aufzuzeigen, daß "der Kapitalismus seinem Wesen nach
anti-imperialistisch ist".29 Die politischen Folgerungen sind weitreichend Der Kapitalismus geht nicht
nur aus den Schrecken von 1914-1945 mit sauberer Weste hervor, sondern er ist auch eine
Produktionsweise, die erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorherrschend wurde. Tom
Nairn betont diesen Punkt ausdrücklich:
Im Lichte von Mayers Paradigma war die Zeit von 1914 bis 1945 ein einziger "Dreißigjähriger
Krieg" der Zersetzung undRache. Mitanderen Worten, das europäische ancien règime ist noch
nicht uralt, sondern gerade Geschichte geworden: Der Donnerschlag seines Zusammenbruchs
klingt noch in unseren Ohren, der charakteristischste Klang des Jahrhunderts, und der Staub hat
sich erst seit den 50er Jahren gelegt... Wenn der "Triumph" der bürgerlichen Klasse und der
industriekapitalistischen Werte die Herausbildung einer Reihe von einigermaßen homogenen, von
diesen Normen regulierten Gesellschaften - also eines stabilen und friedlichen Staatensystems
auf etwa der gleichen Entwicklungsstufe - bedeutet, dann ist das gerade eben erst soweit. Wir
würden deshalb in der ersten Dekade eines wirklichen kapitalistischen Aufstiegs leben und nicht
(worauf so viele linke und kommunistische Theoretiker bestanden haben) in seinen "letzten
Tagen" - in etwas, wie dem vollen Strom der kapitalistischen gesellschaftlichen Evolution, und
nicht in einer erschöpften "spätbürgerlichen Welt", die ihrem sozialistischen Schicksal nicht mehr
entrinnen kann.30
Diese Argumentation wurde vor den osteuropäischen Revolutionen veröffentlicht, aber sie paßt
perfekt zu der in weiten Teilen der Linken und der Rechten verbreiteten Vorstellung, daß diese
Erhebungen den Triumph der kapitalistischen freien Marktwirtschaft und den Anfang einer neuen Ära
des Wachstums und der Prosperität signalisieren. Wenn der "Kapitalismus seinem Wesen nach
antiimperialistisch ist", dann folgt aus seiner Vorherrschaft, daß man ein Ende der militärischen
Konkurrenz und des Krieges erwarten kann. Schumpeter argumentiert auch, daß die
"vorkapitalistischen Elemente unseres sozialen Lebens" nicht unendlich "das Klima der modernen
Welt" überleben können und daß "mit ihnen werden die Imperialismen verkümmern". 31 Warum hat
dann die Periode seit 1945, die Nairn "den vollen Strom der kapitalistischen gesellschaftlichen
Evolution" nennt, so viele Kriege erlebt, wenn auch keinen Weltkrieg zwischen den Großmächten?
Eine verbreitete Erklärung auf der Linken war, diese Konflikte auf einen globalen "Kampf der Systeme"
zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Produktionsweise zu reduzieren.32 Doch ganz
abgesehen von der Problematik, den nun weitgehend gestorbenen Ostblock als irgendeine Form von
Sozialismus zu betrachten, ist es schwierig, aus dieser Perspektive zu erklären, warum auf das Ende
des Kalten Krieges so rasch ein größerer Krieg zwischen dem scheinbaren Sieger und einer
Regionalmacht der Dritten Welt folgte. Hier scheint es nur zwei Alternativen zu geben. Entweder lehnt
man die Theorie ab, wonach der Imperialismus seine Wurzeln in "vergangenen
Produktionsverhältnissen" hat, und setzt an ihre Stelle die These von einem unabhängigen Prozeß der
militärischen Konkurrenz, um das Fortbestehen von zwischenstaatlichen Rivalitäten und Kriegen zu
erklären. Wie ich an anderer Stelle gezeigt habe, führt uns dieser Ansatz allerdings nicht sehr weit.33
Oder aber man kehrt zurück zur marxistischen Theorie des Imperialismus als unentbehrliches
Erklärungsmuster für die Veränderungen, die das kapitalistische Weltsystem in den vergangenen 125
Jahren erfahren hat. Dieser zweite Weg scheint sehr viel attraktiver zu sein.
Der Klassische Imperialismus 1875 - 1945
1. Eine ökonomisch und politisch multipolare Welt. Die moderne europäische Geschichte seit dem 15.
Jahrhundert wird von einem kontinuierlichen, grausamen Prozeß militärischer und territorialer
Konkurrenz zwischen den Großmächten beherrscht. Eine Möglichkeit, das Wesen des Imperialismus
zu erfassen, ist den Punkt zu bestimmen, an dem sich dieser Prozeß mit der Ausdehnung des
industriellen Kapitalismus verband und ihr untergeordnet wurde. Eric Hobsbawm beobachtete, daß
beim Kapitalismus des späten 19. Jahrhunderts "die Weltwirtschaft nun bemerkenswert pluralistischer
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-7war als vorher. Großbritannien hörte auf, die einzige vollständig industrialisierte, genau genommen die
einzige industrialisierte Wirtschaft zu sein."34 Ein Faktor in diesem Wandel war, was William McNeill
die "Industrialisierung des Krieges" Mitte des 19. Jahrhunderts nennt: die Zunahme der Mobilität, die
möglich wurde durch die Eisenbahn und das Dampfschiff, die Massenproduktion neuer Waffen wie
das Hinterladergewehr und das Maschinengewehr. Die militärische Macht der Staaten hing nun direkt
vom Grad ihrer Industrialisierung ab. Die großen absoluten Monarchien Zentral- und Osteuropas Preußen, Österreich-Ungarn, Rußland - waren nun gezwungen, die Ausdehnung des industriellen
Kapitalismus zu fördern, um die materielle Basis für eine moderne Streitmacht zu schaffen. Zur
gleichen Zeit verschärfte die Ausbreitung des industriellen Kapitalismus die Rivalitäten zwischen den
Großmächten, vor allem als Großbritannien seine Vorherrschaft in der Industrie und in der
Kriegsmarine durch Deutschland bedroht sah. Das Ergebnis war ein Wettrennen in der
Flottenbewaffnung, das von schnellen technologischen Innovationen vorangetrieben wurde, sowie die
Eingliederung Großbritanniens in einen der beiden großen Militärblöcke, in die Europa nun gespalten
war. Ökonomische und militärische Konkurrenz verstärkten sich wechselseitig in einer Welt, die von
einer Handvoll Staaten beherrscht wurde.35
2. Koloniale Expansion. "Der Übergang des Kapitalismus zum Stadium des Monopolkapitalismus, zum
Finanzkapital, [ist] mit einer Verschärfung des Kampfes um die Aufteilung der Welt verknüpft", schrieb
Lenin.36 Der europäische Kolonialbesitz stieg von 2,7 Millionen Quadratmeilen und 148 Millionen
Einwohnern im Jahr 1860 auf 29 Millionen Quadratmeilen und 568 Millionen Einwohnern im Jahr
1914. Dabei war dieser Prozeß der Expansion noch nicht einmal beendet, da die Besitzungen des
Osmanischen Reiches im Nahen und Mittleren Osten erst nach dem Ende des Ersten Weltkrieges
zwischen Frankreich und Großbritannien aufgeteilt wurden. Die koloniale Eroberung wurde von einem
riesigen Anstieg der europäischen Auslandsinvestitionen begleitet, von zwei Mrd. Pfund 1862 auf 44
Mrd. Pfund 1913.37
Daraus folgt nicht, wie grobe Interpretationen der Leninschen Theorie nahelegen, daß der
Imperialismus seine Dynamik aus dem Kapitalexport zur Ausbeutung kolonialer Sklaven schöpfte.
Denn eines ist festzuhalten: Die Ausdehnung der Auslandsinvestitionen war höchst ungleichmäßig.
Großbritannien war, beginnend mit den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts, der erste und bei weitem
größte Exporteur von Kapital, Frankreich folgte in den späten 70er, Deutschland erst nach 1900,
während die USA und Japan vor 1914 Kapital importierten. Ferner, wie Hobsbawm betont,
fanden beinahe 80 Prozent des europäischen Handels während des 19. Jahrhunderts, sowohl
Export als auch Import, mit anderen entwickelten Ländern statt, und das Gleiche gilt für die
europäischen Auslandsinvestitionen. Insoweit diese nach Übersee gelenkt wurden, gingen die
meisten zu einer Handvoll sich schnell entwickelnder Länder, die hauptsächlich von Siedlern
europäischer Herkunft bevölkert waren -Kanada, Australien, Südafrika, Argentinien, usw. - wie
natürlich auch in die USA.38
Dieses Muster tritt auch sehr klar in den Zahlen über die britischen Überseeinvestitionen in Tabelle l
hervor.
Tabelle 1
Regionales Muster britischer Überseeinvestitionen 1860-1929 (in %)39
Regionen
1860-70
1881-90 1911-13 1927-29
-----------------------------------------------------------------Britisches Reich insgesamt
Kanada
25
Südliche Dominions
Indien
andere
47
13
16
21
15
104
3
3
5,5
10,5
27
20
22
46
13
9,5
Südamerika
USA
36
17
17
20
14
8
22
19
59
22
5,5
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-8Europa
25
8
6
8
andere
1,5
3
7
5,5
Quelle: M Barratt Brown, The Economics of Imperialism, Harmondsworth 197,4 Tabelle 17,S.190-91
Trotzdem spielten die Kolonien eine lebenswichtige wirtschaftliche Rolle. Indien zahlte Großbritannien
ein jährliches Tribut in Form von direkt herausgepreßten imperialen Steuern (Home Charges); hinzu
kamen der Handelsüberschuß, Zinsen für Investitionen und andere unsichtbare Einkünfte. 40 Laut
Berrick Saul "beglich Großbritannien mehr als ein Drittel seines Defizits gegenüber Europa und den
USA durch Indien."41 Avner Offers jüngste hervorragende Untersuchung über den Ersten Weltkrieg
hat gezeigt, daß das britische Kolonialreich eine noch unmittelbarere Rolle im Prozeß der
interimperialistischen Konkurrenz gespielt hat. Großbritannien und Deutschland, die beiden am
stärksten industrialisierten Großmächte zur Jahrhundertwende, hatten beide hochspezialisierte
Wirtschaften entwickelt, die stark von importierten Nahrungsmitteln und Rohstoffen abhingen. Die
britische herrschende Klasse erfreute sich jedoch eines entscheidenden Vorteils: Sie kontrollierte ein
ausgedehntes Kolonialreich, aus dem sie sich mit den benötigten Waren bedienen konnte, während
ihre überlegene Seemacht es ihr erlaubte, sowohl die eigenen Seewege zu schützen, wie auch den
Zugang Deutschlands zu Nahrungsmitteln und Rohstoffen, die es importieren mußte, zu blockieren.
Die Planung für einen Wirtschaftskrieg war deshalb ein wichtiger Bestandteil der britischen
Kriegsvorbereitungen vor 1914. Der Kampf um Nahrungsmittel und Rohstoffe war ein entscheidender
Faktor für diedeutsche Niederlage 1918, einerseits wegen der Auswirkungen der britischen Blockade
auf die Mittelmächte, zum ändern weil der deutsche U-Boot Krieg im Atlantik die USA in den Krieg zog
und damit die Balance zugunsten der Entente kippte.42
Die Bedeutung der Kolonien in der interimperialistischen Konkurrenz zeigte sich wieder während der
Großen Depression in den 30er Jahren, als die Weltwirtschaft in rivalisierende Handelsblöcke
zerbrach. Diejenigen Mächte, wie Großbritannien und Frankreich, die sich auf ihre Kolonien und deren
geschützte Märkte und Rohstoffe stützen konnten, überstanden die Wirtschaftskrise besser als
diejenigen, wie die USA und Deutschland, denen ein Kolonialreich fehlte. Für die beiden
letztgenannten Staaten bot der Zweite Weltkrieg einen Ausweg aus diesen Problemen.
3. Militarisierter Staatskapitalismus. Lenin, Hilferding und Bucharin, sie alle hoben die qualitativ
größere Zentralisation der ökonomischen Macht als entscheidendes Merkmal des neuen Stadiums der
kapitalistischen Entwicklung hervor, das sich um die Jahrhundertwende herausschälte. In Wirklichkeit
war die Entwicklung dessen, was Hilferding den "organisierten Kapitalismus" nannte, sehr
unterschiedlich ausgeprägt - so hinkte Großbritannien beträchtlich hinter Deutschland und den USA
her. Um diese Unterschiede zu erklären, führte Hilferding den Begriff der ungleichzeitigen und
kombinierten Entwicklung des Kapitalismus ein. Die relativ "organische" Entwicklung des britischen
Kapitalismus bedeutete, daß sich das Investitionskapital allmählich in den Händen einzelner
Industrieller anhäufte, ohne daß sie auf Banken oder den Aktienmarkt zurückgreifen mußten, um ihre
Ausdehnung zu finanzieren. Das nötige Kapital zusammenbringen, das konnte ein deutscher
Kapitalist, der die Industrialisierung im Schatten des britischen Verarbeitungsmonopols betrieb,
hingegen nur durch einen viel höheren Grad an Organisation leisten - durch Aktiengesellschaften und
durch die Hilfestellung der Banken bei der Finanzierung produktiver Investitionen:
In Deutschland, und auch in etwas anderer Weise in den USA, waren deshalb die Beziehungen
zwischen Banken und Industrie von Anfang an notwendigerweise ganz anders als in England.
Dieser Unterschied folgte aus der ruckständigen und verspäteten kapitalistischen Entwicklung
Deutschlands. Aber die enge Verbindung zwischen Industrie- und Bankkapital in beiden Ländern,
Deutschland und Amerika, wurde wiederum zu einem wichtigen Faktor in ihrer Entwicklung zu
einer höheren Form der kapitalistischen Organisation. 43
Aus ähnlichen Gründen entwickelten sowohl Deutschland wie auch die USA viel früher als
Großbritannien einen interventionistischen Staat, der Schutzzölle einführte, um ihre verarbeitenden
Industrien von der Konkurrenz durch die "Werkstatt der Welt" zu isolieren. Es bedurfte der Großen
Depression der 30er Jahre, um die britische herrschende Klasse davon zu überzeugen, den
Freihandel aufzugeben - ein Schritt, den ihr amerikanischer Gegenspieler bereits 70 Jahre früher zu
Beginn des Bürgerkriegs vollzogen hatte.
Es ist diese Verschränkung des Staates und des privaten Kapitals, die die Neigung des Imperialismus
zum Krieg erklärt: Der von Hilferding und Bucharin analysierte Organisationsprozeß hatte riesige,
national integrierte Kapitalblöcke entstehen lassen, die nun in eine weltweite ökonomische Konkurrenz
miteinander traten. Der Ausgang dieses allgemeinen Wettrennens konnte letztlich nur durch das
Messen ihrer relativen militärischen Stärke entschieden werden. Gleichermaßen trägt der
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-9interimperialistische Krieg selbst ebenfalls stark dazu bei, die Tendenz zum Staatskapitalismus zu
beschleunigen. Bucharin verstand diesen Zusammenhang schon sehr früh, im Jahr 1915. Die
Mobilisierung der Ressourcen, die für den totalen Krieg gebraucht werden, trägt dazu bei, die
Wirtschaft in "eine Organisation zu verwandeln, die unmittelbar der Kontrolle der Staatsmacht
untergeordnet ist". Deshalb "ist der Krieg nicht nur von einer ungeheuren Zerstörung der
Produktivkräfte begleitet: zusätzlich führt er zu einer außerordentlichen Verstärkung und
Intensivierung der dem Kapitalismus immanenten Entwicklungstendenzen."44
Die Kriegswirtschaften von 1914-18 und 1939-45 sahen eine qualitative Ausdehnung der staaüichen
Wirtschaftslenkung, die in der folgenden Friedensperiode nicht rückgängig gemacht wurde. Im
Gegenteil, die Große Depression von 1929-39 stellt eine Fortsetzung dieses Prozesses dar, als der
Weltmarkt in protektionistische Handelsblöcke auseinanderfiel, und alle großen imperialistischen
Mächte ihre Apparate zur Staatsintervention stärkten - ein Prozeß, der seinen Höhepunkt im
stalinistischen Rußland erreichte. Eine Konsequenz war die Lockerung der weltweiten ökonomischen
Integration verglichen mit dem, was vor 1914 erreicht worden war. So überschritt der Anteil des
Handels mit Fertigfabrikaten an der Weltproduktion erst Mitte der 70er Jahre wieder das Niveau von
1913.45
Die Tendenz zur wirtschaftlichen Autarkie der Großmächte diente nur dazu, die Spannungen
zwischen ihnen zu verschärfen. Denn sie war ein mächtiger Anreiz für jene imperialistischen Staaten,
die keinen direkten Zugang zu kolonialen Märkten und Rohstoffen besaßen - vor allem Deutschland
und Japan -, für sich einen größeren Anteil aus den Weltressourcen auf militärischem Weg
herauszuschneiden zu versuchen. So produzierte der Widerspruch, den Bucharin zwischen der
Internationalisierung und der Staatifizierung erkannt hatte, einen zweiten, noch zerstörerischen
Versuch der imperialistischen Mächte, die Welt unter sich neu aufzuteilen.46
Der Supermacht-Imperialismus, 1945 - 1990
1. Eine politisch bipolare, aber ökonomisch multipolare Welt. Nach der Niederlage Deutschlands und
Japans 1945 veränderte sich die interimperia- listische Konkurrenz grundlegend. Das europäische
Staatensystem war nicht mehr wie einst Dreh- und Angelpunkt der Weltpolitik. Der europäische
Kontinent war nun geteilt, und seine Staaten waren in zwei weltweite Militärbündnisse eingebunden,
die jeweils von einer der Supermächte, den USA bzw. der UdSSR, dominiert wurden. Diese Lage
hatte sich schon in der Epoche der beiden Weltkriege angekündigt. Die Instabilität des europäischen
Staatensystems, die den "Dreißigjährigen Krieg" von 1914-45 entstehen ließ, spiegelte die Unfähigkeit
wider, den Aufstieg Deutschlands zu einer Weltmacht zu verhindern. Großbritanniens beispiellose
Vorherrschaft in der europäischen Politik im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs war der Versuch einer
bisher
führenden
imperialistischen
Macht,
ein
tödlich
geschwächtes
Staatensystem
zusammenzuhalten. Diese Rolle konnte Großbritannien, dessen relativer ökonomischer Niedergang
durch den Krieg brutal aufgedeckt wurde, nur solange spielen, wie die beiden großen
Festlandsmächte, die USA und die UdSSR, von der Bühne fernblieben - "off-stage", wie Paul Kennedy
es bezeichnet.47
Als diese beiden Staaten 1945 ins Rampenlicht traten, endete der "letzte europäische Krieg", wie ein
Historiker ihn nannte. Die USA ersetzten endgültig Großbritannien als vorherrschende Weltmacht,
indem sie ihre riesige wirtschaftliche Stärke in überwältigende militärische Macht umsetzten.
Gleichzeitig nutzte die amerikanische herrschende Klasse ihre Vormachtstellung in der Allianz gegen
Hitler, um die Grundlagen für eine Nachkriegs-Weltwirtschaft zu legen, die offen war für Investitionen
und Exporte der USA. Damit wollten die USA eine Wiederholung der Katastrophe verhindern, die ihre
Wirtschaft infolge der Handelskriege der 30er Jahre heimsuchte. Das Haupthindernis für die
Erreichung dieses Ziels war die herrschende Klasse in Rußland: Die Stellung der stalinistischen
Bürokratie ruhte auf der Verschmelzung der ökonomischen mit der politischen Macht im Zuge der
staatskapitalistischen Transformation der 30er Jahre, und die Einbindung in einen von den USA
beherrschten Weltmarkt stellte diese direkt in Frage. Das war der Widerspruch, der der Teilung
Europas in der Nachkriegszeit zwischen zwei rivalisierenden Militärblöcken zugrunde lag. 48
Der Kalte Krieg, entstanden aus dem Konflikt zwischen den Siegern von 1945, führte zu einem neuen
Muster der interimperialistischen Konkurrenz. Das wichtigste war, daß militärische und territoriale
Rivalitäten zwischen den Staaten in ein bipolares Muster gepreßt wurden. Vorher hatte die
zwischenstaatliche Konkurrenz unter einer Vielzahl von Großmächten stattgefunden. Sie bildeten
zwar zeitweilige Bündnisse, normalerweise in endlosen Manövern zwischen den europäischen
Kanzlerämtern, und hielten ihre Optionen offen. Das war das Material der internationalen Politik vom
15. Jahrhundert bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts. Der Grundsatz europäischer Staatskunst wurde
von einem ihrer Erzpraktiker, Palmerston, in dem Spruch zusammengefaßt: "England hat keine
ewigen Freunde, keine ewigen Feinde, sondern nur ewige Interessen." So führten Deutschland und
Rußland zwei schreckliche Kriege im 20, Jahrhundert, trotz der langen Freundschaft zwischen dem
Haus der Hohenstaufen und der Romanows im vorigen Jahrhundert; Großbritannien und Frankreich,
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- 10 die sich ständig zwischen 1689 und 1815 bekriegt hatten, waren in beiden Weltkriegen gegen
Deutschland verbündet; die britischen Kriegsvorbereitungen gaben Trotzki noch in den frühen 20er
Jahren Grund für die Annahme, daß es zu einem Konflikt zwischen Großbritannien und den USA
kommen könnte.49 Nach 1945 verlor die internationale Politik ihren beweglichen Zustand. Die
europäischen Staaten waren in zwei Supermachtblöcke eingezwängt. Diese Lage widerspiegelte die
mehr oder minder große Interessenübereinstimmung zwischen den miteinander verbündeten
herrschenden Klassen, aber auch das Fehlen jeder anderen Alternative.
Die zwischenstaatliche Politik war an den Rändern des Systems, in der Dritten Welt, instabiler.
Vielleicht zeigt das Ägypten der Nachkriegszeit am besten den dramatischen Standortwechsel: zuerst
eine britische Halbkolonie, dann ein neutraler Staat, der zwischen den beiden Supermächten
balancierte, später der wichtigste Verbündete der UdSSR in der Dritten Welt und schließlich der
zweitgrößte Empfänger von US-Militärhilfe in der Welt.50 Nichtsdestotrotz schränkte die Teilung der
Welt in zwei Supermachtblöcke den Spielraum aller Staaten sehr stark ein. Als Ägypten - von der
UdSSR hochgerüstet, obwohl Präsident Anwar Sadat die russischen Militärberater erst im Juli 1972
rausgeworfen hatte - im Oktober 1973 den bislang erfolgreichsten militärischen Angriff der arabischen
Staaten gegen Israel anführte, antworteten die USA mit einem riesigen Waffen-Lufttransport für die
gebeutelte israelische Armee und setzten zu einem Zeitpunkt sogar ihre eigenen Nuklearwaffen in
Alarmbereitschaft.51 Der Kalte Krieg wirkte wie eine Art Zwangsjacke, die die einzelnen Staaten dazu
brachte, ihre Aktionen nach den Interessen eines der Supermachtblöcke auszurichten.
Zweitens führte die interimperialistische Konkurrenz nach 1945 zu keinem allumfassenden Krieg
zwischen den Großmächten, Kriege tobten natürlich weiterhin an den Rändern des Systems,
genauso, wie es während des 19. Jahrhunderts europäische Eroberungen in Afrika und Asien52
gegeben hatte, doch der Kern blieb friedlich. Aus welchen Gründen auch immer (am offensichtlichsten
ist der beidseitige Besitz von Atomwaffen, der zwar den allumfassenden Krieg nicht unmöglich
machte, aber sicherlich Washington und auch Moskau vorsichtiger machte, als sie es möglicherweise
sonst gewesen wären), es war jedenfalls eine bemerkenswerte Unterbrechung des Zustandes
ständiger Kriegsführung, die Europa seit dem Aufstieg des Absolutismus in Spannung gehalten hatte:
Selbst das als friedlich erachtete 19. Jahrhundert hatte einen erschütternden Ausbruch von Kriegen
zwischen den Großmächten in der Zeit zwischen 1855 und 1871 erlebt, deren Ergebnis die
Vereinigung Italiens und Deutschlands sowie die Verdrängung Frankreichs durch Deutschland als
Hauptmacht auf dem Festland gewesen war. Das Fehlen jedes allumfassenden Kriegs nach 1945
verstärkte die Starrheit der Weltpolitik, Es entzog dem Kapitalismus den Haupthebel, durch den das
Staatensystem früher in Einklang gebracht wurde mit der sich verändernden Verteilung der weltweiten
ökonomischen Macht. Gleichzeitig jedoch wurde die Vorbereitung auf den Krieg zu einem
Dauerzustand.
Der Rüstungswettlauf zwischen Großbritannien und Deutschland vor 1914 wurde von dem zwischen
NATO und Warschauer Pakt ab Ende der 40er Jahre in den Schatten gestellt. Nach 1945
beanspruchten die Rüstungsausgaben 30 Jahre lang einen für Friedenszeiten noch nie gekannten
Anteil am Bruttosozialprodukt - vor allem in den USA und der UdSSR. Auf ihrem Höhepunkt, in den
50er und frühen 60er Jahren, hatte diese permanente Rüstungswirtschaft die unbeabsichtigte Folge,
der Tendenz zum Fall der Profitrate entgegenzuwirken - und regte dadurch den längsten und
kräftigsten Aufschwung in der Geschichte des Kapitalismus an. Zwischen 1948 und 1973 hat sich das
Welteinkommen mehr als verdreifacht.53
Der lange Aufschwung ist eng verbunden mit einer dritten Besonderheit der interimperialistischen
Konkurrenz in der Nachkriegsära. Die Teilung der Welt zwischen den Supermachtblöcken war höchst
ungleich, denn das westliche Bündnis umfaßte neben den USA - die bei weitem größte Wirtschaft in
der Welt - noch Westeuropa, Japan und Kanada. Das war für den russischen Block ein schwerer
Nachteil, förderte aber gleichzeitig innerhalb des westlichen Lagers zunehmend Widersprüche. Die
Einbindung aller fortgeschrittenen Wirtschaften in einen einzigen politischen Block unter der
überwältigenden militärischen Vorherrschaft der USA schuf einen riesigen Wirtschaftsraum, in dem
die Konkurrenz zwischen den Kapitalien eben nicht in jene für die Zeit vor 1945 so charakteristischen
militärische Konflikte mündete. Hierin brach das Muster, das Bucharin analysiert hatte, zusammen.
Denn die interimperialistischen Rivalitäten innerhalb des westlichen Kapitalismus entwikelten sich
weiter, ohne irgendeine Tendenz hervorzurufen, sie durch "das blutige Schiedsgericht des Krieges"
(Shakespeare) zu lösen. Die ökonomische Konkurrenz zwischen den Kapitalien wurde auf diese
Weise vom militärischen Konflikt zwischen den Staaten entkoppelt.
Diese Entwicklung hatte jedoch langfristige Konsequenzen, die eine hohe Instabilität hervorbrachten.
Die erste Instabilität will ich an dieser Stelle nur erwähnen, aber ich werde später darauf
zurückkommen: Die am Ende des Zweiten Weltkriegs unter der Führung der USA errichtete
Weltwirtschaftsordnung schuf einen institutioneilen Rahmen (die Vereinbarung von Bretton Woods,
usw.), der eine beträchtliche Intemationalisierung des Kapitals förderte. Zweitens war dieser Rahmen,
worauf ich oben bereits aufmerksam gemacht habe, darauf ausgerichtet, den USA Märkte und
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- 11 Investitionsmöglichkeiten zu verschaffen. Die Erholung der europäischen und japanischen
Wirtschaften von ihren Kriegszerstörungen während des langen Aufschwungs (eine Entwicklung, die
von den USA gefördert wurde, um Bollwerke gegen innere Revolutionen und den militärischen Druck
Rußlands zu schaffen) führte zum Aufstieg von Kapitalien, die die US-Vorherrschaft auf dem
Weltmarkt zunehmend in Frage stellten.
Tabelle 2
Ausländische Direktinvestitionen in ausgewählten Ländergruppen
(jährliche Kapitalflüsse in Mrd. $ - prozentuale Anteile in Klammern)
Ländergruppe
1965-69
1970-74
1975-79
1980-83
------------------------------------------------------------------------------------Industrieländer
5,2 (79) 11,0 (86) 18,4 (72) 31,3 (63)
Entwicklungsländer
Lateinamerika & Karibik
Afrika
1,2 (18)
0,8 (12)
0,2 (3)
Asien einschl. Nahost
2,8 (22)
1,4 (11)
0,6 (5)
0,2 (3)
6,6 (26) 13,4 (27)
3,4 (13) 6,7 (14)
1,0 (4) 1,4 (3)
0,8 (6)
2,2 (9) 5,2 (11)
Andere Länder u. nicht erfaßte Flüsse 0,2 (3) -1,0 (-8)
GESAMT
0,6 (2) 4,8 (10)
6,6 (100) 12,8 (100) 25,6 (100) 49,4 (100)
[Quelle: Weltbank, World Development Report 1985]
Das hohe Niveau der Rüstungsausgaben war einerseits die Bedingung für die politisch-militärische
Hegemonie der USA, entzog aber andererseits dem produktiven Sektor große Kapitalmengen.
Demgegenüber machten die vergleichsweise niedrigen Militärausgaben Westdeutschlands und
Japans sehr hohe Raten der Kapitalakkumulation in diesen Ländern möglich. Folglich kam es zu einer
fortschreitenden Unterhöhlung der Konkurrenzfähigkeit der verarbeitenden Industrie der USA. In den
60er Jahren war der relative wirtschaftliche Niedergang der USA offensichtlich. Die daraus folgende
Verstärkung der Konkurrenz innerhalb des westlichen kapitalistischen Blocks zerstörte das
internationale Finanzsystem und zog eine Verringerung der amerikanischen Militärausgaben nach
sich. Die geschwächte Rüstungswirtschaft konnte nicht länger den Fall der Weltprofitrate verhindern,
und die großen Krisen von 1973-74 und 1979-82 nahmen ihren Lauf.54 Ein tiefer Widersprach tat sich
so auf zwischen der nach wie vor bipolaren politischen Ordnung und der multipolaren wirtschaftlichen
Ordnung. Die weltweite Verteilung der politisch-militärischen Macht entsprach nicht mehr der
Verteilung der ökonomischen Macht.55
2. Die Dritte Welt: unheilvolle Vernachlässigung und Teilindustrialisierung. Der dramatischste Wandel
außerhalb des Kerns des westlichen kapitalistischen Systems nach 1945 war die Auflösung der
großen europäischen Koloniahreiche. Sie war u.a. eine Folge des Niedergangs der europäischen
Mächte und ihrer wachsenden Abhängigkeit von den USA, die ihrerseits einen Zugang zu den in der
Zwischenkriegszeit für sie geschlossenen Kolonialmärkten suchten. Es spielten aber auch die
heldenhaften Kämpfe um nationale Befreiung eine Rolle - in China, Vietnam, Algerien und den
portugiesischen Kolonien. Die Dekolonisierung als politischer Prozeß entsprach schließlich auch der
abnehmenden Bedeutung dessen, was in den fortgeschrittenen Ländern "Dritte Welt" genannt wird.
Das von Lenin gemalte Bild eines imperialistischen Systems, das auf dem Kapitalexport in die
Kolonien basiere - selbst zu seiner Zeit, wie wir gesehen haben, nur die halbe Wahrheit - stimmte
überhaupt nicht mehr mit der Wirklichkeit des internationalen Kapitalismus nach 1945 überein.
Michael Kidron schrieb 1962, die unmittelbare Nachkiegserfahrung zusammenfassend: "Das Kapital
fließt nicht überwiegend von reifen in die sich entwikelnden kapitalistischen Länder. Im Gegenteil,
Auslandsinvestitionen werden zunehmend zwischen den entwickelten kapitalistischen Ländern selbst
getätigt,"56 Wie Tabelle 2 zeigt, blieb diese Feststellung auch weiterhin für die Weltwirtschaft zwischen
1965 und 1983 gültig. Die Weltbank berichtete 1985:
ca. drei Viertel der ausländischen Direktinvestitionen gingen im Durchschnitt seit 1965 in die
Industrieländer. Der Rest hat sich größtenteils auf einige wenige sich entwickelnde Länder
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- 12 konzentriert, vorwiegend in Ländern Asiens und Südamerikas mit höherem Einkommen.
Insbesondere Brasilien... und Mexiko haben ein großes Volumen an Direktinvestitionen erhalten.
Innerhalb Asiens waren die größten Empfänger Hong Kong, Malaysia, die Philippinen und
Singapur; Singapur allein hat beinahe die Hälfte aller ausländischen Direktinvestitionen in Asien in
den letzten Jahren erhalten.57
Diese Zahlen widersprechen direkt der Analyse des Weltsystems von Anhängern der
Dependenztheorie wie Gunder Frank, wie auch den Analysen von Theoretikern des ungleichen
Tauschs, wie z.B. Samir Amin.58 Der Wohlstand der Kapitalisten (und Arbeiter) in den
fortgeschrittenen Ländern ist weit davon entfernt, von der Armut in der Dritten Welt abhängig zu sein;
vielmehr gehen die Hauptflüsse von Kapital und Waren an den armen Ländern einfach vorbei. Der
größte Teil des Welthandels findet zwischen den entwikelten Wirtschaften statt. Und natürlich verbleibt
die Hauptkonzentration des Reichtums in den westlichen Wirtschaften. Die Erklärung ist ganz einfach.
Wie wir gesehen haben, lag die wesentliche Bedeutung der Kolonien unter dem klassischen
Imperialismus in den Rohstoffen, die sie für die zunehmend spezialisierten industriellen Wirtschaften
der imperialistischen Metropolen bereitstellten. Doch das Streben nach Autarkie während des
"Dreißigjährigen Kriegs" von 1914-45 bedeutete auch eine kontinuierliche und erfolgreiche
Anstrengung seitens der fortgeschrittenen Wirtschaften, um ihre Abhängigkeit von importierten
Rohstoffen zu verringern. So wurden synthetische Ersatzstoffe im großen Stil entwickelt, Rohstoffe
wurden wirksamer genutzt, und die landwirtschaftliche Produktion der industrialisierten Länder wurde
ungeheuer ausgeweitet.59 Währenddessen boomten die entwickelten Länder dank der permanenten
Rüstungswirtschaft, Nigel Harris beschreibt die Konsequenzen dieser Veränderungen:
Steigende Realeinkommen in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern schufen
expandierende Märkte für eine zunehmend anspruchsvolle und teure Produktion. Und sie
sicherten die Profitraten aus neuen Investitionen, die beständig einen wachsenden Anteil der
neuen Ersparnisse der Welt aufnahmen. Beide, Arbeit und Kapital, wurden aus den rückständigen
Ländern herausgezogen, um den Wirtschaften der fortgeschrittenen Länder zu dienen. In der Zeit
nach 1948 generierte der Handel zwischen den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern eine nie
dagewesene Ausdehnung des Welthandels und der Weltproduktion und eine noch größere
Konzentration des Kapitals in den Händen der reichen Länder. Was von den Imperialisten als die
internationale Arbeitsteilung zwischen den verarbeitenden fort geschrittenen Ländern und den
rohstoffexportierenden zurückgebliebenen Ländern gesehen worden war, wurde nun überholt von
einer Teilung zwischen der relativ selbstgenügsamen fortgeschrittenen Enklave und der Masse
der armen Abhängigen.60
Sowohl Kidron wie auch Harris bemerkten, als sie erstmals in den 60ern diese Veränderungen in den
Beziehungen zwischen den fortgeschrittenen und den sich entwickelnden Wirtschaften analysierten,
eine wichtige Ausnahme in diesem Muster abnehmender westlicher Abhängigkeit von Rohstoffen nämlich das Öl.61
In der Tat, die Auswirkungen der beiden großen Ölschocks von 1973/74 und 1978/79, zusammen mit
dem Aufstieg der ostasiatischen NICs, sind aller Wahrscheinlichkeit nach die Haupterklärung für den
Anstieg der ausländischen Direktinvestitionen in der Dritten Welt nach 1975 (vgl. Tabelle 2: Asien,
einschließlich Nahost, hat seinen Anteil an ausländischen Direktinvestitionen von 3 Prozent 1965-69
auf 11 Prozent 1980-83 gesteigert). Doch Öl ist eben eine Ausnahme. Die Norm in der Dritten Welt
war nicht die intensive Ausbeutung durch westliche Multis, sondern eher der wirksame Ausschluß der
ärmsten Länder von Welthandel und Investitionen. Die Arbeiter und Bauern Afrikas, Asiens oder
Südamerikas arbeiteten in elender Armut, nicht so sehr, weil die Früchte ihrer Ausbeutung die
Hauptquellen des imperialistischen Profits waren, sondern weil ihre Arbeit ohne Bedeutung für die
Hauptzentren des Kapitals in Nordamerika, Westeuropa und Japan war, es sei denn, daß Millionen
aus der Dritten Welt dem Kapital in seine Heimatbasis folgten.
Daraus folgte jedoch nicht, wie Frank und Amin behaupteten, daß die ganze Dritte Welt zu
permanenter Stagnation verdammt war. Im Gegenteil: Einige weniger entwickelte Länder waren in der
Lage, ein hohes Niveau des industriellen Wachstums zu erreichen. Insbesondere der Aufstieg der
"Neu Industrialisierten Länder" (NIC) während der 70er und 80er Jahre in Ostasien und Südamerika
kennzeichnet eine deutliche Verschiebung in der internationalen Arbeitsteilung. Früher hatte
Industrialisierung außerhalb des imperialistischen Zentrums normalerweise die Produktion vormals
importierter Konsumgüter bedeutet. Die beiden Weltkriege erlaubten es einigen der wichtigeren
Kolonien und Halbkolonien (z.B. Indien, Ägypten, Südafrika, Argentinien), einen Vorteil zu ziehen aus
der Umwidmung der metropolen Verarbeitungsindustrien zugunsten der militärischer Produktion, und
lokale Kapitalisten wurden ermutigt, für den eigenen einheimischen Markt zu produzieren.
Nach 1945 versuchten viele Dritte-Welt-Staaten, die importsubstituierende Industrialisierung
fortzusetzen. Am ehrgeizigsten waren dabei China unter Mao, Indien unter Nehru und Ägypten unter
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- 13 Nasser. Sie kopierten die bürokratischen Kommandomethoden des stalinistischen Rußlands in der
Hoffnung, ihre eigene schwerindustrielle Basis aufbauen zu können.
Diese Versuche eines autarken Staatskapitalismus schlugen im allgemeinen fehl. Es gelang nicht,
innerhalb der eigenen nationalen Grenzen die erforderlichen Ressourcen für die riesigen Investitionen
zu mobilisieren, auf denen ja die Schwerindustrie der fortgeschrittenen Länder gründet. Als Nasser in
den späten 50ern und in den 60ern eine Schwerindustrie im Staatsbesitz aufzubauen versuchte,
mußte er auf die üppigen Devisenreserven zurückgreifen, die während des Booms für Ägyptens
Hauptexportprodukt, die Baumwolle, zur Zeit Korea-Kriegs angehäuft worden waren. Diese Reserven
finanzierten zunächst den Import von Maschinen, Komponenten und anderen Aufwendungen, die für
den Aufbau der industriellen Grundlage Ägyptens benötigt wurden. Als aber die Devisenreserven
aufgebraucht waren, konnten weitere Importe nur noch durch Exporte finanziert werden, bei denen die
ägyptische Industrie nicht konkurrenzfähig war, bzw. durch russische Kredite, die mit dem Export von
Baumwolle und Reis in die UdSSR bezahlt wurden. Das Versagen der staatskapitalistischen Politik
Nassers bewog Sadat, auf die Infitah, die Öffnung Ägyptens gegenüber der Weltwirtschaft, zu
setzen.62
Die NTCs in Ostasien und Lateinamerika weisen einen wesentlichen Unterschied zu diesem Muster
auf. Während Mao, Nehru und Nasser versuchten, Stalin beim Streben nach staatskapitalistischer
Autarkie zu kopieren, orientierten sich Staaten wie Südkorea und Brasilien auf den Weltmarkt. Sie
produzierten Fertigfabrikate, die nicht unbedingt oder auch nur in erster Linie für den einheimischen
Markt bestimmt waren, sondern für den Export.
Tabelle 3
Die Schuldenkrise: Nettotransfer der kapitalimportierenden
Entwicklungsländer 1980-1988 nach Herkunft aufgegliedert
(in Mrd.$ - Auswahl von 98 Ländern)
Herkunft:
1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988
----------------------------------------------------
Direktinvestitionen
Privatkredite
-4,5 0,8 -2,0 -2,8 -2,4 -1,0 -1,3 0,4 4,0
17,2 7,5 -18,7 -26,5 -33,0 -40,9 -32,1 -34,7 -46,0
öffentliche Kapitalflüsse 29,0 34,3 32,0 28,6 25,8 16,3 12,7 8,7 8,0
Nettotransfer gesamt
41,7 42,6 11,3 -0,7 -9,6 -25,5 -26,7 -25,6 -32,5
[Quelle: UNO. World Economic Survcy 1989]
Unter Einsatz der rigorosesten staatskapitalistischen Methoden gelang ihnen auch im allgemeinen der
Einbruch in den Welthandel für Fertigprodukte. Der südkoreanische Staat z.B. steuerte zentralisiert
die privaten Investitionen, doch nicht, um eine Art diversifizierte industrielle Wirtschaft ähnlich der der
fortgeschrittensten Länder zu entwickeln, sondern um diejenigen internationalen Märkte ausfindig zu
machen, in die seine Kapitalisten einzubrechen hoffen konnten-vorausgesetzt, man konzentrierte die
Ressourcen auf eine beschränkte Zahl von Industrien. Dieser interventionistische Staat, der oft zum
Hohn des Freien-Markt-Grundsatzes der klassischen Ökonomie operierte, diente als Mauerbrecher
auf dem Weltmarkt und nicht als Mittel, ihm zu entrinnen.63
Bestätigt das Entstehen der NICs Warrens These, daß "wir uns.... in einer Ära des niedergehenden
Imperialismus und des fortgeschrittenen Kapitalismus befinden"? Zweifellos ist die partielle
Industrialisierung eines Teils der Dritten Welt ein Ereignis von großer Bedeutung. Diese
Industrialisierung bedeutet die Kristallisation von neuen, relativ unabhängigen Zentren der
Kapitalakkumulation, eine Entwicklung, deren politische Bedeutung ich weiter unten diskutieren
werde. Und sie ist auch für eine beträchtliche Ausdehnung der Weltarbeiterklasse verantwortlich. Es
muß jedoch unbedingt betont werden, daß der Aufstieg der NICs nur eine partielle Transformation der
Dritten Welt darstellt. Das wurde zu Beginn der Schuldenkrise in den 80er Jahren sehr deutlich. In den
70er Jahren antworteten die westlichen Banken auf die Internationalisierung der Kapitalmärkte, den
Mangel an Investitionsöffnungen in den wirtschaftlich angeschlagenen fortgeschrittenen Ländern und
das Überangebot an Kapital (untätige westliche Fonds waren durch Öleinkünfte aus dem Golf
aufgebläht worden) mit einer massiven Steigerung ihrer Kredite an die Dritte Welt. Der Beginn der
zweiten großen Weltwirtschaftskrise 1979 machte es für die Schuldnerwirtschaften unmöglich, die
erforderlichen Exporteinnahmen zu erzielen, um die Kredite zurückzuzahlen. Das Resultat war jene
Krise, die ausbrach, als Mexiko im August 1982 seine Zahlungsunfähigkeit erklärte.
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- 14 Die weniger entwickelten Länder sahen sich außerstande, neue Kredite aufzunehmen. Sie standen
unter dem enormen Druck ihrer westlichen Kreditgeber, ihre Auslandsschulden zurückzuzahlen, die
1987 auf 1089,2 Milliarden Dollar angestiegen waren. Das waren 49,5% des Bruttosozialprodukts der
kapitalimportierenden Entwicklungsländer.64 Das Ergebnis dieses Wahnsinns war, daß quasi die
ganzen 80er Jahre hindurch diese Länder mehr finanzielle Mittel in die fortgeschrittenen Ländern
transferierten, als sie in Form neuer Kredite, Investitionen und Außenhandelserlöse zurückerhielten
(siehe Tabelle 3). Die Folge für einen Großteil der Dritten Welt war Stagnation. Die UNO berichtete
Ende der 80er Jahre:
Während der 70er Jahre wuchs das Pro-Kopf-Produkt in allen Entwicklungsländern stärker als in
den entwickelten Marktwirtschaften, und die Lücke verkleinerte sich. In den 80er Jahren war die
Lage komplexer. Eine wichtige Gruppe asiatischer Länder, kleine und große, sind schneller
gewachsen, sowohl in Gesamtzahlen wie auch in Pro-Kopf-Zahlen, als die entwickelten
Marktwirtschaften... Andere, meist in Afrika und Sudamerika, wurden in einer Falle des langsamen
Wachstums gefangen, und ihre internationalen Verbindungen hatten eher negative als positive
Auswirkungen.65
Etwas kraß ausgedrückt: Die Schuldnerstaaten mußten nicht nur Geldmittel an die westlichen
Kreditgeber transferieren, sondern sich dazu noch den "strukturellen Anpassungsprogrammen" des
Internationalen Währungsfonds unterwerfen. Das übliche Repertoire des IWF war, Sparmaßnahmen
zu verlangen, um den einheimischen Konsum einzuschränken und die Exporte auszudehnen, die für
die Schuldenrückzahlung notwendig waren. Das schlimmste Opfer war Afrika südlich der Sahara.
Ende 1989 berichtete die Weltbank: "Die afrikanische Bevölkerung insgesamt ist heute so arm wie vor
30 Jahren,"66 Teile des Kontinents sind sogar noch stärker zurückgefallen - das Hörn von Afrika,
Angola, Mozambique, wo Krieg und Hungersnöte den Tod von Hunderttausenden, sogar Millionen
verursachten. Die Verbindungen, die mit der Weltwirtschaft noch bestanden, waren oft primitivster
Natur. Lonrho mietete ihre eigene Privatarmee, um ihre Plantagen in Mozam-bique zu bewachen.
Selbst die relativ industrialisierten Wirtschaften Lateinamerikas machten entsetzliche Erfahrungen mit
Stagnation, Hyper-Inflation und Verarmung. Neben den "Vier Tigern" (Südkorea, Taiwan, Singapur
und Hong Kong) entwickelten weitere ostasiatische NTCs, Malaysia, Thailand und die Philippinen,
eine vergleichbare Dynamik. Doch sie schienen eine Ausnahme zu sein, die man großteils durch den
wachsenden Kapitalfluß in die Region und durch Exporte aus der konkurrenzfähigsten der
fortgeschrittenen Wirtschaften, nämlich aus Japan, erklären konnte.
Es wäre aber auch falsch, in der Schuldenkrise einfach eine neue Form der aufgezwungenen
"Abhängigkeit" der Dritten Welt zu sehen. James Petras und Michael Morley haben auf das
Phänomen der Kapitalflucht in Lateinamerika hingewiesen - den Transfer von Kapital in einheimischer
Hand in die fortgeschrittenen Wirtschaften. Er erreichte 1985 einen Umfang von schätzungsweise 100
Milliarden Dollar, verglichen mit den Auslandsschulden Lateinamerikas in Höhe von 368 Milliarden
Dollar:
Großinvestitionen und Bankeinlagen der Lateinamerikaner, die in erster Linie in die USA und nach
Europa gehen-diese "Kapitalflucht" zeigt den Aufstieg einer neuen Klassenschicht in
Lateinamerika: die transnationalen Kapitalisten... Regionale Kapitalisten transferieren ihre
Geldvermögen auf multinationale Banken, die wiederum das Kapital an lateinamerikanische
Staaten verleihen. Diese Staaten wiederum geben privaten Kapitalisten Kredite. Dieses Verhalten
ermöglicht es privaten Kapitalisten, ihre Geldvermögen zu schützen, während das Risiko der
Auslandsschulden von den regionalen Staaten abgesichert wird. Anleihen von außerhalb und
Investitionen in Übersee sind mittlerweile ein lukratives Geschäft für eine winzige, aber mächtige
Schicht von Kapitalisten. Wenn die Bedingungen auf dem heimischen Markt ungünstig sind, kann
der Gewinn durch internationale finanzielle Kreisläufe maximiert werden. Produktive Anlagen im
Inland sind nur noch zweitrangig, quasi lediglich der Vorwand für einen wachsenden Fluß von
Anleihen und Investitionen. Wenn die Bedingungen günstiger werden, dann kann das Kapital aus
den internationalen Kreisläufen in regionale Investitionen zurückwechseln. 67
So gesehen bedeutet die Schuldenkrise nicht so sehr einen Konflikt zwischen Nationalstaaten,
zwischen reichen und armen Ländern. Sie ist vielmehr ein Klassenkampf, in dem sich die zunehmend
in die internationalen Finanzkreisläufe integrierte lateinamerikanische Bourgeoisie mit den westlichen
Banken und multinationalen Konzernen verbündet und Lösungen fordert, die ihre Wirtschaften noch
weiter für den Weltmarkt öffnen. Wie Petras und Morley bemerken, haben "Sparmaßnahmen eine
andere Bedeutung für diejenigen, die ihre Vermögen außerhalb der Heimat bewegen können, als für
diejenigen, deren Vermögen oder Lebensbedingungen immobil sind und unmittelbar durch die
Schuldenzahlungen und die IWF-Sparprogramme berührt werden."68
3. Die Internationalisierung des Kapitals., Die Entwicklung der Dritten Welt enthüllt so den gleichen
Prozeß, der auch im Zentrum des Weltsystems sichtbar geworden ist-die wachsende internationale
Integration des Kapitals. Wenn von den beiden Haupttendenzen, die für Bucharin den Imperialismus
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- 15 kennzeichneten, die erste, also die in Richtung Staatskapitalismus, die Periode von 1875-1945
beherrschte, dann können wir sagen, daß nach 1945 die zweite Tendenz, die in Richtung
Internationalisierung des Kapitals, zunehmend an Bedeutung gewann. Ich werde nicht allzulang bei
diesem Thema verweilen, da es bereits viel detaillierter von anderen Autoren, die mit dieser Zeitschrift
verbunden sind, diskutiert wurde.69
Dieser Trend hin zur weltweiten Integration des Kapitals, entstanden während des langen
Nachkriegsbooms und, wenn überhaupt, eher noch beschleunigt durch die anschließende, sich in die
Länge ziehende Krise, hat drei wesentliche Dimensionen: erstens, die Internationalisierung der
Produktion durch die Herausbildung eines "weltweiten Verarbeitungssystems" (Nigel Harris), das in
erster Linie von den großen multinationalen Konzernen organisiert wird; zweitens, das wachsende
Gewicht des internationalen Handels, ermöglicht durch die politische Einheit des westlichen
Kapitalismus und die Bildung und Ausdehnung der Europäischen Gemeinschaft und gekennzeichnet
durch einen signifikanten Grad an Transaktionen innerhalb der multinationalen Konzerne mitsamt
ihren ausgelagerten Zuliefererbetrieben; drittens, die Entwicklung internationaler finanzieller
Kreisläufe, die weitgehend außerhalb der Kontrolle der Nationalstaaten liegen. Dieser Prozeß wurde
durch die wachsende Unfähigkeit der USA gefördert, ihrer Rolle in der Nachkriegszeit als Stabilisator
des Weltwährungssystems gerecht zu werden. Und er wurde weiter beschleunigt durch die Manie der
Deregulierung und der Börsenspekulation, die für die Reagan-Thatcher-Ära so charakteristisch war.
Die wichtigste Folge dieser Veränderungen war die stark zunehmende Unfähigkeit der
Nationalstaaten, die ökonomischen Aktivitäten innerhalb der eigenen Grenzen zu steuern. Was Harris
"das Ende des Kapitalismus in einem Land" nennt, war ein entscheidender Faktor in den großen
Flauten Mitte und Ende der 70er Jahre. Keynesianische Techniken zur Steuerung der Nachfrage
erwiesen sich nur noch als unzureichende Instrumente der wirtschaftlichen Kontrolle angesichts
sinkender Profitabilität und des Umstan-des, daß das Geld den Erdball in Mikrosekunden umrunden
konnte. Die weltweite Integration des Systems machte sich in einer Vielzahl von Erscheinungen
bemerkbar - vom Scheitern des Versuchs der Mitterand-Regierung 1981-1983, die französische
Wirtschaft inmitten eines weltweiten konjunkturellen Tiefpunkts wieder anzukurbeln, bis zur Abkehr
vom Autarkiekurs in einer Reihe von Regimes der Dritten Welt, die vorher dem laissez-faire äußerst
feindlich gegenüber standen, wie z.B. China unter Deng Xiaoping und Südafrika unter P.W.Botha.
Die Internationalisierung des Kapitals traf aber gerade jene Wirtschaften am heftigsten, in denen die
Tendenz zum national organisierten Kapitalismus am ausgeprägtesten gewesen war: Die
Revolutionen in Osteuropa und die damit verbundene Krise in der UdSSR kennzeichnen den Punkt,
an dem die zunehmende Unfähigkeit der stalinistischen Regimes mitsamt ihren bürokratischen
Kommando wirtschaften, die Wohltaten der Teilnahme an der internationalen Arbeitsteilung zu ernten,
sie schließlich unter der Anspannung zerbrechen ließ und so den Weg für eine Eingliederung dieser
Staaten in den Weltmarkt ebnete. Es war für alle offensichtlich, daß eine neue Epoche in der
Weltgeschichte begonnen hatte (nur für den ekzentrischen, vom Ende der Geschichte träumenden Dr.
Fukuyama nicht).70
Der Imperialismus nach dem Kalten Krieg
1. Zurück zu einer sowohl politisch als auch ökonomisch multipolaren Welt. Die osteuropäischen
Revolutionen markierten das Ende des Kalten Kriegs im Sinne einer Aufteilung der Welt in zwei
konkurrierende imperialistische Blöcke. Die Ablösung der stalinistischen Regimes in Osteuropa durch
Regierungen - mögen sie politisch liberal, autoritär oder neo-stalinistisch gefärbt sein -, die sich einer
Politik der tieferen Einbindung ihrer Wirtschaften in den Weltmarkt verschrieben haben, gekoppelt mit
dem Zerfall des Warschauer Paktes als funktionierendes militärisches Bündnis bedeuten den
effektiven Zusammenbruch eines kohärenten Ostblocks. Ein großer Brocken von Zentral- und
Osteuropa kippte in die westliche Einflußsphäre. Gleichzeitig sprechen mehrere Faktoren
zusammengenommen - Abrüstungsverhandlungen zwischen den Supermächten, die wirtschaftliche
Krise in der UdSSR, isolationistischer Druck innerhalb der USA, die Wiedervereinigung Deutschlands
und der zweite Golfkrieg - dafür, daß die riesige Konzentration von Truppen und Waffen an der
wichtigsten Front in Europa ziemlich schnell abgebaut wird. Außerhalb Europas wurde unterdessen
die geschwächte UdSSR gezwungen, in verschiedenen Regionen massive Zugeständnisse an
westliche Interessen zu machen, vielleicht am deutlichsten in Indochina und im südlichen Afrika.
Regimes und Bewegungen in der Dritten Welt, die sich vorher auf russische Hilfe stützen konnten,
sind jetzt isoliert.
Eine weitverbreitete Interpretation dieser Veränderungen besagt, daß die USA dadurch eine Position
der weltweiten Vorherrschaft erlangen konnten, die die in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg sogar
übertrifft. Gerade zu Beginn des westlichen Angriffs auf den Irak wurden die USA immer wieder zur
"letzten Supermacht" ausgerufen. Die Independent on Sunday fragte:
Die Deutschen und die Japaner, wo sind sie geblieben? Siesind am Golf nicht zu finden, außer als
Geschäftsleute. Wie clever, werden manche sagen, geschäftig weiter Autos und Computer zu
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- 16 produzieren, während sich Amerika und Großbritannien zum Nutzen des Westens opfern. Aber
was ist das Ergebnis dieses Opfers? Im Fall Amerikas könnte es eine Auferstehung seiner
militärischen und wirtschaftlichen Macht sein. Es muß der Welt dämmern, daß kein anderes Land
so viele Wunder der Technologie entwickeln und produzieren, sie dann in solch einem Umfang um
den halben Erdball transportieren und mit einer so sichtbaren Wirkung einsetzen konnte. Kein
anderes Land hätte das gewollt; ganz bestimmt nicht die Sowjetunion, die damit beschäftigt ist,
sich selbst zusammenzuhalten. Das ist der Punkt, der einen zur Supermacht macht. Es ist eine
Frage der Fähigkeit und des Willens. Nur die Vereinigten Staaten besitzen beides. 71
Derartige Argumente sind nicht völlig aus der Luft gegriffen. Die unmittelbare Auswirkung der
osteuropäischen Revolutionen war tatsächlich eine Verstärkung des weltweiten politischen und
militärischen Gewichts der USA. Doch das Ausrufen einer "Eine-Supermacht-Welt" wäre eine völlige
Fehlinterpretation der Ereignisse. Der Zusammenbruch des Stalinismus war eine Episode von
weltgeschichtlicher Bedeutung, weil er die starre bipolare Aufteilung der Welt, die für die
Nachkriegsära charakteristisch war, aufbrach und damit eine Rückkehr zu einer Ära sehr viel
beweglicherer interimperialistischer Konkurrenz ermöglichte, in der eine Vielzahl von Großmächten,
anstatt zwei Supermächte, die Bühne beherrschen. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen dieser
politischen Umgestaltung wurden bereits in der Ära des Kalten Krieges gelegt: Der relative
ökonomische Niedergang sowohl der USA als auch der UdSSR, die wachsende Beherrschung des
Welthandels durch andere bedeutende kapitalistische Mächte, inbsbesondere Deutschland und
Japan, sowie die Herausbildung der NICs, repräsentieren deutliche Verschiebungen im weltweiten
Kräftegleichgewicht, die das System in den zwei Jahrzehnten nach 1968 zunehmend destabilisiert
haben. Doch erst nach dem Auseinanderfallen des Ostblocks wurden die politischen Konturen dieser
neuen Phase interimperialistischer Konkurrenz deutlich.
Auf Weltebene gab es jetzt mindestens vier große Akteure. Die USA bleiben der mächtigste Staat. Die
UdSSR wird auch eine Kraft bleiben, mit der gerechnet werden muß, solange ihre Herrscher
genügend vom inneren Imperium zusammenhalten können (das russische Kemgebiet plus
wirtschaftlich entscheidende Regionen wie die Ukraine und Aserbaidschan). Deutschland - schon
heute die weltgrößte Exportmacht und die vorherrschende Kraft in der Europäischen Gemeinschaft ist dank der Wiedervereinigung und dem Rückzug des russischen Einflusses aus Mittel- und
Osteuropa wieder zu einer Weltmacht geworden. Japans dynamische Exportwirtschaft ermöglichte
ihm in den 80er Jahren eine riesige Welle von Auslandsinvestitionen, einschließlich eines Großteils
der Anleihen, die notwendig waren, um die amerikanischen Auslandsschulden finanziell abzusichern.
Die schwächere Rolle der UdSSR in der Welt führte dazu, daß die wachsenden Spannungen
zwischen den USA und den anderen großen Westmächten, insbesondere mit der von Deutschland
angeführten EG, sichtbarer wurden. Die herrschende Klasse Deutschlands, deren politisches
Selbstbewußtsein aufgrund der erstaunlich schnellen Aufnahme Ostdeutschlands durch die BRD
gestärkt wurde, scheint zunehmend willens, Washingtons Zügel abzuschütteln: So regelte Kanzler
Kohl die Frage der NATO-Mitgliedschaft des vereinigten Deutschland in bilateralen Verhandlungen mit
Michael Gorbatschow im Juli 1990, ohne den Rat der Bush-Regierung einzuholen. Noch bedrohlicher
war, daß Bonn ganz wesentlich für die harte Linie der EG bei den GATT-Verhandlungen
verantwortlich war, was zu ihrem Scheitern im Dezember 1990 führte und die Furcht vor einem
Handelskrieg, vergleichbar mit dem der 30er Jahre, heraufbeschwor. Schließlich drohte die zögerliche
Unterstützung Deutschlands und Japans für die US-Politik am Golf, deren "Untreue" gegenüber dem
westlichen Bündnis zu einem Zankapfel der amerikanischen Innenpolitik werden zu lassen. Die
wachsenden Konflikte zwischen den westlichen kapitalistischen Mächten werfen ein Schlaglicht auf
die widersprüchliche Position der USA selbst. Die Reagan-Regierung von 1981-89 hat versucht,
Amerikas relativen Niedergang umzukehren. Doch ihre tatsächliche Wirtschaftspolitik - die Steigerung
öffentlicher und privater Ausgaben, finanziert durch enorme Kreditaufnahmen - führte stattdessen
dazu, die Wettbewerbsfähigkeit der USA weiter zu vermindern und ein "Zweifachdefizit" zu schaffen
(in den Staatsausgaben und in der Zahlungsbilanz), was Amerika zum größten Schuldner der Welt
machte. In den 80er Jahren wurden die USA abhängig von einem Nettotransfer von Geldmitteln aus
dem Rest der Welt, sowohl von reichen als auch von armen Ländern (siehe Tabelle 4).
Tabelle 4
Die finanzielle Abhängigkeit der USA Netto-Geldtransfer in die USA, nach Regionen aufgegliedert, 19801988 (in Mrd. $)
1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988
---------------------------------------------------Kanada
-0,3 0,8 8,3 9,4 12,7 13,4 10,6 9,8 7,7
Japan
9,8 14,9 15,9 23,2 36,2 42,8 54,5 56,2 50,5
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- 17 Westeuropa gesamt -16,6 -9,0 -2,9 5,8 23,3 32,5 36,3 35,5 22,4
Bundesrepublik
1,8 2,4 4,8 7,8 12,8 15,4 18,9 20,2
-
Lateinamerika und
Karibik gesamt
Mexiko
-0,9 -4,4 6,3 20,0 22,8 18,7 15,2 16,9 11,8
-2,4 -5,1 4,5 10,4 8,3 7,9 7,9 8,8
-
Hauptölexporteure
Afrikas u. Asiens
36,1 26,6 7,6 2,7 6,2 4,0 2,5 7,6 4,7
andere
Entwicklungsländer -2,5 0,7 2,2 11,0 21,3 22,4 32,7 41,4 46,4
europäische
Planwirtschaften
-2,5 -2,8 -2,7 -1,5 -2,0 -1,1 0,2 0,0 -1,3
andere Länder
-0.1 -4,7 -3,4 -5,9 -3,7 -2,9 -1,9 -3,2 -4,5
GESAMT
23,0 22,1 31,3 64,7 116,9 129,8 150,1 164,3 127,8
*d.h. negativer Zahlungsbilanz in Form von Gütern, privaten Geldüberweisungen und Dienstleistungen,
die kein Einkommen aus Investitionen sind [Quelle: UNO, World Economic Survey 1989]
Die wichtigsten binnenwirtschaftlichen Trends waren: zum einen riesige spekulative Investitionen in
Immobilien und an der Börse - ein kitzelndes Erlebnis auf dem Höhepunkt des
Schuldverschreibungsbooms Mitte der 80er, dem aber der Katzenjammer der Spar- und
Schuldenkrise mit etwa 500 Milliarden Dollar an faulen Außenständen 1990 folgte - und zum anderen
eine Umorientierung der verarbeitenden Industrie auf militärische Produktion infolge der enorm
gestiegenen Rüstungsausgaben unter Carter Ende der 70er Jahre und dann unter Reagan.72 Dieser
"militärische Keynesianismus" verschärfte wiederum die langfristigen Probleme des US-Kapitalismus,
indem Ressourcen dem produktiven Investitionssektor entzogen und somit die Wettbewerbsfähigkeit
der amerikanischen Industrie gemindert wurden. Er legte noch dazu die wachsende Abhängigkeit der
amerikanischen Wirtschaft von Importen bloß: In den High-Tech-Waffensystemen, die immer wieder
als Zeichen der technischen Überlegenheit Amerikas gepriesen werden, stecken nach einer Studie
des Kongresses zu mehr als 80 Prozent Halbleiter, die in Asien produziert wurden, hauptsächlich in
Japan.73
Gleichwohl gaben die Ausdehnung und der Wiederaufbau ihres Militärap-parats in den 80er Jahren
der amerikanischen herrschenden Klasse die Mittel in die Hand, um eine Strategie zu verfolgen, ihren
wirtschaftlichen Niedergang durch ihre neubehauptete militärische und politische Führung im
westlichen kapitalistischen Block auszugleichen. 74 Diese Strategie hatte verschiedene Stränge.
Erstmal versuchte Reagan, die Periode der verstärkten Konfrontation mit der UdSSR nach der
Invasion in Afghanistan 1979 zu nutzen, um Japan und Westeuropa auf Linie zu bringen - so mühte
sich Washington ab, die Verhandlungen mit der UdSSR um die Erdgas-Leitungen zu sabotieren und
Sanktionen gegen Polen nach dem Militärputsch im Dezember 1981 durchzudrücken. Weniger
fiaskohaft war der zweite Strang der Washingtoner Strategie, nämlich die Förderung von rechten
Guerillabewegungen - die Contras in Nicaragua und die UN1TA in Angola - die, verbunden mit dem
nötigen wirtschaftlichen Druck, feindliche Dritte-Welt Regimes zur Strecke bringen sollten.75 Drittens
unternahm man eine Reihe von Anstrengungen, um das "Vietnam-Syndrom"-die inneramerikanische
Opposition gegen direkte militärische Interventionen im Ausland - zu überwinden, und zwar mit
wachsendem Erfolg: Libanon 1982-83, Grenada 1983, Libyen 1986, der Golf 1987-88, Panama 198990.
Der amerikanische Flottenaufmarsch am Golf, der es dem Irak ermöglichte, den Iran im Ersten
Golfkrieg zu besiegen, war wahrscheinlich die wichtigste dieser Interventionen, welche Ironie das
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- 18 heute auch haben mag. Der Golf, an dem 54 Prozent der Welterdölreserven lagern, ist die wichtigste
wirtschaftliche Region außerhalb der Kerngebiete Nordamerika, Westeuropa und Japan. Außerdem
war die iranische Revolution von 1978/79 im letzten Jahrzehnt die wichtigste Niederlage des USImperialismus nach dem Vietnamkrieg. Auf diese Erniedrigung hin hatte Jimmy Carter im Januar 1980
jene Doktrin, die auch seinen Namen trägt, verkündet, worin die USA ihren Willen erklärten, Krieg zu
führen, wenn ihre Interessen am Golf bedroht würden. Im Rahmen dieser Politik wurde die
Schnelleingreiftruppe (Rapid Deployment Force) aufgebaut. Umgetauft in "Central Command" bot sie
im Sommer 1990 den Rahmen für den US-Militäraufmarsch am Golf.
Viertens dienten die von der Reagan-Regierung 1987/88 eingesetzten Methoden zur Niederschlagung
des Iran - so z.B. die Verwendung des UNO-Sicherheitsrats (was die stillschweigende Duldung der
UdSSR voraussetzte), um den Aufmarsch der amerikanischen Flotte zu rechtfertigen, oder die enge
Zusammenarbeit mit arabischen Schlüsselstaaten wie Saudi-Arabien und Ägypten - als Vorspiel für
Bushs Strategie gegen seinen einstweiligen Verbündeten Saddam Hussein. Denn auch er zimmerte
eine von der UNO gebilligte internationale Koalition zusammen, womit der erste wirkliche Bodenkrieg
der USA seit Vietnam legitimiert wurde. Der ehemalige Assistent Reagans im
Verteidigungsministerium, Robert McFarlane, hatte schon im Juli 1988, als der Iran schließlich um
Frieden bat, gesagt: "Wir müssen uns daran erinnern, wie wir es gemacht haben, vielleicht müssen wir
es wieder tun."76
Bushs Entscheidung, "es nochmal zu versuchen", nur diesmal in sehr viel größerem Ausmaß im Krieg
gegen den Irak, bedeutete mehr als nur den Willen Washingtons, entschieden mit dem VietnamSyndrom zu brechen, oder aber nur die Umsetzung der Carter-Doktrin, keiner anderen Macht eine
beherrschende Position am Golf zu gestatten. Der Zweite Golfkrieg ist nur verständlich vor dem
Hintergrund einer beweglicheren und instabileren Periode interimperialistischer Konkurrenz,
eingeleitet durch die osteuropäischen Revolutionen. Wie Bush und seine Berater in vielen Reden klar
machten, war der Kriegszug am Golf ein Mittel, um Amerikas weltweite politische und militärische
Führung wieder geltend zu machen. Washington ergriff die Gelegenheit, die der Rückzug der UdSSR
von der Weltbühne in die alles absorbierende innere Krise bot, mit beiden Händen. Es war der
Versuch, die Golfkrise zu benutzen, um den herrschenden Klassen der Welt zu demonstrieren, daß
die Stabilität der Weltwirtschaft letztlich von der militärischen Macht des amerikanischen Staates
abhängt. Diese Botschaft zielte in erster Linie auf Bushs widerspenstige Alliierte in Tokio und Bonn.
Beide sollten daran erinnert werden, daß nur das Pentagon die Sicherheit ihrer Öllieferungen
garantieren kann, und sie sollten enger an die diplomatische Führung der USA angebunden werden.
Ob diese Strategie erfolgreich ist, hängt bis zu einem gewissen Grad von der Länge und dem
Ausgang des Krieges ab. Aber schon in den ersten Tagen gab es Anzeichen, daß der Zweite
Golfkrieg womöglich die Konflikte innerhalb des westlichen Blocks verstärken könnte. Der. heftige
Streit, den Washingtons Aufforderung an die europäischen und japanischen Verbündeten zur
Beteiligung an den Kriegskosten hervorrief, Deutschlands mangelnde Bereitschaft, dem NATO-Staat
Türkei zu Hilfe zu kommen, falls er in den Krieg hineingezogen würde, Frankreichs zweideutige
Haltung in den letzten Friedenstagen - nichts davon deutet auf den Beginn einer neuen Pax
Americana, die einige Kommentatoren vorausgesagt hatten.77 Die Tatsache, daß die Bush-Regierung
36 von den auf 50 Milliarden Dollar geschätzten Kriegskosten aus Beiträgen Saudi Arabiens, Kuwaits
und anderer Verbündeter zu decken hofft, weist auf den tiefen Abstieg der USA von ihrer weltweiten
wirtschaftlichen Vorherrschaft nach 1945.78 Die Tage von "Lend Lease", als die USA die alliierten
Kriegsanstrengungen gegen Deutschland und Japan finanzierten, sind vorbei. Wie Noam Chomsky
höhnisch bemerkte, scheint Amerika nicht mehr der Weltpolizist von einst zu sein, sondern ist
vielmehr zum Weltsöldner geworden: "Wir führen die Intervention durch und andere zahlen dafür." 79
Der Zweite Golfkrieg wird den Niedergang der USA wahrscheinlich eher beschleunigen als ihn
abwenden.
2. Der Aufstieg von Subimperialismen in der Dritten Welt. Ein zentraler Faktor in der Entwicklung einer
pluralistischeren und deshalb instabileren Weltordnung war der Aufstieg von Subimperialismen in den
vergangenen zwanzig Jahren. Subimperialismus bedeutet, daß Dritte-Welt-Mächte im regionalen
Maßstab nach der gleichen militärischen und politischen Vorherrschaft streben, über die die
Supermächte im Wetmaßstab verfügen. Der Nahe und Mittlere Osten, seit 1945 die instabilste Region
der Welt (der gegenwärtige Krieg am Golf ist der siebte größere Krieg in der Region; darüberhinaus
gab es einige Bürgerkriege und langwierige Aufstände), beherbergt unglücklicherweise die größte
Ansammlung von Bewerbern um eine solche Rolle - Israel, Iran, Irak, Ägypten, Syrien und die Türkei.
Aber es gibt auch woanders Aspiranten für eine regionale Vorherrschaft: Indien, Vietnam, Südafrika,
Nigeria, Brasilien und Argentinien sind wichtige Beispiele. Ein Konflikt zwischen zwei von diesen
Mächten, dem Iran und dem Irak, führte zum Ersten Golfkrieg (1980-88), dem längsten
konventionellen Krieg in diesem Jahrhundert. Nun wird die ganze Macht der USA gegen den Sieger
dieses Kriegs ausgespielt. Die Frage nach dem Wesen des Subimperialismus ist bei jedem Versuch,
den heutigen Imperialismus zu verstehen, eine ganz entscheidende Frage.
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- 19 Hinter dem Phänomen des Subimperialismus liegt die partielle Industrialisierung der Dritten Welt, die
zur Folge hatte, daß neue Zentren der Kapitalakkumulation außerhalb des imperialistischen Kerns
entstanden sind. Wie bei der ursprünglichen Entstehung des Imperialismus im letzten Viertel des 19.
Jahrhunderts ist typischerweise die Verfügung über eine entwickelte industrielle Basis eine
Voraussetzung, um eine regionale militärische Macht aufzubauen. Typischerweise, aber nicht
ausnahmslos: Nach der endgültigen Niederlage der USA 1975 wurde Vietnam zur vorherrschenden
Macht in Indochina, obwohl seine Wirtschaft vom Krieg zerrüttet war und durch das von Washington
inszenierte westliche Handels- und Hilfsembargo noch weiter geschwächt wurde. Dennoch wirft der
Aufstieg von Subimperialismen die Frage nach den politischen Konsequenzen der Entwicklung
industrieller Kapitalismen in der Dritten Welt in all ihrer Schärfe auf.
Eine ziemlich weit verbreitete Reaktion auf der Linken war, dieser Entwicklung einfach jede
Bedeutung abzusprechen. Man griff auf die gleichen orthodoxen Erklärungen zurück wie zuvor eine
ganze Generation von linken Nationalisten und Dritte-Welt-Theoretikern, in deren Augen die
Entkoloni-sierung die Beziehungen zwischen reichen und armen Ländern rein oberflächlich verändert
hatte. Nach dieser Auffassung wurden die Ex-Kolonien durch ihre wirtschaftliche Abhängigkeit von
den fortgeschrittenen Ländern in praktisch der gleichen Stellung gehalten, die sie schon vor ihrer
Unabhängigkeit innehatten. Dem gesetzlichen Status nach mögen diese "Neokolonien" oder "HalbKolonien" souverän sein. Doch die wirklichen Weltmachtverhältnisse führen dazu, daß sie den
westlichen imperialistischen Ländern immer noch strikt untergeordnet sind. Der Begriff
"Subirnperialismus" wurde erstmals innerhalb dieses theoretischen Rahmens geprägt. So schrieb
Fred Halliday über den Nahen Osten 1974, als er noch vom Maoismus beeinflußt und ein harter
Gegner des Imperialismus war:
Die Stabilität des imperialistischen Systems in der Region beruhte auf dem Aufbau einer Gruppe
von kapitalistischen Zwischenstaaten, die im allgemeinen bevölkerungsreich und stark genug
waren, eine größere Rolle in der Region zu spielen. Sie sind subimperialistische Staaten, Mittler
im ausbeuterischen Ganzen . Die Armeen und die herrschenden Klassen dieser Staaten sind die
Hauptagenten des Imperialismus in dieser Region, während der Imperialismus selbst Militärbasen
aufrechterhält und sie mit verdeckter Hilfe versieht.80
Die offensichtliche Schwierigkeit eines solchen Ansatzes besteht darin, daß es einfach nicht
einleuchtet, warum man kapitalistische Staaten wie die Islamische Republik Iran und den
baathistischen Irak, die sich darauf vorbereitet haben, dem US-Imperialismus zu trotzen und sogar, im
letzteren Fall, gegen die USA zu kämpfen, als reine "Agenten des Imperialismus" beschreiben sollte.
Einige herrschende Klassen in der Dritten Welt haben ganz offensichtlich einen beträchtlichen Grad
an Autonomie gegenüber den imperialistischen Mächten erlangt.
Als Reaktion auf diese Abhängigkeitstheorie und ähnliche Vorstellungen, wie z.B. den
Neokolonialismus, sind in den letzten 10 Jahre beträchtliche Teile der Linken zum gegenteiligen
Extrem gewechselt. Beispielsweise argumentiert Bill Warren: "Der Begriff der Abhängigkeit war immer
unpräzise; seine Bedeutung, insofern er eine hat, bezieht sich fast ausschließlich auf die politische
Kontrolle eines Landes durch ein anderes." Warrens stillschweigende Folgerung ist, daß die
Bourgeoisie in der Dritten Welt mit der politischen Unabhängigkeit die Mittel errungen hat, mit denen
sie zugleich ihre ökonomische Abhängigkeit von den fortgeschrittenen Wirtschaften beenden kann. 81
Aufgrund der gleichen Überlegungen nahmen einige iranische Sozialisten während des Ersten
Golfkrieges eine defätistische Position ein - sogar noch, als die USA im Sommer 1987 intervenierten und argumentierten, daß der Iran eine entwickelte kapitalistische Macht sei, im Wesen vergleichbar
mit den USA. Ohne die Entschuldigung, die die iranische Linke hatte - die ja unter der Geheimpolizei
der Mullahs gelitten hatte-, nahm die New Left Review in der Vorbereitungsphase zum Zweiten
Golfkrieg eine ähnliche Haltung ein. Sie erklärte: "Die Linke sollte nicht die militärischen Bestrebungen
irgendeines der Räuber unterstützen, die jetzt in der Wüste aufeinanderprallen." 82
Es ist ziemlich absurd, den Irak mit einer Bevölkerung von 17,8 Millionen und einem Pro-KopfEinkommen von 2140 Dollar mit den Vereinigten Staaten mit einer Bevölkerung von 245,8 Millionen
und einem Pro-Kopf-Einkommen von 19780 Dollar gleichzusetzen.83 Wie können wir aber richtig den
Unterschied bestimmen? Zunächst wollen wir das wahre Element betonen, das von Warren und
anderen Gegnern der Dependenztheorie vorgebracht wird. Erstens, die Bildung eines konstitutionell
unabhängigen Staats kann als Kristallisationspunkt einer autonomen kapitalistischen Klasse wirken:
Selbst ein bestechliches, von äußerer Unterstützung stark abhängiges Regime wird wahrscheinlich
einen gewissen Grad an ökonomischer Entwicklung fördern, um seine soziale Basis zu erweitern und
das Volkseinkommen anzuheben, aus dem die Staatseinnahmen herrühren. Es wird auchf Aktivitäten
entfalten, um die territoriale Macht des neuen Staates zu festigen, z.B. Schul- und Straßenbau - eine
wichtige Voraussetzung für weitere Kapitalakkumulation. Die imperialistische Zerstückelung Staaten in
der Region unter der Ägide von London oder Paris gebildet wurden, veranschaulicht diesen Prozeß.
Über den Irak unter Faisal I, den die Briten kurzerhand vom Königreich Syrien, das er nach dem
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- 20 arabischen Aufstand ausgerufen hatte, entfernten, um ihn 1921 auf den neuen Thron von Bagdad zu
setzen, schreibt Hanna Batatu:
Obwohl die haschemiüsche Monarchie ein Geschöpf der Engländer war, so atmete sie doch in
den ersten zwei Jahrzehnten ihrer Existenz einen Geist, der in tiefem Gegensatz zu ihrem
eigenen stand. Ihre dynastischen Interessen waren ursprünglich eng mit dem Schicksal der
panarabischen Bewegung verwoben, sodaß ihre grundsätzliche Neigung in der Periode von 19211939 die war, das Werk des Aufbaus einer unabhängigen Nation im Irak- in dem Umfang, wie es
ihre abhängige Stellung erlaubte - voranzutreiben.
So baute Faisal das Erziehungssystem ganz erheblich aus, um das Gefühl einer nationalen Identität
zu schmieden in einer äußerst heterogenen Bevölkerung, die "bar jeder patriotischen Idee, durchtränkt
mit religiösen Traditionen und Absurditäten, durch kein gemeinsames Band zusammengehalten"
wurde, wie er feststellte, und versuchte, eine Armee als Instrument einer unabhängigen Staatsmacht
aufzubauen. Die Briten reagierten darauf mit dem Gegenversuch, die Größe der Armee zu
beschränken und die Macht der Stammesfürsten zu stärken, um den embryonalen Nationalstaat, den
Faisal bemüht war aufzubauen, zu schwächen.84 Ein vergleichbarer Prozeß fand auf der arabischen
Halbinsel statt, wo Anfang der 20er Jahre die Zeloten der Wahhabi unter Ibn Saud erfolgreich
Hussein, Faisals Vater und Kalifen von Mekka, vertrieben. Ibn Saud war genauso ein britischer Klient
wie die Haschemiten, nur wurde er vom Indischen Büro finanziert und bewaffnet, und nicht, wie diese,
vom Außenministerium. (Arnold Toynbees Kommentar dazu: "Es wäre billiger... und mannhafter von
den Beamten in den zwei kriegsführenden Abteilungen gewesen, wenn sie sich direkt bekämpft
hätten.")85 Doch sogar der Staat, den Ibn Saud schuf, Saudi Arabien, konnte trotz seiner dynastischen
Politik und seiner reaktionären islamischen Ideologie die anfallenden Ölerträge benutzen, um eine
substantielle kapitalistische Entwicklung in Gang zu setzen.86.
Dieser Prozeß des Staatsaufbaus fand jedoch innerhalb bestimmter Grenzen statt. Zum Teil waren sie
wirtschaftlicher Art. 1934 berichtete der britische Botschafter im Irak dem Außenministerium:
Die ausländischen geschäftlichen Interessen im Irak sind, dank dem Bestehen der britischen
Verbindung, vorwiegend britisch... Der größte Teil des Außenhandels des Landes wird auf
britischen Schiffen getätigt. Das Auslandskapital, das in das Land eingedrungen ist, ist nahezu
ausschließlich britisch. Zwei von drei Banken sind vollständig britisch... Fast das gesamte
Versicherungswesen befindet sich in der Hand britischer Unternehmen. Auf einem anderen
Geschäftsfeld arbeitet die "Euphrates and Tigris Steam Navigation Co", eine seit langem etablierte
britische Firma... Sie hat nur einen einheimischen Konkurrenten, einen rivalisierenden
Transporteur auf dem Tigris zwischen Basrah und Bagdad... In jeder Hinsicht bleibt der britische
geschäftliche Einfluß, trotz der intensiven japanischen Konkurrenz, ausschlaggebend. 87
Zusätzlich zu diesen Fesseln der wirtschaftlichen Abhängigkeit waren die arabischen Staaten durch
formale politische Einschränkungen an die metro-polen Mächte gebunden. So garantierte der AngloIrakische Vertrag von 1930, der 1948 durch die Portsmouth-Vereinbarung im wesentlichen erneuert
wurde, Großbritannien Fliegerstützpunkte und die Kontrolle über die Außenpolitik des Landes. Hinter
solchen formellen Verbindungen verbarg sich die Realität der imperialen Militärmacht. Als sich König
Faruk von Ägypten weigerte, den Premierminister einzusetzen, den ihm der britische Botschafter
vorgeschlagen hatte, wurde sein Palast am 4. Februar 1942 von Panzern umstellt, bis er nachgab.
Staaten in einer solchen Position sind in Wirklichkeit Halbkolonien, selbst wenn sie ihrer Verfassung
nach unabhängig sind.88
Die Erinnerung an solch demütigende Unterordnung unter die imperialistischen Mächte blieb noch
wach, lange nachdem diese Staaten einen viel höheren Grad der Unabhängigkeit erworben hatten.
Das hilft uns zu verstehen, warum die anti-imperialistische Rhetorik weiterhin einen so starken
Anklang findet in der Bevölkerung dieser Länder, die in keiner Weise mehr als Halb-Kolonien
betrachtet werden können. Welche Kräfte wirkten bei der Herausbildung autonomer kapitalistischer
Klassen in der Dritten Welt und versetzten sie in die Lage, eine subimperialistische Rolle
anzustreben?
Erstens spielte die Dekolonisierung eine Rolle, denn der Abbau der europäischen Kolonialreiche hatte
auch wirtschaftliche Folgen. Die ausschließliche Kontrolle der kolonialen und halbkolonialen
Wirtschaften durch die jeweiligen metropolitanen Mächte wurde nun durch einen beweglicheren
Zustand ersetzt. Multinationale Konzerne aus einer Vielzahl westlicher Staaten investierten im selben
Land. Damit konnte der Staat dieses Landes zwischen ihnen und den Steuereinnahmen manövrieren,
um die Entwicklung des einheimischen Kapitals zu fordern. Die Veränderung der südirischen
Wirtschaft in den vergangenen 30 Jahren ist dafür ein gutes Beispiel: Die 26 Counties exportieren
nicht mehr in erster Linie Agrargüter nach Großbritannien, sondern sind ein wichtiger Standort für
Direktinvestitionen von Firmen aus den USA, Westeuropa und Japan, insbesondere in der
chemischen und verarbeitenden Industrie, die mittlerweile Nahrungsmittel, Getränke und Tabak als
Hauptexportgüter überholt haben.89
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- 21 Diese mannigfaltigere Beziehung zum westlichen Kapital wurde zweitens begleitet von einer
Ausdehnung des einheimisch kontrollierten industriellen Kapitalismus. Eine der sorgfältigsten
Diskussionen dieser Frage wurde von zwei argentinischen Marxisten, Alexandro Dabat und Luis
Lorenzano, vorgelegt. Sie sind eine Herausforderung an die herrschende Meinung auf der
argentinischen Linken, einschließlich orthodox-trotzkistischer Gruppen wie MAS (Bewegung für
Sozialismus), wonach Argentinien eine "Halbkolonie" des Westens sei. Dabat und Lorenzano
argumentieren, daß das Land nach 1945 eine "kapitalistische Entwicklung auf einer staatsmonopolistischen Grundlage" erlebt hat, gekennzeichnet von einer Stagnation ausländischer
Investitionen seit Ende der 60er Jahre und, über die wachsende staatliche Intervention in der
Wirtschaft hinaus, von einem steigenden Anteil an Industrien direkt in staatlicher Hand. Infolgedessen
ist "die Bourgeoisie als Ganze die herrschende Klasse und ... ihre mächtigste Fraktion ist nun die
moderne monopolistische Finanzbourgeoisie, die für die großen Kapitalinteressen in Landwirtschaft,
Industrie und Handel spricht und mit dem Staatskapital und der zivil-militärischen Bürokratie
verschmolzen ist."90
Dabat und Lorenzano weisen deshalb die Auffassung zurück, daß Argentinien ein "abhängiger"
Kapitalismus sei und seine Bourgeoisie reine Kom-pradoren:
Argentinien ist ein Netto-Importeur von Kapital und Waren (einschließlich Technologie), die es für
die erweiterte Reproduktion und intensive Industrialisierung braucht. Doch seit den 60er Jahren,
als seine technische und finanzielle Unabhängigkeit zunahm, begann Argentinien eine
Exportindustrie zu entwickeln und stärkte seine Rolle als regionaler Kapitalexporteur. Seit 1966 ist
es ihm auch gelungen, seine Rolle als Großexporteur von Getreide wieder aufzunehmen,
während sein mächtiger militärischer Staatsapparat seine Operationssphäre auf dem südliche
Erdball, in Zentralamerika und im Südatlantik ausgedehnt hat. Diese aktiven Erscheinungen
müssen als Ausdruck der "externen" Interessen des argentinischen Kapitalismus gesehen werden
- d.h. ein Stadiumder nach außen orientierten Expansion, in dem Handels-, finanzielle und
militärische Faktoren im wesentlichen vereint sind. So ist es möglich, Argentinien als eine sich
herausbildende regionale kapitalistische Macht zu charakterisieren, die finanzielle, kommerzielle
und technologische Abhängigkeiten mit der Entwicklung einer kapitalistischen, monopolistischen
Wirtschaft mit regionalen imperialistischen Zügen vereint.61
Auf der Grundlage dieser Analyse greifen Dabat und Laurenzo die Position an, die von der Masse der
argentinischen Linken während des Falkland/Malvinen-Kriegs von 1982 eingenommen worden war,
als sie das Galtieri-Regime gegen Großbritannien unterstützten. Dies geschah auf einer Grundlage,
die von MAS so ausgedrückt wurde: "Großbritannien ist ein imperialistisches Land, Argentinien ist
eine halbkoloniales Land. Wir Arbeiter kämpfen auf der Seite der Kolonisierten in jeder Konfrontation
zwischen einem imperialistischen und einem halbkolonialen Land." Dabat und Lorenzano weisen
diesen linken Nationalismus zurück:
Der Krieg... war eine Fortsetzung der antidemokratischen Innenpolitik der Junta und ihres
expansionistischen Vorstoßes nach außen. Obwohl er gegen den britischen Imperialismus für
einen historisch legitimen Anspruch geführt wurde, war er weder ein anti-kolonialer Konflikt noch
der Kampf einer unterdrückten Nation gegen eine Unterdrückernation. Die kämpfenden Parteien
waren: ein emporkommendes kapitalistisches Land mit regionalen und kontinentalen
imperialistischen Merkmalen und eine seit langer Zeit bestehende imperialistische Macht, die,
obwohl in deutlichem Niedergang befindlich, immer noch eine mächtige Kraft ist. Ein
fortschrittliches und ein reaktionäres Lager gab es nicht...Die eine reaktionäre Seite wollte ihren
Einfluß ausdehnen, während die andere daran interessiert war, die letzten Fäden ihres früheren
Kolonialreiches zusammenzuhalten und eine Hackordnung zwischen den nationalen Teilstücken
des kapitalistischen Blocks einzurichten.92
Wenn man diese im Großen und Ganzen richtige Analyse des Falkland-Kriegs verallgemeinert, dann
kann man argumentieren, daß der gleiche Prozeß der kapitalistischen Entwicklung, der den
Imperialismus zum ersten Mal entstehen ließ, jetzt Subimperialismen produziert. Wenn Zentren der
Kapitalakkumulation außerhalb des imperialistischen Kerns des Systems entstehen, gewinnen die
Tendenzen, die Lenin, Bucharin und Hilferding als Tendenzen zum Monopol, Finanzkapital und
Staatskapitalismus analysiert hatten, sogar eine noch ausgeprägtere Form, da die Staatsintervention
bei der Förderung der Industrialisierung der Dritten Welt eine zentrale Rolle spielt.
Wenn die Ausdehnung des industriellen Kapitalismus die nationalen Grenzen sprengt, entstehen
unvermeidlich regionale Konflikte zwischen rivalisierenden Subimperialismen - zwischen Griechenland
und der Türkei, Indien und Pakistan, Iran und Irak-oder es kommt, wenn solche Rivalitäten fehlen, zu
einer wachsenden regionalen Vorherrschaft eines bestimmten Subimperialismus (Südafrika im
südlichen Afrika, Australien im Südpazifik). (93)
Wenngleich diese Analyse auch ein großes Stück Wahrheit enthält, so ist es doch wichtig, sie näher
zu bestimmen. Weder hat der Aufstieg von Subimperialismen in einem Vakuum stattgefunden, noch
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- 22 hat er eine Welt von kapitalistischen Staaten geschaffen, deren Machtunterschiede bloß quantitativ
und nicht qualitativ wären. Die Masse der Industrieproduktion und militärischen Macht auf der Welt ist
immer noch in Nordamerika, Westeuropa, Japan und der UdSSR konzentriert: 1984 lag der Anteil der
weniger industrialisierten Länder an der Weltindustrieproduktion bei 13,9 Prozent- knapp unter dem
14-Prozent-Anteil, den sie 1948 aufgrund der Importsubstitution während der Großen Depression und
des Zweiten Weltkriegs erreicht, aber später aufgrund des langen Booms in den 50er und 60er Jahren
wieder verloren hatten.94 Dieses Ungleichgewicht in der wirtschaftlichen Macht zeigt sich in der
politisch-militärischen Hierarchie, die zwischen den Staaten der Welt besteht, insbesondere in der
vorherrschenden Rolle der westlichen imperialistischen Mächte, Das Emporkommen regionaler
Mächte in der Dritten Welt hat diese Hierarchie geändert, aber nicht abgeschafft. Ein dritter wichtiger
Faktor, der beim Entstehen der Subimperialismen gewirkt hat, war die Politik der Supermächte,
bestimmten mittelgroßen Staaten zu gestatten, eine regionale Vorherrschaft anzustreben.
So geht der Ausdruck "Subimperialismus" auf die Zeit zurück, als der amerikanische Kapitalismus eine
strategische Wende vollzog, um sich aus dem vietnamesischen Schlamassel zu befreien. Die NixonDoktrin - genannt nach dem Präsidenten, der 1969 erstmals diese Politik öffentlich ankündigte - faßte
ins Auge, einen Teil der Lasten für die Verteidigung westlicher Interessen in der Dritten Welt auf
regionale Mächte zu übertragen, die dafür im Austausch militärische und wirtschaftlichen Hilfe
erhalten sollten. Der Iran unter dem Schah ist ein gutes Beispiel, wie auf dem Weg der
Industrialisierung befindliche Dritte-Welt-Staaten versuchten, das Vakuum zu füllen, das vom politisch
geschwächten Imperialismus zurückgelassen worden war. Im diesem Fall war das Vakuum am Golf
nach Großbritanniens endgültigem Rückzug östlich von Suez entstanden. 95 Allgemeiner ausgedrückt:
Die Subimperialismen konnten eine regionale Rolle anstreben, nicht nur weil sie eine bestimmte Stufe
der kapitalistischen Entwicklung erreicht hatten, sondern auch dank der Unterstützung durch eine oder
beide Supermächte.
In der Regel waren es die USA, der mächtigste imperialistische Staat in der Welt, die als Schutzherr
von Regionalmächten handelten. Doch im Fall Vietnams war es die russische Hilfe, die Hanoi in
Indochina die Vorherrschaft erlaubte, obwohl seine Wirtschaft sehr darniederlag. Und Indien errang
die Hegemonie in Südasien, indem es lange Zeit gekonnt zwischen beiden Supermächten
manövrierte, die gleichermaßen darauf erpicht waren, gute Beziehungen zu diesem Land zu pflegen.
Daraus folgt nicht, daß die Subimperialismen reine Marionetten ihrer Supermacht-Förderer sind. Die
Arrangements, die es bestimmten Staaten erlauben, eine regionale Rolle zu spielen, beruhen
typischerweise auf einer Interessensübereinstimmung zwischen beiden beteiligten herrschenden
Klassen, und nicht auf der Kontrolle des Schutzherrn über seinen Klienten. Interessen, die
übereinstimmen, können auch in Konflikt geraten. So war selbst ein Subimperialismus, der äußerst
direkt von der militärischen und wirtschaftlichen Hilfe der USA abhängig ist, nämlich Israel (die USHilfe betrug auf ihrem Höhepunkt 1986 4,2 Milliarden Dollar und war auf 18 Prozent des israelischen
Bruttosozialprodukts gestiegen) oft in der Lage, Washington zu trotzen: Die Halsstarrigkeit der
Schamir-Regierung in der palästinensischen Frage brachte den US-Außenminister James Baker
dazu, nur wenige Wochen vor der irakischen Invasion in Kuwait öffentlich seinen Ärger und Frust
auszudrücken. Dennoch gibt es für die Autonomie jedes Subimperialismus Grenzen, die zu einer
direkten Konfrontation mit den Großmächten führen können, wenn sie verletzt werden.
Nur in diesem Zusammenhang werden die Ereignisse am Golf in den letzten 10 Jahren verständlich.
Die iranische Revolution von 1978/79 beseitigte den mächtigsten Bündnispartner der USA in dieser
Region. Wohl oder übel begann Washington, sich in die Richtung des einzigen Staates zu neigen, der
willig und fähig war, die Rolle des Schahs zu übernehmen - das baathistische Regime im Irak. Die
spätere Entfaltung der amerikanischen Politik gibt denjenigen Sozialisten Unrecht, die den Ersten
Golfkrieg von 1980-88 als eine regionale Version des Ersten Weltkriegs von 1914-18 ansahen, als
einen Kampf zwischen zwei Subimperialismen, in denen die Arbeiter auf beiden Seiten die Niederlage
ihrer eigenen Regierung begrüßen sollten. Dilip Hiro faßt die Haltung der USA zusammen:
Solange das Patt an den Frontlinien bestand, begnügte sich Washington, in diesem Konflikt den
Anschein der Neutralität aufrechtzuerhalten. Aber als sich die Waagschale Ende 1983 zunehmend
zugunsten des Iran neigte, änderten die USA ihre Position und erklärten nun, daß eine Niederlage
des Irak gegen ihre Interessen wäre. Mit jedem militärischen Erfolg des Iran - von den Majnoon
Inseln 1984 zu Fao 1986 und Shalamche ein Jahr später - verstärkte Washington seine
Unterstützung für Bagdad. Sie gipfelte schließlich in einem noch nie dagewesenen Aufmarsch der
Flotte am Golf, was praktisch die Eröffnung einer zweiten Front gegen die Islamische Republik
bedeute.96
Die Niederlage des Iran im Ersten Golfkrieg war eine brutale Demonstration der Fähigkeit des USImperialismus, den Ausgang regionaler Konflikte zu bestimmen. Nun wurde eine viel grausamere
Entfaltung der militärischen Macht Amerikas in Gang gesetzt, um den Staat, der den Krieg mit
Washingtons Unterstützung gewonnen hatte, zu zerstören. Die irakische Invasion Kuwaits war in
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- 23 zweifacher Hinsicht eine unmittelbare Folge des Ersten Golflcriegs: Zum einen wollte das BaathRegime die wirtschaftliche Krise, die es aus dem Krieg geerbt hatte, durch eine Annexion Kuwaits und
seines Ölreichtums lösen, und zum anderen ermutigten die guten Beziehungen zwischen Washington
und Bagdad Saddam Hussein geradezu, die widersprüchlichen Signale des US-Außenministeriums
("wir beziehen in innerarabischen Konflikten, wie Ihre Grenzstreitigkeiten mit Kuwait, keine Position"
sagte ihm der US-Botschafter am 25, Juli 1990)97 als grünes Licht fehl zu interpretieren. Aus
obengenannten Gründen entschied die Bush-Regierung, die Invasion als ausreichenden Kriegsanlaß
zu behandeln. Das zeigt, daß die Unterschiede zwischen einer imperialistischen und einer
subimperialistischen Macht nicht angezweifelt werden können.
3. Ein instabiles Gleichgewicht zwischen Nationalstaat und Weltmarkt. Wie wir gesehen haben war die
Internationalisierung des Kapitals ein entscheidender Faktor bei der Unterhöhlung der politischen und
wirtschaftlichen Ordnung, die für den Nachkriegsimperialismus charakteristisch war. Von Neoliberalen
wie Tim Congdon, aber auch von einigen Sozialisten, wurde diese Tendenz jedoch oft dahingehend
mißverstanden, daß sie quasi das nahende Ende der National Staaten ankündigten. 98 Solche
Argumente sind falsch. Obwohl es seit 20 Jahren eine deutliche Tendenz zu einer weltweiten
Integration des Kapitals gibt, die die Fähigkeit des Staates, die wirtschaftlichen Aktivitäten innerhalb
der eigenen Grenzen zu kontrollieren, ernsthaft geschwächt hat, fahren die privaten Kapitalien fort,
sich eben auf diesen Nationalstaat, mit dem sie am engsten verbunden sind, zu stützen - um sich
gegen die Konkurrenz durch andere Kapitalien, gegen die Auswirkungen der wirtschaftlichen Krise
und gegen den Widerstand derjenigen, die sie ausbeuten, zu schützen. In der wirtschaftlichen Sphäre
ist das offensichtlich. Deshalb will ich hier nicht noch einmal ausführlich die Argumente darstellen, die
auf den Seiten dieser Zeitschrift bereits diskutiert wurden und die außerdem in einem bald
erscheinenden Artikel von Chris Harman umfassend ausgearbeitet werden.99 Die langanhaltende
Genesung der westlichen Wirtschaften von der Rezession 1979-82 wäre jedenfalls nicht denkbar
ohne die Anwendung der klassischen keynesianischen Politik hoher Staatsausgaben und des leichten
Geldes, zuerst in den USA, dann in Großbritannien und Japan und schließlich auch in Deutschland.
Noch spektakulärer war, daß der Zusammenbruch des Weltfmanzsystems zur Zeit des Börsenkrachs
im Oktober 1987 nur dank der Intervention des US Federal Reserve Board und anderer westlicher
Zentralbanken vermieden werden konnte. Die wirtschaftliche Rolle des Staates im westlichen
Kapitalismus mag vermindert und teilweise reorganisiert worden sein. Doch, es ist reinstes
monetaristisches Wunschdenken, seine Existenz als abgeschafft oder abschaffbar zu betrachten.
Wenn überhaupt, dann hat die zunehmende Konkurrenz, die durch die Internationalisierung des
Kapitals möglich wurde, die nationalen Widersprüche innerhalb der Weltbourgeoisie verschärft. Der
sichtbarste Ausdruck davon sind die regionalen Handelsblöcke, die die größten Wirtschaften der Welt
um sich herum bilden. Am deutlichsten wird das bei den Schritten zur weiteren Integration der EG,
weil der deutsche Handel und die deutschen Investitionen sehr stark auf dem europäischen Kontinent
konzentriert sind. Aber auch die gewaltige Ausdehnung des japanischen Kapitals und Handels in
Ostasien in den letzten Jahren und die Anstrengungen der USA, ihr Freihandelsabkommen mit
Kanada und Mexiko auszuweiten, um einen nordamerikanischen Handelsblock zu schaffen, weisen
auffallende Ähnlichkeiten auf.100
Der Zusammenbruch der GATT-Verhandlungen im Dezember 1990 unterstreicht nur die Gefahr, daß
sich der Weltmarkt wie in den 30er Jahren in protektionistische Blöcke aufspaltet. Doch ist eine
Wiederholung dieses Prozesses aufgrund der weitaus entwickelteren weltweiten wirtschaftlichen
Integration unwahrscheinlich: Das japanische Kapital z.B. strebt in erster Linie nicht danach, statt mit
militärischen diesmal mit wirtschaftlichen Mitteln die Große Ostasiatische Wohlstandssphäre aus der
Kriegszeit wieder aus der Taufe zu heben, sondern will seine Direktinvestionen in den USA und in
Westeuropa ausdehnen; gleichzeitig würde ein offener Handelskrieg mit Japan die amerikanische
Industrie von ihrer Hauptquelle mikroelektro-nischer Komponenten abschneiden. Dennoch führt das
Auftreten rivalisierender westlicher Handelsblöcke sowohl zur Destabilisierung der Weltwirtschaft als
auch zur Ermunterung individueller Kapitalien, sich an ihren Nationalstaat zu wenden, damit ihre
Interessen in einer feindlichen Welt verteidigt werden.
Eine wesentliche Frage ist die nach den Folgen dieser Entwicklung für militärische Konflikte zwischen
Staaten. Congdons Voraussage, daß aufgrund der Intemationalisierung des Kapitals "militärische
Konflikte zwischen Nationen ganz und gar absurd werden" ist unter den bestehenden Umständen
selbst ziemlich absurd. Solange dieses Weltsystem weiterbesteht, mit seinen Kapitalien, die
wirtschaftlich konkurrieren und in rivalisierende Nationalstaaten integriert sind, wird Krieg das letzte
Mittel der Konfliktaustragung sein. Doch was kann über die militärische Konkurrenz in der "Neuen
Weltordnung" konkreter gesagt werden? Auch wenn man, um ein vollständiges Bild zu erhalten, noch
weitere zukünftige Entwicklungen abwarten muß, können eine Reihe wichtiger Feststellungen
gemacht werden.
Erstens: Die militärische Konkurrenz zwischen den Supermächten ist noch nicht vorbei und wird nicht
aufhören. Der Zerfall der beiden großen europäischen militärischen Bündnisse, der NATO und des
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- 24 Warschauer Pakts, bedeutet nicht, daß die USA und die UdSSR abrüsten. Im Gegenteil: Wie John
Rees gezeigt hat, sind beide gegenwärtig mit der Modernisierung und Reorganisierung ihrer
Streitkräfte beschäftigt, um mit ihnen High-Tech Kriege statt der Massenpanzerschlachten des
Zweiten Weltkriegs führen zu können.101 Die UdSSR hat zwar ihr osteuropäisches Imperium verloren
und sich aus der Dritten Welt zurückgezogen, doch hat dos keine Identität der Interessen zwischen
Washington und Moskau geschaffen. Ganz im Gegenteil, es gibt Hinweise, die nahelegen, daß nur die
starke Abhängigkeit des russischen Regimes vom Wohlwollen des Westens es dazu veranlaßte, die
US-Politik am Golf zu unterstützen. Die UdSSR hat nämlich nur wenig Interesse daran, daß die USA
einen langjährigen Bündnispartner in einer Region zerstört, die an ihre eigenen, in wachsendem Maße
instabilen, moslemischen Republiken angrenzt. Langfristige Widerspriiche bleiben zwischen den
Supermächten bestehen und werden weiterhin das Wettrüsten zwischen ihnen anheizen.
Zweitens: Wie wir gesehen haben, versuchen die USA einen Vorteil aus der Schwäche der UdSSR zu
gewinnen, um die Stellung, die sie am Ende des Zweiten Weltkriegs als Führer der kapitalistischen
Klassen der Welt besaßen, wiederzubesetzen. Der ökonomische Niedergang und die finanzielle
Abhängigkeit des amerikanischen Kapitalismus zwingen sie jedoch, auf ihre militärische Macht zu
bauen, um diese Rolle beanspruchen zu können; sie müssen als Weltpolizist handeln, wenn sie schon
nicht mehr, wie in den 40er Jahren, Weltproduzent sind. Man muß nicht, wie Paul Kennedy im Rise
and Fall of the Great Powers ["Aufstieg und Fall der Großmächte"], eine mechanische Beziehung
zwischen Ökonomischer Stärke und militärischer Macht postulieren, um vorherzusagen, daß die in
dieser Situation innewohnenden Widersprüche wahrscheinlich immer stärker zum Vorschein kommen
werden, was auch immer der Ausgang der gegenwärtigen Golfkrise sein mag.
Bushs Versuch, die US-Hegemonie wieder geltend zu machen, ist zum großen Teil eine Antwort auf,
das wichtigste Merkmal der gegenwärtigen Phase des Imperialismus - die Rückkehr zu einer Welt, die
politisch wie auch ökonomisch multipolar ist, was sich im wachsenden Gewicht Deutschlands und
Japans in der Weltpolitik widerspiegelt. Das führt zu einem dritten Punkt. Der Imperialismus nach dem
Zweiten Weltkrieg war, wie wir gesehen haben, durch ein teilweises Auseinanderfallen von
wirtschaftlicher und militärischer Konkurrenz gekennzeichnet. Rivalitäten zwischen amerikanischen,
japanischen und deutschen Unternehmen um Märkte führten nicht zu Kriegen zwischen ihren
jeweiligen Staaten. Wird der Zusammenbruch der Supermachtblöcke möglicherweise zu einer
erneuten Übereinstimmung zwischen ökonomischer und militärischer Konkurrenz führen, so daß
Japan und Deutschland nicht nur ökonomische, sondern auch militärische Supermächte werden? Im
gegenwärtigen Stadium eines starken internationalen Wandels ist dies eine besonders schwierige
Frage. Was sicherlich gesagt werden kann, ist folgendes. Es gibt Hinweise, die nahelegen, daß die
Antwort auf diese Frage 'Ja' heißt. Japan hat schon den drittgrößten Rüstungsetat in der Welt.
Deutschland verfolgt in den Beziehungen zu Osteuropa und der UdSSR klar seine eigenen Ziele;
weiterhin ist in der laufenden Diskussion über die weitere EG-Integration ein Ziel, die europäische
Außen- und Sicherheitspolitik zu koordinieren - ein Schritt, der den Einfluß Deutschlands weltweit
stärken könnte. Newsweek ging in seiner Neujahrsausgabe 1991 so weit vorauszusagen, daß sowohl
Japan wie auch Deutschland in den nächsten Jahren Atomwaffen erwerben würden.
Doch die Golfkrise illustriert auch, wie groß die Hindernisse auf dem Weg lapans und Deutschlands zu
militärischen Großmächten sind. Beide Staaten haben in der Krise eine marginale Rolle gespielt,
teilweise aufgrund der innenpolitischen Opposition gegen auswärtige militärische Verstrickung,
teilweise auch deshalb, weil keiner der beiden Staaten (insbesondere Deutschland nicht) besonders
gut ausgerüstet ist, um sich in derartig weitreichenden Operationen, wie sie gegen den Irak geführt
wurden, zu engagieren. Großbritannien und Frankreich, deren Wirtschaften viel schwächer sind, die
aber relativ große militärische Einrichtungen besitzen, um die Überbleibsel ihrer weltweiten
imperialistischen Rolle zusammenzuhalten, hatten ein weit größeres Gewicht - ersteres mit seiner
traditionellen "atlantischen" Politik als Washingtons Feldwebel in Europa, letzteres mit seiner
typischerweise zweideutigen Haltung, bevor es sich fest mit dem amerikanischen Lager verbündete.
Hinter der relativ unwichtigen Rolle, die Japan und Deutschland am Golf gespielt haben, liegt eine
langfristige Entwicklung: Ihr Erfolg bei der Eroberung von Weltmärkten war großteils ein Ergebnis ihrer
relativ geringen Militärausgaben, ein Vorteil, den ihre Militärexpansion untergraben würde. Die daraus
im westlichen Bündnis resultierende Arbeitsteilung, in dem die USA die militärische Hauptrolle spielen,
war eine Quelle endloser Konflikte, und der Beginn des Golfkrieges war ein natürlicher Anlaß für einen
besonders bitteren Streit über die Teilung der Lasten. Der Krieg hat einerseits die Spannungen
zwischen den USA und seinen westlichen wirtschaftlichen Rivalen verschärft, zum ändern aber auch
innerhalb der EG - zwischen den Schwärmern für eine militärische Lösung (hauptsächlich
Großbritannien und Holland) und den meisten anderen Mitgliedern, die sich lieber daran machen
wollen, die Verhandlungen über die weitere europäische Integration voranzubringen.
Auch wenn die Tendenz der japanischen und deutschen herrschenden Klassen, ihre wirtschaftliche
Stärke in militärische Macht umzuformen, noch in einem frühen Stadium ist, so ist doch eine
Entwicklung, die das Ende des Kalten Kriegs mit sich gebracht hat, schon jetzt klar: Der Zerfall der
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- 25 Supermacht-Blöcke macht größere Kriege wahrscheinlicher. Das Ende der Teilung Europas und der
Rückzug der UdSSR aus der Dritten Welt haben, zumindest kurzzeitig, die Wahrscheinlichkeit einer
militärischen Konfrontation zwischen den Supermächten reduziert. Doch gleichzeitig wurden die
Zwänge, die der Kalte Krieg den einzelnen Staaten auferlegte, ebenfalls beseitigt. Die gegenwärtige
Golfkrise hätte vor einem Jahrzehnt, als die Spannungen zwischen den Supermächten noch akut
waren, wahrscheinlich nicht stattfinden können. Moskau, das damals noch den Irak zu seinen engsten
Verbündeten im Mittleren Osten zählte, hätte mit größter Wahrscheinlichkeit Saddam Hussein davon
abgehalten, in Kuwait einzumarschieren. Und Washington hätte seinerseits sehr viel vorsichtiger auf
eine solche Invasion reagiert, falls es doch dazu gekommen wäre - aus Angst, mit der UdSSR eine
direkte Konfrontation, wie die Kubakrise im Oktober 1962, zu provozieren.
In der beweglicheren Welt, die jetzt entsteht, werden regionale Mächte wahrscheinlich geneigter sein,
ihr Gluck zu versuchen, was die USA wiederum zu noch grausameren Gegenreaktionen provozieren
könnte, da ihnen kein Einhalt mehr durch die Präsenz der UdSSR in Osteuropa und der Dritten Welt
geboten wird. Selbst wenn sich die westlichen Imperialismen nicht unmittelbar in alle entstehenden
Konflikte einmischen, so wie im gegenwärtigen Golfkrieg geschehen, sondern es den bestehenden
und Möchtegern-Subimperialismen überlassen, sich gegenseitig abzuschlachten, sind die Aussichten
für die Menschheit düster. Obwohl die Drohung eines Weltkriegs zwischen den Supermächten etwas
geringer geworden ist, bedeutet die Verbreitung von Atomwaffen in der Dritten Welt (von Israel,
Südafrika, Indien und Pakistan wissen wir schon, daß sie solche Waffen besitzen), daß der erste
regionale Atomkrieg nicht mehr weit entfernt ist. Es gibt keine Anzeichen dafür, daß Kriege überholt
sind.
Schlußfolgerungen
Zu Beginn dieses Jahrhunderts entwickelten Lenin, Luxemburg, Bucharin, Hilferding und andere eine
Analyse des Imperialismus als eines bestimmten Stadiums der kapitalistischen Entwicklung, in dem
Konzentration und Zen-tralisation des Kapitals zu einer Welt führten, die durch eine Handvoll
rivalisierender militärischer und wirtschaftlicher Großmächte beherrscht wird. Trotz der
Veränderungen, die das Weltsystem in den vergangenen 100 Jahren erfahren hat, erfaßt diese
Theorie immer noch einige der Hauptmerkmale des heutigen Kapitalismus. Fürwahr, wir treten jetzt in
eine Periode noch wilderer und instabilerer interimperialistischer Konkurrenz ein.
Diese Tatsache ist keineswegs nur von theoretischer Bedeutung. Aus zwei Gründen bleibt Lenin ungeachtet der Schwächen seiner Version der Theorie - der Theoretiker des Imperialismus. Erstens
begriff er klarer als irgendein anderer, daß der Imperialismus nicht eine Politik, sondern ein Stadium,
ja das höchste Stadium, der kapitalistischen Entwicklung ist. So griff er Kautskys Argument an, daß
"der Imperialismus nicht der heutige Kapitalismus ist; er ist nur eine unter mehreren Formen des
heutigen Kapitalismus."102 Auf Kautskys mittelbare Schlußfolgerung, daß militärischer Konflikt und
Krieg innerhalb des kapitalistischen Rahmens ausgelöscht werden könnten, erwiderte Lenin, daß nur
die sozialistische Revolution dem Imperialismus und seinen zerstörerischen Tendenzen ein Ende
setzen könne. Lenins zweiter wichtiger Beitrag liegt gerade in seinem politischen Verständnis des
Imperialismus. Er begriff, daß die politische und wirtschaftliche Hierarchie, die der Imperialismus der
Welt aufdrückt, auch Kämpfe entstehen lassen würde, die nicht unter der Fahne des revolutionären
Sozialismus, sondern unter der des revolutionären Nationalismus geführt würden. Um den Wunsch
nach einem unabhängigen kapitalistischen Nationalstaat verwirklichen zu können, würden diese aber
zwangsläufig den Imperialismus herausfordern müssen.
Lenin verstand, daß diese Bewegungen - trotz der politischen Kluft zwischen ihnen und dem
internationalen Sozialismus - Kriege und Revolutionen einleiten könnten, die den Imperialismus und
daher auch den Halt der herrschenden Klassen überall auf der Welt schwächen würden. Seine
Einsicht drückte er am klarsten aus, als er den Dubliner Aufstand der Iren gegen die Engländer Ostern
1916 gegenüber manchen Bolschewiken verteidigte, die ihn als kleinbürgerlichen "Putsch" abtun
wollten:
Denn zu glauben, daß die soziale Revolution denkbar ist ohne Aufstände kleiner Nationen in den
Kolonien und in Europa, ohne revolutionäre Ausbrüche eines Teils des Kleinbürgertums mit allen
seinen Vorurteilen, ohne die Bewegung unaufgeklärter proletarischer und halbproletarischer
Massen gegen das Joch der Gutsbesitzer und der Kirche, gegen die monarchistische, nationale
usw. Unterdrückung-das zu glauben heißt der sozialen Revolution zu entsagen.103
Auch wenn der Imperialismus nur durch den Sturz des Kapitalismus beseitigt werden kann, so wird er
doch Bewegungen hervorrufen, die, ungeachtet ihrer bürgerlichen Ziele und Ideologie, in Lenins
Worten "objektiv... das Kapital angreifen":
Die Dialektik der Geschichte ist derart, daß die kleinen Nationen, die als selbständiger Faktor im
Kampf gegen den Imperialismus machtlos sind, die Rolle eines der Fermente, eines der Bazillen
spielen, die dem wahren Gegenspieler des Imperialismus, dem sozialistischen Proletariat, auf den
Plan zu treten helfen... Wir wären sehr schlechte Revolutionäre, wenn wir es nicht verstünden, im
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- 26 großen Befreiungskampf des Proletariats für den Sozialismus jede Volksbewegung gegen die
einzelnen Bedrängnisse des Imperialismus zur Verschärfung und Ausweitung der Krise
auszunutzen.104
Die Erfahrung der vergangenen 25 Jahre hat Lenins Analyse hinreichend bestätigt. Der Vietnam-Krieg
- geführt, um ein unabhängiges staatskapitalistisches Regime an die Macht zu bringen - fügte dem
amerikanischen Imperialismus eine ernsthafte Niederlage bei und regte das Wachstum authentischer
antikapitalistischer Bewegungen in der ganzen westlichen Welt an. Seitdem sind sogar fremdartigere
Kräfte als der vietnamesische Stalinismus zum Brennpunkt der Konfrontation mit dem Imperialismus
geworden - die fundamentalistischen Mullahs des Iran und des Libanon, und nun sogar, ungeachtet
seiner kläglichen Geschichte der Kollaboration mit den USA, das Baath-Regime des Irak. In solchen
Zusammenstößen hoffen revolutionäre Sozialisten auf die Niederlage der imperialistischen Macht.
Solch eine Position bedeutet in keinesfalls, daß Revolutionäre dem Regime, das gegen den
Imperialismus kämpft, politische Unterstützung geben. Trotzki drückte dies in seiner Antwort auf die
japanische Invasion Chinas 1937 aus:
Wenn zwei imperialistische Länder Krieg führen, geht es dabei weder um Demokratie noch um
nationale Unabhängigkeit, sondern um die Unterdrückung rückständiger, nichtimperialistischer
Völker. In einem solchen Krieg stehen beide Länder auf der gleichen historischen Stufe. Daher
sind die Revolutionäre in beiden Armeen Defätisten. Aber Japan und China stehen nicht auf der
gleichen historischen Stufe. Der Sieg Japans würde die Versklavung Chinas, den Stillstand seiner
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung und ein furchtbares Erstarken des japanischen
Imperialismus bedeuten. Dagegen würde der Sieg Chinas für Japan die soziale Revolution
bedeuten und für China die freie, durch keine äußere Unterdrückung gehemmte Entfaltung a des
Klassenkampfs.
Kann denn Tschiang Kaischek den Sieg herbeiführen? Ich glaube nicht daran. Aber er hat mit
dem Krieg begonnen und hat derzeit die Führung inne. Um ihn ablösen zu können, muß man
entscheidenden Einfluß im Proletariat und in der Armee gewinnen, und das kann man eben nicht
im luftleeren Raum, sondern dazu muß man mitten im Kampf stehen. Einfluß und Ansehen muß
man im militärischen Kampf gegen die Invasion des äußeren Feindes und im politischen Kampf
gegen die Schwächen, das Versagen und den Verrat im Innerren erwerben. In einer bestimmten
Etappe, die wir nicht im voraus festlegen können, kann und muß diese politische Opposition in
den bewaffneten Kampf übergehen, denn wie der Krieg überhaupt, so ist auch der Bürgerkrieg nur
die Fortsetzung der Politik... die Avantgarde der Arbeiter soll... beim militärischen Kampf in der
vordersten Reihe stehen und gleichzeitig politisch den Sturz der Bourgeoisie vorbereiten. 105
Es ist deshalb notwendig, in einer Konfrontation wie dem Zweiten Golfkrieg für die Niederlage der
imperialistischen Seite einzutreten, während man den politischen Kampf gegen das bürgerliche
Regime, das die anti-imperialistische Seite anführt, fortsetzt. Dieser Standpunkt liegt Trotzkis Theorie
der permanenten Revolution zugrunde. In ihrer allgemeinen Form besagt sie, daß keine kapitalistische
Klasse konsequent den Imperialismus bekämpfen kann. Selbst die kämpferischste nationalistische
Bewegung strebt letztlich ihren eigenen unabhängigen kapitalistischen Staat an. Sie versucht deshalb
nicht, das imperialistische Weltsystem zu zerstören, sondern einen größeren Platz in diesem System
zu gewinnen. Wenn sie gezwungen ist, gegen den Imperialismus zu kämpfen, um dieses Ziel zu
erreichen, kann der daraus resultierende Kampf das ganze System schwächen. Aber die
nationalistische Bewegung kann eventuell auch zu einer Übereinstimmung mit dem Imperialismus
kommen, wie "Sinn Fein" am Ende des irischen Unabhängigkeitskrieges, die vietnamesische
Kommunistische Partei nach beiden Indochina-Kriegen, die islamische Republik des Iran nach ihrer
Niederlage im Ersten Golfkrieg. Das Ziel revolutionärer Sozialisten ist es deshalb in erster Linie, wie
Lenin sagte, die Krise zu "benutzen", die durch den Zusammenstoß zwischen dem Imperialismus und
seinen nationalistischen Opponenten geschaffen wurde, um "der wirklich anti-imperialistischen Kraft,
dem sozialistischen Proletariat zu helfen, auf den Plan zu treten." Denn, um mit dem Imperialismus
abzurechnen, muß die Arbeiterklasse nicht nur die herrschenden Klassen der fortgeschrittenen
kapitalistischen Länder, sondern auch die bürgerlichen Regimes, die zeitweilig die westliche
Vorherrschaft bedrohen mögen, stürzen.
Der klassische Marxismus enthält also, in den Schriften Lenins und Trotzkis, eine Analyse des
Imperialismus und eine Strategie des Kampfes gegen ihn, die ihre Gültigkeit behalten. Die Signale, die
das Schlachten am Golf sendet, weisen darauf hin, daß wir sie in den kommenden Jahren gut
gebrauchen können.
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- 27 Anmerkungen
1 zuerst Erschienen in: International Socialism, Nr. 50, März 1991 [zuerst in deutscher Sprache erschienen in: Internationaler
Sozialismus, Nr.1, Frühjahr 1991, Hrsg: Sozialistische Arbeitergruppe]
2 T Congdon, How the City is Making Economic Nationalism Obsolete, in: Spectator, Nr. 13, Feb. 1988,8.21,25
3 K Kautsky, Imperialismus, in: J Riddell (Hrsg.), Lenin's Struggle for a Revolutionary International. Documents 1907-1916 - The
Preparatory Years, New York 1984, S.180 [Siehe: K Kautsky, Der Imperialismus in: Die Neue Zeit, Jahrgang 32, Bd. 2, S.91922 -hier Rückübersetzung aus dem Englischen]
4ebda. S.181
5 A J Mayer, Why Did the Heavens NotDarken?, New York 1990, S.31
6 B Warren, Imperialism - Power of Capitalism, London 1980, S.31
7 Lenin, Werke, Berlin 1981, Bd.22, S.270-271
8 Siehe z.B. M Kidron, Capitalism and Theory, London 1974, Kap.6, M Barratt Brown. The Economics of Imperialism,
Harmondsworth 1974, Kap.8 und Warren, Imperialism, S.57-70
9 Lenin a.a.O. S.304
10 N Bucharin, Imperialismus und Weltwirtschaft, Frankfurt 1969, S.132-133
11 ebda. S.25
12 ebda. S,140
13 Siehe meine Diskussion über Lenin und Bucharin in Imperialism, Capitalism and the State Today, in International Sodalism
Nr. 35, 1987, S.79-88
14 Das Konzept der ungleichen und kombinierten Entwicklung ist natürlich ein von Trotzkis zentralen Beiträgen zum Marxismus.
Ohne es kann man weder das hierarchische Wesen des Imperialismus (die Vorherrschaft der fortgeschrittenen Länder) noch
seine Instabilität (die ungleiche Aufteilung der Ressourcen ist eine Ursache für ständige interimperialisitsche Konflikte zur
Neuaufteilung der Welt) verstehen.
15 J Schumpeter, Zur Soziologie des Imperialismus, Tübingen 1919, S.48-49,73,75
16 A J Mayer, The Persistence of the Old Regime, New York 1981, S.4,305,314,315
17 ebda., Why did the Heavens not Darben?, S.3
18 ebda. S.456
19 J Schumpeter, Soziologie des Imperialismus, S.53
20 ebda., S.65-72
21 Beispiele jüngeren Datums für diese Argumentationslinie finden sich bei P Andersen, The Figures of Descent, in: New Left
Review Nr.161 1978 und bei T Nairn, The Enchanted Glass, London 1990. Beide Autoren beziehen sich auf Mayer, Anderson
las sogar den Entwurf von The Persistence of the Old Regime (siehe ebda. S.X)
22 Siehe z.B. E P Thompson, The Peculiarities of the English, in: The Poverty of Theory and Other Essays, London 1978, A
Callinicos, Exception or Symptom?, in: New Left Review Nr.169, 1988, C Barker und D Nicholls (Hrsg.), The Development of
British Sodety, Manchester 1988, und zu Deutschland: D Blackbum und G Eley, The Peculiarities of German History, Oxford
1984
23 Für Schilderungen, die die Auswirkungen des industriellen Kapitalismus in den Vordergrund stellen, siehe J Romein, The
Watershed of the Two Eras, Middletown 1978, N Stone, Europe Transformed 1878-1919, London 1983, und E J Hobsbawm,
The Age of Empire 1875-1914, London 1987. Ich setze mich ausführlicher mit Mayer in meinem Buch Against Postmodernism,
Cambridge 1989, S.39-44 auseinander.
24 J Schumpeter, Imperialismus, S.15 u. allg. 5-19
25 Siehe insbesondere J Brewer, The Sinews of Power, London 1989
26 Siehe Tabellen 4 und 16 in Barratt Brown, Economics, S.110 u. 187
27 J Schumpeter, Imperialismus, S.11
28 Siehe J A Hobson, The South African War, London 1900, Teil II, und T Pakenham, The Boer War, London 1979, Teil I
29 J Schumpeter, Imperialismus, S.56
30 T Naim,EnchantedGlass, S.375-376
31 J Schumpeter, Imperialismus, S.76
32 Siehe insb. F Halliday, The Making of the Second World War, London 1983
33 A Callinicos, Making History, Cambridge 1987, S.157-172
34 E Hobsbawm, Age of Empire, S.51
35 W H McNeil, The Pursuit of Power, Oxford 1982, Kap. 7 u. 8
36 Lenin, a.a.O. S.260
37 M Bauart Brown, Economics, Kap. 8. Alle Daten über Auslandsinvestitionen wurden diesem Buch entnommen.
38 E Hobsbawm, Age of Empire, S.73-74
39 Quelle: M Barratt Brown, The Economics of Imperialism, Hamondsworth 1974, Tabel le 17,S.190-191
40 R P Dutt, India Today, London 1940, Kap.VII
41 Zitiert in M Barratt Brown, Economics, S.195
42 A Offer, The First World War: An Agrarian Interpretation, Oxford 1989. Meine eigene Zusammenfassung im Text fiel
notwendigerweise sehr dürftig aus, denn dieses Werk ist sehr vielfältig und umfassend.
43 R Hilferding, Finance Capital, London 1981 S.307
44 N Bucharin, Selected Writings on the State and the Transition to Socialism, Notlingham 1982, S.16,17 - Übersetzung aus
dem Englischen; siehe auch N Bucharin, Imperialismus und Weltwirtschaft, Frankfurt 1969, Kap. 13
45 M Wolf, ,The Meaning toLook to the Long Term, Financial Times 16.11.1987
46 E Mandel, The Meaning ofthe Second World War, London 1986, ist der einzige ernsthafte marxistische Versuch einer
globalen Erklärung, obwohl sie auch ihre Schwächen hat, insbesondere Mandels typische scholastische Unterscheidung
zwischen mehreren verschiedenen Sorten Krieg im Rahmen dieses Konflikts.
47 Siehe P Kennedy, The Rise and Fall of the Great Powers, London 1989, Kap, 4 u. 5
48 Siehe insbesondere G Kolko, The Politics of War, New York 1970
49 L D Trotzki, Europe and America, New York 1971
50 Siehe J Waterbury, The Egypt of Nasser andSadat, Princeton 1983
51 Insight on the Middle East, in: Sunday Times, Teil IV
52 V G Kierman, The European Empires from Conquestto Collapse, 1815-1960, London 1982
53 Siehe M Kidron, A Permanent Arms Economy, Wiederauflage London 1989, und C Harman, Explaining the Crisis, Kap.3
54 C Harman, Explaining the Crisis, Kap.3
55 Dies ist natürlich das Leitmotiv von Kennedys Buch: Siehe insbesondere Rise and Fall S.509-64
56 M Kidron, Capitalism, S.
57 Weltbank, World Deveiopment Report 1985, New York 1985, S. 126
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- 28 58 Siehe z.B. A G Frank, Capitalism and Underdevelopment in Latin America, Harmondsworth 1971, und S Amin, Unequal
Deveiopment, Hassocks 1976, und unter den Kritikern der Theorie des ungleichen Tauschs, M Kidron, Capitalism, Kap.5 und N
Harris, Theories of Unequal Exchange, in: lnternationial Socialism, Nr.33,1986
59 M Kidron, Capitalism, S.134-37
60 N Harris, India-China: Underdevelopment and Revolution, New-Delhi 1974, S.171
61 M Kidron, Capitalism, S.162 u. N Harns, India-China, S.173-74
62 Siehe P Qawson, The Development of Capitalism in Egypt, in: Khamsin, Nr.9 1981 u. ? Waterbury, Egypt
63 Siehe N Harris, Tlic End of the Third World, London 1986, u. A H Amsden, Tliird World Industrialisation, in: New Left Review,
Nr.182 1990
64 United Nations Department of International Economic and Social Affairs, World Economic Survey 1989, New York, Tabelle
IV.4, S.64
65 ebda.S.25
66 Financial Times, 15. Nov. 1989
67 J Petras und M Morley, US Hegemony under Siege, London 1990, S.197,198
68 ebda.S.201
69 Siehe insbesondere N Harris, Of Bread and Gans, Harmondsworth 1983, P Green, Nation States and the World Economy,
in: International Socialism,Nr. 19 1983 u. C Harman, The Storm Breaks, in: International Socialism, Nr.46 1990
70 Eine abschließende Analyse des Zusammenbruchs des Stalinismus ist nachzulesen in C Harmans The Storm Breaks, siehe
auch A Callinicos, The Revenge of History, Cambridge 1991
71 Independent on Sunday, 20. Januar 1991
72 Siehe P Green, Contradictions of the American Boom, in: International Socialism, Nr.26 1985, u. M Davis, Prisoners of the
American Dream, London 1986
73 J Petras und M Morley, US Hegemony, S.78
74 ebda. Kapitel l und 2 bieten eine aktuelle Diskussion solcher Strategien, allerdings wird hier ein übertriebenes Bild von einer
zu einem Haufen Halbstarken und Dieben degenerierten amerikanischen herrschenden Klasse gezeichnet.
75 Siehe F Halliday, Cold War, Third World, London 1989, Kap.3
76 Guardian, 29. Juli 1988. Für eine detailliertere Analyse des Kriegs, siehe A Callinicos, An Imperialist Peace?, in; Sodalist
Worker Review, Nr.112 September 1988
77 Siehe z.B. die Artikel von J Rogaly und E Mortimer, Financial Times, 18. Januar 1991
78 ebda. 28. Januar 1991
79 Independent, 19. Januar 1991
80 F Halliday, Arabia without Sultans, Harmondsworth 1974, S.500,502. Halliday distanzierte sich allerdings von extremeren
Formen der Dependenztheorie: Siehe ebda. S.498-99
81 B Warren, Imperialism, S.182; siehe auch ebda. S.150,176
82 Themes, in: New Left Review, Nr.184 1990, S.2
83 Sunday Correspondent, 12. August 1990 (Zahlen für 1988)
84 H Bautu, The Old Social Classes and the Revolutionary Movements of lraq, Princeton 1978, S.25, 86ff, 99ff, 325ff
85 P Knightley und C Simpson, The Secret Lives of Lawrence of Arabia, London 1971, S. 147
86 F Halliday, Arabia, Kap.2
87 H Batatu, Old Social Classes, S.268
88 Man könnte gute Gründe anführen, um die weißen Dominions (Kanada, Australien, Süd Afrika usw.) in die gleiche
halbkoloniale Kategorie zu stecken, obwohl ihre erfolgreiche Kampagne für legislative Unabhängigkeit, die in das Statut von
Westminster von 1931 mündete, die wachsende Autonomie dieser sich entwickelnden Kapitalismen von London deutlich macht.
Eine nützliche Diskussion über das Konzept der Halbkolonie und eine Kritik seiner Anwendung auf die Neu Industrialisierten
Länder durch Mandel ist nachzulesen in: A Dabat und L Lorenzano, Argentina: The Malvinas and the End of Military Rute,
London 1984, S.168
89 Siehe K Allen, Is Southern Ireland a Neo-Colony? Dublin 1990, insbesondere Kap. 2-4
90 Dabat und Lorenzano, Argentina, S.29,36-37
91 ebda. S.37-38
92 ebda.S.186Fußnöte30,S.103-104
93 Über den letzteren Fall siehe D Glanz, Dinki-Di Domination: Australian Imperialism and the South Pacific, in: Sociaiist
Review Nr.2, Melbourne 1990
94 D M Gordon,TheGlobalEconomy,in;NewLeßReview,Nr.l68 1988, S.64
95 Siehe F Halliday, Iran; Dictatorship andDevelopment, Harmondsworth 1979, Kap.9; eine nützliche Diskussion über das
Konzept des Subimperialismus ist nachzulesen auf S.282-84
96 D Hiro, The Langest War, London 1990, S.261
97 Guardian, 12. September 1990
98 Siehe z.B. S Lash und J Urry, The End ofOrganised Capitalism, Cambridge 1987, und D Harvey, The Condition of
Postmodernity, Oxford 1989
99 Neben den in Fußnote 69 erwähnten Artikeln, siehe auch: A Callinicos, Against Postmo-dernism, S. 137-44
100 Siehe A Callinicos, Revenge, S.78-79
101 J Rees, New Imperialism, S.65-73
102 Lenin, Werke, S.270; sogar Bucharin tendierte dazu, den Imperialismus als eine besondere Politik zu betrachten - siehe
z.B. Imperialismus und Wettwirtschaft, Kap.IX
103 Lenin, Werke, S.363
104 Lenin, Werke, S.365, 366
105 L Trotzki, Über den chinesisch-japanischen Krieg, Hamburg 1990, S.866
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