Möge der Gott deiner Wahl dich segnen Willie Nelson und Ryan Adams mit „Songbird“ Mit seiner sprichwörtlichen Unbekümmertheit hat Willie Nelson ein neues Album aufgenommen. Als Produzenten wählte er dafür überraschenderweise den Alternative-Singer-Songwriter Ryan Adams aus Jacksonville, North Carolina. Ein weiteres Generationen umarmendes Sänger-Produzenten-Projekt im Country, könnte man denken: so wie Johnny Cashs „American Recordings“ mit Rick Rubin. Oder Loretta Lynns Album „Van Lear Rose“ mit Jack White. Was am Ende den Nagel auf den Kopf trifft. Fantastisch ist dabei, dass Willie Nelsons und Ryan Adams´ neues Werk locker mit oben erwähnten Jahrhundertalben mithalten kann. Hier gibt es nur Gewinner „Eine Kollaboration von einem jungen mit einem alten Künstler, bei der alle gewinnen“, jubilierte RollingStone.com. Gerade weil sie unterschiedlich alt sind (73 versus 31), gerade weil sie verschiedene Wurzeln haben (Country versus Punk und Alternative Rock), sind Nelson und Adams ein Traumteam. Sie haben wunderbar persönliche Coverversionen von Leonard Cohens „Hallelujah“ und Gram Parsons „$ 1000 Wedding“ gemacht. Den Grateful Dead-Standard „Stella Blue“ coverte Adams auch schon mal als Performer, beide lieben sie die Titel von Jerry García und Robert Hunter. Nelson überarbeitete seine eigenen Songs „Rainy Day Blues“, „Sad Songs & Waltzes“ und sein Leitmotiv: „We Don´t Run“. Auf allen elf Songs spielt Ryan Adams´ Band The Cardinals. In der Tat: Sie sind ein prächtiges Gespann. Vielleicht, weil die musikalische Fläche, die Nelson und Adams gemeinsam umspannen, so weit, so schillernd und so farbenprächtig ist. Am breitesten wird der Regenbogen zwischen Song zwei und drei auf dem Album: ihrer Version von Fleetwood Macs „Songbird“ und dem exklusiv von Ryan Adams geschriebenen „Blue Hotel“. Nelsons unkaputtbar-raue Stimme knarzt dort wie alte Cowboystiefel über den manchmal verqueren Asphalt von Adams´ modern klingenden Arrangements. Ohne Ryans coole Kante würde Willies Warmherzigkeit verpuffen. Sie nehmen sich bei der Hand und bringen das Beste aus dem anderen heraus. „Songbird“ ist dementsprechend anrührend ohne jegliche Rührseligkeit. Biodiesel und Lebensweisheit Willie Nelson ist mit 73 noch schwer auf Trab. Dabei gilt er als Held des „anderen Amerika“. Zum Beispiel bewirbt er gerade seinen eigenen „BioWillie“-Biodiesel: „Der Auspuff riecht damit nach Pommes Frites und wir brauchen keine Kriege mehr um Öl zu führen.“ Dann hat er gerade seinen Lebensratgeber „The Tao of Willie“ veröffentlicht. Er unterstützt den liberalen texanischen Gouverneurskandidaten Kinky Friedman. Und obwohl er bereits über 50 Millionen Platten verkauft hat, geht Nelson immer noch endlos auf Tour: Im Herbst trat er mit John Fogerty auf, dann mit Neil Young und, ja! mit Jerry Lee Lewis auf dem Farm Aid-Festival in Camden, New Jersey. Fahr´n fahr´n fahr´n auf der Autobahn Vor wenigen Wochen hielt die Autobahnpolizei von Louisiana Nelsons Tourbus (in dem er mit Band gerade von einem Hank Williams-TributeKonzert nach Hause fuhr) auf der Interstate 10 an und beschlagnahmte die Lächerlichkeit von eineinhalb Pfund Marihuana und knapp 100 Gramm halluzinogener Psilocibin-Pilze. Nelsons Schwester Bobbie (75) und die Mitmusiker Tony Sizemore (59), Gates Morre (54) und David Anderson (50) werden nun vor den Kadi geführt. Dies sei eine skandalöse Verschwendung von Polizei- und Justizkapazität im viel dringenderen Kampf gegen den Terrorismus, monierte Nelsons Anwalt. Leben und leben lassen Möge der Gott deiner Wahl dich segnen. Leben und leben lassen, ist das Motto des Mannes mit den Buddha-Ohren, mit den besten Pippi-Langstrumpf-Zöpfen im Country. Nicht einmal über George W. Bush verliert der sanfte Althippie ein böses Wort. Als ihn ein europäischer Journalist zu einem Statement gegen den „wilden texanischen Cowboy-Präsidenten“ aufforderte, sagte Nelson nur: „Er ist gar nicht aus Texas und auch kein Cowboy, also sagen Sie nichts gegen Texaner oder Cowboys“. Dennoch wird irgendein Webmaster eine ganze Menge Arbeit mit Willies Seite auf Myspace.com haben. Von seinen um die 60.000 Freunden muss täglich so mancher schräge Spaßvogel entfernt werden, damit am Ende die Bilder von Indianern, kessen Cowboy-Pinups, Pferden, Hunden, Trucks, Herzen, Rosen und Biogemüse überwiegen. 73 und kein bisschen uncool! Ein neues Album mit Ryan Adams: noch ein ganzes Stück cooler.