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COLLASIUS
Anne Cottebrune
“Deutsche Freiheitsfreunde" versus “deutsche Jakobiner"
Zur Entmythisierung des Forschungsgebietes “Deutscher
Jakobinismus"
_______________________________________________________________________
Die französische Revolution eröffnete ein grundlegendes Kapitel in der Geschichte der
deutsch-französischen Beziehungen. Sie proklamierte universalistische Prinzipien und
weckte das politische Engagement vieler Deutscher, die sich nach einer neuen
Gesellschaftsform sehnten und eine Neudefinition der sozialen Verhältnisse anstrebten.
Vor der Entstehung europäischer Nationalstaaten löste sie eine aktive Rezeption der
revolutionären Prinzipien im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation aus. Diese
Rezeption stellte keinen einfachen Prozess der Vermittlung dar, sie bestand vielmehr aus
einem komplizierten Kulturtransfer, der im deutschsprachigen Raum viele Umdeutungen
und Wandlungen der französischen revolutionären Kultur mit sich brachte.
Dieser Kulturtransfer interessiert heute Historiker, die sich von einer traditionellen
Geschichte des Einflusses der französischen Revolution auf die Staaten des Heiligen
Römischen Reichs endgültig abwenden. Sie stellen nicht nur die paradigmatischen
Repräsentationen eines innovativen revolutionären Frankreich einerseits und eines
passiven reformatorischen Deutschland andererseits in Frage, sondern machen diese
Repräsentationen auch unkenntlich, indem sie gleichzeitig die reformatorische Dimension
der französischen Revolution und den revolutionären Inhalt der deutschen Reformen
hervorheben. Nun wird die Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen zur Zeit
der Revolution als ein großer dialektischer Prozess dargestellt.(1) Und so schleift sich der
ursprünglich scharf herausgestellte Gegensatz zwischen den beiden Wegen, die
Deutschland und Frankreich in die Moderne führten, ab. Vor mehr als dreißig Jahren war
diese Relativierung schon ein Trend in der deutschen Historiographie. Damals suchten
deutsche Historiker nach der Existenz eines “deutschen Jakobinismus", allerdings ohne
ein Bild von ihm zu entwerfen, das vom Standpunkt der aktuellen Geschichtsschreibung
aus unproblematisch bleiben würde.
Letztere beleuchtet zwar die Gemeinsamkeiten der deutschen und französischen
Transformationsprozesse im Zeitalter der Revolution sorgfältig und erfasst diese als Teil
eines gesamteuropäischen Vorganges, arbeitet aber gleichzeitig ihre politischen
Besonderheiten und Unterschiede noch deutlicher heraus. So wird der Transfer der
revolutionären Kultur nach Deutschland nun als ein weitreichender Wandlungs- und
Ausdifferenzierungsprozess behandelt. Von dieser Warte aus wird die Aufrechterhaltung
der Position einer durchgängigen Parallele zwischen dem sog. “deutschen Jakobinismus"
und seinem französischen Namensgeber schwierig.
Obwohl die aktuelle Geschichtsschreibung sich darum bemüht, diesen Transfer in seiner
ganzen Breite zu untersuchen (2), hat bisher die Frage nach der Wirklichkeit einer
deutschen jakobinischen Kultur wenig Beachtung gefunden. Noch liegt die Existenz eines
“deutschen Jakobinismus" scheinbar auf der Hand, noch wirkt das Bild deutscher
1
revolutionsfreundlicher Strömungen homogen. Schließlich haben sich die Bezeichnungen
“deutscher Jakobiner" und “deutscher Jakobinismus" seit ihrer Einführung in den 1970er
Jahren so gut eingebürgert, dass sie gang und gäbe sind und zumindest in der
historischen Zunft ohne Erklärungsbedarf verwendet werden. Sie bezeichnen ein
anerkanntes Phänomen, dessen Existenz historischer Konsens ist. Zu Unrecht, wie ich zu
zeigen beabsichtige.
Dieser Konsens steht am Ende einer Reihe von Veröffentlichungen west- und
ostdeutscher Historiker, die sich ab Ende der sechziger Jahre der Erforschung deutscher
demokratischer Traditionen vor der Revolution von 1848 widmeten. Sie waren um eine
Aufwertung dieser Traditionen bemüht, womit sie sich sowohl der konservativen
Historiographie des 19. Jahrhunderts als auch der noch vorherrschenden These des
“Sonderwegs" entgegensetzten. Die Ergebnisse ihrer Forschungen fanden ein breites
Echo und wurden weitgehend kritiklos aufgenommen.
Gegenstand
ihrer
Arbeiten
waren
vielfältige
Erscheinungsformen
der
revolutions-freundlichen Strömungen im deutschsprachigen Raum, wie z.B. lokale
Volksaufstände, die infolge der Ereignisse von 1789 aufbrachen, das Experiment der
Mainzer Republik und die Gründung von deutschen Jakobinerclubs zur Zeit der ersten
französischen Besetzung linksrheinischer Gebiete. Andere bedeutsame Beispiele waren
das Engagement der Revolutionsanhänger in Deutschland, die auch nach den ersten
revolutionären Ausbrüchen und der Hinrichtung des französischen Königs weiterhin die
Sache der Revolution verteidigten; ferner die vielen Propagandaschriften, die einen Import
der Revolution nach Deutschland forderten, oder die Bildung von konstitutionellen Clubs
im Rahmen des Projekts einer cisrhenanischen Republik ab 1797. All diese
Themen-bereiche waren bis dahin weitgehend unerforscht geblieben.
Die Tatsache, dass das Hauptinteresse darin bestand, zum ersten Mal die Genese eines
demokratischen Deutschland zur Zeit der französischen Revolution zu beleuchten und
somit das Bild eines anderen Deutschland zu erzeugen, rückte wichtige Aspekte in den
Hintergrund und führte letztendlich zu einer vereinfachten und nicht vollständig
zutreffenden Wahrnehmung der deutschen Rezeption der Revolution; hierbei dürfte das
damals vorherrschende “Dogma der bürgerlichen Revolution" die Perspektive noch weiter
beschränkt haben.
Die Historiker des “deutschen Jakobinismus" orientierten sich einseitig an diesem Dogma,
als sie nach deutschen demokratischen Traditionen suchten. Im Zeichen der Aufwertung
jener Tradition entwarfen sie ein homogenes Bild des “deutschen Jakobiners", dessen
entschlossenen Demokratismus sie ohne nähere Prüfung hervorgehoben haben. Auf
diesen Demokratismus führten sie die jakobinische Qualität seines Engagements zurück
(3), ohne sich nah genug mit der Eigentümlichkeit des jakobinischen Phänomens
auseinandergesetzt zu haben. Kann der von ihnen hervorgehobene Demokratismus als
ein entscheidendes Merkmal einer jakobinischen Kultur gelten? Inwieweit lässt sich der
Jakobinismus durch eine demokratische Haltung definieren und worin besteht sie? Ist in
dieser Hinsicht die Bezeichnung “deutscher Jakobinismus" überhaupt gerechtfertigt?
Dies sind schwierige Fragen, denn das Wort Jakobinismus" entzieht sich von vornherein
einer einfachen und klaren Definition. Es hat in Frankreich eine sehr lange Entwicklung
durchgemacht, die dafür gesorgt hat, dass seine Bedeutung heute sehr diffus ist. So
können in Frankreich bis heute Politiker sowohl des linken als auch des rechten
Spektrums als Jakobiner bezeichnet werden. (4) Es weist nicht auf eine mit scharfen
Konturen definierte Haltung hin, sondern auf eine Vielzahl von Positionen: Die
2
Unteilbarkeit der nationalen Souveränität und der Republik, die zentralisierte Staatsgewalt,
die Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz, die “Wiedergeburt" der Menschen durch die
republikanische Erziehung, die Laizität, die volontaristischen Befugnisse des Staates usw.
Weder auf der linken noch auf der rechten Seite des politischen Spektrums hat der Begriff
wirklich greifbare Umrisse, in ihm spiegelt sich das vielfältige und vielseitige Erbe der
französischen Revolution wider. Ebenso wie dieser “transhistorische Jakobinismus", so
wie Michel Vovelle ihn als “ein immer wieder neu verfasstes und stets vertieftes Leitmotiv"
(5) definiert, nicht deutlich fassbar ist, entbehrt auch der “historische Jakobinismus" einer
präziseren Definition. Michelet beschreibt die sukzessiven Epochen des Jakobinismus, als
ob diese voneinander getrennt wären: “Der primitive, parlamentarische und adelige
Jakobinismus von Duport, Barnaue und Lameth"(6), “der gemischte Jakobinismus der
republikanischen und orleanistischen Publizisten, von Brissot oder Laclos"(7) und
letztendlich “der Jakobinismus von 93, der Jakobinismus von Couthon, Saint-Just, Dumas
usw., der Jakobinismus, der Robespierre abnutzen und sich mit ihm abnutzen sollte"(8).
Wie Patrice Gueniffey unterstreicht, verbindet Barnaue, Brissot oder Robespierre nichts,
ihren gemeinsamen Hass auf das Ancien Régime einmal ausgenommen. Außer diesem
minimalen Konsens triumphieren die Unterschiede.(9) Neben dieser weiten Fassung des
Begriffes gibt es allerdings noch eine engere.
Ursprünglich weist das Wort “Jakobiner" auf einen politischen Klub hin, der sich 1789 in
einem Jakobinerkloster in der Straße Saint-Honoré niederließ und zu einem politischen
Forum wurde, in dem die verschiedenen politischen Gruppierungen und führenden
Akteure der französischen Revolution ein- und ausgingen. Infolge ihrer Radikalisierung
und der Spaltung des Klubs präzisierte sich die Bedeutung des Wortes und wurde letztlich
1793/94 nur noch mit der Wohlfahrtsdiktatur in Verbindung gebracht. So schreibt z.B.
Mona Ozouf: “Eigentlich vermischt sich im engeren Sinn der Jakobinismus weder mit der
Geschichte der französischen Revolution, noch mit der einer revolutionären
Versammlung, noch mit der des Jakobinerklubs, der anfangs konstitutionell und dann
liberal war. Das eigentliche historische Territorium der jakobinischen Macht beschränkt
sich auf die 14 Monate der Wohlfahrtsdiktatur". Im 1988 erschienenen Kritischen
Wörterbuch der Revolution stützt sich auch François Furet auf diese engere Bedeutung.
Er unterstreicht, dass “die Rolle des Jakobinerklubs in der Zeit zwischen Ende 1792 und
1794 so beherrschend war, dass ein Jakobiner einem Anhänger der Wohlfahrtsdiktatur
gleichzusetzen ist.(10) In der aktuellen Historiographie und Sekundärliteratur wird diese
engere Definition oft bevorzugt, der Begriff wird mehr oder weniger stillschweigend mit der
Wohlfahrtsdiktatur verknüpft. Somit wird er mit einem radikalen Demokratismus in
Verbindung gebracht. Wie lässt sich aus dieser Perspektive heraus der Jakobinismus
präziser definieren? Mit welchem radikalen Demokratismus lässt sich die Politik der
Wohlfahrtsdiktatur identifizieren?
In den Jahren 1793 und 1794, in der Zeit, als das revolutionäre Frankreich von der
Wohlfahrtsdiktatur regiert wurde, übte die jakobinische Elite eine scharfe und
systematische Kritik an jeglicher Begrenzung des Gleichheitsprinzips. Sich auf die
revolutionäre Gärung stützend, rühmte sie darüber hinaus die Einheit des Volkes. Jene ist
nicht als eine arithmetische Summe von Individuen, sondern als ein Gesamtkorpus zu
verstehen. In dieser Verbindung zwischen egalitärer Utopie und einheitlicher Konzeption
der Gesellschaft erhält der Jakobinismus seine Eigentümlichkeit und innere Qualität. So
löst er sich radikal vom individualistischen Postulat der Aufklärung. Für Furet ist diese
Entwicklung sowohl auf die Philosophie von Rousseau und seinen Begriff der “Volonté
générale" (Gemeinwille) als auch auf die revolutionäre Konjunktur zurückzuführen. Der
Revolutionsausbruch erzeugte ein Machtvakuum und provozierte so das
3
Zusammen-prallen von Machtinteressen der Revolutionsanhänger, was laut Furet
schließlich für eine Radikalisierung der Revolution gesorgt hat.(11)
Wenn die Entfaltung der jakobinischen Kultur in Frankreich mit einem philosophischen
Erbe und den Auswirkungen von Konflikten zwischen Anhängern der Revolution
verbunden ist, ist es dann legitim, die politische Kultur der treuesten deutschen Anhänger
der Revolution als jakobinisch zu bezeichnen? Während in Frankreich die Revolution eine
Auseinandersetzung zwischen Anhängern der Revolution eröffnete, definierten die
deutschen Anhänger der Revolution ihre Positionen stets in einer Konfrontation mit den
überlegenen Gegnern der Revolution, die sie verfolgten und sie nicht politisch aktiv
werden ließen. Vor diesem Hintergrund stellt sich zuerst die Frage nach der
Entfaltungsmöglichkeit einer jakobinischen Kultur im Heiligen Römischen Reich deutscher
Nation.
Während sich in Frankreich “wirtschaftliche Probleme, soziale Spannungen und politische
Konflikte zu kompakten Krisenfeldern verdichteten, deren Zusammentreffen einen
revolutionären Prozess auslöste, verschränkten sich im Heiligen Römischen Reich die
geistigen Auseinandersetzungen, politischen Gegensätze und sozialen Unruhen nicht
miteinander, blieben lokal und regional begrenzt, gewannen keine Dauerhaftigkeit und
mündeten somit nicht in eine Revolution ein.(12) So gab es im deutschsprachigen Raum
eine “gedrängte Evolution", aber keinen scharfen Bruch wie in Frankreich, um Werner K.
Blessing zu zitieren.(13) Die vereinzelten Volksaufstände, die infolge der Ereignisse von
1789 ausbrachen, bauten meistens auf alten Konflikten auf und führten nicht zu einer
Umwandlung der politischen Strukturen, zu einer Neudefinition der sozialen und
rechtlichen Verhältnisse. Für die Proteste waren der alte Erfahrungsbereich und sogar das
geltende Reichsrecht noch bestimmend. Vor allem brachten sie keine Forderung nach
einer Aufhebung der Leibeigenschaft. (14) Während der zweiten Besatzung des
linksrheinischen Ufers durch die Franzosen blieb die Bildung von konstitutionellen Klubs
nur vorübergehend. Ins Leben gerufen, um die Vereinigung der linksrheinischen Gebiete
mit dem republikanischen Frankreich zu fördern, waren sie ein Instrument der
französischen Politik und kein eigentliches Produkt lokaler Radikalisierung. In
Deutschland, wo die Voraussetzungen für die Entstehung einer revolutionären Bewegung
nicht vorhanden waren, war also die Entfaltung einer jakobinischen Kultur möglich?
In diesem Zusammenhang besitzt die Geschichte der Mainzer Republik einen
außerordentlichen Stellenwert. Als erste Republik auf deutschem Boden ermöglichte sie
deutschen Anhängern der Revolution, ihre oppositionellen Tätigkeiten gegen eine
konkrete Erfahrung der revolutionären Praxis auszutauschen.
Kann die Mainzer Republik vor diesem Hintergrund als die Geburtsstunde eines
deutschen Jakobinismus angesehen werden?
1
Die Mainzer Republik: die Geburtsstunde eines “deutschen Jakobinismus"?
In Mainz konnten zwar deutsche Revolutionsanhänger Akteure einer Umgestaltung der
bestehenden Strukturen werden. Allerdings stellt sich die Frage, inwieweit sie wirklich
“Revolutionäre" sein konnten, schließlich gab es in der Welt, in der sie lebten, weit und
breit keine Revolution. Die Umstände bzw. das Ausbleiben einer revolutionären Bewegung
4
scheinen eine entscheidende Rolle gespielt zu haben, denn die fehlende Mobilisierung
der Volksschichten in Mainz veranlasste bei den Mainzer Anhängern der Revolution zwar
eine politische Betätigung, die sich allerdings nicht wesentlich vom Engagement anderer
deutscher Anhänger der Revolution unterscheidet, welche isoliert blieben. Jene
Betätigung drückt sich in erster Linie durch eine literarische Aufklärungsarbeit aus.
Selbst in Mainz, wo die Anhänger der Revolution den Schutz und die Unterstützung der
französischen revolutionären Armee von Custine -dem französischen General, der im
Oktober 1792 Mainz erobert hatte -genießen konnten, blieb das politische Experiment der
“Mainzer Republik" von beschränktem Ausmaß. Seine Grenzen werden insbesondere
anhand der Aktivitäten des dort zwei Tage nach Ankunft der Franzosen errichteten
Jakobinerklubs deutlich: Sie bestanden ausschließlich in Aufklärungsarbeit über die
Prinzipien der Revolution für die unteren Volksschichten, während der Pariser
Jakobinerklub darüber hinaus vor allem der Vorbereitung der parlamentarischen Debatten
im Nationalkonvent diente und sehr früh ein politisches Forum für die führenden
Revolutionäre war. Im Gegensatz zum Pariser Klub unterließ es der Mainzer Klub offenbar
absichtlich, sich aktiv in die öffentlichen Angelegenheiten einzumischen und sich Teile der
Befugnisse der auf Anlass von Custine errichteten Allgemeinen Administration (15) zu
erstreiten. “Die in der Aufklärung wurzelnde Ausgangsvorstellung, durch bloße
Belehrung - auch durch das eigene Beispiel - die Denkungsart der Menschen und damit
die Welt gründlich verändern zu können", betont Heinrich Scheel in seiner Monographie
über die Mainzer Republik, “ließ den Klub vor Aktivitäten zurückscheuen, die in staatliche
Belange hineinreichten und als unstatthafte Kompetenzüberschreitungen empfunden
wurden."(16) Sehr schnell machte sich der Effekt der konterrevolutionären Propaganda
nach der Zurückeroberung von Frankfurt im Dezember 1792 bemerkbar. Schon in der
zweiten Januarhälfte 1793 verlor der Mainzer Klub eine beträchtliche Zahl seiner
Mitglieder. Im März war diese Entwicklung so weit fortgeschritten, dass der französische
Nationalkommissar des Pouvoir exécutif, Simon (17), seine Auflösung anordnete.
Gleichzeitig rief er zur Gründung eines neuen Klubs auf, er strebte damit eine Entfernung
aller gemäßigten Elemente aus dem bestehenden Klub an. Der Übergriff des
französischen Kommissars zeigt eindrucksvoll die fehlende Autonomie des Klubs durch
die Abhängigkeit von der französischen Besatzungsmacht. Im Gegensatz zum Projekt des
Mainzer Klubisten Christoph Friedrich Cotta (18), der für die Gründung des neuen Klubs
voraussetzen wollte, dass die neuen Mitglieder keine öffentlichen Ämter bekleideten (19),
wollte der Kommissar Simon, dass dieser neue Klub wie in Paris der Vorbereitung der
parlamentarischen Debatte im Rheinisch-Deutschen Nationalkonvent diente. Dieser
Konvent sollte am 17. März 1793 seine Arbeit aufnehmen. Als der neue Klub, die sog.
“Société des Allemands libres", in den letzten Märzwochen des Jahres 1793 vermutlich
diese Funktion ausübte, wurde ihren Aktivitäten fast gleichzeitig mit der Belagerung der
Stadt durch die preußischen Truppen ein Ende gesetzt. So spielte die militärische
Entwicklung eine entscheidende Rolle, sie verhinderte plötzlich und heftig die Entfaltung
von politischen Aktivitäten in Mainz.
Es wäre unzutreffend, vor diesem Hintergrund von einem Ausbleiben jeglicher
Radikalisierung auszugehen. Dennoch muss sie relativiert werden. Zwar zeichnete sich in
Mainz im Laufe der französischen Besatzung eine Verschärfung der Maßnahmen gegen
die Revolutionsgegner ab und somit eine Radikalisierung des politischen Kurses, die
letztendlich zu Sondermaßnahmen führte. Diese Entwicklung muss aber zum größten Teil
als eine Folge des besonderen Status von Mainz interpretiert werden, das als besetztes
Gebiet unter das Dekret vom 15. Dezember 1792 fiel. Diesem Dekret zufolge war die
systematische Abschaffung der Privilegien für Adel und Klerus in den besetzten Gebieten
vorgesehen, was der Volksrepräsentant Cambon in Paris mit Eifer unterstützt hatte. Die
5
Umsetzung zweier Dekrete in den letzten Tagen des Rheinisch-Deutschen
Nationalkonvents, die u.a. die Deportation der Oppositionellen über den Rhein und die
rücksichtslose Beschlagnahmung der Güter der Emigranten verordnete, kann nicht allein
auf die Eigeninitiative der lokalen politischen Akteure zurückgeführt werden, sie ist vor
allem eine Folge des Dekrets vom 15. Dezember 1792 (20). Sie hat weniger mit einer
Eigendynamik des lokalen politischen Kurses zu tun als mit einer Nachahmung der schon
länger in Frankreich ausgeübten Politik gegen die Gegner der Revolution. Dort gehörte die
Deportation sehr früh zu den im “code pénal" aufgeführten Strafen. (21) Am Anfang betraf
sie nur die königliche Familie, danach wurde sie durch mehrere legislative Akte
ausgeweitet. Auch die Beschlagnahmung der Güter der Emigranten wurde vorher in
Frankreich beschlossen. (22)
Auch wenn die lokalen Akteure offenbar eine aktive Rolle in der Ergreifung radikaler
Sondermaßnahmen gegen ihre Gegner spielten - die mangelnde Wahlbeteiligung zum
RheinischDeutschen Konvent und die Proteste der einheimischen Bevölkerung gegen die
neuen Einrichtungen mögen sie dazu bewogen haben - , sollte man nicht die Rolle der
französischen Kommissare aus dem Blick verlieren, die die Deportationen unmittelbar
förderten. Bis zum Scheitern der Mainzer Republik blieb der Spielraum der Mainzer
Akteure beschränkt, da sie sich nicht auf eine lokale revolutionäre Bewegung stützen
konnten. Wie dem auch sei, in der ersten Monaten der Besatzung wagten es einige, sich
gegen die Besatzungsmacht zu behaupten und vorüberge hend Eigeninitiative zu
ergreifen. Sehr schnell wurde Custine vorgeworfen, sich von der revolutionären
Propaganda abgewen det zu haben und sich nur auf die militärischen Ziele zu konzent
rieren. Seine militärische Führung und Unbeweglichkeit wurde nach der Wiedereroberung
von Frankfurt zunehmend kritisiert.
Nachdem die Kommissare der Armee das Vermögen des Kurfürsten beschlagnahmt
hatten, drängten einige Mainzer zur schnellen Annahme der französischen Konstitution
und riefen die Bevölkerung zur Wahl. Dadurch hofften sie, der Bevormundung durch die
Besatzungsmacht sobald wie möglich zu entgehen, die Souveränität der besetzten
Gebiete zu proklamieren und das Vermögen des Kurfürsten zurückzugewinnen. (23) Die
Bevormundung und die Unbeweglichkeit von Custine, der mit der alten Elite der Stadt
verhandelte, schürten die Unzufriedenheit der lokalen Akteure und sorgten vorübergehend
für die Verschärfung ihrer Positionen. Im Januar 1793 wehrte sich Georg Forster (24) - zu
dieser Zeit Präsident des Mainzer Jakobinerklubs - in einem Rechenschaftsbericht
entschieden gegen das herabwürdigende Ansinnen Custines, die provisorisch errichtete
Mainzer Behörde der Allgemeinen Administration als bloßen Vollstrecker militärischer
Befehle missbrauchen zu wollen. (25) Aus derselben Unzufriedenheit gegen Custine
erklärt sich das Verhalten des Klubisten Andreas Joseph Hofmann (26) während der viel
diskutierten Sitzungen vom 10. und 11. Januar 1793 im Klub, in denen er für heftige
Polemik sorgte und prominente Mitglieder angriff. In diesen Sitzungen prangerte er die
Räubereien der Kriegskommissare und die folgsame Zusammenarbeit einiger Mainzer mit
den Franzosen an, u.a. des führenden Klubisten Joseph Anton Dorsch (27). So erscheint
die Radikalisierung einiger Mainzer Anhänger der Revolution nicht als das Ergebnis einer
Auseinandersetzung mit der revolutionären Praxis, sie ist vielmehr auf einen Konflikt mit
den französischen Machthabern und auf die besondere Situation eines unter dem Dekret
vom 15. Dezember 1792 unterworfenen Gebiets zurückzuführen. Unter diesem
Blickwinkel ist es problematisch, von der Existenz einer jakobinischen Kultur in Mainz und
im Heiligen Römischen Reich auszugehen. Wenn die Mainzer Radikalisierung nicht
vergleichbar mit der französischen ist, die in den sich überschlagenden Ereignissen der
Revolution entstand und in einen konsequenten Demokratismus mündete, inwieweit
unterscheiden sich die politischen Ansichten der Mainzer Revolutionsanhänger von
6
denjenigen der Revolutionäre in Frankreich? Wie eigneten sie sich die revolutionären
Prinzipien an?
Wie oben schon angedeutet, beschränkte sich in Mainz die Beziehung der
entschiedensten
Revolutionsanhänger
zu
den
unteren
Volksschichten
auf
Aufklärungsarbeit. Sie bemühten sich, die revolutionären Prinzipien bekanntzumachen,
und entwickelten in ihren Flugschriften eine liberale Interpretation der Menschenrechte.
Am Anfang ihrer politischen Überzeugung stehen freiheitliche Gedanken. Sie sind
Bestandteil einer Weltanschauung, in der die menschlichen Talente und Fähigkeiten eine
entscheidende Funktion haben. Ihre freiheitliche Entfaltung verspricht nicht nur ständigen
Fortschritt, sie soll die Gesellschaft gar zum Wohlstand führen. So weisen eine Vielzahl
von Mainzer Klubisten wie die Physiokraten auf den schöpferischen Pluralismus der
menschlichen Talente hin und somit auf die großartige Bereicherung, die die Vernichtung
der Privilegien sowie die Abschaffung des Zunftsystems und der Zollschranken zur Folge
haben sollen. Ihnen zufolge wird die französische Besatzung zu einer regen
ökonomischen Dynamik ihrer Region führen, die es vorher nie geben konnte, in einer
Gesellschaft, in der die menschlichen Fähigkeiten nicht gefördert wurden. Um diese
Dynamik aufrechtzuerhalten, darf jedoch dem fruchtbaren Wetteifer der menschlichen
Talente kein Einhalt geboten werden. Vor diesem Hintergrund wird die Gleichheit stets als
ein vom Freiheitsprinzip abgeleitetes Prinzip verstanden. Weit davon entfernt, die
Perspektive eines materiellen Ausgleichs zu verbergen, definiert sie den Rahmen, in dem
die Menschen ihre Freiheit genießen können und sich am besten gemäß ihrer natürlichen
Begabungen entwickeln können. Sie wird lediglich als eine Gleichheit der individuellen
Autonomie verstanden. Praktisch wird sie oft als eine Gleichheit aller Bürger vor der
einheitlichen Gesetzgebung verstanden. Aus dieser Perspektive heraus verurteilt z.B.
Mathias
Metternich
(28)
ein
führendes
Mitglied
des
Mainzer
Jakobinerklubs - ausdrücklich die Perspektive eines materiellen Ausgleichs der Individuen,
da er den Wert des Verdiensts sowie des Fleißes zugrunde richten würde und somit die
menschlichen Fortschritte auf dem Weg zum Wohlstand und zur sozialen Glückseligkeit
behindern würde. In seiner prorevolutionären Zeitschrift “Der Bürgerfreund" veröffentlicht
er einen fiktiven Dialog, um dem einfachen Volk sein Gleichheitsprinzip zu erläutern. So
antwortet er auf den Protest eines verarmten Gesprächspartners, der sich über den
angehäuften Reichtum seines Nachbarn aufregt:
“Wenn man arbeitsam und sparsam ist, so besitzt man zwo Hauptbürgertugenden, und
diese Tugenden machen gewöhnlich reich; und wenn man nun das Gut und Geld,
welches die Tugend erwarb, wieder wegnehmen wollte, ja da wäre die Tugend beleidigt,
und also ein Laster. Es hätte auch die Folge, dass kein Mensch mehr arbeiten und sparen
würde; das wäre dann eine abscheuliche Gesellschaft auf der Welt, wo man hungern oder
stehlen müßte." (29)
Für Metternich soll also der Wohlstand eines Individuums im Verhältnis zu seiner
Arbeitsleistung stehen. Nach diesem Verständnis scheint die potentielle materielle
Ungleichheit keine Grenze zu haben. Sie ist zulässig, so lange sie die Freiheit der
Individuen nicht gefährdet. Sie darf allerdings nicht Ausmaße annehmen, die die
Autonomie der Bürger gefährden. So schreibt z.B. der Klubist Georg Wedekind (30) in
einer Rede vom 26. Februar 1793:
“Manche leiden an dem Wahne, als brächte die Gleichheit auch eine gleiche Austeilung
der Güter mit sich, da sie sich doch nur auf die Personen erstreckt. Es muss einmal Arme
und Reiche geben, wenn der Fleiß seine Belohnung finden, wenn wir nicht alle in Trägheit
versinken sollen. Die Gerechtigkeit muss der Gleichheit zur Seite stehen. Jene will, dass
7
alles, was mir mein Fleiß auf eine niemanden kränkende Weise erwirbt, mein Eigentum
sei; sie will, dass ich davon keinen Gebrauch machen und es meinen Kindern hinterlassen
kann; diese Gleichheit aber, macht es mir zur Pflicht, dass ich mich wegen meines
Reichtums nicht über andere erhoben dünke und mir ein größeres Maß von Freiheit
zueigne."(31)
Aus dieser Sichtweise ist “Gleichheit" als “Gleichheit an Autonomie" zu begreifen. Eine
Voraussetzung hierfür sehen die Klubisten darin, dass Individuen den gleichberechtigten
Anspruch des anderen auf Autonomie respektieren. In diesem Sinne stützen sich die
Mainzer Klubisten auf einen Moralismus kantischer Herkunft: Für Metternich “besteht die
Freiheit darin, dass jeder alles thun darf, was keinem andern schadet" (32). Bei Georg
Forster erhält die Freiheit einen etwas strenger formulierten moralischen Inhalt. Er fordert
nicht nur die Individuen auf, ihre Unabhängigkeit gegenseitig zu respektieren, sondern ruft
sie auch auf, fleißige Zeitgenossen zu sein:
“Ein jeder will also frei sein; aber die wenigsten bedenken, dass frei sein nicht heißt:
faulenzen oder ohne Gesetz herumlaufen, oder dem Nachbarn ungestraft schaden tun,
sondern es heißt: dem Gehorsam leisten, wie ein guter, frommer Mensch arbeiten, und
mit seinem Fleiß Weib und Kind ernähren, andern Menschen Hilfe und Schutz geben. [...]
Den Leuten alles das zu tun, was Ihr wollt, dass sie Euch tun sollen." (33)
Selbst wenn sie (so definiert) eine moralische Pflicht impliziert, ist die Freiheit auch bei
Forster nicht von einer Solidarität abhängig, die die Interessen der Individuen denen der
Gemeinschaft unterordnet. Sie beruht weiterhin auf dem individualistischen Postulat der
Aufklärung und besteht in der Fähigkeit jedes einzelnen Bürgers, die Wahrheit des
moralischen Prinzips zu erkennen. So bleibt den Mainzer Klubisten eine einheitliche
Konzeption der Gesellschaft und der nationalen Souveränität weitgehend fremd, die sehr
früh in Frankreich eine zentrale Bedeutung erlangte. In den parlamentarischen Debatten
um die Erklärung der Menschenrechte bestimmte diese Konzeption sogar ein
anthropomorphes Bild der Nation:
“Die Nation, so schreibt der Abbe Sieyès (34) an einer Stelle, [entspricht] genau dem
Einzelnen im Naturzustand [...], der ohne Schwierigkeit alles für sich selbst ist. Der
einzelne wie die Nation brauchen zu ihrer Leitung eine Regierung:.beim einzelnen hat die
Natur dafür gesorgt, sie hat ihm einen Willen gegeben, um zu überlegen und sich zu
entscheiden, Arme, um zu handeln, und schließlich Muskeln, um die ausführende Gewalt
zu unterstützen. Eine Nation dagegen, die ja nur ein künstlich geschaffenen Körper ist,
erhält gemeinschaftlichen Willen, Handlungsfähigkeit und Kraft erst durch ihre Glieder.
Aber das Resultat der Errichtung entspricht trotzdem genau dem Ergebnis, das aus der
Natur hervorgeht. Durch ihr künstliches Hirn, ihre künstlichen Arme und Muskeln ist die
Nation ganz genauso `alles für sich selbst'."(35)
Wie Marcel Gauchet erkannte, hatte “die Metapher Erfolg. Sie erfuhr eine besonders
erstaunliche Erweiterung in der Rede von Rabaut Saint-Etienne am 4. September 1789
über das königliche Veto (36). In dieser Rede wurde sie als Argument gegen die
Aufteilung der gesetzgebenden Gewalt in zwei Kammern verwendet. "(37)
Mit einem solchen Bild der Nation konnten die Revolutionäre in Frankreich vor der
königlichen Autorität als vereint erscheinen und somit die Legitimität der Monarchie besser
in Frage stellen. Mit der Flucht des Kurfürsten war in Mainz die Gefahr eines Konflikts mit
der Autorität frühzeitig gebannt worden. Vor allem aber besaßen die Mainzer Klubisten ein
tiefes Vertrauen in die harmonische Wirkung der menschlichen Talente und individuellen
8
Interessen, so dass bei ihnen die Idee einer einheitlichen Nation oder Souveränität keine
Rolle spielte. In den Debatten des Mainzer Jakobinerklubs wird die Legitimität des
Gesellschaftsvertrages nicht mit dem Willen einer vereinten Nation begründet, sondern
vielmehr mit der Fähigkeit jedes einzelnen Bürgers, die Richtigkeit der Vertragsgrundlagen
zu erkennen. Die Idee der Souveränität wird nicht durch eine vereinte Nation verkörpert,
sie bleibt ein abstrakter Bestandteil des politischen Denkens der Klubisten, der von der
Vernunft allgemein erkannt werden kann. Hier liegt der entscheidende Unterschied der
Mainzer Debatten zu der Entwicklung des revolutionären Denkens in Frankreich, das - wie
Furet zugespitzt formuliert - “keinen Ausweg kennt, der auf die letztliche Harmonie der
Interessen und die Gemeinnützlichkeit bestimmter Konflikte hinausläuft. Selbst wo er sich
der Ökonomie zuwendet, etwa einer liberalen ökonomischen Theorie, wie im Falle der
Physiokraten, muss es den Gesellschaftsbereich in einem einheitlichen Bild verkörpern,
nämlich in der rationalen Autorität des legalen Despotismus."(38) Im Gegensatz dazu
entwickelten Mainzer Klubisten Positionen, die ihr Vertrauen in die spontane Vereinbarkeit
der individuellen Interessen und Begabungen widerspiegeln. Weit davon entfernt, das
gesellschaftliche Gleichgewicht und den Wohlstand zu gefährden, kann in ihren Augen
das Zusammenwirken von individuellen Interessen den Wohlstand sogar befördern.
Letztlich ist für den Klubisten Mathias Metternich die menschliche Ungleichheit an
Talenten und Begabungen nicht willkürlich, sondern ein notwendiger Bestandteil der
göttlichen Schöpfung. Dadurch wird ein Fortschrittsprozess eingeleitet, der seine Dynamik
gerade aus der Verschiedenheit der individuellen Begabungen erhält:
“Es ist nun in der ganzen Schöpfung Gottes so, dass Verschiedenheit bey lebenden und
leblosen Geschöpfe herrscht und wenn man darüber denkt, so entdeckt man in eben
dieser Verschiedenheit große Weisheit und Vollkommenheit. Nun wie würde das doch so
toll und verderblich von Menschen behandelt seyn, wenn sie diese Verschiedenheit zu
einer Gleichfömigkeit, oder (wenn du willst) zur Gleichheit machen wollten. Diese
Verschiedenheit herrscht [...] unter der gesamten Volksmenge eines Staates. Diese
Volksmenge oder die Nation muß, wenn sie selbst ein kluger Haushäher seyn will, die
verschiedenen Talente zu dem brauchen, wozu sie da sind. Der eine hat Anlage vermittels
Stimmen, Geduld und Kopfhaltigkeit zu einem Volkslehrer; aber ihm fehlt der Muth zum
Krieger." (39)
Der Glauben an die weise Bestimmung der menschlichen Verschiedenheit fällt mit einer
christlichen Interpretation der Menschenrechte zusammen; die grundlegend anders ist als
das französische Verständnis. Viele Erklärungen über die Menschenrechte, welche im
Klub vorgetragen und als Flugschrift von den Mainzer Klubisten veröffentlicht wurden,
weisen auf die christliche Weltanschauung ihrer Autoren hin, die in ihrer Argumentation
der göttlichen Vorschrift des Evangeliums einen höheren Stellenwert zuweisen. Dabei
wollen sie nicht nur die Übereinstimmung des Naturrechts mit der christlichen Religion
aufzeigen, sondern den Inhalt der Menschenrechte durch die Heilige Schrift definieren. In
seiner Flugschrift “Die Rechte des Menschen und Bürgers" verknüpft z.B. Wedekind die
bereits oben erläuterte Definition der Freiheit unmittelbar mit der Lehre des Christentums:
“Die Freiheit besteht darin, tun zu können, was niemand anders schadet. Dieses Recht
der Freiheit erhält seine Anwendbarkeit durch den Grundsatz der Sittenlehre: jede deiner
Handlungen müsse so beschaffen sein, dass sie als Gesetz für alle Vernünftigen Wesen
angesehen werden kann. Eine Folgerung aus diesem Grundsatz der Moral ist die
Christuslehre: was ihr nicht wollt, das euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch
nicht."(40)
9
Aus dieser Sicht heraus heben viele Klubisten die moralische Nützlichkeit der christlichen
Religion hervor. Für den Geistlichen und Kaplan Münch aus Wöllstein, auch ein Mitglied
des Jakobinerklubs, lehrt sie “nichts gegen das Naturrecht, sie ist vielmehr eine erweiterte,
versinnlichte, erhöhte Naturreligion. “(41) In diesem Zusammenhang unterstreicht er den
positiven Einfluss der Religion auf die Gesellschaft, vorausgesetzt, dass sie zu ihrer
ursprünglichen Reinheit zurückgeführt wird. Er fordert den Erhalt eines geistlichen
Standes, gleichzeitig aber auch die Abschaffung der Privilegien des Klerus. Für Forster ist
die christliche Religion eine “Ergänzung der Sittenlehre, worauf Menschenglück
beruhe"(42). Auch Dorsch ist der Meinung, dass der Wohlstand von der Erfüllung des
christlichen Gesetzes abhängt.(43) Nach Ansicht des Klubisten Anton Fuchs (44) kann der
gesellschaftliche Frieden nur erzielt werden, wenn die Menschen sich nach der
Gottes- und Nächstenliebe richten:
“Der unnachahmliche Lehrer des Christentums hat uns die Liebe Gottes und des
Nächsten als das größte und vorzüglichste Gesetz hinterlassen, ohne welche kein Frieden
hienieden staathaben kann. Der Friede, die Gemütsruhe für sich selbst und das trauliche
Verständnis mit unserem Nebenmenschen ruhet ganz auf dieser Stütze."(45)
So erhält letztlich das Freiheitsprinzip einen moralischen Inhalt christlicher Natur. Eine
christliche Interpretation der Menschenrechte können die Mainzer Klubisten dazu nutzen,
die Ängste der Bevölkerung vor den revolutionären Prinzipien zu zerstreuen und der
Unbeweglichkeit der Mainzer Unterschichten ein Ende zu setzen. Sie entspricht aber vor
allem ihrer tiefen Überzeugung und Weltanschauung, die sich auch in ihrer Interpretation
der Revolution widerspiegelt.
Während die Mainzer Klubisten darum bemüht sind, die zentrale Rolle der Religion neu zu
definieren, ist die Diskussion in Frankreich um ihre Rolle von vornherein kontrovers. Sie
erhält in den Debatten um die Erklärung der Menschenrechte im Sommer 1789 einen
ganz anderen Stellenwert. Als die Präambel der Erklärung der Menschenrechte das
Prinzip einer Anrufung an das oberste Wesen erwähnte, sorgte es für einen Disput
innerhalb des 6. Büros der konstituierenden Versammlung, das mit der Redaktion der
Erklärung beauftragt worden war. Im Gegensatz zu den Anhängern einer solchen
Anrufung wollten sich einige ausschließlich auf die Natur als höchste Autorität berufen.
In seiner Wortmeldung vom 20. August 1789 unterstreicht der Abgeordnete Laborde die
natürliche Herkunft der Menschenrechte und vertritt eine Position, die vom Abbé
Sieyès(46) am konsequentesten verteidigt wurde. Dieser beurteilte die Anrufung an Gott
als “unnütz, sogar als kindisch", da “der Mensch allein wegen seiner Kondition als Mensch
seine Rechte besitzt" und weil “sie die Folge und die Übereinstimmung seiner moralischen
und physischen Fähigkeiten sind."(47) Dieses Verständnis der Menschenrechte wird von
einer säkularen Vision geleitet, die das Selbstverständnis der Revolutionäre in Frankreich
als Akteure des Zeitgeschehens mitprägte und in keiner Form bei den Debatten des
Mainzer Jakobinerklubs in Erscheinung getreten ist. Dadurch unterscheiden sich
die.politischen Ansichten der Mainzer Klubisten grundsätzlich von denjenigen der
Revolutionäre in Frankreich. Ihre christliche Weltanschauung bestimmt eine freiheitliche
Interpretation der Menschenrechte, die mit einem radikalen Demokratismus unversöhnlich
erscheint. Wie kann man unter diesen Voraussetzungen erklären, dass die Mainzer
Klubisten trotz der Erfahrung des Terrors die Sache der Revolution weiter verteidigten?
Warum hielten sie an ihrem revolutionären Engagement fest? Bedeutet es, dass sie im
Zeichen der Radikalisierung der Revolution zu Anhängern der Wohlfahrtsdiktatur wurden?
Löste das revolutionäre Paris eine Radikalisierung ihrer politischen Ansichten aus,
nachdem sie im wenig umstürzlerischen Mainzer Umfeld vergeblich versucht hatten, der
10
Revolution den Weg zu ebnen? Nach der Zurückeroberung von Mainz gelang es vielen
Klubisten, ins Exil nach Frankreich zu entkommen. Darunter war eine nicht
unbeträchtliche Anzahl, die sich nach Paris begab, dort mit der revolutionären Realität
unmittelbar konfrontiert wurde und die Möglichkeit erhielt, sich an der großen Revolution
zu beteiligen. Ließ diese Erfahrung sie zu Jakobinern werden?
Diese Fragestellung verdient es - allein wegen der bescheidenen Überlieferung von
schriftlichen Zeugnissen, die die Wahrnehmung der revolutionären Realität reflektieren -,
auf die Gruppe der Deutschen erweitert zu werden, die sich ebenfalls aus politischen
Gründen in Paris aufhielten und als “deutsche Jakobiner" bezeichnet wurden. Viele davon
waren bereits zu Beginn der Revolution nach Paris gegangen - wie der Schlesier Konrad
Engelbert Oelsner - , um dort als freier Mensch zu leben und sich über die revolutionären
Ereignisse eine fundierte Meinung zu bilden, oder - wie im Fall des jungen
Württembergers Georg Kerner oder des Franken- Georg Friedrich Rebmann - um der
Verfolgung durch die Gegenrevolutionäre in ihrer Heimat zu entkommen. Genau wie die
Mainzer Klubisten wurden sie von ihren Gegnern als “Jakobiner" eingestuft, da sie im
Gegensatz zur Mehrheit der deutschen Aufklärungselite auch nach der Radikalisierung
der Revolution an ihrem Engagement festhielten. Nun möchte ich zeigen, dass die
scheinbare Kontinuität ihres Engagements keineswegs mit einer notwendigen
Zustimmung zum gesamten Revolutionsverlauf - insbesondere zur Phase des
Terrors - bzw. mit einer aktiven Rezeption der jakobinischen Kultur gleichzusetzen ist.
2
Deutsche politische Exilanten und die Radikalisierung der Revolution 1793/94:
Die Rezeption einer jakobinischen Kultur?
In der deutschen Jakobinerforschung ist ihr Verhältnis, wie übrigens auch das der Mainzer
Klubisten, zur Terrorzeit und zur jakobinischen Wohlfahrtsdiktatur der Jahre 1793/94 oft
unberücksichtigt geblieben, und wenn dies doch der Fall war, nicht differenziert genug
behandelt worden. Zu pauschal fallen die Darstellungen der Historiker aus, die bemüht
sind, die feste Kontinuität ihres revolutionären Engagements in den Vordergrund zu
stellen. In einem Artikel über den Pfälzer Christian Friedrich Laukhard betont
Hans-Werner Engels Laukhards Zustimmung zur Jakobinerdiktatur. (48) Sich auf dieses
Beispiel konzentrierend, vertritt er darüber hinaus die These, dass eine Vielzahl von
Deutschen - u.a. die, die in den Revolutionsarmeen mitkämpften - ebenso wie Laukhard
mit der Jakobinerdiktatur einverstanden waren. (49) Aufgrund der Quellenlage erweist es
sich indes als unmöglich, nachzuvollziehen, inwieweit diese Deutschen über die
politischen Maßnahmen, die in Paris getroffen wurden, informiert waren und welches
Verhältnis sie eventuell zu ihnen entwickelten. Ihre reine Anwesenheit in den
Revolutionsarmeen kann nicht als ein Zeichen ihrer Zustimmung zur jakobinischen
Wohlfahrtsdiktatur interpretiert werden.
Die Legitimierung der Revolution und das Festhalten an einem revolutionären
Engagement setzt nicht notwendigerweise die Zustimmung zum gesamten
Revolutionsverlauf voraus. Das weitere Eintreten für die französische Revolution zur Zeit
11
der jakobinischen Wohlfahrtsdiktatur und nach dem Sturz von Robespierre im Thermidor
weist nicht unbedingt auf ein positives Verhältnis zum Terror hin. Außerdem kann das
nachthermidorianische
Engagement vieler Mainzer und anderer deutscher
Revolutionsanhänger zugunsten Frankreichs und seiner Revolution nicht als ein indirektes
Zeichen ihrer gesamten Zustimmung zum Revolutionsverlauf, einschließlich der Terrorzeit,
gelten. Die Diskontinuität des Engagements des Mainzer Klubisten Georg Wilhelm
Böhmer bildet in dieser Hinsicht ein gutes Beispiel. Er spielte als Privatsekretär von
Custine eine Schlüsselrolle zur Zeit der ersten französischen Besatzung von Mainz und
gilt als einer der prominenten “Mainzer Jakobiner". Merkwürdigerweise hat bisher die
Einstellung Georg Wilhelm Böhmers zur Radikalisierung der Revolution keine besondere
Beachtung gefunden. Zwar wird seine kritische Haltung in dem umfangreichen “Lexikon
zur Geschichte der demokratischen und liberalen Bewegungen in Mitteleuropa"(50)
erwähnt, doch kommentiert Heinrich Scheel jene Haltung, die sich vor allem anhand eines
handschriftlichen Briefes belegen lässt, lediglich in der Einleitung in seinem großen Werk
zur Mainzer Republik. Diesen Brief ließ Böhmer in der preußischen Haft auf dem
Petersberg bei Erfurt nach der Kapitulation von Mainz im Juni 1794 einem unbekannten
Freund zukommen. In diesem Brief distanziert er sich stark vom revolutionären
Frankreich:
“Vermutlich wirst du es schon [...] bemerkt haben, dass meine Vorliebe zu Frankreichs
Verfaßung in ernstes Nachdenken übergegangen ist, oder vielmehr, dass die Resultate
meines dermaligen Denkens über diesen Gegenstand mit dem meiner früheren
Ueberlegungen nicht mehr völlig übereinstimmend sind. Nunmehr muß ich dir ohne allem
Rückhalt sagen, dass meine Urtheile über das französische Volk und über dessen
Revolution, die ich [...] mit warmer Liebe umfaßte, fast gänzlich geändert haben. Ich sehe
nicht mehr ein Volk, welches von seinem eigenem Monarchen aufgefordert die Felsenlast
ihrer Kultur entschlossen und muthvoll von sich abwälzt."(51)
Was Scheel als Umschwung eines impulsiven Temperaments interpretiert (52), kann
vielmehr als eine logische Entwicklung betrachtet werden. Selbst wenn die Radikalisierung
der Revolution bei Böhmer eine tiefgreifende Krise auslöste, bedeutete sie nicht einen
Verzicht auf ein politisches Engagement. In dem bereits zitierten Brief schreibt Böhmer
nämlich weiter, die mögliche Reaktion seines Freundes antizipierend:
“Also bist du jetzt ganz deinen ehemaligen Grundsätzen über Freiheit und Völkerglück
untreu geworden? höre ich dich fragen. Ich antwortete: nur über die Mittel zur Beförderung
des letztem haben sich meine Überzeugungen geändert. Ich verabscheue gewaltsame
Revolutionen, ein einzigen Fall ausgenommen, wenn Regent und Bürger sie
gemeinschaftlich beschließen - und glaube dagegen, dass mein deutsches Vaterland sich
mit Zuversicht dasjenige von der Billigkeit seiner Regenten versprechen darf, was
Frankreich sich von Revolutionen verspricht. “(53)
Unter dem Eindruck der Radikalisierung der Revolution knüpft Böhmer also am
aufklärerischen Ideal einer “Reform von Oben" für Deutschland an, einem Ideal, das die
Politisierung vieler späterer deutscher Revolutionsanhänger zur Zeit der Spätaufklärung
begleitete. Da Böhmer seine politischen Ideale von der eigenen revolutionären Erfahrung
Frankreichs 1794 gut unterscheiden kann, kann er zu einem republikanischen Frankreich
zur Zeit des Direktoriums wieder ein gutes Verhältnis entwickeln, ohne jedoch die Politik
der jakobinischen Wohlfahrtsdiktatur akzeptiert zu haben. Nach seiner Entlassung aus der
Petersburger Festung flüchtete er Anfang 1795 mit seiner Frau nach Paris, wo er einer der
entschiedensten Befürworter der erneuten Besetzung und Annektierung der
linksrheinischen Gebiete durch Frankreich werden sollte.
12
Wenn Böhmer weiterhin das naturrechtliche Fundament der Revolution unterstützt, lehnt
er offen dessen radikale Umsetzung zur Zeit der jakobinischen Wohlfahrtsdiktatur ab und
bleibt der freiheitlichen Tradition der Aufklärung treu. Aber auch die Rechtfertigung jener
radikalen Umsetzung führt nicht zu einem endgültigen Bruch mit aufklärerischen Idealen.
Die Kontinuität des revolutionären Engagements von Georg Forster und vom
Württemberger Georg Kerner, die beide die Radikalisierung der Revolution in Paris
erlebten, ist nicht von einer aktiven Rezeption einer jakobinischen Kultur abhängig,
sondern vielmehr von einer konsequenten Ablehnung der gegenrevolutionären
Alternative.
Auf welche Argumentationsstrategien griffen also Forster und Kerner zurück, um die
Radikalisierung der Revolution zu rechtfertigen, ohne jedoch der Politik der
Wohlfahrtsdiktatur zustimmen zu müssen? Bei der Untersuchung dieser Frage verdient
der Einfluss der politischen Konstellationen und des wechselhaften Revolutionsverlaufs
auf solche Argumentationsstrategien eine besondere Beachtung. Nach dem 9. Thermidor
und dem Sturz von Robespierre gewann die Terrorzeit eine ganz andere Bedeutung im
Gesamtablauf der Revolution und nahm einen wichtigen Platz in den
nachthermidorianischen Debatten ein - diese Wandlung der Bedeutung des Terrors
übersah die deutsche Jakobinerforschung, deren Sinn für die Kontextualisierung der
zugänglichen Quellen ungenügend blieb.
Für Walter Grab, der in seinen Veröffentlichungen stets bemüht war, die Kontinuität des
Engagements der sog. “deutschen Jakobiner" zu betonen, “hielten die deutschen
Volkstribune" damit waren letztere gemeint - “auch während der Jakobinerdiktatur an der
Überzeugung fest, dass Frankreich für die Sache der ganzen Menschheit kämpfe", indem
sie “die Exzesse der Schreckensherrschaft den Untaten einzelner zuschrieben. “(54) Für
Grab relativierten sie also die Episode des Terrors, indem sie ihn als das Ergebnis der
Tätigkeiten einzelner betrachteten und somit als eine unbeabsichtigte Abweichung vom
normalen Revolutionsablauf interpretieren konnten. Eine solche Sichtweise ist zwar in den
Zeitzeugenberichten verbreitet, kommt aber erst nach dem Sturz von Robespierre zum
Tragen, als sie die nachthermidorianischen Debatten über den Terror beherrschte. Vor
dem Sturz von Robespierre tendierten Forster und Kerner eher dazu, auch wenn teils nur
implizit formuliert, die Terrorzeit als eine von der Revolution nicht zu trennende Episode
anzusehen bzw. darzustellen.
Die Untersuchung der zeitgenössischen Reaktion der deutschen politischen Exilamen in
Paris auf die Radikalisierung der Revolution und die Umsetzung terroristischer
Maßnahmen ist problematisch. Die relevanten Quellen sind nicht nur fragmentarisch,
sondern auch in einer Zeit geschrieben, in der Ausländer in Frankreich einer prekären
Situation ausgesetzt waren und kritische Meinungsäußerungen zur Lebensgefahr werden
konnten. Nach dem Gesetz vom 17. September 1793, der sogenannten “loi des
suspects", standen in erster Linie die Ausländer unter Verdacht, Agenten der
konterrevolutionären Mächte zu sein und wurden nicht selten festgenommen. (55) Das
Schicksal des Mainzer Klubisten Adam Lux, der trotz der Hegemonie der Bergpartei die
Säuberung des Nationalkonvents von seinen girondistischen Elementen am 31. Mai 1793
durch das Volk der Pariser Sektionen öffentlich kritisierte und infolgedessen hingerichtet
wurde, mag in dieser Hinsicht nicht überraschen. Vermutlich hat sein Beispiel viele andere
erschreckt, die in Paris verweilten und mit ihm sogar befreundet waren. Der Rückgriff auf
private Briefe ermöglicht jedoch eine partielle Beleuchtung ihres Verhältnisses zur
Radikalisierung der Revolution.
13
Zwar rechtfertigten Forster und Kerner beide die Radikalisierung der Revolution, ihre
Haltungen gegenüber der jakobinischen Wohlfahrtsdiktatur unterscheiden sich jedoch
grundsätzlich: Während Forster auch mit der Wirtscharts- und Religionspolitik dieser
Diktatur einverstanden war (56), verabscheute Kerner sowohl die revolutionären Exzesse
als auch die terroristischen Maßnahmen.
Als Forster nach seiner Ankunft in Paris seine Unzufriedenheit über die revolutionäre
Realität mehrmals ausdrückte, wurde er allmählich zum Verteidiger der Bergpartei gegen
die Gironde. Somit muss er als Ausnahme gelten, denn im Gegensatz zu Forster blieben
die meisten deutschen politischen Exilarten auch nach ihrer Beseitigung aus dein
nationalen Konvent Anhänger der Gironde.
In seinen Briefen an seine Frau und sogar in einer kleinen Schrift, die 1794 in der
Zeitschrift “Die Friedenspräliminarien" von Ludwig Ferdinand Hubers (57) erschien, greift
Forster auf drei verschiedene Argumente zurück, um die Radikalisierung der Revolution
zu legitimieren. Wenn die leidenschaftlichen Exzesse, die Forster in Paris erlebte, ihn
auch zuerst erschütterten und an dem Ausgang der Revolution zweifeln ließen (58),
verschwand diese Einstellung jedoch, sobald er den Leidenschaften eine wichtige
Funktion im Hinblick auf die Verbesserung des Menschen-geschlechts zuwies. Diese
Funktion ist auf eine Geschichtsauffassung zurückzuführen, die zuerst nur implizit
formuliert wurde. In einem Brief vom 10. Juni 1793 an seine Frau behauptet er, dass der
Entwicklungsverlauf
der
Leidenschaften,
der
mannigfache
Wirkungen
und
Gegenwirkungen zur Folge habe, ein Zweck des menschlichen Daseins sei. (59) Darüber
hinaus suggeriert er, dass die Revolution nicht zufällig ausgebrochen sei.(60) Sie sei
nämlich Teil eines geschichtlichen Prozesses, der sich anhand ihres Ablaufs konkretisiere.
Aus dem Zusammenschluss von Geschichtsauffassung und Revolutionstheorie erklärt
sich - so Forster - die Funktion der revolutionären Leidenschaften innerhalb einer
Menschheitsgeschichte. Die Revolution wird von Forster zu einem Werk der Vorsehung
stilisiert, die aus den Wirkungen der menschlichen Leidenschaften Verbesserungen im
Menschengeschlecht veranlasst. Aus diesem Grund habe die Vorsehung, so Forster, die
Revolution in Frankreich ausbrechen lassen, wo die Menschen sich am wenigsten fähig
erwiesen hätten, sich zu verbessern:
“Fragen sie, warum die Vorsehung dieses Mißverhältniß zwischen der Unhaltbarkeit einer
Regierung und der Unfähigkeit des Volks sich eine neue zu schaffen, geduldet, und in
diesem Zeitpunkt die Revolution hat fallen lassen? - Wer anders kann Ihnen antworten,
als die unbegreifliche und unergründliche Weisheit der Vorsehung selbst! ich fühle nicht
den Beruf, diesen Artikel der Theodicee auszuarbeiten, wenn ich gleich für mich
überzeugt bin, dass unsere Revolution, als Werk der Vorsehung, in dem erhabenen Plan
ihrer Erziehung des Menschengeschlechts gerade am rechten Orte steht, und dass Frankreich, nach dem schweren Verhängnisse, das über ihm waltet, sich dennoch zu einer
geläuterten, vernünftigen, wohltätigen Verfassung emporarbeiten wird." (61)
Forster stilisiert die Terrorzeit als eine lehrreiche Erfahrung, die eine Verbesserung des
Menschengeschlechts ermöglichen soll.
Die gewaltätigen Begleiterscheinungen der Revolution 1793/94 werden auch von Forster
legitimiert, dadurch, dass er sie als eine notwendige Folge des übermäßigen königlichen
Despotismus im vorrevolutionärem Frankreich darstellt. Vor diesem Hintergrund konnte er
letztlich die Jakobiner von 1793/94 aus der Verantwortung für die Exzesse entlassen: “Ich
bin meiner Philosophie gewiß genug", schreibt er in einem Brief vom 11. Juli 1793, “um
mich bei dem Gedanken zu beruhigen, dass nichts in der Welt durch Zufall geschieht, und
14
dass die Veränderungen, die sich in unsern Tagen zugetragen haben, die unvermeidliche
Folge der Verbrechen der vorhergehenden Regierungen waren." (62) Für Forster war also
die Revolution eine Folge des französischen Despotismus und diente zu dessen Heilung.
(63)
Diese Idee, dass der übermäßige französische Despotismus nur durch sich selbst geheilt
werden könne, deckt sich zum größten Teil mit der Auffassung, die revolutionären
Leidenschaften spielten eine entscheidende Rolle in der Menschheitsgeschichte.
Forsters drittes Argument zur Legitimierung der Radikalisierung der Revolution ist der
konterrevolutionäre Widerstand, infolge dessen die Jakobiner zu außerordentlichen
Maßnahmen gezwungen wurden, die insofern gerechtfertigt seien, als sie einen Triumph
der Konterrevolution verhinderten. (64)
In dieser Hinsicht speist sich Forsters Rechtfertigung der Wohlfahrtsdiktatur aus einem
Geist, den man auch bei Georg Kerner wiederfindet. Genauso wie Forster suggeriert
Kerner, dass die Radikalisierung der Revolution eine Folge ihrer Bedrohung durch die
konterrevolutionären Mächte sei und daher relativiert werden müsse. Die Radikalisierung
sei eine zwar abstoßende, aber dafür nur vorübergehende Erscheinung. Kerner leitet das
Scheitern der konterrevolutionären Mächte aus einer impliziten Geschichtsauffassung ab,
die wie bei Forster den glücklichen Ausgang der Revolution voraussetzt. In einem Brief
vom März 1794 zur Zeit des großen Terrors verleiht er gleichzeitig seiner tiefen
Niedergeschlagenheit und seiner Hoffnung auf bessere Zeiten Ausdruck, wobei sich
letztere auf die Siege der Revolutionsarmeen stützen:
“In mich selbst muß ich den großen Gram verschließen, der [...] mein Innerstes zerstört,
mich bei Tag verfolgt und bei Nacht mich in meiner Ruhe stört - O Zukunft! O Freiheit! O
Republik! - Doch! mögen die Menschen auch noch so sehr an euch zerren, der Ereignisse
Allgewalt scheint für eure Erhaltung sowie für den Untergang der Tyrannen zu bürgen!
Schon den ganzen Tag über höre ich den Donner der Kanonen, die hier seit kurzer Zeit
verfertigt wurden und die man gegenwärtig probiert. Angenehme Musik für meine Ohren,
jeder Knall ist ein Urteilsspruch über die Feinde der Freiheit - möge jeder dieser
Donnerschlünde Tat und Zernichtung unter unsere Gegner schleudern und niemals
Bürgern zur Waffe gegen Bürger dienen."(65)
In dem Maße, wie Kerner einer optimistischen Geschichtsauffassung anhängt, lässt er
das Ende der Terrorzeit mit dem Triumph der revolutionären Armeen zusammenfallen.
Wenn auch gerechtfertigt, betrachtet Kerner die Terrorzeit als eine dunkle Episode der
Menschheitsgeschichte, die mit dem Widerstand der konterrevolutionären Mächte
unmittelbar verbunden ist. Der Nachthermidorkontext sorgte für eine weitgehende
Vertiefung jener Sichtweise, indem die Terrorzeit im nachhinein und vorherrschend als
das Ergebnis der Verschwörung der Koalitionsmächte gegen das revolutionäre Frankreich
interpretiert wurde. Somit kann die Terrorzeit als eine zufällige Abweichung vom
Revolutionskurs umgedeutet werden; eine Interpretation, die die Versöhnung vieler
deutscher Revolutionsanhänger mit Frankreich ermöglichte.
Für die Mehrheit der deutschen politischen Exilamen, die unmittelbar mit der
Radikalisierung der Revolution konfrontiert wurden, bedeutete die Terrorzeit oft eine
schwierige und traumatische Erfahrung, die sie gern im nachhinein beschwören wollten. In
der Nachthermidorzeit konnten sie sich auf zweierlei Theorien des Terrors stützen, die
sich überlagerten: Erstens eine subjektivische Theorie, die den Terror als ein
Machtsystem interpretierte und diese Phase als den Gewaltanmaßungsprozess
15
selbstsüchtiger Menschen betrachtete - eine Überspitzung dieser Theorie fand im
Thermidor im verbreiteten Gerücht Niederschlag, Robespierre sei ein verdeckter König
gewesen (66); zweitens eine Verschwörungstheorie, die den Terror als das Ergebnis der
Intrigen der bezahlten Agenten der konterrevolutionären Mächte im Innern Frankreich
präsentierte.
In der Nachthermidorzeit entstanden nach dem Prozess von Nantes (67), also einige
Monate nach dem Sturz von Robespierre, eine Reihe von Schimpfwörtern, die sich auf die
Leitfiguren des Terrorregimes bezogen. Jene wurden als Kannibalen, Blutmenschen und
Bluthunde bezeichnet, Vokabeln, die von den Deutschen in Paris öfter verwendet wurden.
Im Nachthermidorkontext spielte die Interpretation des Terrors in Frankreich eine große
Rolle, denn oft waren die Thermidorpolitiker in das Terrorregime verwickelt gewesen und
verfolgten dann das Ziel, Schuldige zu nennen, um sich aus der Verantwortung zu
befreien. Bereits am 28. Juli 1794, einen Tag nach dem Sturz von Robespierre, nahm
Barere - ein enger Mitarbeiter Robespierres - gegen das Terrorregime Stellung. Er griff die
Anmaßung der Gewalt durch einzelne Menschen an, die despotisch den Jakobinerklub
und die öffentliche Meinung unterwarfen. Laut Barère hatte sich Robespierre in seinem
Unterjochungsunternehmen auf eine selbstsüchtige und heuchlerische Partei gestützt, die
das Ziel der alleinigen Macht verfolgte. (68) Diese Sicht des Terrors eignete sich am
ausgeprägtesten Karl Engelbert Oelsner an, der sich 1790 in Paris aus reiner
Bewunderung für die Revolution niedergelassen hatte. Indem Oelsner den Terror als ein
Machtsystem deutete, wurde er dazu verführt, den 31. Mai 1793 - den Tag, an dem die
Pariser Sektionen die Gironde aus dem Nationalkonvent entfernten - rückblickend als
das erste Manövrieren der machtsüchtigen Partei um Robespierre zu interpretieren.
Dieses Ereignis sei nur eine entscheidende Etappe in dem Prozess der Machtergreifung
gewesen, die auf einem Täuschungsmanöver beruht habe. Die Anführer des
Terrorregimes werden von Oelsner zu Demagogen stilisiert: Um ihre privaten Absichten
besser verfolgen zu können, hätten sie die Sprache des Volkes benutzt. Dadurch dass sie
den Raub befürwortet und der Anarchie somit freien Lauf gelassen hätten, hätten sie sich
beim Volk beliebt gemacht und ihre Macht befestigt. (69)
Kerner greift wie Oelsner dieselbe Anarchistenpartei an. Diese Partei sei aber nicht nur
eine Versammlung ehrgeiziger Menschen, die an die Macht gelangen wollten, sondern
eine Partei, die sich vom Ausland bezahlen lasse. So verknüpft er eine
Verschwörungstheorie mit der Interpretation des Terrors:
“Es waren die entgegengesetzten Empfindungen von denen, die mich marterten, als ich
vor 8 Monaten dies nämliche Frankreich verließ, wo das Verbrechen und die Aristokratie
unter der Maske eines wilden Republikanism Greuelthaten auf Greuelthaten häuften, um
eine unerfahrene und durch die schnell aufeinander folgenden großen Begebenheiten
betäubte Nation von einer Stufe des Elends zur andern und so rückwärts in die Arme des
Königstums zu schleudern."(70)
Mit der Hinrichtung von Robespierre war für Kerner die Zeit der Entschleierung der
Revolutionsgeschichte gekommen, nämlich die “Zeit, dem erstaunten Europa den
Machiavellism der Höfe von London, Wien, Petersburg, Berlin aufzudecken und so die
kalkulierten Abscheulichkeiten, die uns die Geschichte der fränkischen Revolution
darbietet, wenigstens zur großen Hälfte auf eben diese Höfe mit Recht und Billigkeit
überzuwälzen."(71) Mit diesem Kommentar beginnt Kerners zurückblickende
Interpretation des Terrors, die sich nur noch auf eine Verschwörungstheorie stützt. Diese
Sichtweise findet sich in fast allen nachthermidorianischen Zeitzeugenberichten
16
derjenigen Deutschen wieder, die als “Jakobiner" bezeichnet wurden. Sie wurde am
konsequentesten von Georg Friedrich Rebmann entwickelt, der sich 1796/97 in Paris
aufhielt.
Für Rebmann war es nicht möglich, im Thermidor in der Terrorzeit etwas anderes als
einen geheimen Anschlag der auswärtigen Despoten zu sehen. (72) Die revolutionären
Ausschweifungen vom September 1791 und vor allem vom 31. Mai 1793 werden von ihm
rückblickend als Bestandteil einer konterrevolutionären Verschwörung interpretiert. Der
31. Mai 1793 falle mit einer Intrige der konterrevolutionären Mächte zusammen, die das
Ziel verfolgten, die Revolution zugrundezurichten. Zur Verfeinerung dieser
Verschwörungstheorie berichtet Rebmann über den tatsächlichen Umgang Marats mit den
Agenten Pitts, des Premierministers von England.(73) Diese Verschwörungstheorie
erlaubte ihm letztendlich, die Terrorzeit ganz deutlich vom normalen Revolutionsablauf zu
trennen und sein republikanisches Ideal zu retten. Laut Rebmann habe die Terrorzeit nur
eine Minderheit des Volkes betroffen, was bedeutet, dass die Thermidorverhältnisse die
Republik nicht in Gefahr hätten bringen können:
“Die Anarchie, die Auflösung aller gesellschaftlichen Bande, die Gewalttätigkeit, welche
unter Robespierrens Tyrannei in Frankreich anzutreffen war [...] war nie herrschender
Geist der Nation, sondern ein Paroxysmus, durch die auswärtigen Mächte, durch die
fürchterlichen Kabalen gegen die Nation gewaltsam hervorgebracht. Auch in Frankreich
würde dieser Zustand nie von selbst entstanden sein. Als man aber die Nation von Außen
und von innen mit Gewalt und Verräterei angriff, als man selbst die Maske der Volksliebe
und des Patriotismus nicht verschmähte, um das Volk dem Hungertode preiszugeben, da
musste die Nation natürlicherweise in einen exaltierten Zustand versetzt werden." (74)
Somit konnte sich Rebmann in seiner revolutionären Überzeugung bestätigt fühlen und an
eine Karriere im französischen Dienst denken. Auf sein Betreiben hin wurde er im
Dezember 1797 zum Richter des Kriminalgerichts in Mainz ernannt. (75) Danach erhielt er
mehrere Stellen in den neugegründeten linksrheinischen Departements. (76)
Die herausgearbeiteten Beispiele haben gezeigt, dass die Kontinuität des revolutionären
Engagements der Deutschen, die als “Jakobiner" bekannt wurden, in keiner Weise als
Kriterium für Jakobinismus dienen kann. Die Kontinuität setzt keine Zustimmung zur
1793/94 erfolgten Radikalisierung der Revolution voraus. Auch im Ausnahmefall von
Georg Forsten der zwar eine Zeit lang vom Ausmaß der revolutionären Exzesse
erschüttert war, dennoch aber der Wohlfahrtspolitik offensichtlich zustimmte, bedeutet
diese Kontinuität keine aktive Rezeption der jakobinischen Kultur. Weit davon entfernt,
den Vorrang des Gemeininteresses über das der Individuen anzuerkennen oder die
Gesellschaft als einheitlich zu erfassen, bleibt er seinen ursprünglichen Idealen und
seinem Moralismus kantischer Herkunft, der sich auf das Individuum konzentriert, treu.
Für Forster kann der gesellschaftliche Fortschritt weiterhin nur vom individuellen
Fortschritt ausgehen. So unterstreicht er die moralische Pflicht, die jedem Individuum
obliegt, nachdem er auf das Chaos, das von den revolutionären Leidenschaften erzeugt
worden war, hingewiesen hat: “Die Mannigfaltigkeit der Wirkungen und Gegenwirkungen,
dieses Resultat der verschiedenen Entwicklungsarten der Leidenschaften und der
Seelenkräfte, scheint ein Zweck unsres Daseyns zu seyn, bei welchem wir nicht einmal
gefragt werden, ob wir ihn wollen. Uns bleibt es nur überlassen, in dies alles Moralität zu
bringen, indem wir mit Bewußtsein wirken und leiden. Diese Moralität ist dann immer nur
das Werk des einzelnen Wesens, das auf sich selbst zurückwirkt."(77) Von diesem
Standpunkt aus erklärt sich die Zustimmung Forsters zur Wirtschaftspolitik der
Wohlfahrtsdiktatur durch den positiven Einfluss, die sie seines Erachtens auf die Moralität
17
jedes Individuums haben kann. Sie kann für ihn die Individuen nicht nur dazu ermuntern,
ihre Selbstsucht im Zaum zu halten, sondern kann ihnen auch dazu verhelfen, sich vom
Materialismus abund den moralischen Werten zuzuwenden. Weit davon entfernt, die
strenge Wirtschaftspolitik der Wohlfahrtsdiktatur als ein notwendiges Instrument zu
betrachten, die materielle Gleichheit der Individuen zu fördern und sie einem
Gemeininteresse unterzuordnen, stimmt Forster dieser Politik nur im Hinblick auf die
Wirkung zu, die sie auf die Moralität eines jeden Individuums haben kann(78). So bleibt er
dem radikalen Demokratismus der Jakobiner fremd.
Forster ausgenommen, weckte die Radikalisierung der Revolution bei den anderen
Deutschen eher Ablehnung. Dabei setzten sie sich aber meistens weiterhin für die
revolutionären Prinzipien ein. Diese Dichotomie zwischen weiterer Legitimierung der
Revolution und ablehnender Haltung zu ihrem Kurs deutet auf die besondere Bedeutung
der Revolution als Gesamtphänomen hin, deren Ausgang als notwendigerweise glücklich
betrachtet wird. Im Gegensatz dazu lassen sich die unerwünschten Ausbrüche und
Exzesse durch die äußeren Umstände bzw. durch den Angriff der Koalitionsmächte
erklären und rechtfertigen, wobei sie als vorläufige und zufällige Abweichungen
angesehen werden. So können sie als eine ledigliche Verschiebung des
Revolutionsausgangs gelten und ohne Wirkung auf deren endgültige Verwirklichung
bleiben. Die unmittelbare Interpretation des Terrors, der für viele eine Grenzerfahrung
bedeutete, lässt diese Erkenntnis in den Vordergrund treten. Gleichzeitig deutet sie auf
eine Revolutionsauffassung hin, die auf eine optimistische Geschichtskonzeption aufhaut.
Diese Auffassung unterscheidet sich tendenziell von der zeitgenössischen französischen
Vorstellung, die französische Revolution sei ein absoluter und alleinstehender Bruch in der
Geschichte. Insofern weist sie auf die Bedeutung von kulturellen Werten und
Vorstellungen in der Deutung des revolutionären Phänomens hin. Diese prägen die
individuellen Revolutionserfahrungen der deutschen Revolutionsanhänger, deren
Eigenarten nun hervorgehoben werden sollen, um endgültig auf die Frage nach der
Berechtigung des Begriffes “deutscher Jakobinismus" eine (negative) Antwort zu geben
und diesen Beitrag zur Enthmytisierung des “deutschen Jakobinismus" am besten
abzurunden.
18
3
Die Entstehung einer deutschen Interpretation der französischen Revolution
Im Laufe des 17. Jahrhunderts erfolgte eine Politisierung des Revolutionsbegriffes - vor
allem im Zuge der englischen Glorious Revolution -, die nach dem Ausbruch der
französischen Revolution zu einer weitreichenden Aufwertung des Begriffes führte. Die
Berichterstattung deutscher Revolutionsanhänger vermittelt wichtige Einblicke in den
Bedeutungswandel des Revolutionsbegriffes, denn sie erweitern ihn, deuten ihn aber
auch wesentlich um. Dies zeigt die entscheidende Bedeutung der deutschen Aufklärung in
der Politisierung der deutschen Revolutionsanhänger. Während damals die traditionelle
Bedeutung des Revolutionsbegriffes als neutrale Staatsumwälzung im Heiligen
Römischen Reich noch weit verbreitet blieb, bringen sie das Wort mit der Aufklärung in
Verbindung und zeichnen sich somit als aktive Empfänger einer Neuerung aus, die sich im
Frankreich der 1760er Jahre vor allem unter dem Einfluss von Voltaires Ausdruck der
“révolution des esprits" auszubreiten begann. So betrachten sie die Revolution als ein
Produkt der Aufklärung, aber auch als ihre Erfüllung und lassen ihre aufklärerische
Überzeugung in der Kraft und der Macht der Ideen zum Tragen kommen. In dieser
Hinsicht geht es ihnen nicht nur darum, auf diese Macht hinzuweisen, sondern zu
erklären, wieso die Revolution ausgerechnet in Frankreich ausgebrochen ist. Für viele der
aus einem zerstückelten Territorium kommenden Deutschen werden die Qualität der
französischen Aufklärung und die Bedeutung der französischen Hauptstadt zu
entscheidenden Kriterien. Sie erklären die außerordentliche Lebhaftigkeit und Wirkung der
Aufklärung in Frankreich, die den Revolutionsausbruch ermöglichte. In seinen
“Bruchstücken aus den Papieren eines Augenzeugen", die Oelsner in Paris niederschrieb,
werden die Eigenschaften der französischen Aufklärung im Gegensatz zur deutschen
hervorgehoben:
“Wenn es darauf ankommt, den Grad der öffentlichen Aufklärung einer Gesellschaft zu
bestimmen, so müssen vorzüglich zweien Gesichtspunkte betrachtet werden. Einer ist:
Beschaffenheit der Ideen; der andere: die Lebhaftigkeit ihres Umlaufs. Ein Funke
indianischen Feuers erleuchtet mehr als Duzend Talglichter [...]. Auf die Anwendbarkeit
der Kenntnisse - darauf kommt es an. Der französische Städter hat deren ohnstreitig
weniger als der teutsche - aber seine Kenntnisse sind brauchbarer und er weis damit
umzugehen. Dem französischen Gelehrten fehlt es an vielen der staatswirthschaftlichen
Einsichten, die in Deutschland gäng [sic] und gäbe sind - dagegen besitzt er
staatswissenschaftliche, welche der teutschen Nation, die sich bisher nur immer um das
Vorhandene, und wenig um das was seyn soll und seyn Kann bekümmert hat, gänzlich
abzugehen scheinen. Was Frankreich aber besonders auszeichnet, ist die unglaubliche
Thätigkeit womit um Ideen geworden; womit Ideenkommerz getrieben wird."(79)
19
Schließlich betont Oelsner die Wichtigkeit von Paris in jenem Prozess: “Kein Ort in der
Welt, selbst London nicht, darf sich in dieser Hinsicht mit Paris messen." Anderswo
charakterisiert Oelsner den lebhaften Umlauf von Ideen in Frankreich mit dem Begriff der
“Philosophiesucht":
“Nicht Philosophie, sondern Philosophiesucht hat die konstituirende Versammlung in
einen Schwung fortgerissen, vor dem die weitsehendsten Köpfe kaum ahnten, dass sich
die Maschine so weit treiben liesse. Man sieht zwei oder drei Männer von
ausserordentlichem Geiste neue Gesinnungen und Begriffe über den Horizont
heraufwälzen, allein ohne eine disponierte Nation wären sie wirkungslos vorübergegangen
[...]. Wer den völligen Umsturz der alten Verfassung für die Konzeption eines Kopfes
hielte, der würde sich vor dieser gigantischen Denkkraft, wie vor einem Gotte beugen. In
der That gab es Männer, die an die Möglichkeit derselben glaubten, die sogar einige Mittel
dazu sahen, allein einzelne haben den Erfolg weder hoffen noch hervorbringen können.
Voltaire, Montesquieu, Mably, Rousseau, Raynal, die Enzyklopedie, die Oekonomisten
hatten das Saamkorn der Philosophie über die Verwüstungen des Aberglaubens und des
Despotismus ausgeworfen. Der Krieg in Korsika, die nordamerikanische Revolution
beschleunigten desselben Entwicklung. Die Lüderlichkeit, die Verschwendungen, die
Hirnlosigkeiten des Hofes dienten zum Dünger."(80)
Nicht allein die außerordentliche Kraft und praktische Qualität der französischen
Aufklärung erklären den Revolutionsausbruch; jener ist nach Oelsner auch die logische
Folge eines zu Extremen getriebenen Despotismus. So greift er auf eine Interpretation
zurück, die in der großen Mehrheit der hier herangezogenen Zeitzeugenberichte ihren
Niederschlag findet. Für viele erklärt sich darüber hinaus die Gewalt des revolutionären
Ausbruchs aus der Gewalt des Despotismus, der das Königtum in Frankreich über
Jahrhunderte hinweg gekennzeichnet hat. Georg Kerner sieht in der Revolution die
notwendige Konsequenz aus den bestehenden Verhältnissen:
“Ich bin immer mehr geneigt, zu glauben, dass alles dies nicht bloßer Zufall sei, so werde
ich immer mehr davon überzeugt, wie notwendig es ist, die Zeiten, Umstände und
Erscheinungen richtig zu schätzen, die fränkische Revolution mit allen ihren erhabenen
und scheußlichen Phänomenen als ein notwendiges, von ferne hergeleitetes Übel zu
betrachten, zu billigen, hinzunehmen." (81)
Für Georg Friedrich Rebmann war die Revolution nicht zufällig, das Ausmaß des
französischen Despotismus machte sie sogar unvermeidlich:
“In Frankreich war [...] der Despotismus, die Mätressen-Pagen und Pfaffenregierung aufs
höchste gestiegen. Das Volk sah dies ein, und wenn es auch nicht die Fehler der
Verfassung zu zergliedern vermochte, so war die Unmöglichkeit ferner zu bestehen, die
Verzweiflung zu der es gebracht war, der beste Beweis, dass die Verfassung nichts
taugen konnte. Eine Revolution war also vorauszusehen, die die Despoten durch
gewaltsame Mittel, keineswegs aber durch Nachgiebigkeit zuvorzukommen trachteten. Die
Revolution brach mit fürchterlichem Sturm, unregelmäßig, ohne Plan, von der
Verzweiflung herbeigeführt, wirklich aus."(82)
Laut Rebmann war in Frankreich die Durchsetzung von Reformen nicht mehr möglich. Vor
diesem Hintergrund erscheint die Revolution als eine unerwünschte Alternative zur
Reform und wird nur im französischen Kontext legitimiert. Diese Sichtweise erklärt, dass
Rebmann - übrigens wie auch viele andere deutsche Revolutionsanhänger - weiterhin am
20
aufklärerischen Ideal einer Reform von oben hängt und sehr lange der Verfechter einer
konsequenten Reformpolitik im Heiligen Römischen Reich bleiben kann, während er sich
gleichzeitig für die Revolution in Frankreich kräftig einsetzt. In einer zur Zeit des Terrors
erschienenen Schrift prangert er die schrecklichen Nebenwirkungen der
Revolutionsumbrüche an, die der effizienten Staatsverbesse-rung im Weg stehen:
“Gewaltsame Revolutionen entstehen, wenn der Despotismus im Vertrauen auf die
Apathie, die er erzeugt, den Druck der niedern Menschenklasse immer vermehrt, statt ihn
zu vermindern, und die Frucht solcher gewaltsamer Empörung ist - Greuel und Schrecken.
Die Staatsverbesserung muß also nicht solchen Ausbrüchen überlassen werden."(83)
Die Legitimierung der französischen Revolution baut nicht auf einer klaren Befürwortung
des revolutionären Umbruchs und seiner eventuellen Vorteile auf, sondern beruht
vielmehr auf der Erkenntnis seiner Notwendigkeit im französischen Kontext.
Als Produkt der Aufklärung und als unvermeidliche Folge des französischen Despotismus
dargestellt, scheint die Revolution ihre eigene Dynamik und ihre eigenen Gesetze zu
haben. Sie folge wie die zur Zeit der Aufklärung populär gewordene Newtonsche Physik
dem
mechanischen
Prinzip
des
Ausgleichs
gegensätzlicher
Kräfte.
Der
Revolutionsausbruch wird als eine angemessene Antwort auf den hundertjährigen
Despotismus und seine zahlreichen Exzesse dargestellt; mit seiner Gewalt sorgt er für die
Rückkehr des ursprünglichen Gleichgewichts. In diesem Prozess bleibt die Rolle des
Individuums bedeutungslos, es kann keinen Einfluss auf die Gewalt des revolutionären
Ausbruchs sowie auf seinen Ausgang nehmen. Diese Machtlosigkeit wird am deutlichsten
von Rebmann unterstrichen. Die Deutschen unterliegen seines Erachtens einer
Täuschung, wenn sie glaubten, Menschen könnten Einfluss auf den Gang des Umbruchs
nehmen:
“Die Deutschen zumal lassen sich durch eine gewisse Plan und Mysteriensucht verführen;
sie wollen überall Zusammenhang und außerordentliche Menschen finden, wo nichts als
Zufall und ganz gewöhnliche Menschen würken. Wer sich hier an Personen hält, der sieht
ganz falsch; die große Sache leitet die Menschen, aber nicht die Menschen die Sache.
Die besten Resultate sind oft veranlaßt von nichtswürdigen, schmutzigen Intrigen, und die
schlimmsten Resultate stammen oft aus den besten Absichten. Man muß durchaus die
Geschichte der Revolution von der Geschichte der Revolutionäre absondern, wenn man
nicht fehlgreifen will. Ich habe hier viele Deutsche gefunden, welche z. B. in unsern fünf
Männern (84) große Bösewichter, und wieder andere, welche Menschen, die über
Sterbliche erhaben sind, sehen. Es sind ganz gewöhnliche Menschen, und sie könnten
zweimal besser und zweimal schlechter sein, ohne dass der Gang der Sache dadurch
auffallend verändert würde. Es gibt auf der Welt kein leichters Handwerk, als zu regieren;
und jede Stelle ist um so leichter zu verwalten, je höher sie ist. Die Maschine geht von
selbst, wenn sie nur nicht mit Gewalt verpfuscht wird und die Federn gut sind, welche sie
in Bewegung erhalten."(85)
Um die Gewaltsamkeit und Unaufhaltsamkeit der revolutionären Dynamik deutlich zu
erfassen, hat die zeitgenössische Publizistik eine ganze Reihe von Metaphern benutzt,
wie z.B. biologisch-medizinische oder meteorologische. Zur Zeit seines Pariser Exils greift
Forster auf das Bild des schweren Unwetters zurück und spricht von einem Orkan, um die
Unlenkbarkeit des Revolutionskurses durch menschliche Handlung zu verdeutlichen:
“Die Revolution ist ein Orkan, wer kann ihn hemmen? Ein Mensch durch sie in Thätigkeit
gesetzt, kann Dinge thun, die man in der Nachwelt nicht vor Entsetzlichkeit begreift. Aber
21
der Gesichtspunkt der Gerechtigkeit ist hier für Sterbliche zu hoch. Was geschieht muß
geschehen. Ist der Sturm vorbei, so mögen sich die Ueberbleibenden erholen, und der
Stille freuen, die darauf folgt."(86)
Forster benutzt eine häufig benutzte Metapher, die vom französischen Publizisten J. Vilate
in seinem Werk “Geheime Ursachen der Revolution" mit einem ganz anderen Sinn besetzt
wurde. (87) Während Forster bemüht ist, die Machtlosigkeit der Menschen vor dem
gewaltsamen Revolutionskurs zu veranschaulichen, will Vilate mit derselben Metapher die
menschlichen Einflussmöglichkeiten auf die Revolution als eine politische
Herausforderung herausstellen. Er beschreibt, wie der Orkan das Revolutionsschiff in
höchste Not bringt und den Steuermann zu außerordentlichen Maßnahmen berechtigt.
Sein Standpunkt ist also ein ganz anderer: Die Revolution wird nicht unmittelbar mit dem
Orkan identifiziert, der Orkan kennzeichnet vielmehr die revolutionäre Situation, deren
Unbestimmtheit und Gefährdung die Einsetzung einer radikalen Politik durch die
Wohlfahrtsdiktatur rechtfertigt. Das Beispiel von Vilate ist symptomatisch für den Sinn
vieler anderer Metaphern, die zum selben legitimierenden Zweck während der
Jakobinerdiktatur herangezogen wurden. So bedient sich zum Beispiel Robespierre zur
Zeit des großen Terrors des Unwetterbildes, um seine terroristische Politik zu
rechtfertigen. Am 5. Februar 1794 bekräftigt er vor dem Nationalkonvent sein Ziel, das
Schiff der Republik in ruhige Gewässer zu steuern, um sogleich folgenden Nachsatz
anzuschließen: “Aber der Sturm brüllt, und der Revolutionszustand, in welchem ihr euch
befindet, schreibt euch eine andere Laufahn vor. [...] Man muß die Feinde von Außen und
von Innen ersticken oder sterben mit der Revolution."(88) Eine solche Anwendung von
Metaphern findet in keiner Weise Niederschlag in der Berichterstattung deutscher
Revolutionsanhänger, die davon überzeugt sind, dass die Revolution den Menschen
übergeordnet ist. Diese Sichtweise ist bedingt durch ihre Auffassung der Revolution als
Werk der Vorsehung. Ihnen wird letztlich die Idee einer vom menschlichen Willen
initiierten und durchgeführten Revolution völlig fremd bleiben. Diese Idee, die den
modernen Revolutionsbegriff tief mitprägte, entsprang dem Selbstverständnis vieler
Revolutionäre. Als Akteure wollten sie unabhängige Gestalter einer neuen Welt sein. Für
den Revolutionär Marat konnte die Revolution kein alleiniges Produkt der Aufklärung sein,
ihr Durchbruch lässt sich nur durch das Handeln des Volkes erklären: “Die Philosophie hat
die Revolution vorbereitet, sie hat sie initiiert und gefördert, das ist unbestreitbar. Aber
Worte allein reichen nicht aus, wir brauchen Taten. Wem verdanken wir die Freiheit wenn
nicht dem Volksaufstand?" (89) Bei Marat wird das Handeln des Volkes zu einer zentralen
Begründung des Revolutionsausbruch.. Er ist nicht mehr Selbstverwirklichung der
Aufklärung, sondern bewusste Tat zur Erlangung der politischen Freiheit, die von der
Volkskraft ausgeführt wird. Diese Erkenntnis sollte Marat im Laufe der Revolution zu einer
radikalen Verherrlichung des Volkshandelns führen. Im Gegensatz dazu entwertet Forster
jede menschliche Betätigung, auch wenn sie gar keinen negativen Einfluss auf den
glücklichen Ausgang der Revolution haben kann. So kommentiert er in seinen Pariser
Umrissen: “Alles zu frühzeitige Pfuschen ins Handwerk der Vorsehung, sowie der Natur
könne nur das Gute verrücken."(90) Sogar die beste Absicht kann nur schaden.
So wie die Revolutionsfreunde ohnmächtig sind und den Revolutionskurs in keiner Weise
zu ihren Gunsten beeinflussen können, können die Feinde der Republik den glücklichen
Ausgang der Revolution nicht gefährden. Hierfür wird die Geschichte der Revolution
selber als Beweis herangezogen. Thermidor bestätigt die deutschen Revolutionsanhänger
in diesem Glauben, denn in diesem Moment übersteht die Revolution ihre größte Gefahr.
Die Überwindung des Terrors und der Sturz von Robespierre, die einen klaren Sieg der
Revolution über ihre Gegner symbolisieren, bekräftigen die Deutschen in ihrer Auffassung
von der Revolution als einem Werk der Vorsehung. Vor diesem Hintergrund leitet Kerner
22
im Thermidor den Triumph der Revolutionsfreunde über ihre Feinde von einem
überiridischen Willen ab:
“Wir leben in Zeiten, wo sich die Existenz einer über uns waltenden Gottheit, einer
höheren Vorsehung in dem großen Freiheitskampf mehr denn jemals offenbart - denn nur
aus ihrem allmächtigen Willen lässt sich das große Phänomen erklären, dass die
fränkische Republik nach so tausend feindlichen Anfällen, nach so tausend feindlichen
Erschütterungen, nach so tausend Qualen, die die Erde im Einverständnis mit der Hölle
gegen sie ausspie, demungeachtet gerade in dem nämlichen Augenblick, als sie hart an
dem bröckelnden Rand eines endlosen Abgrunds schon in denselben zu stürzen schien,
binnen wenigen Stunden von demselben entfernt und in eine glücklichere Konstellation
der Dinge versetzt wurde, die nicht das Resultat eines menschlichen Plans, sondern das
Werk jenes großen Ungefährs ist, womit wir die unerklärbare Ratschlüsse des Lenkers der
Welt bezeichnen."(91)
So erlebt, kann die Erfahrung der revolutionären Realität und ihrer Exzesse
unterschiedliche Eindrücke erzeugen, die sich jedoch nicht gegenseitig ausschließen:
Zum einen kann sie bis zum Traumatismus ihrer Anhänger verunsichern, zum anderen
trägt sie dazu bei, sie in ihrem Glauben über den glücklichen Ausgang der Revolution zu
bekräftigen. Insofern verstärkt die konkrete Revolutionserfahrung letztendlich die
Identifikation mit den Zielen und Idealen derselben und bildet so eine mächtige Grundlage
für die Kontinuität eines revolutionären Engagements.
In Mainz sollte der erste unmittelbare Kontakt mit der französischen Revolution für eine
Kristallisierung der Revolutionsauffassung als Werk der Vorsehung sorgen, in dem Maße,
wie die Mainzer Klubisten 1792 im schnellen Siegeszug der Revolutionsarmee ein
göttliches Zeichen sahen. Ihre Revolutionsauffassung war somit eine Erweiterung ihrer
christlichen Interpretation der Menschenrechte. Für Joseph Anton Dorsch hatte die
Vorsehung die Revolution nach Mainz gebracht, damit auch hier die Bevölkerung mit den
Prinzipien der Menschenrechte vertraut werde: “Die Franken haben euch vom Joche
eures geistlichen Despoten befreit, sucht nun, euch in der Freiheit zu erhalten. Vollendet
das große Werk, zu welchem euch die Vorsehung durch Custines Hand berufen hat." (92)
Als Werk der Vorsehung dient die Revolution dem Ziel, den menschlichen Fortschritt zu
bewirken. So unterstreicht der Klubist Metternich in einer Flugschrift an die Mainzer
Bevölkerung:
“Ich bin überzeugt, dass der gute Gott, die ewig weise Vorsehung, uns Menschen nur
geschaffen habe, auf dass wir glücklich sind; ich bin überzeugt, dass dieser gute Gott uns
mit den Mitteln, wie wir glücklich sein können, nicht unbekannt lassen konnte; ich bin
daher überzeugt, dass die Gerechtigkeit dieses Gottes durch den Despotendruck dermal
durch die Waffen der menschenfreundlichen Franken müsse zerstören lassen."(93)
Metternich sieht im revolutionären Krieg ein göttliches Instrument, das allein die
Vernichtung des Despotismus zur Funktion hat, damit sich die Menschen in der
wiedererlangten Freiheit ihrer wahren Bestimmung nähern können. Innerhalb dieses
Rahmens verfügen die Menschen über eine relative Autonomie. Sie sind nicht frei, über
ihre Bestimmung zu entscheiden, und können keinen Einfluss auf den glücklichen
Ausgang der Revolution nehmen, werden aber dazu ermuntert, selber ihre Bestimmung
zu verwirklichen. Aus der Revolution und ihren Prinzipien müssen sie lernen, Herren ihrer
eigenen Verbesserung zu werden. Bekanntgemacht mit den Prinzipien der
Menschenrechte, sind die Menschen dazu aufgefordert, sie anzuwenden und aus ihren
eigenen Fehlern zu lernen. Bei Rebmann wird die Revolution exemplarisch zu einem
23
Lehrstück stilisiert. Sie wird als ein außerordentliches, chaotisches Versuchsfeld
dargestellt, in dem die Menschen Regeln aufstellen können, um eine neue
Gesellschaftsordnung einzurichten:
“Das Ganze in diesem Chaos, den Zusammenhang zwischen allen diesem und dem
Fortschreiten der Menschheit, die Resultate dieser ungeheuren Verwirrung zu finden. Das
ist der wichtige Punkt, und Resultate sind da, liegen uns hier in Paris näher, merklicher
und deutlicher vor Augen als irgendwo, die große Frage ist die: welche gesellschaftliche
Ordnung ist es, bey°welcher jeder seine Bedürfnisse auf die uns schädlichste Art für die
übrigen findet, und bey welcher jeder verhindert wird, mehr Bedürfnisse zu haben, als er
befriedigen kann, ohne vielen andern die Befriedigung der ihrigen dadurch unmöglich zu
machen? Die Vorsehung hat uns seit einigen tausend Jahren so viele Experimente der
Menschheit sehen lassen, dass wir endlich eine allgemeine Antwort auf diese Frage
gefunden haben. Nämlich: Die beste gesellschaftliche Ordnung ist jene, welche keinem
erlaubt, ein Bedürfnis zu befriedigen, das sich nicht mit der Moralität verträgt. Und es ist
unsre Sache, Regeln zu entwerfen, welche diesem Zweck am meisten entsprechen, und
am wenigsten zu Exzeptionen und betrüglichen Umgehungen Spielraum lassen", und der
wichtige Nachsatz “Die Mittel, diese Regeln zu entwerfen, diese Ordnung zu finden, geben
uns - die Erfahrung der Revolution und unser Nachdenken. "(94)
Vor allem hat die Revolution aus der Sicht Rebmanns den Menschen “eine neue Form"
geschenkt, die “ungleich besser als alle vorhergehenden [ist], denn sie hat das Verdienst,
dass die sogenannten Regierenden die Menschheit nicht direkt an ihrer Vervollkommnung
hindern können". So gesehen bildet die Revolution als Werk der Vorsehung eine
entscheidende Etappe in einem Vervollkommnungsprozess des Menschengeschlechts;
ihre Rolle wird innerhalb einer Geschichtstheorie reflektiert, die sich auf das kantische
Geschichtsdenken stützt, wie es Kant in seinem Aufsatz “Idee zu einer allgemeinen
Geschichte in weltbürgerlicher Absicht" einige Jahre vor dem Revolutionsausbruch
formuliert hatte. In einen geschichtlichen Prozess eingebettet, wird die Revolution oft mit
der Reformation verglichen. So wie die Deutschen im Zeitalter der Reformation berufen
worden waren, das Menschengeschlecht vom religiösen Despotismus zu befreien, seien
die Franzosen nun dran, ihren Beitrag zur Verbesserung der Menschengattung zu leisten.
Forster drückt dies am deutlichsten in seinen “Pariser Umrissen" aus:
“Ich sehe keine Nation als Ideal an, alle zusammen machen die Masse der ganzen
Gattung aus, und die Franzosen sind nun einmal vielleicht gar zur Strafe bestimmt, die
Märtyrer für das Wohl welches künftig die Revolution hervorbringen wird, abgeben zu
müssen. So ungefähr wie die Deutschen zu Luthers Zeiten für das allgemeine Wohl
Märtyrer werden müssen."(95)
Der Vergleich zwischen Reformation und Revolution lässt eine historische Perspektive
entstehen, die wie bei Kant die Züge einer Teleologie annimmt. Die Revolution wird nicht
nur als ein empirisches Beispiel aufgefasst, das einen unbestimmten
Vervollkommnungsprozess der Menschen veranschaulicht, sondern als eine
grundlegende Phase, die die Menschen ihrer moralischen Bestimmung näher rücken
lässt. Diese Interpretation lässt gut die Bedeutung der deutschen Aufklärung im
politischen Werdegang der treuesten Revolutionsanhänger in Deutschland erkennen.
Abschließend möchte ich auf die gebräuchlichen Bezeichnungen “deutscher
Jakobinismus" und “deutscher Jakobiner" zurückkommen. Sie können allein wegen ihrer
starken Konnotation dem Engagement der deutschen Revolutionsanhänger, die auch
nach der Erfahrung des Terrors die Sache der Revolution weiter verteidigten, in keiner
24
Weise gerecht werden. Weit davon entfernt, sich durch einen radikalen Demokratismus
auszudrücken, beruht dieses Engagement auf einem radikalen Liberalismus, dessen
Wurzeln im Gedankengut der deutschen Aufklärung liegen. Es zielt konsequent darauf ab,
allen Individuen ein gleiches Maß an persönlicher Autonomie zu erkämpfen und damit die
Perspektive einer kreativen Entfaltung der menschlichen Talente zu eröffnen. Aus dieser
Sicht, und nur aus dieser Sicht, lässt sich sein demokratischer Inhalt definieren. Dieser
besteht in einem aufklärerischen Philanthropismus und bringt keine Perspektive eines
materiellen Ausgleichs oder eine Überbetonung des Gemeininteresses vor dem der
Individuen mit sich, sondern möchte die Barrieren der Klassengesellschaft und Insignien
der Privilegierten vernichtet sehen und die Individuen allein in ihrer Kondition als Mensch
betrachten. Die Kritik der sozialen Gegensätze handelt stets von aufklärerischen Idealen,
von der Befreiung der schwachen Gesellschaftsschichten von jeglichem Despotismus. In
diesem Sinne verstehen sich die deutschen Revolutionsanhänger als “Menschenfreunde"
und “Freiheitsfreunde" und nicht als “Jakobiner", eine polemische Bezeichnung, die das
überlegene konterrevolutionäre Lager im Heiligen Römischen Reich ihnen zuwies und als
Waffe nutzte, um den politischen Gegner zu diskreditieren.
Aus diesem Grunde erscheint die Bezeichnung “deutscher Jakobiner" verwirrend, da das
Wort “Jakobiner" im deutschen Kontext mit einer negativen Konnotation beladen wurde
und zur Verwischung der politischen Unterschiede zwischen den deutschen Liberalen, die
nach einer ursprünglichen Begeisterung für die Revolution sich radikal von ihr
distanzierten, und den Deutschen, die trotz der revolutionären Exzesse an ihrem
Engagement festhielten, führte. Zudem stößt die Bezeichnung “deutscher Jakobiner" auf
einen viel grundlegenderen Einwand, da sie unvermeidlich eine Parallele zu den
französischen Jakobinern und ihrer Unterstützung der Wohlfahrtsdiktatur entstehen lässt,
die kaum gerechtfertigt erscheint. Weit davon entfernt, die Wohlfahrtsdiktatur aktiv zu
unterstützen und sich mit ihren Trägern zu identifizieren, bleiben die deutschen
Revolutionsanhänger ihren aufklärerischen Idealen weitgehend treu und empfinden zum
Teil eine starke Desillusionierung. Vor diesem Hintergrund lässt sich die angebliche
Kontinuität ihres revolutionären Engagements nicht aufrechterhalten. Die Phase des
Terrors lässt sogar Brüche in ihrem Engagement erkennen, die bisher in der deutschen
Jakobinerforschung kaum Beachtung gefunden haben.
Auch die unmittelbare Konfrontation mit der revolutionären Realität sorgt nicht für eine
Radikalisierung der deutschen politischen Exilamen. In Paris erfährt ihr liberales
Engagement keine bedeutende Wandlung. Nur ihre Interpretation der revolutionären
Ereignisse - insbesondere des Terrors - wandelt sich infolge des Konjunkturwechsels und
lässt die Bedeutung des Zeitfaktors deutlich zum Tragen kommen. Im Nachhinein wird der
Terror als eine vorläufige und zufällige Abweichung interpretiert, die durch den Angriff der
Koalitionsmächte
gerechtfertigt
werden
kann.
So
greifen
die
deutschen
Revolutionsanhänger auf eine thermidorianische Interpretation des Terrors zurück und
bekräftigen gleichzeitig ihre Auffassung von der Revolution als einem Werk der
Vorsehung. Diese Auffassung begründet eine starke Legitimierung des revolutionären
Phänomens, denn in ihr können die deutschen Revolutionsanhänger fast grenzenlos
Zuflucht vor der grausamen Realität der Revolution finden. Diese Auffassung und nicht
eine eventuelle Zustimmung zur Jakobinerpolitik erklärt letztlich, warum sie auch nach den
ersten revolutionären Exzessen und nach der Erfahrung des Terrors die Sache der
Revolution weiter verteidigten. Gleichzeitig weist diese Überzeugung auf die Bedeutung
der deutschen Aufklärung vor allem für die religiöse Färbung in der Interpretation der
Revolution hin und verkündet das Hervortreten eines deutschen historischen Denkens.
25
Mit der Entstehung einer deutschen Interpretation der Revolution wird die unterschiedliche
politische Auffassung der deutschen Revolutionsanhänger einerseits und der Jakobiner in
Frankreich anderseits sehr deutlich. Diese grundlegenden Unterschiede lassen nach einer
tragfähigen Sammelbezeichnung suchen, die endgültig ihren impliziten Vergleich mit den
Jakobinern in Frankreich ausschließt. Vor diesem Hintergrund erscheint auch die häufige
Bezeichnung des “revolutionären Demokraten" - die als Alternative benutzt wurde und den
Titel einer grundlegenden vierbändigen Quellensammlung bildet (96) genauso
unzutreffend wie die des “deutschen Jakobiners". Das Engagement der deutschen
Revolutionsanhänger kann weder als demokratisch noch als revolutionär bezeichnet
werden - sofern dies ein bedingungsloses Eintreten für die Revolution bedeutet. Der
Einsatz der deutschen Revolutionsanhänger ist nicht mit einem Kampf für den
revolutionären Umsturz der bestehenden Strukturen gleichzustellen. Viele bleiben
Anhänger einer Reformpolitik, auch wenn sie im französischen Kontext die Revolution für
gerechtfertigt halten und sehr engagiert verteidigen. Allein ihre Begeisterung für das
freiheitliche Gedankengut von 1789 macht sie zu entschlossenen Anhängern der
Revolution, nicht die Art und Weise, wie sie durchgeführt wurde und wie jene Prinzipien in
der revolutionären Praxis umgesetzt wurden. In seinem Kern beruht ihr Engagement auf
einer freiheitlichen Interpretation der Menschenrechte, der allein ihre Selbstbezeichnung
“Freiheitsfreund" gerecht werden kann. Diese Bezeichnung erscheint mir nicht nur
zutreffend, sondern sie klingt zudem viel prägnanter. Sie erinnert am besten an das
Freiheitspathos der treuesten Revolutionsanhänger in Deutschland.
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Anmerkungen
1
Siehe: Helmut Berding, Etienne François, Hans-Peter Ullmann (Hrsg.), Deutschland und
Frankreich im Zeitalter der Französischen Revolution,
Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 1989. Dieser anläßlich der Zweihundertjahrfeier der
französischen Revolution konzipierte Sammelband erschien gleichzeitig auf Französisch
unter dem Titel: La Revolution, la France et l'Allemagne. Deux modèles opposés de
changement social?, Éd. de la Maison des Sciences de l'homme, Paris 1989.
28
2
Siehe: Hans-Jürgen Lüsebrink, Rolf Reichardt (Hrsg.), Kulturtransfer im Epochenumbruch
Frankreich-Deutschland 1770 bis 1815, Deutsch-Französische Kulturbibliothek, Bd. 9.1,
Leipziger Universitätsverlag, 1997; Erich Pelzen Die Wiederkehr der girondistischen
Helden, Pariser Historischen Studien, Bd. 43, Bonn 1998.
3
Davon zeugen ihre zahlreichen Definitionen des “deutschen Jakobinismus". Siehe: Der
Jakobinismusbegriff in der neueren Forschung, in: Inge Stephan, Literarischer
Jakobinismus in Deutschland (1789-1806), Sammlung Metzler, Stuttgart 1976, S. 17-26.
4
Es sei hier kurz auf die herausragenden Beispiele von Michel Debré (auf dem rechten
Flügel) und Jean-Pierre Chevènement (auf dem linken Flügel) hingewiesen, um nur zwei
zu nennen. Über die Geschichte des Wortes “Jakobinismus": Mona Ozouf, »Jacobin"
fortune et infortunes d'un mot in: Dies., L'École de la France. Essais sur la Révolution,
l'utopie et l'enseignement, Éditions Gallimard, Paris 1984, S. 74-90; Michel Vovelle,
Jacobins d'aujourd'hui, in: Ders., Les Jacobins de Robespierre à Chevènement, La
Découverte, Paris 1999, S. 157-175.
5
Aus dem Französischen übersetzt. Originalzitat in: Michel Vovelle, Problèmes du
jacobinisme, Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Berlin 8, 1990, Berlin.
6
Aus dem Französischen übersetzt. Originalzitat in: Jules Michelet, Histoire de la
Révolution française, Robert Laffont, Bd. 2, Paris 1979, S. 52.
7
Aus dem Französischen übersetzt. Originalzitat in: Jules Michelet, Histoire de la
Révolution française, Robert Laffont, Bd. 2, Paris 1979, S. 52.
8
Aus dem Französischen übersetzt. Originalzitat in: Jules Michelet, Histoire de la
Révolution française, Robert Laffont, Bd. 2, Paris 1979, S. 52.
9
Patrice Gueniffey, La politique de la Terreur. Essai sur la violence révolutionnaire
1789-1794, Paris 2000, S. 221.
10
Aus dem Französischen übersetzt. Originalzitat in: François Furet, Mona Ozouf (Hrsg.),
Dictionnaire critique de la Révolution française, Idées, Flammarion, Paris 1992, S. 233.
11
Vor diesem Hintergrund deutete Furet die radikale Kritik der Bergpartei an der
Begrenzung des Gleichheitsbegriffes als einen Angriff auf den Einfluss der Gironde, die
den Krieg gegen die kontrarevolutionären Mächte als ein Mittel benutzen wollte, den Feind
im Inneren Frankreichs zu verraten und eine weitere Radikalisierung der Revolution zu
verhindern.
12
29
H. Berding, Fr. Étienne, H.P. Ullmann (Hrsg.), Deutschland und Frankreich im Zeitalter der
Französischen Revolution, Frankfurt/M. 1989, S. 17.
13
Werner K. Blessing, Gedrängte Evolution: Bemerkungen
Verhaltenswandel in Deutschland um 1800, in: Ebd., S. 426-451.
zum
Erfahrungsund
14
Siehe: Helmut Berding (Hrsg.), Soziale Unruhen in Deutschland während der
Französischen Revolution, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1988. Die Studie von
Elisabeth Fehrenbach über die sozialen Unruhen im Fürstentum Nassau-Saarbrücken
sind in dieser Hinsicht besonders einleuchtend.
15
Die Allgemeine Administration wurde auf Initiative von Custine am 19. November 1792
errichtet. Siehe: Heinrich Scheel, Die Mainzer Republik, Bd. 3, Berlin 1989, S. 109.
16
Als Illustration dieser Aussage greift Scheel auf das Beispiel von Weisenau zurück, wo der
Klub sich äußerst vorsichtig benahm. Im November 1792 hatten zwei dortige Bürger dem
Klub die Absicht erklärt, einen Freiheitsbaum zu errichten, und ihn darum gebeten,
Vertreter zu entsenden. Dadurch wollte die minoritäre Gruppe, die hinter der
beabsichtigten Freiheitspflanzung stand, ihre Position durch die Autorität des Mainzer
Klubs stärken. Hauptwidersacher im Dorf war der Amtsvogt Steppes, der zum selben
Zeitpunkt dem Klub beigetreten war und von Exzessen in Weisenau berichtete. Zur
Untersuchung einer solchen Darstellung entschloss sich der Klub, Kommissare nach
Weisenau zu schicken. Sein darauf gefasster Beschluss blieb aber sehr moderat, da die
fünf ernannten Kommissare bei ihrem Geschäft ,jede Eigeninitiative tunlichst vermeiden
sollten". Siehe: Heinrich Scheel, Die Mainzer Republik, Bd. 3, Berlin 1989, S. 103.
17
Der Straßburger Johann Friedrich Simon traf mit seinem Schwager Gabriel Gregoire aus
Thionville im Laufe des 31. Januar 1793 in Mainz ein. Die ihm und seinem Schwager von
der Pariser Regierung ausgestellten Vollmachten beauftragten die beiden ausdrücklich,
das Dekret des Konvents vom 15. Dezember 1792 durchzusetzen. Dieses Dekret
proklamierte die notwendige Freiheit und Souveränität aller Völker, die von den Waffen
der französischen Republik befreit worden waren und noch befreit werden sollten. Siehe:
Décret concernant la proclamation de la liberté et de la souveraineté à tous les peuples
chez lesquels la République a porté et portera ses armes in: Archives Parlementaires, Bd.
55, 1ère série, Paris 1899, S. 70-76.
18
Friedrich Christoph Cotta (geb. 1758 Stuttgart, gest. 1838 Trippstadt in der Pfalz):
Entstammte einer wohlhabenden Familie des württembergischen Bürgertums. Ab 1775
Reichspostverwalter, wo er während seines Jurastudiums im Umfeld eines aufgeklärten
Kreises junger schwäbischer Intellektueller lebte; 1786 Dr. jur. in Heidelberg; Beginn der
journalistischen Tätigkeit als Redakteur der Cottaschen Stuttgarter Hofzeitung; 1788
Dozent an der Karlsschule. Die französische Revolution beschleunigte den Umbruch
seiner loyalen Haltung zur Opposition. Als seine Arbeit zunehmend offizielle Kritik erfuhr,
emigrierte er 1791 nach Straßburg und trat der dortigen Konstitutionsgesellschaft bei.
1792 kam er im Stab des französischen Generals Custine nach Mainz, wo er die
Revolutionsbewegung durch populäre Aufklärungsschriften und Mitarbeit im Jakobinerklub
30
(Vizepräs./Präs. im Febr./ März 1793) förderte. Siehe: Axel Kuhn, Helmut Reinalter, Alain
Ruiz, Biographisches Lexikon zur Geschichte der demokratischen und liberalen
Bewegungen in Mitteleuropa, Bd. l, Frankfurt/M. 1992, S. 24-25.
19
Axel Kuhn, Helmut Reinalter, Alain Ruiz, Biographisches Lexikon zur Geschichte der
demokratischen und liberalen Bewegungen in Mitteleuropa, Bd. l, Frankfurt/M. 1992, S.
211.
20
Dieses Dekret proklamierte die Souveränität der von den Franzosen befreiten Gebiete.
Siehe Anm. 16.
21
Siehe: Code pénal des 25. September und 6. Oktober 1791.
22
Vor dem 10. März 1793 war die Beschlagnahmung der Güter der Emigranten schon in
Gang. Am 28. März 1793 wurde sie durch ein Dekret reglementiert, das sieben Kategorien
von Emigranten definierte. Siehe: Archives parlementaires, Bd. 60, 1ère série, Paris,
1901, S. 643-653.
23
Archives parlementaires, Bd. 60, 1ère série, Paris, 1901, S. 128.
24
Johann Georg Adam Forster (geb. 1754 Nasenbuben b. Danzig, 1794 Paris): 1772/75
Teilnahme mit dem Vater an J. Cooks zweiter Südseereise; F. schrieb die
Reisebeschreibung, die ihn berühmt machte; 1777 Reise nach Paris; 1778/84 erstmals in
Deutschland, zunächst in Düsseldorf, dann Kassel, wo er eine Stellung als Prof. für
Naturwissenschaften am Collegium Caroli num erhielt; Eintritt in die Freimaurerloge;
1784/87 Universitätsprof. in Wilna/Polen; 1788 nahm er die Stelle eines
Universitätsbibliothekars in Mainz an; 1790 Reise mit A.v. Humboldt durch Westeuropa; er
wurde ab Okt. 1792 der bedeutendste Politiker der Mainzer Republik, als Mitglied und
zeitweise Präsident des Jakobinerklubs, als Vizepräsident der von den Franzosen
eingesetzten provisorischen Administration, Wahlkommissar, sowie im März 1793 als Abg.
und Vizepräsident des Rheinisch-Deutschen Nationalkonvents; als Leiter einer Deputation
reiste F. nach Paris, um das Anschlussgesuch zu überbringen. Nach Beendigung der
Mission wurde ihm die Rückkehr durch die Belagerung und schließlich Rückeroberung von
Mainz durch preußische Truppen unmöglich gemacht. F. blieb in Paris, übernahm
diplomatische Aufträge. Anfang Dez. 1793 erkrankte F. an dem Scharbock und starb
vereinsamt nach einer Lungenentzündung in Paris. Siehe: Axel Kuhn, Helmut Reinalter,
Alain Ruiz, Biographisches Lexikon zur Geschichte der demokratischen und liberalen
Bewegungen in Mitteleuropa, Bd. 1, Frankfurt/M. 1992, S. 37-39.
25
H. Scheel, Die Mainzer Republik, Bd. 3, S. 159-160.
26
Andreas Joseph Hofmann (geb. 1752 Maria-Zell, gest. 1849 Winkel): Studium der
Philosophie in Mainz und Würzburg; 1778 Privatdozent für Philosophie in Wien; Hofrat
beim Fürsten Hohenzollern-Hechingen; 1784 Prof. für Philosophie, seit 1791 auch für
31
Naturrecht in Mainz; Mitglied der Mainzer Lesegesellschaft, wo er scharfe Kritik an Adel
und Klerus übte; 1791/92 verschiedene Ermahnungen durch die Regierung; 1792 Mgl.
des Mainzer Klubs, dort zahlreiche Anträge, Reden und Flugschriften, zugleich
französischer Armeekommissar im Rheingau; im Febr./März französischer
“Subkommissar" bei den Wahlen auf dem Land, Abg. des Mainzer Konvents und dessen
Präsident; dann Präsident der z. “Allgemeinen Administration"; am 24.7. Flucht nach
Frankreich; Exil in Paris. Siehe: Ebd., S. 56-57.
27
H. Scheel, Die Mainzer Republik, S. 160; Anton Joseph Dorsch (1758 Heppenheim -1819
Paris): 1774/81 Studium der Philosophie und Theologie; 1781 Priesterweihe, dann Kaplan
in Finthen; 1784 Mitglied der Mainzer Illuminaten, dann Prof. der Philosophie in Mainz; seit
1790 geriet er als Kantianer mit dem Vikariat in Konflikt und emigrierte nach Straßburg, wo
er Mitglied des dortigen Jakobinerklubs und konstitutioneller Priester wurde. Im Okt. 1792
wurde er als Kommissar des Straßburger Klubs nach Mainz entsandt; Mitglied des
Mainzer Klubs; zahlreiche Reden und Flugschriften; Präsident der 1. “Allg. Administration";
Subkommissar in Speyer; im Juli 1793 Flucht nach Paris. Siehe: Ebd., S. 28-29.
28
Mathias Metternich (geb. 1747 Steinefrenz im Westerwald, gest. 1825 Mainz): Besuch des
Jesuitengymnasiums in Hadamar; 1776 Lehrer an der Pfarrschule St. Emmeran; seit 1780
an der Normalschule Mainz; 1786 Pro£ der Mathematik und Physik in Mainz; Mitglied des
Illuminatenordens, Mitglied der Mainzer Lesegesellschaft. 1792/93 führender Mainzer
Jakobiner, Gründungsmitglied des Klubs, dessen Präsident Febr. bis Apr. 1793, Verf.
zahlreicher Flugschriften, Redakteur der Zeitung “Der Bürgerfreund"; Mitglied der Mainzer
Munizipalität, Subkommissar bei den Wahlen, Mitglied des Rheinisch-Deutschen
Nationalkonvents; Mitglied der 2. Administration; bei der Wiedereroberung von Mainz
durch preußischen Truppen verhaftet und misshandelt; Haft in Ehrenbreitstein und Erfurt;
1795 nach Frankreich abgeschoben. Siehe: Ebd., S. 77-78.
29
Die Schriften der Mainzer Jakobiner und ihrer Gegner (1792-1802), hrsg. von der
Stadtbibliothek, München u.a., Saur [Mikrofilm]: Der Bürgerfreund, S. 60.
30
Georg Christian Gottlieb Wedekind (geb. 1761, gest. 1831 Darmstadt): Medizinstudium in
Göttingen und Erlangen; 1787 Prof. für Medizin in Mainz, Freimaurer, Leibarzt des
Kurfürsten. Durch Streit mit Kollegen fiel er in Ungnade. Im Okt. 1792 informierte er
Custine über die mangelhafte Besatzung von Mainz. Mitbegründer des dortigen Klubs;
dessen Präsident im Nov./Dez. 1792, Initiator des ersten Freiheitsbaums in Mainz; im
Febr./März 1793 französischer Subkommissar, Abg. des Mainzer Konvents. Im März 1793
Flucht aus Mainz, dann Arzt in Armeespitälern in Straßburg und Landau; 1796 Redakteur
der “Rheinischen Zeitung" in Straßburg; 1798 Rückkehr nach Mainz. Siehe:
Biographisches Lexikon, ebd., S. 128-129.
31
Georg Wedekind, Die Rechte des Menschen und Bürgers in: H. Scheel, Die Mainzer
Republik, Protokolle des Jakobinerklubs, Bd. 1, Akademie-Verlag, Berlin 1975, S. 738.
Wedekind brachte die Vorlage seiner Rede auch als selbständige Flugschrift heraus.
32
32
Die Schriften der Mainzer Jakobiner und ihrer Gegner (1792-1802), hrsg. von der
Stadtbibliothek, München u.a." Saur [Mikrofilm]: Der Bürgerfreund, S. 37.
33
H. Scheel, Die Mainzer Republik, Bd. 3, S. 273.
34
Emmanuel Joseph Sieyès, bekannt als Abbé Sieyès, spielte eine große Rolle während der
Revolution. 1789 veranlasste er die Umwandlung der États généraux in die Assemblée
nationale (Nationalversammlung). Seine zwei Essays “Essai sur les privilèges" und
“Qu'est-ce que le Tiers État ?" machten ihn berühmt.
35
Marcel Gauchel, Die Erklärung der Menschenrechte. Die Debatte um die bürgerlichen
Freiheiten 1789, [Aus dem Frz.] Rowohlt, Reinbek 1991, S. 99.
36
Nachdem die Constituante mit der Erklärung der Menschenrechte fertig geworden war,
widmete sie sich der Schaffung einer neuen Verfassung. Am Anfang der Diskussion
erhielt die Debatte um das königliche Veto eine zentrale Bedeutung, denn sie stellte
unmittelbar die Frage nach der Natur und Zugehörigkeit der Souveränität. Da der neu zu
wählenden Assemblée die ganze Souveränität gehören sollte, wollten die Abgeordneten
dem König nur ein “aufschiebendes Veto" (veto suspensif, gemeint ist ein Veto, mit dem
sich der König nur während zweier Legislaturperioden einem Gesetz widersetzen konnte)
zubilligen.
37
Ebd.
38
François Furet, 1789. Jenseits des Mythos, Junius, Hamburg 1989, S. 42.
39
Die Schriften der Mainzer Jakobiner und ihrer Gegner (1792-1802), hrsg. von der
Stadtbibliothek, München u.a, Saur [Mikrofilm]: Der Bürgerfreund, S. 60.
40
Georg Christian Gottlieb Wedekind, Die Rechte des Menschen und Bürgers, in: H. Scheel,
Die Mainzer Republik, Bd 1, S. 748.
41
Dieses Zitat stammt aus seiner sogenannten Rede: “Der Staatsbürger kann und muss als
Christ ein Patriot wie der Neufranke sein oder Übereinstimmung der neufränkischen
Staatsverfassung mit der Christusreligion" in: H. Scheel, Die Mainzer Republik, Bd. 1, S.
678.
42
Anrede an die Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit in: Georg Forsters
Werke, Bd. 10/1, S. 55.
43
33
Über die Freiheit. Eine Predigt von Anton Joseph Dorsch, bei Joh. Treuttel, Straßburg
1795, S. 12.
44
Anton Fuchs (1766 Mainz - 1812 Riga): 1792 Mitbegründer des Mainzer Klubs. Er hielt
dort mehrere Reden, verfasste Flugschriften, redigierte den Kosmopolitischen Beobachter
und vertrieb revolutionäre Flugschriften. Kommissar bei der Verfassungsumfrage vom
Dez. 1792, Steuereinnehmer in der Grafschaft Falkenstein, wo er im Febr./März 1793 als
französischer Subkommissar wirkte, Abg. und Sekretär des Mainzer Konvents und
Mitglied der z. “Allgemeinen Administration". Im Juli 1793 Flucht nach Paris. Siehe:
Biographisches Lexikon, ebd., S. 40-41.
45
Anton Fuchs, Etwas über die von Stumme aufgeworfene Frage, in: H. Scheel, Die Mainzer
Republik, Bd. 1, S. 338.
46
Siehe: Anm. 34.
47
Übersetzt aus dem Französischen. Originalzitat in: Marcel tauchet, La Révolution des
droits de l'homme, nrf gallimard, Paris, 1989, S. 138. Siehe: Le Hoday, rédacteur du
Journal des États généraux, Bd. 1, S. 175.
48
Hans Werner Engels, Friedrich Christian Laukhards Rechtfertigung der revolutionären
Jakobinerdiktatur, in: Die demokratischen Bewegungen in Mitteleuropa im ausgehenden
18. und frühen 19. Jahrhundert. Ein Tagungsbericht. Einzelveröffentlichungen der
historischen Kommission zu Berlin, Bd. 29, Berlin, 1980, S. 56-72.
49
Ebd., S. 58.
50
Axel Kuhn, Helmut Reinalter, Alain Ruiz, Biographisches Lexikon zur Geschichte der
demokratischen und liberalen Bewegungen in Mitteleuropa, Bd. 1, Frankfurt/M. 1992.
51
Staatsarchiv Würzburg, Mainzer Klubisten-Akten, Fasc. 89, folie 7 bis 14.
52
H. Scheel stützt sich dabei auf die Kommentare der Schwägerin Böhmers und die
Eickenmeyers, einem der ersten Mainzer Klubisten. Siehe: H. Scheel, Die Mainzer
Republik, Bd. 1, S. 76.
53
Ebd.
54
Walter Grab, Zur Definition des mitteleuropäischen Jakobinismus, in: Die demokratische
Bewegung in Mitteleuropa im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert, Berlin 1980
34
55
Von der Gruppe von deutschen politischen Exilamen, die sich 1793/94 bereits in Paris
aufhielten, wurden Gustav Schlabrendorf und Karl Friedrich von der Trenck
festgenommen. Georg Kerner und Konrad Engelbert Oelsner flüchteten zur Zeit des
großen Terrors in die Schweiz: Kerner floh im April 1794 nach Zürich und Oelsner im Mai
desselben Jahres dorthin zu seinem Freund Paul Usteri. Beide waren Zeugen des
ausländerfeindlichen Klimas. Bereits im August 1792 wies Oelsner darauf hin: “Der
Aufenthalt von Paris ist jetzt äusserst unangenehm; das Mißtrauen schielt aus aller
Augen; niemand wagt seine Meinung zu sagen; Exekutionen sind die tägliche
Unterhaltungen des Volkes." In: Oelsner, Luzifer oder gereinigte Beiträge zur Geschichte
der Revolution, zweyter Theil, Reprint [1799], Kronberg/Ts. 1977, S.118. Forster
unterstrich im Januar 1793 die heftige Ausländerfeindlichkeit: “Der Haß gegen Ausländer
bricht immer hämischer und niederträchtiger hervor." In: Georg Forster, Sämtliche
Schriften (Briefe 1792-1794), Bd. 17, Berlin 1989, S. 310.
56
Über die Stellungnahme Forsters zur Sitzung des Nationalkonvents vom 17. November
1793, in der die Dechristianisierung verordnet wurde, siehe: Ebd. (Parisische Umrisse), Bd
10/2, S. 607-608. Über seine Stellungnahme zur Wirtschaftspolitik, siehe: Ebd., S. 608.
Forster relativierte selbst die Tätigkeiten des revolutionären Tribunals in einem Brief vom
23. Juni 1793: “Eine Schande der Revolution ist das Blutgericht [...]. Wenn diese Auftritte
vorüber sind, übersieht man sie in der Geschichte, um der heilsamen Folgen willen, die
man, zwar nicht durch sie aber doch nebenher, durch die Revolution erlangte". In: Ebd.,
Bd. 17, S. 375.
57
Ludwig Ferdinand Huber (geb. 14.9.1764 Paris, gest. 24.12.1804, Ulm):
Legationssekretär, Publizist. Siehe: Axel Kuhn, Helmut Reinalter, Alain Ruiz,
Biographisches Lexikon zur Geschichte der demokratischen und liberalen Bewegungen in
Mitteleuropa, Bd. 1, Frankfurt/M. 1992, S. 59-60.
58
Während Forster die Revolution aus der Ferne als das Werk der kalten Vernunft
betrachtete, wurde er in Paris mit einem Ausbruch vieler Leidenschaften konfrontiert, die
er nicht erwartet hatte und missbilligte: “Aus der Ferne sieht alles anders aus, als man es
bei näherer Besichtigung findet. Dieser Gemeinspruch dringt sich mir hier sehr oft auf. Ich
hänge noch fest an meinen Grunsätzen; allein ich finde die wenigsten Menschen ihnen
treu: Alles ist blinde Leidenschaftliche Wuth, rasender Partheigeist, und schnelles
Aufbrausen, das nie zu vernünftigen ruhigen Resultaten gelangt". In: Georg Forsters
Werke (Brief an Therese Forster, den B. April 1793), Bd. 17, S. 341. Unmittelbar nach
dem 31. Mai 1793, als die Pariser Sektionen die Gironde aus dem Nationalkonvent
entfernten, schreibt er, indem er auf die Rolle der Pariser Sektionen hinweist: “Die Feigheit
des Nationalkonvents war schuld, dass es ihnen gelang. Nun thut jene Partei, was sie will.
Ich erwarte alles, was Leidenschaft in einer Republik und zumal einer gährenden, bei
verderbten Zeitläufen vermag." In: Ebd. (Brief an Therese Forster vom 4. Juni 1793), S.
362.
59
Ebd., S. 365.
60
35
So schreibt er: “Ich glaube nun einmal an die Wichtigkeit der Revolution im großen Kreise
menschlicher Schicksale; glaube, dass sie nicht nur sich ereignen mußte, sondern auch
den Köpfen, den Fähigkeiten eine andre Entwicklung, dem Ideengang eine neue Richtung
geben wird". In: Ebd., S. 364.
61
Ebd. (Parisfische Umrisse), S. 600.
62
Ebd., Brief an Thomas Brand (?) vom 11. Juli 1793, S. 386.
63
So schreibt er: “Die Meinung, die ich bestreite, hält die Verderbtheit für die bittere Frucht
der Revolution; ich hingegen glaube, dass eine allgemein gewordene selbstsüchtige
Stimmung die Ursache der Revolution ist, und nur durch sie geheilt werden kann". In: Ebd.
(Parisfische Umrisse), S. 607.
64
In einem Brief vom Juni 1792 weist Forster darauf hin, dass: “Es leicht gesagt [ist], dass
die Jakobiner zu weit gehen, aber wer kann leugnen, daß, so wie sie das Heft aus den
Händen geben, die Gegenrevolution gemacht sey? Freilich wird diese von Allen
gewünscht, die gegen die Jakobiner sprechen. In einem Augenblicke, wo ein solch
schweres Gewicht in diese Sache geworfen wird, haben sie Anstrengungen,
Überspannungen, wenn man will nöthig, um die andere zu senken. Nie hatte die Tyrannei
so viel Unverschämtheit, so viel Ausgelassenheit, nie wurden alle Grundsätze so mit
Füßen getreten, nie herrschte Verleumdung mit so zügelloser Gewalt." In: Ebd., Brief an
Christian Gottlob Heyne vom 5. Juni 1792, S. 127.
65
Brief an Auguste Breyer vom 2. März 1794 in: Hedwig Voegt (Hrsg.), Georg Kerner.
Jakobiner und Armenarzt, Reisebriefe, Briefe, Lebenszeugnisse, Berlin 1978, S. 433.
66
Über die Erscheinung und die Verbreitung dieses Gerüchts siehe: B. Baczko,
Robespierre-roi, ou comment sortir de la terreur, in: Le débat, Nr. 39, 1986.
67
Dieser Prozess war v.a. gegen den Volksrepräsentanten Carrier gerichtet, der im Laufe
des Jahres 1793 Massenertrinken(Massenertränken!) in der Loire organisiert hatte.
68
Siehe: Archives parlementaires, séance du 10 Thermidor an Il (28 juillet 1794), Nr 49, Bd.
93, lege série [Reprint], Paris 1982, S. 611-614.
69
So schrieb er z.B.: “Diese Apostel des Raubes verbreiteten Mißtrauen unter der Maske
von Volkssprache und Volksmanier. Sie bewaffneten die Klasse, deren wahres Eigenthum
Arbeit und Industrie ist, gegen die Bürger, welche sie als Reiche verhaßt machten, um sie
der Rache und Proskription preis zu geben."
70
36
Hedwig Voegt (Hrsg.), Georg Kerner. Jakobiner und Armenarzt, Reisebriefe, Briefe,
Lebenszeugnisse, (Briefe aus Paris, Januar 1795), Berlin 1978, S. 69.
71
Ebd., März 1795, S. 112.
72
So schreibt er: “Nein es war nicht möglich, dass irgend ein echter Republikaner die Hand
der Despotie in dieser Verwirrung aller Grundsätze, aller Ruhe, aller Ordnung hätte
verkennen können. Die Wahrheit leuchtete selbst aus den schändlichen Blättern hervor,
durch welche jene Verräter ihre Mördereien als Großtaten verkündeten. Dank sei den
verkehrten Maßregeln der auswärtigen Despoten, dass die gemißhandelten Franken sich
nicht den Tigern an der Grenze in die Arme warfen, um den Hyänen im Innern zu
entgehen." In: Andreas Georg Friedrich Rebmann, Werke und Briefe (Schreiben eines
Deutschen an Louvet, Stellvertreter des fränkischen Volks), Bd. 3, Berlin 1990, S. 62.
73
Siehe: Schlüssel zur geheimsten Geschichte der Revolution, in: Andreas Georg Friedrich
Rebmann, Werke und Briefe, Bd 2, (Die Geißel), Berlin 1990, S. 184-207.
74
Stimme eines deutschen Bürgers bei Gelegenheit des kurmainzischen Friedensantrags,
in: Ebd. (Das neue graue Ungeheuer, 1795), S. 55.
75
Siehe: Joseph Hansen, Quellen zur Geschichte des Rheinlandes im Zeitalter der
französischen Revolution. 1780-1801, Bd. IV, P. Hanstein, Bonn 1935, S. 545: Ernennung
der Beamten und Richter in den vier rheinischen Departements durch den
Regierungskommissär Rudler.
76
Die vier französischen Departements auf dem linken Rheinufer: Rhein und Mosel, Roer,
Donnersberg sowie Saar wurden im Januar 1798 eingerichtet. Siehe: Ebd.: Einrichtung
der vier rheinischen Departements durch den Regierungskommissär Rudler. 23. Januar
1798. Rebmann übte seine Funktion als Richter des Mainzer Kriminalgerichts bis
September 1799 aus, danach wurde er Richter am dortigen Revisionsgericht und nach
dessen Verschiebung in Trier. Unter dem napoleonischen Konsulat wurde er Präsident
des Kriminalgerichtes von Mainz und ab 1811 des Apellationsgerichtes von Trier. Siehe:
Axel Kuhn, Helmut Reinalter, Alain Ruiz, Biographisches Lexikon zur Geschichte der
demokratischen und liberalen Bewegungen in Mitteleuropa, Bd. 1, Frankfurt/M. 1992, S.
90-91.
77
Georg Forsters Werke (Brief vom 10. Juni 1793), Bd. 17, S. 365.
78
Über die Wirtschaftspolitik der Jakobinerdiktatur schrieb er: “Ich komme zur letzten und
mächtigsten Wirkung der Revolution und der ihr inwohnenden Kraft der öffentlichen
Meinung. Sie hat der Habsucht, der Gewinnsucht, dem Geitze, mit einem Worte, der
ärgsten Knechtschaft, zu welcher der Mensch hinabsinken konnte, der Abhängigkeit von
leblosen Dingen, einen tödlichen Streich versetzt. Die Finanzoperationen des
National-Convents zweckten schrittweise dahin ab. Indem man den Wechsel- und
37
Aktienhandel verbot, indem man eine Zwangsanleihe ansetzte, die den Kapitalisten und
Rentirer traf; indem man alle Staatsschulden in ein Buch einschreiben ließ; indem man die
Ausfuhr aller Waaren, die zu den Bedürfnissen des Lebens gerechnet werden,
untersagte; indem man die Handwerker requirirte, dass sie für den Staat arbeiten, und die
junge Mannschaft des ganzen Landes, dass sie ihren Herd verlassen und die Grämen
decken sollte: lehrte man die ganze Nation Aufopferungen machen, die dem Eigenthum
einen Theil seines eingebildeten übermäßigen Werthes benahmen." In: Georg Forsten
Sämtliche Schriften, Bd. 10/2, S. 608.
79
Konrad Engelbert Oelsner, Luzifer oder gereinigte Beiträge zu Geschichte der
Französischen Revolution. Erster Theil: Bruchstücke aus den Papieren eines
Augenzeugen, Reprint [1797], Kronberg/Ts. 1977, S. 91-92.
80
Ebd., S. 133-134.
81
Hedwig Voegt (Hrsg.), Georg Kerner. Jakobiner und Armenarzt, Reisebriefe, Briefe,
Lebenszeugnisse, Rotten & Loening, Paris 1978, S. 116.
82
In: Neue Dresdner Merkwürdikeiten 51, Dezember 1793 (Ein Wort an das Publikum),
zitiert nach N. Wrasky, Andreas Georg Friedrich Rebmann, Leben und Werke eines
Publizisten zur Zeit der großen französischen Revolution, Inaugural-Dissertation,
Buchdruck von J. Hörning, Heidelberg, 1907, S. 17.
83
G.F. Rebmann, Werke und Briefe, Rütten & Loenig, Berlin, 1990, Bd. 1, S. 256-257.
84
Anspielung auf die fünf “Directeurs", Mitglieder des “Pouvoir éxécutif" unter dem
Direktorium.
85
Ebd., Bd. 3, S. 278.
86
Georg Forsters Werke hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der
Wissenschaften (Brief an Therese Forster vom 28. Dezember 1793), Bd. 17, S. 498.
87
J. Vilate, Geheime Ursachen der Revolution des neunten zum zehnten Thermidor, in:
Beyträge zur Geschichte der französischen Revolution, 1795, S. 25.
88
In: Sur les principes de urorale politique qui doivent guider la Convention nationale dans
l'administration intérieure de la République, in: Marc Bouloiseau, Albert Soboul (Hrsg.),
CEuvres de Maximilien Robespierre, Bd. 10, PUF, Paris 1967, S. 355-57.
89
38
Aus dem Französischen übersetzt. Originalzitat in: H. Scheel, Einige Bemerkungen zum
Verhältnis der deutschen Aufklärung zur Französischen Revolution, in: Sitzungsberichte
der Akademie der Wissenschaften der DDR, Die Französische Revolution von 1789 und
ihre weltgeschichtliche Bedeutung, Berlin 1990, S. 65.
90
Georg Forsters Werke (Brief vom 24 Juli 1793), Bd. 17, S. 404.
91
Hedwig Voegt (Hrsg.), Georg Kerner. Jakobiner und Armenarzt, Reisebriefe, Briefe,
Lebenszeugnisse, Rütten & Loening, Paris 1978, S. 164.
92
Anton Joseph Dorsch, Rede bei Eröffnung der Gesellschaft der Freunde der Freiheit und
Gleichheit in Worms in: Heinrich Scheel, Die Mainzer Republik, Bd. 1, S. 234.
93
Mathias Metternich, Rede von den Ursachen der bis fitzt noch geteilten Meinungen über
die Revolutionssache der Mainzer und von den Mitteln, die Meinungen und Gemüter zu
vereinigen, in: Ebd., S. 294.
94
G.F. Rebmann, Werke und Briefe, Bd. 2, S. 393.
95
Georg Forsters Werke (Brief vom 5. April 1793), Bd. 17, S. 338.
96
Walter Grab (Hrsg.), Deutsche revolutionäre Demokraten, Metzler, Stuttgart, 4 Bde.
1971-1978: Gedichte und Lieder deutscher Jakobiner; die Wiener Jakobiner; Leben und
Werke norddeutscher Jakobiner; linksrheinische deutsche Jakobiner.
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Wir danken der Friedrich-Ebert-Stiftung für die Erlaubnis, diese Arbeit hier bringen zu
dürfen. Sie erschien erstmalig im Rahmen der Reihe "Gesprächskreis Geschichte" Heft
46. Diese Veröffentlichung kann in gedruckter Version kostenlos beim Historischen
Forschungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung, Godesberger Allee 149, 53175 Bonn
(Tel. 0228-883-473) bzw. via eMail: [email protected] bezogen werden.
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