Facharbeit im Fach Geschichte Schuljahr 1996 / 97 "Die Geschichte der Südlichen Pfalz und Landau von Ludwig XIV. bis zum 19. Jahrhundert" Uli Sinz Starenweg 9 55122 Mainz -2- Inhaltsverzeichnis Einleitung 1. Die französische Pfalz unter Ludwig XIV. 1.1 Vorgeschichte 1.1.1 Westfälischer Friede 1648 1.1.2 Die Hintergründe der Reunionspolitik 1.2. Vauban in Landau 1.2.1 Situation und Gutachten Vaubans 1.2.2 Festungsbau 1.3 Dritter Pfälzer Erbfolgekrieg 1688-1697 1.4 Spanischer Erbfolgekrieg 1701-1714 1.4.1 Kampfplatz Landau 1.4.2 Befestigungen im Krieg 2. Pfälzer in neuer Heimat 3. Revolutionskrieg am Beispiel Edenkoben 4. 5. 6. 3.1 1793: Landau wird entsetzt 3.2 Der Winter 1793/94 bis Sommer ´94 3.3 Stellungskrieg 3.4 Letzte Kämpfe um Edenkoben 1795/96 Die Zeit Napoleons bis zum 2. Pariser Frieden 4.1 Ideen der Aufklärung 4.2 Französische Verwaltung 4.3 Schlußbetrachtung Die bayrische Pfalz 5.1 Verwaltung und Situation 5.2 Hambacher Fest 5.3 Das Ende Rheinbayerns Die Ringstraßenarchitektur in Landau (1871) Schlußbetrachtung Anhang -3- Einleitung Diese Facharbeit gibt einen Einblick in die Geschichte der Südlichen Pfalz, insbesondere Landau und Umgebung. Dabei wird die Zeit von der französischer Besatzung durch Ludwig XIV. bis zu Napoleon und die Zeit unter bayrischer Verwaltung nach dem 2. Pariser Frieden 1815 näher dargestellt. „Willst du ein Stück Weltgeschichte kennenlernen, so sieh dich in der Geschichte deiner Vaterstadt um.“1 Dies sagte einmal der Landauer Geschichtsschreiber Joh. Georg Lehmann. Dieses Zitat verdeutlicht den Grund der Wahl dieses Themas für meine Facharbeit. Zum einen verbindet mich Landau durch meine Familie. Außer mir sind alle meine Familienmitglieder in Landau und Umgebung geboren. Schon seit meiner Kindheit fahren wir regelmäßig nach Landau zu unseren Verwandten. Es bestand also schon immer eine enge Verbindung zu dieser Stadt. Ein weiterer Grund ist, daß Landau eine interessante Geschichte hat. Die Stadt war eine Art Knotenpunkt der Geschichte. Als Grenzstadt war sie oft der Auslöser für weltpolitische Konflikte. Mich beeindruckt, daß diese „kleine“ Stadt über mehrere Jahrhunderte der Brennpunkt europäischer Machtkämpfe war. Im ersten und größten Teil meiner Arbeit beschreibe ich die Pfalz unter französischer Verwaltung: Vom Festungsbau Landaus über einige Kriege bis hin zum Revolutionskrieg am Beispiel Edenkoben. Diese Schlacht entschied, daß die Franzosen bis zum linken Rheinufer vorstoßen konnte. Unter bayrischer Verwaltung „erwacht“ das Volk. Die Bürger werden aktiv und beginnen sich politisch zu engagieren. Der Höhepunkt ist das Hambacher Fest. Nach 1871 wird Landau - seitdem unter deutscher Verfassung - entfestigt. Die Ringstraßenarchitektur schmückt noch heute das Bild der Stadt und läßt ein Stück Geschichte noch in der heutigen Zeit lebendig werden. 1 vgl. H. Heß, Landau in der Pfalz - Ein Abriß seiner Geschichte, S. 1 -41. Die französische Pfalz unter Ludwig XIV. 1.1 Vorgeschichte 1.1.1 Westfälischer Friede 1648 Der 30-jährige Krieg hatte schwerwiegende Folgen für das deutsche Kaiserreich: große Bevölkerungsverluste, furchtbare Verwüstungen und Verarmung der Bauern und des Bürgerstandes. „Die Ursachen des Krieges liegen in erster Linie im religiösen Gegensatz zwischen Katholiken und Protestanten.“2 Durch den Westfälischen Frieden vom Oktober 1648 wurde der 30-jährige Krieg zwischen dem deutschen Kaiserreich mit Frankreich und mit Schweden beendet. Die wichtigste Bestimmung des Westfälischen Friedens für Frankreich war die Besitzbestätigung für die Städte Toul, Metz und Verdun, sowie für zehn Reichsstädte im Elsaß, darunter Landau. Die zehn Reichsstädte wurden zum sog. Elsässischen-ZehnStädte-Bund zusammengefaßt und waren Ludwig XIV. unterstellt. Frankreich hatte die Vormachtstellung in Europa erreicht. 1.1.2 Die Hintergründe der Reunionspolitik Es war schon immer Frankreichs Wunsch, bis zum Rhein vorzustoßen, da er eine gute natürliche Grenze abgab. Deshalb hatte Ludwig XIV. die Reunionskammern gegründet, um Territorialansprüche im Elsaß und in der Pfalz geltend zu machen. Diese Gremien beanspruchten rund 600 Herrschaften. Die Ansprüche waren jedoch sehr zweifelhaft, da die Verwandtschaft der Herrschaften mit Frankreich meist sehr entfernt lagen. Die betroffenen Inhaber mußten einen Lehnseid ablegen, anschließend zog Frankreich mit Truppen in das Territorium ein. 1.2 Vauban in Landau 1.2.1 Situation und Gutachten Vaubans Landau gehörte zur Zeit Ludwig XIV. dem Elsässischen-Zehn-Städte-Bund an (s. 1.1.1) und stand somit unter französischer Verwaltung. Die 2 vgl. Der Volks-Ploetz, S. 326 -5Franzosen betrachteten Landau - wegen seiner ehemaligen Zugehörigkeit zum Elsaß - ohnehin als immer noch zum Elsaß gehörend. Landau hatte damals eine schlechte alte Befestigung. Vauban, der Baumeister Ludwig XIV., erstellte ein Gutachten über diese Befestigung. Ihm schien nur der breite, mit Wasser gefüllte Graben vor dem Wall und das Material der alten 2 km langen rechteckigen alten Mauer, die eine mittelmäßige Beschaffenheit für einen neuen Festigungsbau hatte, nützlich. Vauban schrieb in seinem Bericht, daß Landau eine Festung werden müsse, „eine der stärksten der Christenheit“: Denn die Stadt ist „in einer der besten Gegenden des Elsaß gelegen, wo es sehr leicht sein werde, große Mengen von Getreide und Fourage, von Munition und Kriegsvorräten aller Art anzuhäufen, wie sie zu den Unternehmungen nötig sind, die der König etwa im Hinblick auf Philippsburg3 und auf die Pfalz ausführen lassen wollte.“4 Die Absicht der Franzosen war demnach Philippsburg wiederzugewinnen, um dann Heidelberg bedrohen zu können. Der Plan sollte durch die Schließung des „Einfalltors zum Elsaß“, also Landau, gelingen. Frankreich muß, wie Vauban berichtet, „mit Landau einen festen Rückhalt gewinnen für die Durchführung großer Vorhaben im besten Teile von Deutschland und gerade in dem, der uns am besten zusagt. [...] Es ergibt sich daraus, daß es von höchster Notwendigkeit ist, das Elsaß zu verschließen.“5 1.2.2 Festungsbau 1688 legte der Kriegsminister Louvois den Grundstein der Festung. Damals hatte Landau 2 000 Einwohner. Der Festungsbau war ein großes Unterfangen. Deshalb wurden 20 000 Arbeiter herangezogen. Aus der Umgebung von Albersweiler wurden Sandsteinquader benutzt. Den Transport der Steine erleichterte ein Kanal, der 7 m breit war. 1 000 pfälzische Bauern mußten für Bauholz sorgen. 3 = Brückenkopf auf der rechten Rheinseite 4 vgl. K. Moersch, Geschichte der Pfalz - Von den Anfängen bis ins 19. Jhd., S. 388/389 5 s.o. Fußn. 4 -61689 wurde Landau wegen eines Stadtbrandes zu 75 % zerstört. Dies war jedoch kein Zufall. Es war ein „warmes Abbrechen“6 alter Gebäude. Die französischen Soldaten hinderten die Landauer Bürger sogar am Löschen. Jetzt gab es genügend Platz zur Verwirklichung der Pläne des französischen Ingenieurobersten Tarade, der 1701 und 1702 ein Fort nordwestlich Landaus auf dem Kaffenberg in Form einer Krone erbaute. Der Mittelpunkt der Stadt wurde nun die Kommandantur und der Paradeplatz. Die Festung war ein längliches Achteck mit sieben Türmen, die die Ecken schützten (Vauban´sches System). Dazu kam das achte Bauwerk, die Reduit („die letzte Instanz der Verteidiger“). Diese Festung wurde durch Wälle und Gräben, sowie Anlagen für Geschützverteidigungen ergänzt. Zugänge waren das französische Tor im Südwesten und das deutsche Tor im Nordosten. Beide sind noch heute in Landau zu sehen (s. auch Anhang). Sie sind mit einer Widmung versehen, die Ludwig XIV. als das menschliche Antlitz der Sonne darstellt. Auf einem Schriftband steht: „Nec pluribus impar“7. Der Fluß Queich teilte die Festung in zwei Teile und flutete das Grabensystem. 1.3 Dritter Pfälzer Erbfolgekrieg 1688-97 Ludwig XIV. größter Wunsch war die Besetzung der Pfalz. Liselotte von der Pfalz war mit seinem Bruder verheiratet. Ludwig XIV. stellte deshalb Erbansprüche (s. 1.1.2). Der Dritte Pfälzer Erbfolgekrieg war kein regional begrenzter Krieg - es war ein europäischer Machtkampf. Die Engländer traten für den Grundsatz des „Balance of Power“, also einer ausgeglichenen Machtverteilung ein. Deshalb war der englische König Wilhelm von Oranien Hauptgegner Ludwig XIV., da die Engländer durch die Aktionen von Ludwig das europäische Machtverhältnis nicht mehr gewährleistet sahen. Die Engländer waren der Auffassung, daß kein europäischer Fürst sich der Universalmonarchie Frankreichs unterordnen sollte. Im Herbst 1688 wurde die Pfalz von Frankreich überfallen. Die pfälzischen Gebiete und Philippsburg konnten von den Franzosen schnell besetzt wer6 s.o. Fußn. 4 7 ="auch mehreren gewachsen"; s.o. Fußn. 4 -7den, da die Pfalz kaum Soldaten hatte. 1688/89 wurde die Pfalz systematisch zerstört (besonders Speyer, Mannheim und Heidelberg). Die genauen Gründe sind nicht bekannt, doch man vermutet, daß der französische Kriegsminister Louvois seine Finger im Spiel hatte. Er praktizierte eine Zerstörungspolitik und wollte alle besetzten Plätze zerstören. 1692 besiegt die englisch-holländische Flotte Frankreich am Cap de la Hogue. England stand dadurch als Seemacht vor Frankreich. Die Große Allianz zwischen England, dem deutschen Kaiser Leopold I., Spanien, Schweden, den Niederlanden, den Savoyen und einigen bedeutenden Reichsfürsten zwang Frankreich 1697 zum Friede von Rijswijk. Frankreich behielt die im Elsaß besetzten Gebiete mit Landau und Straßburg, mußte aber auf Lothringen verzichten. 1.4 Spanischer Erbfolgekrieg 1701-1714 Infolge der Kinderlosigkeit des spanischen Habsburgers Karl II. kamen nach dessen Tod französische und österreichische Erbansprüche in Betracht. Frankreich befürchtete, von den Habsburgern geographisch „umklammert“ und eingeschlossen zu werden; Österreich befürchtete den Verlust des Erbes, da Frankreich im Testament Karls II. bevorzugt wurde. Frankreich nahm sich schließlich ohne Rücksicht das Erbe. Daraufhin wurde eine Koalition zwischen England, den Niederlanden, Österreich und Polen gegen Frankreich gebildet, um dem Grundsatz des „Balance of Power“ Rechnung zu tragen. 1.4.1 Kampfplatz Landau 1702 belagerte der Österreicher Ludwig Wilhelm von Baden, der sog. „Türkenlouis“, Landau und übernahm es kurze Zeit später. 1703 wurde Landau wieder französisch, da die österreichischen Truppen geschwächt waren. Diese Truppen wurden am Oberrhein stationiert, da es eine strategisch bessere Lage im Krieg war. 1704 nahm der Türkenlouis Landau er- -8neut ein; erst 1713 wurde Landau wieder französisch. Im Friede von Utrecht wurde Frankreich das Elsaß, Landau und Straßburg zugesprochen. Am 1.9.1715 starb Ludwig XIV. Er hinterließ ein durch Kriege erschöpftes Land mit verelendeten Bauern, einer extrem hohen Staatsschuld und gesunkenem Ansehen. Trotz des Besitzes von Landau und Straßburg, die laut Vauban ein Schlüssel zum Elsaß sind (s. 1.2.1), rückte Frankreich in Europa hinter Habsburg und Österreich auf Platz 2. Doch Landau und die Pfalz blieben weiterhin ein Brennpunkt der europäischen Rivalitäten und Machtkämpfe. 1.4.2 Befestigungen im Krieg Während der Kriege wurden ganze Landstriche befestigt: 1. 1606/07 entstand durch Frankreich im Bienwald an der Lauter mit Hilfe zwangsverpflichteter Bauern eine befestigte Linie zwischen Lauter und Weißenburg zum Schutz des Elsaß. Diese Linie bestand aus einem Erdwall mit einem Graben, vorspringenden Schanzen in bastionärer Form sowie Redouten, die über die Lauter vorgeschoben waren. Feste Punkte waren Weißenburg, Lauterburg, Altenstadt, die Bienwaldmühle und die Burg St. Remi. 1744 und 1793 fanden hier Kämpfe statt. Österreich konnte schließlich im Koalitionskrieg (s. 3.) den Bienwald einnehmen. 2. Der Fluß Queich wurde 1702 von Germersheim bis Landau befestigt. 3. Der Speyerbach wurde 1734/35 von Speyer bis Neustadt befestigt. 2. Pfälzer in neuer Heimat Durch die vielen Kriege und die damit verbundenen wüsten Zerstörungen der Pfalz entstand eine wirtschaftliche Not der Bevölkerung. Dies hatte -9eine Welle der Auswanderungen in Bewegung gesetzt. Viele Bauern und Bürger siedelten sich in Pennsylvania/USA an. Meist wanderten ganze Familien oder manchmal auch ganze Dörfer gemeinsam aus, um „eine gesicherte Existenz auf eigenem Grund und Boden“8 zu erlangen. Die kurpfälzische Verwaltung mit Sitz in Mannheim ähnelte der des Versailler Hofes: korrupte Obrigkeit und Ungerechtigkeit. Doch durch den Kurfürsten Karl Theodor, der ein Musik- und Kunstliebhaber war, konnte die deutsche Kunst wieder aufleben. Als bedeutende Beispiele sind das Mannheimer Hofleben mit dem Nationaltheater und die Mannheimer Schule mit dem Musiker Carl Stamitz zu nennen. Man bemühte sich, „die deutsche Sprache als Literatursprache im Wettbewerb mit der französischen Diplomaten- und Literatursprache durchzusetzen.“9 Der Sturm und Drang und später die Klassik waren Kunstepochen, die Dichter wie Johann Wolfgang von Goethe oder Friedrich Schiller prägten. 3. Revolutionskrieg am Beispiel Edenkoben 1789 begann die Französische Revolution. Dieses Ereignis hatte für Landau und Umgebung eine bedeutende Folge: der Krieg 1792-95. „Am 20. April beschließt die Gesetzgebende Versammlung10 die Kriegserklärung an Österreich.“11 Es bricht der sog. 1. Koalitionskrieg aus (Frankreich gegen Österreich und Preußen). „Die Girondisten sind bestrebt, die Revolution im Land durch Kriege gegen äußere Feinde zu festigen. Sie knüpfen dabei an die außenpolitische Tradition des Königtums an 8 vgl. K. Moersch, a.a.O. S. 432 9 vgl. K. Moersch, a.a.O. S. 429 10 (=Assemblée législative) beginnt ab 1. Oktober 1791 ihre Tätigkeit in Frankreich. Sie wird vom revolutionsnahen Bürgertum beherrscht; führend sind die Girondisten. 11 vgl. Der Volks-Ploetz, S. 366 - 10 („natürliche Grenze“) und sprechen von Freiheitsmission Frankreichs den anderen Völkern gegenüber.“12 3.1 1793: Landau wird entsetzt 1792 hatten die Franzosen den Rhein zu ihrer natürlichen Landesgrenze gemacht. Wegen innenpolitischer Schwierigkeiten konnte Frankreich jedoch seine Stellung nicht halten. Seit dem 23. Juli 1793 wurde die Grenze durch den Österreicher Herzog von Braunschweig bis Pirmasens, Landau und Germersheim vorgeschoben. Die Franzosen standen an der Weißenburger Linie und in Saarbrücken. Nach einigen Kämpfen um Pirmasens und Kaiserslautern sollte Landau von den Franzosen entsetzt werden. Die Franzosen bekamen diesen Befehl vom Nationalkonvent. Saint-Just, Mitglied des Wohlfahrtausschusses schrieb an Hoche, ein General mit Oberbefehl über die französische Moselarmee: „General, wir treffen uns in Landau“13. Außerdem ließ er die Parole verlauten: „Landau ou la mort.“14 Es galt zunächst, den österreichischen Oberbefehlshaber Wurmser aus dem Elsaß zu verjagen, dessen Truppen durch Kämpfe u.a. im Bienwald stark geschwächt waren. Am 22. Dezember stürmten 90 000 Männer von Hoche die Redouten von Reichshof und Wörth. „Am 26. Dezember wurden Wurmsers Truppen am Geisberg geschlagen. Die preußischen Truppen mußten den Rückzug antreten und die Belagerung Landaus aufheben. Am 27. Dezember zog General Hoche unter Jubel in die befreite Festung Landau ein.“15 Der Herzog von Braunschweig reichte sein Entlassungsgesuch ein, da seine preußischen Truppen die Stellung um Landau nicht halten konnten. Ein weiterer Grund waren die Unstimmigkeiten mit dem Partner Öster- 12 s.o. Fußn. 11 13 vgl. L. Schütte, Die Kämpfe um Edenkoben und das Schänzel während der französischen Revolutionskriege, S. 27 14 "= Landau oder Tod" s.o. Fußn. 13 15 vgl. L. Schütte a.a.O. S. 28 - 11 reich, besonders mit Wurmser, der dann auch nach Wien zurückberufen wurde. An Wurmsers Stelle trat der alte Feldmarschall von Möllendorf. Nachfolger Herzog von Braunschweigs wurde Gebhard Leberecht von Blücher. 3.2 Der Winter 1793/94 bis Sommer ´94 „Den zurückweichenden Truppen der Alliierten [= Österreich und Preußen] folgten Republikaner [= Franzosen], die sich den berüchtigten Entleerungskommissionen angeschlossen hatten, die ‘unabhängig von den Befehlshabern der republikanischen Truppen diesen schauderhaften Entschluß [der Ausleerung der Pfalz] vollstrecken sollten’“16. Die Entleerungskommissionen hatten die Aufgabe, Korn, Vieh, Rohstoffe, u.ä. zu requirieren. Auch in Edenkoben wurden drei Vertreter dieser Einrichtung tätig. Alle drei Kirchen wurden sodann geräumt und als Magazine verwendet. Am 8. März schwärmte in Edenkoben „eine ganze Schar“ von Kommissaren ein. Man schimpfte auf den pfälzischen Kurfürsten und brach die Zimmerwände und Böden der Edenkobener auf, um Geld und Wertsachen aufzuspüren. Am 19. April wurde der Freiheitsbaum von Franzosen „unter wildem Getümmel“17 errichtet. Während dieser Zeit lag das preußische Heer in den Ortschaften zwischen Oppenheim und Bingen im Winterquartier. Gebhard Leberecht von Blücher führte einige starke Vorposten und Patrouillen in Edenkobens Richtung. Nachdem Neustadt wieder eingenommen werden konnte, zogen am 25. Mai im „Dorf Rhodt Husaren des Blücher´schen Regiments“18 ein. Der nachfolgende Bericht über die Schlacht verdeutlicht die damalige Situation. „Das französische Oberkommando wurde alsbald von den Volksrepräsentanten energisch angetrieben, Neustadt [...] wiedereinzunehmen. So 16 s.o. Fußn. 15 17 vgl. L. Schütte a.a.O. S. 29 18 vgl. L. Schütte a.a.O. S. 33 - 12 rückten [...] am 28. Mai von Walsheim zwei Kolonnen vor, die eine über Großfischlingen, die andere über Edesheim. Blücher, der hiervon rechtzeitig Kenntnis erhielt, lauerte mit vier Eskadrons seiner Husaren hinter einer Geländewelle auf den anrückenden Gegner und griff [...] wie der Blitz die aus Kirrweiler heraustretende rechte Kolonne an.“19 Die Attacke war so heftig, daß der durch den Überraschungsangriff außer Fassung geratene Gegner auseinandergesprengt wurde. Als die Franzosen sich bei Großfischlingen wieder sammeln wollten, fiel sie Blücher erneut an und jagte sie mit sehr schweren Verlusten in die Flucht. Die linke französische Kolonne stieß auch auf den Widerstand der preußischen Truppen und konnte nicht über Edesheim hinaus. Kaum hatte Blücher die Kanonendonner bei Edesheim erhört, wandte er sich dorthin. „In schnellem Überblick der Lage erkannte er, daß der Feind seine Geschütze, gedeckt durch Karabiniers, noch diesseits Edesheim stehen hatte. Er ließ zunächst, um Unordnung in die feindliche Reiterei zu bringen, die Husaren mit Karabinern und Pistolen auf sie feuern, griff sie dann in ungestümer Attacke an und warf sie nach Edesheim hinein“20, wobei es in den engen Gassen noch zu Einzelkämpfen kam. „Dem weiteren Vordringen wurde durch das ununterbrochene Feuer der auf den Walsheim vorgelagerten Höhen stehenden feindlichen Batterien“21 den Preußen ein vorzeitiges Ende gesetzt. Dennoch war der Erfolg für Preußen groß: Es gab verhältnismäßig geringe Eigenverluste. Beim Gegner jedoch gab es schweren Schaden: „20 Offiziere, 300 Mann, 120 Pferde, 6 Geschütze und 9 Munitionswagen waren Blücher in die Hände gefallen.“22 Der Edenkobener Geschichtsschreiber Hügler berichtet zu den Kämpfen: „... so kam es unterhalb Edenkoben gegen Maikammer hin zu einem blutigen Kampfe, bei welchem die Franzosen nicht unbedeutenden Verlust erlitten. Die Bewohner von Edenkoben wurden hierdurch so in Schrecken versetzt, daß sie größtenteils sich flüchteten, die Mutvollsten aber mit Äxten und Gewehren sich 19 s.o. Fußn. 18 20 s.o. Fußn. 18 21 s.o. Fußn. 18 22 vgl. L. Schütte a.a.O. S. 34 - 13 rüsteten und den deutschen Truppen tapfer Unterstützung leisteten ...“23. Der Rhodter Pfarrer Runck gibt an, daß die Franzosen in Hainfeld „furchtbar gehaust“ hätten, „Rhodt ließen sie unbesetzt“.24 3.3 Stellungskrieg Der Stellungskrieg zwischen Frankreich und den Alliierten (Österreich und Preußen) am Schänzel war entscheidend für die Koalitionskriege. Den Franzosen gelang am 13. Juli 1794 der Durchbruch. Frankreich konnte seine Grenzen bis zum Rhein verlagern. Bis 1815 blieb die Pfalz französisch. Am 13. Juli 1794 fanden zwei Schlachten statt: Die Schlacht um die Orte am Schänzel, wie Rhodt und Weyher, die von der preußischen Armee unter Gebhard Leberecht von Blücher gewonnen wurde und die entscheidende Schlacht am Schänzel, wo die Preußen unter General von Pfau den Franzosen unterlegen waren. Durch die Einnahme der Gebirgsstellung Schänzel durch die Franzosen mußten sich die Preußen bis zum Rhein zurückziehen. Und nun zum genauen Verlauf des Stellungskriegs: Die österreichisch-preußische Front erstreckte sich nach der Maiattacke „von Speyer über Böbingen, Edenkoben, das Schänzel, Johanniskreuz, den Eschkopf und Saukopf bei Leimen, Trippstadt, Landstuhl bis in die Gegend bei Trier“25. Doch diese Linie wies erhebliche Lücken auf; besonders in den Gebirgsgegenden war das ein „Unglück“, wie ein preußischer Offizier schildert, „die Feinde werden in der weit ausgedehnten Linie ir- 23 s.o. Fußn. 22 24 s.o. Fußn. 22 25 s.o. Fußn. 22 - 14 gendwo mit konzentrischer Kraft durchbrechen und den Rückzug der ganzen Armee veranlassen.“26 Diese Erkenntnis wurde am 13. Juli bestätigt. „Der Erbprinz von Hohenlohe-Ingelfingen, der die preußischen Truppen in der Rheinebene [...] bis zum Schänzel kommandierte, hatte sein Hauptquartier [...] nach Kirrweiler vorgeschoben.“27 Blücher wurde, wegen seiner Erfolge im Mai, zum Generalmajor und zum Chef des „vakanten Husarenregiments v.d. Glotz“28 ernannt. Er war sehr bekannt und beliebt. Dies geht u.a. aus Aufzeichnungen eines Kriegsteilnehmers hervor: „Nie hat wohl der Franzose eine furchtbareren Feind gehabt als diesen tapferen Mann. Der roi rouge, wie sie ihn [nach seiner dunkelroten Uniform] nannten, war ihnen in passe partout. Sie fanden ihn überall und mußten immer empfindliche Neckereyen, die immer zu ihrem Nachtheil endeten, ausstehen. Ein Heldengeist herrschte unter dem Korps der Offiziere ...“29. Blücher waren zu dieser Zeit folgende Einheiten unterstellt: „die zehn Eskardrons seines Husarenregiments, das Grenadierbataillon von Manstein, das Füsilierbataillon von Bila, zwei Kompanien des Füsilierbataillons von Müffling, die Jägerkompanie von Uttenhoven und eine schwere und eine reitende Halbbatterie.“30 Bevor man die Schlacht betrachtet, muß man einen Blick auf das Schlachtfeld werfen, das mit vier Schanzen ausgestattet war: „Das am rechten Flügel des dem Erbprinzen von Hohenlohe-Ingelfingen unterstellten Abschnitts liegende ‘Schänzel’, das seinen Namen schon seit dem 30jährigen Krieg trägt, wurde im Juni/Juli 1794 vor den französischen Angriffen von den dort oben liegenden Truppen mit Verschanzungen 26 s.o. Fußn. 22 27 vgl. L. Schütte a.a.O. S. 37 28 General Graf v.d. Glotz war am 4. Juli 1793 in Belgien tödlich verwundet worden. 29 s.o. Fußn. 25 30 s.o. Fußn. 25 - 15 versehen.“31 Die Hauptschanze - sie lag gegenüber dem erst viel später erbauten Forsthaus Heldenstein - wurde auch als Schanze I bezeichnet. Sie bestand aus einem äußeren und inneren Graben und drei Geschützbänken. Unterhalb der Schanze befand sich neben der Hochstraße ein langgestreckter Verhau. „Eine weitere Schanze war auf der Südweststecke der Bergkuppe aufgeführt (heute als Schanze II bezeichnet), ebenfalls mit einem äußeren und inneren Graben und Geschützbänken. Eine kleine und dritte Schanze wurde an der Südecke des Berges aufgeworfen (heute Schanze III).“32 Diese war nur mit einer breiteren Geschützbank versehen. „In der Nähe dieser Schanze befinden sich heute noch mehrere Steine mit Inschriften der damals hier lagernden preußischen Truppen.“33 Schließlich gab es noch eine kleinere Schanze, die an der Nordseite des Berges errichtet war (heute Schanze IV). Sie spielte nur eine untergeordnete Rolle - eine Art Brustwehr, ohne Geschützbank. „Fast rechtwinklig zu dieser Schanze war zur anderen Seite der Hochstraße ein Verhau mit Brustwehr angelegt, um eine Umgehung der Schänzelstellung zu verhindern.“34 Dem Schänzel vorgelagert befanden sich zwei preußische Vorpostenstellungen, am Modenbacher Schloß und am Satzerstein. Die Besatzung des Schänzels bestand aus „Grenadierbataillonen der Regimenter von Romberg, von Kunitzki und von Schladen, einer Jägerkompanie und drei Füsilierkompanien“35. Nun zum ersten Durchbruchsversuch der Franzosen: In den Juniwochen des Jahres 1794 war auf der ganzen Front eine Art Stellungskrieg entstanden. Dies stellte sich so dar, daß die Truppen zum Teil in Lagern, größtenteils aber in Ortsquartieren kampierten. Darüber hinaus waren Vorposten und Kavalleriepatrouillen vorgeschoben. Die bei- 31 s.o. Fußn. 25 32 vgl. L. Schütte a.a.O. S. 38 33 s.o. Fußn. 30 34 s.o. Fußn. 30 35 s.o. Fußn. 30 - 16 den Kampfweisen waren verschieden. Die Infanterie marschierte, wie schon zu Zeiten Friedrichs des Großen, in Linie auf „und zwar nunmehr in zwei Treffen zu je drei Gliedern“36. Diese Kampfweise stand im Gegensatz zum neuen Tirailleurssystem der Franzosen, ein loses, für die Franzosen vorteilhaftes System, da die Franzosen seit der Französischen Revolution den Freiheitsgedanken nicht nur im Geiste sondern auch in ihren Handlungen ausdrücken wollten. „Die französischen Bataillone bestanden nunmehr aus neun Kompanien, worunter sich jeweils eine Grenadierkompanie befand.“37 Dennoch war die Infanterie dem französischen Massenaufgebot überlegen. Allerdings wurde die Fortentwicklung der preußischen Taktik vernachlässigt, was sich später als Nachteil erwies. Am 17. Juni erfolgte in Landau eine Besprechung zwischen Volksrepräsentant Hentz sowie den Generälen Moreaux, Ambert, St. Cyr und Desaix. Man beschloß, den linken Flügel der Alliierten, der sich in der Gegend von Lingenfeld-Westheim befand, zu durchbrechen. „Als Tag des Angriffs wurde der 2. Juli bestimmt.“38 Es erfolgte aber ein Rückschlag, da die undisziplinierte und übereifrige französische Armee auf die in fester Ordnung aufmarschierten österreichischen Truppen prallten. Blücher stand vor und um Edenkoben abwehrbereit. Er rechnete nicht damit angegriffen zu werden. Doch die Tirailleurschwärme kamen aus den Weinbergen mit todesmutigen Freiheitsmännern. „Trotz mehrfacher Ablösung gelang es den Angreifern nicht, in Edenkoben einzudringen.“39 „Indessen machten die Husaren verschiedentlich den Versuch, an den Gegner heranzukommen, jedoch ohne Erfolg [...]. Am späten Nachmittag [...] flaute das Feuer allmählich ab.“40 Die schweren französischen Geschütze wurden abgefahren. Blücher erkannte die günstige Gelegenheit 36 vgl. L. Schütte a.a.O. S. 39 37 s.o. Fußn. 34 38 vgl. L. Schütte a.a.O. S. 40 39 vgl. L. Schütte a.a.O. S. 41 40 s.o. Fußn. 37 - 17 und zog mit Leutnant von Ebels reitenden halben Batterie im Galopp nach Edesheim. Dies hatte zur Folge, daß die Tirailleure in den Weingärten schwere Verluste einbüßen mußten und sich nach Hainfeld zurückzogen. Ein Augenzeuge berichtete: „Der Tag kostete viele Menschen und entschied nichts. Jeder Teil stand am Abend wieder in seiner Lage.“41 Auch Geschichtsschreiber Hügler äußerte sich dazu: „Die Straßen waren durch das Wegtragen der Verwundeten ganz mit Blut gefärbt. Und doch war das Treffen ohne besonderen Vorteil.“42 Die Grausamkeiten des Krieges - auch den eigenen Männern gegenüber - zeigt folgender Vorfall: „In Edenkoben wurde an diesem Abend ein junger Mann, Peter Markbach, von einem preußischen Husaren mit einer Kugel durch den Hals getötet, da er sich nicht willig zeigte, Verwundete nach Maikammer zu bringen, obwohl er dies schon zuvor getan hatte.“43 Dieser Angriff hatte im Grunde keine strategischen Folgen: Die Grenze wurde nicht verschoben und beide Seiten standen wieder in ihren ursprünglichen Positionen wie am Vortag. Blücher vermutete richtig, daß ein weiterer Angriff folgen werden. Er verstärkte die Stellung seines Abschnitts und dort, wo die Tirailleure besonders lästig waren, errichtete er Brustwehren mit jeweils drei Mann. Hügler bemerkte am 8. Juli, daß die Bewohner von Edenkoben die Umgebung mit Gräben absperrten, um der Infanterie Schutz zu gewähren. Es war bis zu den Alliierten durchgesickert, daß der 13. Juli als Angriffstag bestimmt worden sei. Der Schwerpunkt lag bei den Gebirgsstellungen. Die Alliierten dachten „an die Naht zwischen Möllendorfs Hauptarmee und dem Hohenlohe´schen Korps. Auf Drängen der Volksrepräsentanten begann der Angriff schon am 12. Juli.“44 Die Franzosen zogen im Richtung Modenbacher Schloß, wo sich eine preußische Vorpostenstellung befand. Die Preußen zogen sich - auftragsgemäß - zurück. Die französische Bri41 vgl. L. Schütte a.a.O. S. 42 42 s.o. Fußn. 39 43 s.o. Fußn. 39 44 vgl. L. Schütte a.a.O. S. 43 - 18 gade konnte ohne Widerstand bis zur Bergkuppe des Schänzel vordringen. Diese Truppen wurden dort entschlossen von den Alliierten angegriffen und ins Tal zurückgeworfen. Auch zwei Angriffe der Franzosen gegen Schanze II und III wurden erfolgreich abgewiesen. Ein erneuter französischer Angriff in den Nachmittagsstunden wurde auf gleiche entschlossene Weise abgewehrt. So zog sich die französische Brigade ins Modenbacher Tal zurück, um auf die Verstärkung zu warten und Kräfte für neue Angriffe zu sammeln. Die Brigade Siscé hatte nachmittags vom Modenbacher Schloß aus den Weg für die Ausgangsstellung für den Angriff am nächsten Tag ausgekundschaftet. Dies wurde vom Jägerposten und von Blücher beobachtet. Es standen also schwere Kämpfe bevor. Als Verstärkung erhielten die Alliierten sechs Kompanien. 13. Juli, zwei Uhr morgens. „Alles harrte voller Spannung und Unruhe der Dinge, die da kommen sollten.“45 Und nun wiederholte sich der gleiche Vorgang wie am 2. Juli. Tirailleure gingen in die Weinberge und besetzten Rhodt und Weyher. Von hier aus begann ein wütender Kampf, der nur schwer von Preußen abgeschlagen werden konnte. Die sechs Füsilierkompanien standen über 12 Stunden unter schrecklichstem Gewehrfeuer. Blücher ritt von Stellung zu Stellung und ermunterte die Leute: „Kinder, nur heute haltet aus, es gilt Preußens Ehre !“ - „Oh, ja !“, riefen sie zurück, „Herr General ! Versorgen sie uns nur mit Patronen !“46 Blücher berichtete später im Kampagne-Journal, wie er die Stellungen dreimal mit Patronen versorgte und sie unbeweglich ihr Terrain behauptet hätten. Blücher versuchte, den Feind hervorzulocken, indem er sich etwas zurückzog. Die Franzosen nahmen an, daß die Preußen den Rückzug beabsichtigten. Nun griff Blücher selbst an. Er berichtete später: „Ich gab Herrn Oberstleutnant von Platz den Auftrag, die Flanqueurs mit vier Zügen des Regiments anzugreifen und von der Höhe herunterschmeißen zu lassen, damit ich unterdessen den Feind übersehen und entdecken konnte, wieviel er schon diesseits Edesheim stehen hatte. [...] und ich sah nun die feindli45 vgl. L. Schütte a.a.O. S. 45 46 vgl. L. Schütte a.a.O. S. 46 - 19 che Artillerie bei der vor Edesheim liegenden kleinen Brücke und die ganze Kavallerie schlecht plaziert und fast dicht aufeinander gepfropft auf der Plaine zwischen den Weingärten und dem Bruch stehen. Ich konnte bei dieser Übersicht der Begierde zum Angriff nicht länger widerstehen; [...]. Mit den ersten Eskadrons attackierte ich sogleich die Kavallerie; diese war durch den unvermuteten Angriff so dekontenanziert, daß wir sie bald zum Weichen brachten und über den Haufen warfen. [...], aber nichts war jetzt mehr imstande, meine Husaren aufzuhalten ... .“47 „Das Getümmel war jetzt allgemein. Reiter und Geschütze hasteten nach Edesheim zurück, verfolgt von Blüchers Husaren.“48 Doch dann nahmen die Tirailleure von der Flanke die Husaren unter heftiges Feuer. Blücher ließ daraufhin zum Sammeln blasen. Eine Ablösung kam gerade rechtzeitig und ersetzte die Füsiliere und Jäger, die „schwarz von Pulver und Dampf, ihre Hände etwas verbrennt, die Montur durchlöchert, mit preußischem Stolz im Gesicht“49 hatten. Mit den neuen Männern trieb Blücher die Franzosen bis nach Rhodt zurück. Überall lagen Tote und Verwundete. Edesheim brannte bis auf die Grundmauern nieder. Geschichtsschreiber Hügler berichtete: „In Edenkoben regnete es sozusagen 16 Stunden lang von Kugeln. Niemand war hier sicher; alles lief davon und suchte in der Flucht einige Sicherheit.“50 Allmählich trat aber nun in der ganzen Umgebung Ruhe ein. Blüchers Truppen ahnten nicht, daß der Tag doch verloren war. Die Entscheidung fiel schließlich bei den Gebirgsstellungen am Schänzel: Schon gegen vier Uhr morgens versuchten die Franzosen vorzustoßen. Sie besaßen gute Deckungen, die zugleich die Möglichkeit boten, „mit gut gezielten Schüssen die Kanoniere hinter den Schanzkörben einzeln aufs Korn zu nehmen, so daß es im Laufe des Tages bei den sich ständig er47 vgl. L. Schütte a.a.O. S. 47 48 vgl. L. Schütte a.a.O. S. 48 49 s.o. Fußn. 46 50 vgl. L. Schütte a.a.O. S. 49 - 20 neuernden Angriffen gelang, die preußischen Geschützbedienungen nach und nach außer Gefecht zu setzen“51. Dennoch wurde bis zum Mittag kein Erfolg erzielt. Die Preußen bekamen Verstärkung. Am Nachmittag setzten die Angriffe von der linken Flanke der Preußen erneut ein. Alle Angriffe wurden standhaft abgewiesen. Gefährlicher stand es jedoch um den rechten Flügel. Die neuen Bataillone konnten nichts gegen die Franzosen bewirken. Inzwischen war die Umfassung der rechten preußischen Flügelschanze gelungen. Die französischen Truppen konnten den Preußen in den Rücken fallen. Als dies General von Pfau erfuhr, ließ er alles an Reserven zusammenraffen, um „einen Damm vorzubauen, doch vergeblich ! Die Kräfte reichten nicht aus, diese Sturmflut zu brechen“52. Die Angriffe aus der Front erneuerten sich mit wilder, todesmutiger Hingabe, wo schließlich auch General von Pfau den Tod fand. Die preußischen Truppen waren verzweifelt. Mit verbissener Wut und großem Mut wurde verzweifelt auch von Steinen als Wurfgeschosse Gebrauch gemacht. Dennoch hielten am Abend „die französischen Freiheitsscharen die Palme des Siegers in der Hand.“53 Alle Kämpfer waren erschöpft, auf beiden Seiten. Es herrschte großer Wasser- und Nahrungsmangel, so daß selbst das Fleisch der erbeuteten Pferde gegessen wurde. Es wird vermutet, daß es einigen gefangenen Preußen gelungen war, im Schutze der Nacht zu fliehen, um den Anschluß an die Truppe wiederzugewinnen. Die Verluste der Preußen betrug an die 1 000 Mann. Die französischen Verluste waren wahrscheinlich geringer. Auch bei den übrigen Gebirgsstellungen waren die Franzosen an diesem Tag erfolgreich. Die Franzosen hatten ihr Ziel erreicht: die Verbindung zwischen der französischen Rhein- und Moselarmee war fest geknüpft. Am 14. Juli um fünf Uhr morgens marschierte Blücher mit seinen Truppen ab. Vorher wollten sie ihren Gegner necken: Sie ritten im Galopp auf die 51 vgl. L. Schütte a.a.O. S. 50 52 vgl. L. Schütte a.a.O. S. 53 53 s.o. Fußn. 50 - 21 Franzosen zu, die ängstlich in alle Richtungen liefen. Dann riefen die Preußen: „Adieu Général, jusqu`à demain !“54 Daraufhin zogen sie zum Rhein zurück. 3.4 Letzte Kämpfe um Edenkoben 1795/96 Durch den Basler Frieden vom 5. April 1795 war Preußen zum Frieden zu Frankreich gezwungen worden. Die Österreicher konnten bis ins Modenbacher Tal vordringen und die Franzosen aus Edenkoben vertreiben. Das Schänzel wurde jedoch nicht eingenommen. Es kam eine Anordnung des Erzherzogs „sich bei Annäherung des Feindes in keine Gefechte einzulassen [und] auf die Mannheimer Befestigungswerke zurückzugehen“55. Wegen einer langen und fürchterlichen Kälteperiode mußte das linke Rheinufer endgültig von Preußen aufgegeben werden. „Die Rheinpfalz wurde in ihren Hauptbestandteilen als Departement des Donnersbergs der einen und ungeteilten Republik [Frankreichs] einverleibt“56. 4. Die Zeit Napoleons bis zum 2. Pariser Frieden 4.1 Ideen der Aufklärung Durch die Koalitionskriege drängten über Landau, Straßburg und Weißenburg die Ideen der Aufklärung ins pfälzische Land. Aufklärung ist, nach Kant, „der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“. Die stärkste geistige Bewegung der europäischen Neuzeit ist „durch die Verselbstständigung der Vernunft (Rationalismus) gegenüber allem überlieferten Autoritätsglauben“57 gekennzeichnet. Es war politisch nicht gewollt, daß die Bürger aus ihrer Unmündigkeit erwachen und mit solch modernem Gedankengut konfrontiert wurden. Dies war ein Grund, weshalb die deutschen Zeitungen zensiert wurden und nach dem 14. Juli 54 ="Auf bald General, bis morgen!" vgl. L. Schütte a.a.O. S. 56 55 vgl. L. Schütte a.a.O. S. 71 56 s.o. Fußn. 53 - 22 1789 ein Einfuhrverbot für die französischen Schriften galt. Doch diese Maßnahme konnte die geistige Strömung nicht von Deutschland zurückhalten. 4.2 Französische Verwaltung Im September 1792 gelang der „Partei der natürlichen Grenze“ ein Staatsstreich in Paris. Sie übernahm die Macht und bekam am 17.10.1797 im Friede vom Campo Formio offiziell von Österreich den Rhein als deutsch-französische Grenze zugesprochen. Der aus dem Elsaß stammende Franz Josef Rudler wurde „Generalkommissar“ der linksrheinischen Territorien. Das ganze Gebiet sollte nach französischem Vorbild verwaltet werden. „Das bedeutete auch ein neues Steuersystem, eine Gerichtsbarkeit nach französischem Muster und die Schaffung von Verwaltungen zur Nutzung der Wälder und der Bodenschätze.“58 Die deutsch-französisch besetzten Behörden wurden größtenteils von Frankreich aus regiert. Die Pfalz wurde in Departements und Kantone eingeteilt. Durch die verschiedenen Verwaltungen wurde die Pfalz aufgespalten. Der Kanton Landau wurde weiterhin von Straßburg aus verwaltet. Generalkommissar Rudler versuchte die pfälzische Bevölkerung auf friedlichem Wege an Frankreich anzuschließen. Er legte Adressenlisten aus, in denen jeder Bürger unterschreiben sollte, daß er sich mit Frankreich vereinigen wolle. Doch niemand unterschrieb. Selbst das Pflanzen von Freiheitsbäumen brachte keinen Erfolg, da sie z.B. in Neustadt von Unbekannten abgesägt wurden. 1798 führten die Franzosen einen neuen Kalender ein. Es gab statt sechs Werktage neun Werktage - sehr zum Verdruß der Bevölkerung. Im Friede von Lunéville am 9.2.1801 wurde der Besitz Frankreichs des linken Rheinufers bestätigt. Am 23.9.1804 trat der napoleonische „Code Civil“ in Kraft. Er garantierte persönliche Freiheit, Rechtsgleichheit u.ä. Die Kantone verlo- 57 vgl. Volks-Ploetz a.a.O. S. 349 58 vgl. K. Moersch, a.a.O., S. 458/459 - 23 ren als Verwaltungseinheit an Bedeutung. Es wurden daher Wahlbezirke gebildet. 4.3 Schlußbetrachtung Während der französischen Herrschaft gab es einige positive Erfahrungen. Von großer Bedeutung war sicherlich die Einführung des „Code Civil“ durch Napoleon. „Er garantiert jedem Bürger die Rechtsgleichheit, die öffentlichen Gerichtsverfahren und die Schwurgerichte konnten den anderen deutschen Ländern Vorbild sein.“59 Doch der „Plünderwinter“60 1793/94 während der Revolutionskriege versetzte den Pfälzern einen schweren Schlag. Die - in der bayrischen Zeit - beibehaltene französische Verwaltung und Justiz „garantierte auch einen viel größeren Spielraum für freiheitliche Bestrebungen.“61 Die revolutionäre Bewegung der Koalitionskriege gipfelten im Hambacher Fest 1832. „Diese revolutionäre Tradition läßt sich anhand der Familie Metternich verdeutlichen. Der Sohn des Mainzer Klubisten, Germain Metternich, nahm sowohl am Hambacher Fest als auch an den Aufständen der Jahre 1848/49 teil. Ebenso wie sein Vater mußte - laut Polizeibericht - ‘der würdige Sohn des aus den 1790er Jahren berüchtigte Mainzer Klubist Metternich’ - für sein revolutionäres Engagement leiden. Auch die pfälzischen und rheinhessischen Abgeordneten der Paulskirche, die fast alle zur Linken zählten, wollten ihr Erbe bewußt machen. Sie wählten für ihren Klub den Traditionsnamen ‘Donnersberg’“62. Das französische Rechtssystem sicherte auch vielen politischen Aufständlern Freisprüche, wie z.B. den Hauptrednern des Hambacher Festes, oder der ´48er Revolution. 59 vgl. Pfälzische Landeskunde a.a.O., S.177 60 vgl. Pfälzische Landeskunde a.a.O., S. 176 61 s.o. Fußn. 57 62 s.o. Fußn. 57; Departement Donnersberg wurde das Gebiet der Pfalz nach dem Frieden von Campo Formio von den Franzosen benannt - 24 - 5. Die bayrische Pfalz 5.1 Verwaltung und Situation Landau wurde erst seit dem 2. Pariser Frieden am 20.11.1815 bayrisch, damals nannte man es Rheinbayern. Auslöser war der Sieg über Frankreich bei der Schlacht von Waterloo und der Besetzung von Paris durch Preußen. Die preußischen Truppen fanden die Festung an der Queich als störend, deshalb ging auch die Festung an Bayern. Die bayrische Pfalz war eine „Pflanzschule des politischen Radikalismus“63 Die königliche-bayrische Regierung schaffte den „Code Civil“ nicht ab und änderte die französische Verwaltungseinheit kaum. Die Bayern vernachlässigten die Pfalz sehr und ließen den kulturell-geistigen Mittelpunkt ungenutzt. Die Suche nach Demokratie und Freiheitsrechten in der Pfalz war so groß wie nie zuvor. Viele Journalisten kamen in die Pfalz wegen der Pressefreiheit, die im übrigen Land durch die Karlsbader Beschlüsse sehr stark eingeschränkt war. Die Aufklärung und der Kampf für Freiheitsrechte weckte ein überdurchschnittliches Interesse an Politik in der Bevölkerung. In großen Städten wie Landau, setzte man sich mittags ins Café um Zeitung zu lesen. Mißernten 1816/17 und 1831 zwangen jeden 5. Pfälzer zu Forstdiebstählen. 1832 wurden im 2 000 Einwohner starken Hambach in 11 Gerichtsverhandlungen 234 Hambacher wegen Holzdiebstahls verurteilt. Seit 1825 regierte Ludwig I. „wie ein gereizter Tyrann“64. Die liberalen Ideen der Franzosen beunruhigten ihn. Die Folge war eine Zensurverschärfung. Deshalb gründete sich am 29.1.1832 der „Deutsche Vaterlandsverein zur Unterstützung der freien Presse“. Er hatte 116 Zweigvereine mit 5 000 Mitgliedern. Dieser Verein war eine Vorform der Parteiorganisation. Durch den Preßverein konnten die Ideen des Vaterlandsvereins ganz 63 vgl. K. Moersch a.a.O., S. 469 64 vgl. K. Moersch a.a.O., S. 472 - 25 Deutschland und Paris in nur wenigen Tagen erreichen. Der Preßverein wurde am 1.3.1832 verboten, um einer Verbreitung der neuen Ideen entgegenzuwirken. Die Bevölkerung ließ sich auf diese Weise jedoch nicht abhalten. Aus dieser Situation entwickelte sich das Hambacher Fest (s. 5.2). Eine kleine Anekdote aus dieser Zeit zeigt heute noch die bayrischen Einflüsse in der Pfalz: Ein Baukunstwerk haben die Bayern den Pfälzern vermutlich unfreiwilligerweise - überlassen. Eine große, pompöse Kirche mit vielen Säulen im bayrischen Stil schmückt heute noch das kleine Dorf Rinnthal in der Pfalz. Es wird vermutet, daß der Standort dieser Kirche verwechselt wurde. Die Kirche war wohl ursprünglich für das Dorf Rinnenthal nordwestlich Münchens gedacht. Das erklärt auch, wieso die Kirche, die dicht gedrängt an der Durchgangsstraße steht, nicht so recht in das Bild dieses kleinen, verschlafenen Dörfchens passen will. 5.2 Hambacher Fest Da die nationalen und liberalen Forderungen der Bevölkerung durch die Zensurgesetze auf diesem Weg nicht weiter verbreitet werden konnten, trafen sich Liberale auf sog. Festessen oder Volksfesten zum politischen Gedankenaustausch. Philipp Jacob Siebenpfeiffer rief mit einigen Freunden - u.a. Wirth - zum Hambacher Fest am 27. Mai 1832 auf. Dies war der Jahrestag der bayrischen Verfassung. Nach einigen Auseinandersetzungen mit München konnten die Neustädter die Regierung überzeugen, daß sie „ein friedliches schönes Fest zu feiern beabsichtigen“65. Die Neustädter organisierten das Fest ohne Staatshilfe. Die Zufahrt zum Schloß wurde ausgebaut und neu gestaltet. Lebensmittel und Unterkünfte wurden von den Bürgern bereitgestellt. Es war abzusehen, daß am Hambacher Fest nicht nur politische Reden gehalten wurden. Für reichlich Essen und Trinken wurde gesorgt. Daraus sollte man aber nicht schließen, daß das Fest nur wirtschaftlichen Interessen galt. Sog. „Bankette“ waren zu dieser Zeit Sitte. Die im inneren Burgring aufgestellten 16 Tische mit je 160 Gedek65 vgl. Vor-Zeiten (Geschichte in Rheinland-Pfalz) a.a.O., S. 171 - 26 ken und einige Weinzelte tarnten den politischen Hintergrund des Festes. Es durfte keinesfalls als politische Demonstration verstanden werden, da Demonstrationen - im heutigen Sinne - damals verboten waren. Daher wurde das Hambacher Fest auch offiziell als Volksfest beschrieben. Schätzungen zufolge lag die Anzahl der Teilnehmer zwischen 25 000 und 50 000. Die Polizei schätze die Teilnehmerzahl absichtlich niedriger, um das Gewicht des Festes den Behörden gegenüber zu mindern. Siebenpfeiffer hingegen schätzte die Anzahl höher, um so die Bedeutung des Festes zu betonen. Die große Anzahl war jedenfalls etwas Ungewöhnliches: Beeindruckend für die Festbefürworter, bedenklich für die Regierung. Die von den Neustädtern vorbereiteten Betten reichten nicht aus. Deshalb wurden Massenlager in Schulsälen errichtet. Aus ganz Deutschland kamen Bürger und Studenten angereist, sowie einige Franzosen und Exil-Polen. Die damals am stärksten vertretene Bevölkerungsgruppe, die Bauern, nahmen nur aus der Hambacher Umgebung teil. Daraus kann man schließen, daß das Fest „keine Repräsentation des ganzen deutschen Volkes war“66. Am 27. Mai 1832 wurde der Festtag mit Kanonendonner, Freudenfeuern und Glockengeläut am Neustadter Marktplatz eingeleitet. Gemeinsam zogen gegen acht Uhr morgens die Festteilnehmer geordnet zum Schloß. „Das Streben nach nationaler Einheit symbolisierten die Farben SchwarzRot-Gold, die hier als Kokarden, Bänder und Fahnen massenhaft gezeigt und mitgeführt wurden.“67 Auf der Neustadter Fahne stand „Deutschlands Wiedergeburt“. Diese Fahne ist heute im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn ausgestellt. Die bunten Menschenmassen sangen patriotische Lieder. Auf dem Schloß angekommen, wurde die schwarz-rot-goldene Fahne gehißt. Und dann begannen die Reden, die leider nicht alle überliefert sind. Siebenpfeiffer und Wirth sprachen gleich nach der Eröffnung. Doch da66 vgl. Handreichung der Landeszentrale für politische Bildung a.a.O., S. 12 67 vgl. Vor-Zeiten a.a.O., S. 171 - 27 mals konnten nicht alle genau die Texte verstehen, da es wegen fehlender Lautsprecher selbst stimmgewaltigen Rednern nicht gelang, alles verständlich zu machen. „Siebenpfeiffer forderte, daß die Deutschen sich nicht mehr wie Knechte unter das Joch ihrer Fürsten beugen sollten. Er beklagte, daß noch kein neuer Luther in der Politik auferstanden sei, um die Deutschen aus ihrer Knechtschaft zu befreien. Er prophezeite ein wirtschaftlich geeintes Deutschland, in dem Männer und Frauen gleichberechtigt seien und in dem das Volk seine nationale Einheit durchsetzen werde.“68 Wirths Rede ähnelte in den Grundzügen der Rede Siebenpfeiffers. Mit einer Ausnahme: Siebenpfeiffer wollte die Deutsche Einheit mit Hilfe Frankreichs bewältigen. Wirth lehnte diese Einstellung ab, da er in den Franzosen immer noch das Volk sah, daß es auf das linke Rheinufer abgesehen hat. „Für den Fall eines französischen Eingreifens sagte er sogar ein Zusammengehen aller Deutscher, unabhängig von ihrer politischen Einstellung, gegen den westlichen Nachbarn voraus und eine Rückgewinnung von Elsaß und Lothringen für das geeinte Deutschland.“69 Die französischen Teilnehmer des Hambacher Festes widersprachen Wirth und gaben bekannt, daß ihre Sympathie den Deutschen gelte. Gegen Mittag zog ein Gewitter auf. Doch die Teilnehmer ließen sich nicht vertreiben und verharrten, um am Nachmittag weiteren Rednern zuzuhören. Hier wurde die Grundtendenz des Festes deutlich: Der Wille, die Dinge zu ändern war vorhanden, es bestanden aber noch „verschiedenartige Auffassungen von der Gegenwart und Zukunft.“70 Ein geeintes Deutschland konnte auf diese Weise nicht entstehen, wie der weitere Verlauf des Festes auch zeigt. 68 vgl. Handreichung der Landeszentrale für politische Bildung a.a.O., S. 14 69 s.o. Fußn. 66 70 vgl. Handreichung der Landeszentrale für politische Bildung a.a.O., S. 15 - 28 Nachfolgend sind die angestrebten Ziele und Tendenzen der Redner stichpunktartig genannt:71 1. liberale Tendenz (Verfassungsstaat, Volkssouveränität) 2. nationale Tendenz (Gründung eines deutschen Nationalstaates) 3. internationale Tendenz (gleiche Rechte den Völkern wie den Deutschen) 4. revolutionäre Tendenz (sofortige Durchsetzung der liberalen und nationalen Bestrebungen) 5. evolutionäre Tendenz (durch Veränderung des öffentlichen Bewußtseins einen nationalen Verfassungsstaat gründen) 6. emanzipatorische Tendenz (Gleichberechtigung von Mann und Frau) 7. humanitäre Tendenz (alle Menschen sind gleichberechtigte Brüder mit eigenem Schicksal) 8. Tendenz der religiösen Toleranz (Antisemitismus war für die Redner undenkbar) Aufgrund dieser vielen verschiedenen Tendenzen konnten die Redner keine gemeinsame Linie finden. Die spätere Versammlung im Schießhaus in der Nähe Hambachs verlief ergebnislos. „Einen Vorsitzenden gab es nicht. Siebenpfeiffer sprach am meisten.“72 Er schlug vor, Repräsentanten zu wählen, um die Wirkung des Festes anzuhalten. Doch einige Gewählte waren gar nicht anwesend und Beschlüsse wurden auch nicht gefaßt. Der Advokat Hallauer rief beim Verlassen der Versammlung weinend aus: „Im Gefängnis sehen wir uns wieder.“73 Womit er Recht behalten sollte. Am 2. Juli 1833 wurde unter Ludwig I. Siebenpfeiffer und Wirth verhaftet. Man brachte sie nach Landau, um ihnen dort den Prozeß zu machen. Man wählte Landau, da dort Militär zur Verfügung stand, um mögliche Unruhestifter aufzuhalten. Der Prozeß begann am 29. Juli 1833 im größten Saal der Stadt, im Restaurant zum Schwanen. Siebenpfeiffer, Wirth und 71 s.o. Fußn. 68 72 vgl. Vor-Zeiten a.a.O., S. 177 73 vgl. Vor-Zeiten a.a.O., S. 179 - 29 sechs weitere Angeklagte sollten durch ein Assissengericht74, das mit 12 Geschworenen, davon neun Beamte, schnell verurteilt werden. Trotz sorgfältiger bayrischer Vorbereitung „lief nicht alles so, wie man es von oben her geplant hatte“75. Es kamen ca. 5 000 Fremde in die Stadt, um den Prozeß zu verfolgen. Der Gerichtssaal war oft überfüllt. „Siebenpfeiffer hielt eine Verteidigungsrede von zwei Stunden, Wirth redete am 7. und 8. August gar acht Stunden vor interessierten und applaudierenden Zuhörern.“76 Somit konnten die Ideen des Hambacher Festes ungestraft veröffentlicht werden, da die Zeitungen alles zitieren durften. Franz Xaver Gabelsberger erfand die deutsche Kurzschrift und stenographierte zum ersten Mal in einem deutschen Gericht. Das Landauer Urteil sprach die Angeklagten schließlich frei, da man ihnen nicht nachweisen konnte, daß sie die Regierung stürzen wollten. Dies war nicht im Sinne Ludwigs I. Doch der „Code Napoleon“ sah auch „Zuchtpolizeigerichte“ vor. Siebenpfeiffer und Wirth wurden nach Zweibrücken und Frankenthal gebracht, vom geschworenenlosen Gericht zu zwei Jahren Haftstrafe wegen „Beleidigung in- und ausländischer Behörden“77 verurteilt. Siebenpfeiffer floh aus dem Gefängnis über Frankreich in den Kanton Bern in der Schweiz. Er bekam dort einen Lehrauftrag für Politik. „Von 1842 bis zu seinem Tod (1845) lebte er in einer Irrenanstalt bei Bern.“78 Wirth war über die Flucht Siebenpfeiffers empört. Er „sah in dessen Flucht eine Kapitulation vor den Mächtigen im Staat.“79 Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis zog er in die Schweiz, um von dort als politischer Journalist auf Deutschland einzuwirken. Seit 1847 lebte er wieder in Karlsruhe. Bevor er im Juli 1848 starb konnte er noch „als Abgeordneter [...] in die Paulskirche“80 einziehen. 74 damalige Bezeichnung für das Schwurgericht der Pfalz 75 vgl. Handreichung der Landeszentrale für politische Bildung a.a.O., S. 2 76 vgl. Handreichung der Landeszentrale für politische Bildung a.a.O., S. 3 77 vgl. Handreichung der Landeszentrale für politische Bildung a.a.O., S. 4 78 vgl. Handreichung der Landeszentrale für politische Bildung a.a.O., S. 5 79 s.o. Fußn. 76 80 s.o. Fußn. 76 - 30 - 5.3 Das Ende Rheinbayerns In den 30er und 40er Jahren begann eine große Auswanderungswelle in die USA (vgl. 2.). Die daheimgebliebenen Pfälzer waren nicht mit der bayrischen Verwaltung einverstanden. Die Pfälzer verbündeten sich mit Baden, um gemeinsam für die Freiheit zu kämpfen. Die Freischärler wurden aber 1849 von preußischen Truppen vertrieben und mußten sich bis zur Gründung des Deutschen Reiches 1871 in den bayrischen Staatsverband eingliedern. 6. Die Ringstraßenarchitektur in Landau (1871) Mit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 wurde Landau entfestigt. In nur wenigen Jahrzehnten wurde durch ehrgeizige Architekten, wie Ludwig Levy, Friedrich Völker, Friedrich von Thiersch und anderen ein Architekturkomplex geplant, der heute nach Wien „das bedeutendste Ensemble einer Ringstraßenanlage des Historismus“81 darstellt. Die Anlage ist 3 km lang und 500 Gebäude sind noch heute erhalten. Alle Stilrichtungen sind vertreten: „vom späten Klassizismus über die Neugotik bis zu Neubarock und Neurennaissance“82. Später hat auch der Jugendstil Einfluß auf die Architektur genommen. Die Ausführung des Baus zeigt die große Steinmetzkunst und einen hohen Stand des Baugewerbes der Pfälzer. Die Bedeutung der Ringstraßenarchitektur liegt nicht in einzelnen Gebäuden, sondern in der Gesamtheit und des guten Erhalts der Gebäude. Nach den vielen Kriegen spiegeln die palastartigen Villen den Reichtum des städtischen Großbürgertums wider. Neu war die Gestaltung „von innen nach außen“83, d.h. man gestaltete zuerst die Innenräume und dann die Fassade. Bemerkenswert für die damalige Zeit ist auch der medizinische Aspekt. Im 81 vgl. Landesgeschichtlicher Exkursionsführer a.a.O., S. 204 82 s.o. Fußn. 79 83 vgl. Landesgeschichtlicher Exkursionsführer a.a.O., S. 205 - 31 Westen und Süden öffnete man die Stadt, um mit Licht und Frischluft epidemischen Krankheiten vorzubeugen. - 32 - Schlußbetrachtung Landau war von der Neuzeit bis 1871 immer ein Brennpunkt der Weltgeschichte. Durch die Nähe zum Elsaß und zum linken Rheinufer war Landau ein Streitpunkt zwischen Frankreich und Deutschland (bzw. Preußen). Durch den Festungsbau Vaubans war Landau viel umkämpft. Vom Westfälischen Frieden 1648 bis zum 2. Pariser Frieden 1815 war es den deutschen Staaten nie geglückt, Landau von den Franzosen zurückzugewinnen. Die Bewohner sind trotz langer französischer Besatzungszeit, auch über Generationen hinweg, nie richtige Franzosen geworden. Ihr Herz schlug immer für die Pfalz, auch wenn die Pfälzer französische Einflüsse, wie die Aufklärung, der Code Civil, etc. gerne entgegennahmen. Diese Einflüsse wirkten sich auch auf geistige Entfaltung der Pfälzer aus und führte zu wichtigen Anlässen, wie das Hambacher Fest. In der heutigen Zeit ist Landau nicht mehr Konfliktpunkt der Weltmächte, da durch die Eingliederung Landaus in das Deutsche Reich 1871 die Spannungen entschärft wurden. Chronik 1648 Westfälischer Friede ("Der Rhein als natürliche Grenze Frankreichs") 1679 Gründung der Réunionskammern und territoriales Vordringen Frankreichs (Straßburg wird 1681 französisch) 1688 - 97 Pfälzischer Erbfolgekrieg 1688 Grundsteinlegung der Festung Landau 1689 Stadtbrand in Landau ("warmes Abbrechen") 1688/89 Systematische Zerstörung der Pfalz 1692 Seesieg Englands über Frankreich am Cap de la Hogue 1697 Friede zu Ryswijk 1701 - 14 Spanischer Erbfolgekrieg 1702 Landau fällt an Österreich 1703 Landau fällt an Frankreich - 33 1704 Landau fällt an Österreich 1713 Landau fällt an Frankreich 1.9.1715 Tod Ludwig XIV. 1789 Französische Revolution 20.4.1792 Kriegserklärung Frankreichs an Österreich 26.12.1793 Schlacht am Geisberg (Frankreich nimmt Landau) 28.5.1794 Attacken von Blücher 13.7.1794 Stellungskrieg (Blücher verliert) 5.4.1795 Basler Frieden, Preußen tritt linkes Rheinufer ab, Rheinpfalz wird Departement Donnersberg 17.10.1797 Friede von Campo Formio (offiziell: Rhein ist Grenze) 1801 Friede von Lunéville (erneute Bestätigung) 23.9.1804 Napoleon erläßt den "Code Civil" 20.11.1815 Zweiter Pariser Friede, Pfalz wird zu Rheinbayern 29.1.1832 Gründung freier Pressvereine 1.3.1832 Verbot der Pressvereine 27.5.1832 Hambacher Fest 2.7.1833 Verhaftung Siebenpfeiffers und Wirths 1847 Erste pfälzische Eisenbahn 1849 Unruhen 1851 Villa Ludwigshöhe vollendet 1866 - 1918 Pfalz teilt deutsche und bayrische Geschichte und Wirtschaft 1918/19 Bayern wird Freistaat und verliert endgültig die Pfalz Personenverzeichnis zum Revolutionskrieg (s. 3.) Franzosen 1. Saint-Just Mitglied des Wohlfahrtsausschusses; gibt Befehl die Pfalz anzugreifen 2. Hoche General mit Oberbefehl über die französische - 34 Moselarmee; entsetzte Landau 1793 3. Siscé französischer Führer der Brigade Österreicher 1. Wurmser Oberbefehlshaber bis 1793; wurde von Frankreich geschlagen 2. Feldmarschall von Möllendorf (1724-1816) tritt an Stelle von Wurmser Preußen 1. Herzog von Braunschweig konnte Stellungen um Landau 1793 nicht halten 2. Gebhard Lebrecht von Blücher (1742-1819) Generalfeldmarschall 3. Erbprinz von Hohenlode- führte preußische Truppen bis zum Schänzel Ingelfingen 4. Leutnant von Ebel Führer der reitenden halben Batterie am Schänzel 5. General von Pfau kämpfte und starb am Schänzel - 35 - Gebäudebeispiele für die Landauer Ringstraßen-Architektur Villa Ufer, Straße An 44, Nr. 31: sehr repräsentativer Bau im Stil der Neurennaissance mit herrschaftlichem Portal Ehemaliges Bezirksamt, Westring 23: typischer Bau der Neurenaissance mit Symbolen der bayerischen Monarchie Villa Streccius, Südring 20: toskanisch anmutende Villa in verfeinerter Neurenaissance "Schlössel", Schloßstraße 2: neugotische Villa aus rotem Sandsteim mit Turm, aus Herxheim nach Landau transloziert Kath. Marienkirche: imposanter Bau mit Doppelturm-Fassade, Verbindung von neuromanischen und neugotischen Stilelementen Haus Mahla, Marienring 8: neubarocke Villa mit prächtigem Portal und Eckerker Justizgebäude, Marienring 13: neubarocker Palast mit Elementen des Jugendstils im Innern Villa Schwarz, Nordring 1: Formen der Spätgotik und der Neurenaissance mit Treppengiebel und Erker Festhalle, Mahlastraße: Paradebeispiel für den deutschen Jugendstil; mit qualtiätvollen Bildhauerarbeiten von Adolf Bernd aus Kaiserslautern Literaturverzeichnis 1. Das Große Pfalzbuch. 5., erweiterte Aufl. Pfälzische Verlagsanstalt. Neustadt a.d. Weinstraße, 1976 2. Geiger, Michael u.a. (Hg.): Pfälzische Landeskunde - Beiträge zu Geographie, Biologie, Volkskunde und Geschichte, Bd. 3. Landau, 1981 3. Heß, Hans: Landau in der Pfalz - Ein Abriß seiner Geschichte. Landau, o.J. 4. Kremb, Klaus und Lautzas, Peter (Hg.): Landesgeschichtlicher Exkursionsführer Rheinland-Pfalz - Regierungsbezirk Rheinhessen-Pfalz, Bd. 1. Otterbach, 1989 - 36 - 5. Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz: 27. Mai 1832 Das Hambacher Fest - Eine politisch-historische Reportage. 12. Aufl. Mainz, 1992 6. Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz: Das Hambacher Fest Handreichung. Mainz, o.J. 7. Lau, Dieter und Heyen, Franz-Josef (Hg.): Vor-Zeiten - Geschichte in RheinlandPfalz, Bd. 5. Erste Aufl. Verlag Hermann Schmidt. Mainz, 1989 8. Moersch, Karl: Geschichte der Pfalz - Von den Anfängen bis ins 19. Jahrhundert. 2. Aufl. Landau, 1987 9. Schütte, Ludwig: Die Kämpfe um Edenkoben und das Schänzel während der französischen Revolutionskriege. 3. Aufl. Eigenverlag des Heimatbundes Edenkoben e.V. Edenkoben, 1982 10. Volks-Ploetz - Auszug aus der Geschichte, Schul- und Volksausgabe. 5., aktualisierte Aufl. Verlag Ploetz. Freiburg, 1993