Thema Nr - TU Dresden

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Privatdozentin Dr. Birgit Weitemeyer, Dresden
Die Limited als Rechtsformalternative zur GmbH
I.
Einleitung
Die Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die in vielen Ländern der Welt
übernommen worden ist1, steht in Deutschland auf dem Prüfstand. Die Bundesregierung
arbeitet an einer GmbH-Reform2. Ein Grund hierfür ist die durch die Rechtsprechung des
EuGH zur Niederlassungsfreiheit der Artt. 43, 48 EGV3 eröffnete Konkurrenz durch die
englische „private company limited by shares“ (Limited), die eine Haftungsbegrenzung auf
das Gesellschaftskapital ohne ein Mindeststammkapital ermöglicht4. Damit stellt sich bei
Unternehmensgründungen die Frage, ob und in welchen Fällen die Limited eine
Rechtsformalternative zur deutschen GmbH sein kann.
II.
Die Gründung
1. Formalien
a) Einer der Gründe für die Beliebtheit der Limited ist ihre unbürokratische Gründung. Die
Anmeldung erfolgt nicht wie in Deutschland bei einem örtlich zuständigen Handelsregister,
sondern bei einem zentralen Gesellschaftsregister, dem Companies House in Cardiff.5
b) Anders als nach § 2 I GmbHG bedarf die Gründung der Limited ebenso wie spätere
Änderungen der Satzung (§ 53 GmbHG) nicht der notariellen Form. Die notwendigen
Erklärungen sind auf gesetzlich vorgeschriebenen Formularen (Forms), die seit 2001 auch
per Internet erhältlich sind sowie elektronisch ausgefüllt und übermittelt werden können, dem
Companies House mitzuteilen. Einzureichen sind (s. 10 CA 1985):
-
Die Satzungsbestimmungen mit Außenwirkung, das Memorandum of Association, ist
schriftlich abzufassen und von einem Zeugen zu unterschreiben (Mustersatzung in Table
B).
-
Die Bestimmungen des Innenverhältnisses, die Articles of Association, können an eine
gesetzliche Mustersatzung angelehnt werden (Table A). Sie sind nur einzureichen, wenn
sie vom gesetzlichen Muster abweichen. Da sich der Mustervertrag in Table A aber
In Russland etwa noch 1998: Föderales Gesetz Nr. 14 „Ob obščestvach s ograničennoj otvetstvennost`ju“ –
OOO (Das Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung) v. 8.2.1998, Sobranie Zakonodatel´stva
Rossijskoj Federazii 1998, Nr. 7, deutsche Übersetzung in WiRo 1998, 252 ff.
2 Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von
Missbräuchen (MoMiG) vom 29.5.2006, abrufbar auf der Homepage des BMJ.
3 EuGH, NZG 1999, 298 – Centros; NZG 2002, 1164 – Überseering; NZG 2003, 1064 – Inspire Art.
4 Verlässliche Zahlen zur Verbreitung der Limited in Deutschland sind nicht erhältlich, weil keine Aussage über
die Erfüllung der Anmeldepflicht als Zweigniederlassung in das Handelsregister möglich ist, vgl. die Antwort der
Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion v. 16.12.2005, BT-Drucks. 16/283, S. 2: ca. 400
Gewerbeanmeldungen monatl. bis August 2005. In den Jahren 2003 bis 2005 sollen ca. 30.000 neue Limiteds
hinzugekommen sein, im Verhältnis zu GmbH-Neugründungen von 5,5 zu 1 (Limited), also ca. 20 %, vgl.
Westhoff, GmbHR 2006, 525.
5 Mit einer Außenstelle in London, die für die englischen und walisischen Gesellschaften zuständig ist, in
Edinburgh für die schottischen.
1
ändern kann, ist es empfehlenswert, den Gesellschaftsvertrag in einem Text
festzuhalten.6
Der
englische
Gesetzgeber
plant,
die
Aufspaltung
des
Gesellschaftsvertrags aufzugeben und eine einheitliche constitution zu schaffen.7 In
Deutschland gehen Reformvorschläge in die Richtung, Mustersatzungen für GmbH
vorzuschlagen,8 die Beraterfirma Goahaed bietet dies etwas bereits für die deutsche
GmbH an.
-
Form 10 mit Angaben zur Gesellschaft, zu directors und secretary
-
Form 12 mit einer eidestattlichen Versicherung, dass eine limited nach den Vorschriften
des CA 1985 gegründet werden soll und die gesetzlichen Voraussetzungen eingehalten
worden sind. Eidesbeamte können alle englischen solicitors und barristers und notaries
sein. Kosten 5 GBP (7,5 €).
-
Registrierungs-Gebühr in Form eines Schecks in Höhe von 20 £ (30 €).
c) Es erfolgt eine formale Prüfung, ob der Name der Gesellschaft und der Satzungszweck
zulässig
sind.
Nach
der
Prüfung
sendet
das
Companies
House
eine
Gründungsbescheinigung zu (certificate of incorporation). Mit dem dort bescheinigten
Gründungsdatum ist die Gesellschaft rechtlich selbständig. Eine Vorgesellschaft und die
Haftung für eine Unterbilanz im Stadium der Vorgesellschaft kennt das englische Recht
daher nicht.9 Vorher abgeschlossene Verträge werden als Rechtsgeschäfte der Gründer
angesehen.10 Gleichwohl greifen viele britische Unternehmer bei der Neugründung auf einen
Mantelkauf zurück (Buying off the shelf), hierbei besteht aber natürlich das Risiko der
Haftung für eventuell bestehende Verbindlichkeiten.
d) Die Limited hat in England ein registered office zu unterhalten. Dies ist mehr als ein
bloßer Briefkasten oder ein Postfach, muss aber nicht der eigentliche Geschäftssitz sein. Es
handelt sich vielmehr um einen offiziellen Zustellungs- und Aufbewahrungsort.11 Hierzu bietet
sich ein in England tätiger Rechtsanwalt oder Steuerberater an (solicitor, accountant). Dort
müssen auch folgende Unterlagen aufbewahrt werden:
-
statutory registers oder staturory books: register of members (Gesellschafterregister),
register of directors and secretaries (Geschäftsführer und Schriftführer), register of
director´s interests in shares in debentures (Register
der
Beteiligungen der
Geschäftsführer, ihre Ehepartner und Kinder), register of charges (Register der
Vermögenslasten zulasten des Gesellschaftsvermögens);
6
Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, 2005, § 4 Rn. 22.
Mayson/French/Ryan, Company Law, 21. Ed., 2004 – 2005, S. 47.
8 Vgl. Teichmann, NJW 2006, 2444, 2449.
9 Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004, § 10 Rn. 12.
10 Michalsky, DStR 1991, 1660.
11 Triebel/Hodgson/Kellenter/Müller, Englisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. 1995, § 3 Rn. 616.
7
2
-
Minute
Book
(Sammlung
der
Protokolle
der
Gesellschafter-
und
Direktorenversammlungen)
-
Accounts
Documents
(Buchhaltungsunterlagen
und
annual
return)
sind
nicht
aufzubewahren, wenn die ausschließliche Tätigkeit in Deutschland stattfindet.
e) Erfordernisse in Deutschland:
Zusätzlich hat die Limited in Deutschland beim Handelsregister gem. § 13e II 1 HGB die
Eintragung als Zweigniederlassung zu beantragen.12 Die Vorschrift ist entsprechend auf
ausländische Gesellschaften anzuwenden, da sie im Lichte der Niederlassungsfreiheit und
der Zweigniederlassungsrichtlinie auszulegen ist.13 Tatsächlich ist zwar nur ein Bruchteil der
Auslandsgesellschaften eingetragen14 und eine persönliche Haftung der für die Gesellschaft
Handelnden nach § 11 II GmbHG analog wie bei fehlender Eintragung einer GmbH wird
durch den BGH abgelehnt.15 Denn die Haftung für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten
richte sich allein nach dem englischen Gesellschaftsrecht, das einen solchen Tatbestand
nicht kennt. Aber bei der Entscheidung für oder gegen eine Rechtsform sollten die
bestehende Rechtspflichten beachtet werden. Wird dem Handelsregister die fehlende
Eintragung bekannt, kann es ein Zwangsgeld erheben. Für die HR-Eintragung sind folgende
Unterlagen erforderlich:16
-
öffentliche begl. Abschrift von beiden Teilen des Gesellschaftsvertrag nach § 13g II S. 1
HGB
-
beglaubigter Registerauszug des Companies House (certificate of incorporation) oder im
Original als Nachweis des Bestehens der Gesellschaft nach § 13 e II S. 2 HGB, alternativ
Bestätigung durch engl. Notar
-
unterschriebenen Gesellschaftsvertrag, wenn dieser nur elektronisch eingereicht worden
ist, muss der Notar (notary public) beglaubigen, dass die Unterlagen mit den beim
Companies House eingereichten identisch sind
-
Nachweis der Vertretungsverhältnisse gem. § 13g II S. 2 HGB, also Gesellschaftsvertrag
oder Bestellungsbeschluss.
Übt die Limited in Deutschland ein Gewerbe aus, hat sie dieses nach §§ 14, 55c GewO
ebenso wie die GmbH in Deutschland anzumelden. Beim örtlich zuständigen FA ist eine
BGH, NZG 2005, 508; Art. 3 Nr. 1 – 5, 7, 8 des Referentenentwurfs des MoMiG (o. Fn. 2) sieht die Klarstellung
vor, dass auch allein im Inland tätige Auslandsgesellschaften eine Zweigniederlassung darstellen, Begr. S. 67 f.
13 OLG Hamm, GmbHR 2006, 1198.
14 Ca. nur 5.000 von 30.000, vgl. Leuering, ZRP 2006, 201, 204; Kornblum, GmbHR 2006, 28, 39.
15 BGH, NZG 2005, 508
16 Vgl. OLG Hamm, GmbHR 2006, 1198. Im Einzelnen ist vieles streitig, etwa ob übersetzte Unterlagen
einzureichen sind, ob die Übersetzung durch einen öffentlich bestellten Übersetzer erfolgt sein muss und ob der
Übersetzer von dem betreffenden Bundesamt bestellt worden sein muss.
12
3
Steuernummer,
beim
FA
Hannover-Nord
die
Umsatzsteuernummer,
die
Umsatzsteueridentifikationsnummer bei FA Saarlouis zu beantragen.
2. Kosten
a) Kosten der Gründung für die Limited
-
Eidestattliche Erklärung
-
Gebühr beim Companies House
-
Aufschlag für Gründung innerhalb 24 h
-
Kosten
für
Rechtsberatung
etc.
hinsichtlich
englischen
Gesellschaftsvertrags:
Gesamkosten über gewerbliche Agenturen ca. 250 bis 400 €.
b) Gründungskosten für die GmbH
-
Notar
-
Handelsregister
-
Rechtsberatung durch Anwalt: insgesamt ca. 1300 €, also ca. 1000 € mehr
-
Go ahaed bietet eine Standard-GmbH für ca. 700 € an
c) Laufende Kosten für die Limited
- Unterhaltung eines registered office in England
- Jährliche Rechnungslegungsunterlagen sowie sonstige Reports erstellen und einreichen
-
Neben dem director, der auch der einzige Gesellschafter sein kann, muss ein secretary
bestellt werden. Dabei handelt es sich um eine Art Schrift- oder Protokollführer. Er darf
nicht mit dem einzigen director identisch sein (s. 283 CA 1985). Es kann ein solicitor (RA)
oder tax advisor (Steuerberater) oder chartered accountant (WP) diese Aufgabe
wahrnehmen. Da mit der Übernahme dieser Aufgaben die Überwachung von Fristen
verbunden ist, die das Companies House streng ahndet, sollte die Aufgabe eine mit dem
englischen Recht versierte Person wahrnehmen.
-
Von gewerbliche Argenturen werden Kosten von ca. 300 € pro Jahr genannt. Also hat
man die Mehrkosten für die GmbH von 1000 € in ca. 3 Jahren wieder heraus. Denn für
die Limited ist auch eine Rechnungslegung nach den Vorschriften des HGB
vorzunehmen, die von der englischen abweicht. Es handelt sich daher um echte
Zusatzkosten.
3. Dauer der Eintragung
4
In England dauert die Gründung einer Limited nur wenige Tage (max. 5 Werktage), bei einer
zusätzlichen Gebühr erhält man seine Gesellschaft innerhalb von 24 h. In Deutschland wird
eine durchschnittliche Zeitdauer von 3017 oder 45 Tagen genannt.18 Es ist natürlich unfair,
dies mit den Eintragungsfristen in Ruanda oder Nigeria zu vergleichen, 19 denn in
Deutschland finden umfangreiche materielle Prüfungen zur Aufbringung des Stammkapitals,
zur Bewertung von Sacheinlagen und von weiteren Gründungsvoraussetzungen statt. Zu
begrüßen sind Maßnahmen zur Straffung des Eintragungsverfahrens. So können nach dem
geplanten
MoMiG
gegebenenfalls
erforderliche
staatliche
Genehmigungen für
die
Geschäftstätigkeit (§ 8 I Nr. 6 GmbHG) nach der Eintragung nachgereicht werden20. Die
flächendeckende Einführung der elektronische Führung des Handelsregisters ab dem
1.1.2007 verspricht eine weitere Verkürzung das Eintragungsverfahren21.
Für die Praxis ist nach einer aktuellen Untersuchung die kurze Eintragungsdauer
entscheidend.22 In Deutschland greift man hierfür oft auf Vorratsgesellschaften zurück, die
mit einem Aufschlag von ca. 10 % des Mindeststammkapitals von Rechtsanwälten
angeboten werden.
III.
Anwendbares Recht und Gerichtsstand
1. Rechtsgrundlagen
Der BGH hat sich nach den drei grundlegenden Entscheidungen des EuGH zu dieser Frage
der Gründungstheorie angeschlossen und die früher allgemein praktizierte Sitztheorie zur
Anwendung
des
internationalen
Gesellschaftsrechts
aufgegeben.
Nach
der
Gründungstheorie bemisst sich das anzuwendende Gesellschaftsrecht nach dem Recht des
Gründungsstaates, auch wenn die Gesellschaft später ausschließlich in einem anderen Staat
tätig wird.23 Das für interne gesellschaftsrechtliche Vorgänge sowie für die Haftung der
Gesellschafter und der Geschäftsführer anzuwendende Recht beruht daher auf dem
englischen Recht. Das ist im wesentlichen der Companies Act 1985 (CA 1985), ergänzt um
den Companies Act 1989 (CA 1989) sowie um common law.
Für alle anderen Rechtsfragen ist es in vielen Bereichen noch nicht geklärt, welches Recht
anwendbar ist. Dies bestimmt sich grundsätzlich nach dem deutschen IPR. Wenn nach
17
Römermann, NJW 2006, 2065, 2066.
Reichel, ZRP 2004, 184 m.w.Nw.
19 Reichel aaO.
20 Art. 1 Nr. 6 des Referentenentwurfs des MoMiG (o. Fn. 2).
21 Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister
(EHUG) v. 10.11.2006, BGBl. I, 2553, vgl. Begr. z. RegE, BR-Drucks. 942/05; BR-Drucks. 942, S. 86.
22 Becht/Mayer/Wagner, Corporate Mobility and the Costs of Regulation, Working Paper des European Corporate
Governance Institut, vgl. Teichmann, NJW 2006, 2444 Fn. 1.
23 BGHZ 153, 353 = NJW 2003, 1607; BGH NJW 2003, 1461; NZG 2004, 1001; NJW 2005, 3351 f. für
Vertragsstaaten des EWR-Abkommens; NJW 2005, 1648 für USA.
18
5
deutschem IPR deutsches Recht zur Anwendung kommt, kann dies aber gleichwohl einen
Eingriff in die Niederlassungsfreiheit darstellen, wenn die deutschen Regeln strenger sind.
Dieser Eingriff kann wiederum gerechtfertigt sein, wenn die Anwendung der strengeren
Regeln aus wichtigen Gründen des Allgemeinwohls erforderlich und geeignet und nicht
diskriminierend ist, sondern für alle gleich gilt. Daraus ergibt sich im Moment folgendes Bild:
Die Fragen der Vertretungsmacht des directors bestimmen sich gem. § 12 EGBGB nach
dem Personalstatut für die Gesellschaft, also nach englischem Recht.24 Für Verträge, die die
Limited mit Sitz in Deutschland schließt, gilt hingegen nach Art. 28 II EGBGB das Recht des
Staates,
in
dem
die
Hauptverwaltung
derjenigen
Gesellschaft
liegt,
die
die
vertragscharakteristische Leistung erbringt. Für die durch die Limited getätigten Geschäfte
gilt folglich deutsches Recht. Die Parteien haben es aber nach Art. 27 EGBGB in der Hand,
ein anderweitige Rechtswahl zu treffen, soweit es sich nicht um Verträge mit Verbrauchern
handelt (Art. 29 II EGBGB). Das Arbeitsrecht mit den Arbeitnehmern richtet sich nach
deutschem Recht. Die Vereinbarung englischen Rechts ist möglich, ist aber begrenzt, als
dem Arbeitnehmer dadurch nicht der Schutz zwingender deutscher Gesetze entzogen wird.25
2. Gerichtsstand
Gem. Art. 2 der Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsordnung (EuGVVO) sind
Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates haben, ohne Rücksicht
auf ihre Staatsangehörigkeit grundsätzlich vor den Gerichten dieses Mitgliedstaates zu
verklagen. Für Gesellschaften bestimmt sich dies gem. Art. 60 EuGVVO nach ihrem
satzungsmäßigen
Sitz
(registered
office
=
England),
ihre
Hauptverwaltung
(Unternehmensleitung = Deutschland) oder ihre Hauptniederlassung (Hauptverwaltung =
Deutschland). Weichen satzungsmäßiger Sitz und Hauptverwaltung voneinander ab, wie bei
der Limited, hat der Kläger ein Wahlrecht.
Eine Ausnahme besteht nach Art. 22 Nr. 2 EuGVVO für bestimmte gesellschaftsinterne
Streitigkeiten wie Klagen, die die Gültigkeit, die Nichtigkeit oder die Auflösung einer
Gesellschaft oder die Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe zum Gegenstand haben. Für
diese Fälle sind die Gerichte des Mitgliedstaates ausschließlich zuständig, in dessen
Hoheitsgebiet die Gesellschaft ihren Sitz hat. Bei der Entscheidung hierüber wendet das
Gericht die Vorschriften seines eigenen internationalen Privatrechts an. Nach der inzwischen
allgemein anerkannten Gründungstheorie ist der Sitz der Limited in England, so dass
24
OLG Celle, NJW-RR 2006, 324; OLG München, GmbHR 2006, 603.
Bieger/Goldstein/Helmreich/Hippel/Schneider/Schwarz, Die englische Limited in der Beratungspraxis – eine
Alternative zur GmbH?, 2004, S. 21.
25
6
englische Gerichte zuständig sind.26 Gem. Art. 5 Nr. 1 EuGVVO gilt dies auch für
gesellschaftsrechtliche Klagen, die nicht den Bestand der Gesellschaft betreffen, sich aber
unmittelbar aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben. Dem englischen Gerichtsstand läßt sich
entgehen, wenn die Parteien, also die Gesellschafter, schriftlich (Art. 23 I lit. A EuGVVO)
bestimmen, dass ein Gericht oder die Gerichte eines Mitgliedstaates für bestimmte
Rechtsstreitigkeiten ausschließlich zuständig sind, wenn eine der Personen ihren Wohnsitz
in diesem Mitgliedstaat hat. Eine entsprechende Gerichtsstandsklausel ist später, aber
grundsätzlich auch bereits in dem Gesellschaftsvertrag nach englischem Gesellschaftsrecht
zulässig (in den articles of association). Die Parteien werden sich wohl regelmäßig auf diese
Vorgehensweise, auch im Nachhinein, einigen, da die englischen Prozesskosten höher sind,
der Kläger diese auch bei einem Obsiegen nicht voll erstattet bekommt und er die
Vollstreckbarkeit des englischen Urteils in Deutschland beantragen müsste.
Daneben wird vertreten, dass regelmäßig bereits der ausschließliche Gerichtsstand in
Deutschland sei. Für rein betriebsbezogene Streitigkeiten gilt der ausschließliche
Gerichtsstand der Niederlassung nach Art. 5 Nr. 5 EuGVVO, wenn der Rechtsstreit am Ort
der
Niederlassung
Zweigniederlassung
entstanden
verfügt,
ist.
Da
resultierten
die
deutsche
zwangsläufig
alle
Limited
nur
über
Streitigkeiten
aus
eine
der
Niederlassung, so dass von daher schon deutsche Gerichte zuständig seien.27 Beide
Ansichten führen im Ergebnis dazu, dass deutsche Gerichte englische Gesellschaftsrecht
anzuwenden haben. Nach § 293 ZPO muss in diesem Fall die klagende Partei das
anzuwendende Sachrecht vortragen und beweisen wie einen Sachverhalt. Es gilt nicht der
Satz: iura novit curia.
IV.
Erfordernis eines Mindestkapitals und Risiken der Kapitalaufbringung
Bei der GmbH besteht ein Mindestkapital von 25.000 €, von dem bei der Anmeldung bei
einer Bargründung mindestens die Hälfte eingezahlt sein muss (§ 7 II GmbHG). Aus
wirtschaftlichen Gründen kann es sinnvoll oder im Fall der Sachgründung sogar geboten
sein, wenn in der Zeit zwischen der Gründung der Gesellschaft und der Eintragung im
Handelsregister, durch welche die GmbH gem. § 13 I GmbHG als juristische Person erst
entsteht, mit der Geschäftstätigkeit bereits begonnen wird, vor allem bei den in Deutschland
im europäischen Vergleich längeren Eintragungsverfahren der Handelsregister28. Unter
Aufgabe des früheren Vorbelastungsverbots hat der BGH die GmbH in Gründung als eine
Gesellschaft sui generis eingeordnet, die als Vor-GmbH bereits Rechte erwerben und
26
Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083, 1087.
Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004, § 5 Rn. 21.
28 Hierzu Gernoth, BB 2002, 837 ff.; Ries, BB 2004, 2145 ff.
27
7
Verpflichtungen eingehen kann29. Darüber besteht heute Konsens, da mit der Eintragung
und .der Entstehung der GmbH als juristische Person das gesamte Aktivvermögen
insbesonders bei einer Sachgründung ohne weitere Übertragungsakte auf diese übergehen
muss. Wenn dies nicht auch für die Verbindlichkeiten gälte, würden Haftung und
Haftungsgrundlage getrennt. Zum Ausgleich ist nach dem Rechtsgedanken des § 9 GmbHG
zu gewährleisten, dass im Zeitpunkt der Eintragung das versprochene Stammkapital
unversehrt seinem Wert nach der Gesellschaft zur Verfügung steht. Ist dies wegen der
Belastung mit Verbindlichkeiten nicht der Fall, haften die Gesellschafter für die Differenz
sowohl bis zur Eintragung im Handelsregister (Verlustdeckungshaftung)30 als auch nach
der Eintragung (Unterbilanz-, Differenz-, Vorbelastungshaftung)31 persönlich und vom
Umfang nicht auf ihre noch offenen Einlageverpflichtungen beschränkt, jedoch nur im
Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft und entsprechend ihrer Beteiligung am
Stammkapital. Ausgenommen von der Haftung sind die satzungsmäßig festgelegten
Gründungskosten32. Während die Gläubiger die Gesellschafter wegen der vor Eintragung
bestehenden Verlustdeckungshaftung direkt in Anspruch nehmen können, wenn die VorGmbH
vermögenslos
ist,
vor
allem
bei
der
Abweisung
der
Eröffnung
eines
Insolvenzverfahrens mangels Masse, wenn sie keinen Geschäftsführer hat, weitere
Gläubiger nicht vorhanden sind oder es sich um eine Ein-Mann-Vor-GmbH handelt33, hat der
BGH kürzlich eine Außenhaftung nach der Eintragung bei einer vermögenslosen
Einpersonengesellschaft abgelehnt, da mit der Entstehung der juristischen Person das
Trennungsprinzip gelte34. Die Vorbelastungshaftung verjährt entsprechend § 9 II GmbH in
zehn Jahren35. Für die Voraussetzungen der Unterbilanzhaftung ist die GmbH bzw. deren
Insolvenzverwalter beweispflichtig. Wegen der mit der Beweisführung verbundenen
Schwierigkeiten besteht aber eine sekundäre Beweislast der Gründergesellschafter, wenn im
Zeitpunkt der Eintragung keine Vorbelastungsbilanz erstellt worden war36.
Auch durch spätere Kapitalzuführungen erlischt die Unterbilanzhaftung nicht ohne weiteres.
Es gilt der Grundsatz der realen Kapitalaufbringung. Diese für den Erstattungsanspruch nach
29
BGHZ 80, 129 (141) = NJW 1981, 1373.
BGHZ 134, 333 = NJW 1997, 1507 unter teilweiser Aufgabe von BGHZ 80, 129 (144) = NJW 1981, 1373 u. 91,
148 (152) = NJW 1984, 2164; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. (2006), § 11 Rdnr. 29;
a.A. Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. (2004), § 11 Rdnr. 15: Außenhaftung, jeweils m. w.
Nachw.
31 BGHZ 80, 129 (132) = NJW 1981, 1373; 134, 333 = NJW 1997, 1507; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff,
GmbHG (o. Fn. 30), § 11 Rdnr. 15 m. w. Nachw.: allg. M.
32 BGH, NZG 1998, 102; NZG 2006, 390 (391).
33 BGHZ 134, 333 = NJW 1997, 1507; BAG, NZA 2006, 673 m. w. Nachw. Das hat u.a. den Vorteil, dass nicht
zusätzliche Kosten für die Anmeldung im Insolvenzverfahren oder die Klage gegen einen zahlungsunfähigen
Schuldner entstehen.
34 BGH, NZG 2006, 64.
35 Goette, DStR 2006, 714 (715).
36 BGH, NZG 2003, 393; NZG 2006, 390 (391).
30
8
§ 31 GmbHG entwickelten Grundsätze37 überträgt der Senat auf die Vorbelastungshaftung.
Da ihr Zweck darin besteht, dass der Gesellschaft das ihr von ihren Gesellschaftern
versprochene, in ihrer Satzung verlautbarte Stammkapital wenigstens im Augenblick ihrer
Eintragung tatsächlich seinem Wert nach unversehrt zur Verfügung steht, ist diese Haftung
ist wie ein Anspruch auf Leistung fehlender Bareinlagen zu behandeln und unterliegt
denselben strengen Regeln der Kapitalaufbringung wie die ursprüngliche Einlageschuld38.
Hiernach muss die Unterbilanz in der Absicht der Erfüllung dieses Anspruchs nach außen
erkennbar mit einer entsprechenden Tilgungszweckbestimmung ausgeglichen werden. Dies
erklärt sich daraus, dass der Anspruch der GmbH gegen die Gesellschafter auf Erbringung
ihrer Einlage nach § 19 II S. 1 GmbHG nicht erlassen werden kann39. Ein automatisches
Erlöschen durch Zweckerreichung infolge der anderweitigen Auffüllung des Haftungsfonds,
wenn sich die Vermögenssituation der GmbH verbessert und sie über ein ihrem
Stammkapital entsprechendes Vermögen durch nicht ausgeschüttete Gewinne oder über
eine auflösungsfähige Kapitalrücklage i.S. des § 272 II Nr. 4 HGB verfügt, ist daher
ausgeschlossen40. Der Gesellschafter kann entsprechend § 19 II S. 2 GmbHG auch nicht
einseitig gegen den Anspruch auf Ausgleich der Unterbilanz mit Forderungen aufrechnen,
die er gegen die GmbH besitzt41. Nur die Gesellschaft kann mit dem Anspruch auf Ausgleich
der Unterbilanz gegen einen vollwertigen42, fälligen (§ 271 BGB) und liquiden43 Anspruch des
Gesellschafters, etwa auf Auszahlung des Jahresgewinns oder nach Auflösung von Kapitaloder Gewinnrücklagen, aufrechnen44.
Unter anderem aus dem Grund, das Risiko einer persönlichen Haftung in der Phase vor der
Eintragung zu vermeiden, bietet die Beraterbranche den Gründern gegen Entgelt bereits
eingetragene GmbH-Mäntel auf Vorrat an. Allerdings hat der BGH diesen Weg erschwert,
weil er die erstmalige operative Nutzung einer Vorratsgesellschaft als wirtschaftliche
Neugründung bewertet und fordert, dass in diesem Fall ebenfalls ausreichend Vermögen in
Höhe der
Stammkapitalziffer
vorhanden sein muss.
Fehlt
es hieran, greift
die
45
Unterbilanzhaftung ein . Das gleiche gilt, wenn ein bereits gebrauchter GmbH-Mantel
erworben wird, bei dem die wirtschaftliche Tätigkeit eingestellt worden war, so dass unter
BGHZ 144, 336 (341) = NZG 2000, 883 – Balsam/Prodeco.
BGH, NZG 2006, 390 (392) m. Nachw. auf die h.M. in der Literatur.
39 BGHZ 144, 336 (340 ff.) = NZG 2000, 883; BGH, NZG 2003, 1116.
40 BGH, NZG 2006, 390 (392), unter Hinw. auf BGHZ 144, 336 (341)= NZG 2000, 883 – Balsam/Procedo unter
Aufgabe von BGH, NJW 1988, 139.
41 BGH, NZG 2006, 390 (392); NZG 2003, 1116.
42 Hierzu BGHZ 153, 107 = NZG 2003, 168.
43 Hierzu Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG (o. Fn. 30), § 19 Rdnr. 22; Gehrlein, BB 2006, 910 (911).
44 BGH, NZG 2006, 390 (392); a.A. Priester, in: Festschrift f. Ulmer (2003), S. 477 (491), der eine konkludente
Aufrechnung seitens der Gesellschaft annimmt.
45 BGHZ 155, 318 (327) = NZG 2003, 972 für gebrauchten GmbH-Mantel; offengelassen in BGHZ 153, 158 =
NZG 2003, 170 für Vorratsgesellschaft, aber Konsequenz aus der Anwendung der Gründungsvorschriften:
Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG,§ 3 Rdnr. 13; ebenso Goette, DStR 2004, 461, 464.
37
38
9
dieser Rechtsform ein neues Unternehmen betrieben werden kann46. Eine Erleichterung
stellt es lediglich dar, dass der maßgebende Zeitpunkt hierfür nicht wie bei der rechtlichen
Neugründung die unter Umstände späte Eintragung, sondern die Anmeldung zum
Handelsregister ist47.
Die
englische
Limited
kennt
das
Erfordernis
eines
Mindestkapitals
und
damit
Schutzvorschriften zu seiner Aufbringung nicht. Die Gesellschaft muss zwar ein Nennkapital
(nominal share capital) haben, das in Anteile für die Gesellschafter aufgeteilt ist. Gibt es nur
einen Gesellschafter, kann dieser auch nur 1 Pence, normalerweise 100 £, haben. Die
Angabe kann auch in Euro erfolgen. Neben dem Fehlen einer Unterbilanzhaftung sind im
englischen Recht weitere Besonderheiten gegenüber den Erfordernissen bei der GmbH
festzustellen:
-
Es gilt nicht das in Deutschland bestehende Verbot der Einlage von Dienstleistungen.
-
Eine Aufrechnung durch die Gesellschafter mit einer Forderungen gegenüber der
Gesellschaft ist dem Gesellschafter bei der Kapitalaufbringung nicht verboten (s. 738 (2)
CA 1985), anders nach § 19 II GmbHG.
-
Bei der Bewertung von Sacheinlagen gilt zwar die consideration doctrine, nach der die
Einlage einen wirtschaftlichen Wert verkörpern muss. Die Bewertung ist aber weitgehend
frei und findet ihre Grenze nur, wenn eine Einlage gänzlich fehlt oder sie vom director
nicht bewertet wurde oder bei vorsätzlichen Missbrauchsfällen und bei Betrug.48 Eine
staatliche Prüfung bei der Gründung wie in Deutschland exisitert aber nicht.
-
Es gelten nicht die Grundsätze der verdeckten Sacheinlage, die nach deutschem Recht
dazu führen, dass nach § 19 V GmbHG analog die Bareinlage nochmals geleistet werden
muss, wenn statt einer versprochenen Bareinlage versteckt eine Sacheinlage geleistet
wurde.49 Diese Grundsätze wendet der BGH auch bei dem innerhalb von Konzernen sehr
beliebten Cash-Pooling an, bei dem die gesamten Barreserven zur besseren
Anlagemöglichkeit bei einem Konzernunternehmen gebündelt werden oder demjenigen
Konzernunternehmen zur Verfügung gestellt werden, bei dem sie gerade gebraucht
werden.50 Außerdem kann dies zur Haftung nach § 30 GmbHG führen.51
All dies sind Gründe, warum das Eintragungsverfahren in England deutlich kürzer ist. Denn
vor der Eintragung muss gar nicht geprüft werden, ob die Einlageverpflichtung von den
46
BGHZ 155, 318 = NZG 2003, 972; OLG Jena, NZG 2004, 1114.
BGHZ 155, 318 (327) = NZG 2003, 972; Goette, DStR 2004, 461.
48 Pennington, S. 177.
49 BGHZ 155, 329, 338 f. = NJW 2003, 3127, 3129 f.: das dingliche und das schuldrechtliche Geschäft sind
unwirksam, daher Ansprüche aus § 812 und § 985 BGB.
50 BGH, ZIP 2006, 665; ZIP 2006, 331; hierzu Priester, ZIP 2006, 1557 ff.
51 BGHZ 157, 72, 75 f. = NJW 2004, 1111.
47
10
Gesellschaftern erfüllt worden ist. Die Zahlung hat erst nach interner Aufforderung durch den
director zu erfolgen.52
Auch steht es den Gesellschaftern grundsätzlich frei, ob sie ihre Gesellschaft mit Eigen- oder
Fremdkapital ausstatten, so dass es keine Vorschriften zu eigenkapitalersetzenden
Darlehen der Gesellschafter gibt,53 das ein fremder Dritter in dieser Situation der
Gesellschaft nicht gegeben hätte und das deshalb wie Eigenkapital behandelt wird (vgl. §
32a I GmbHG und § 135 InsO54 sowie die Rechtsprechung des BGH zu §§ 30, 31 GmbHG
analog55). Im MoMiG sind Reformen zu diesem Punkt geplant, so sollen die Regeln, die die
Rechtsprechung aufgestellt haben, entfallen, die gesetzlichen Vorschriften sollen in der
Insolvenzordnung geregelt werden, so dass sie dann nach hM auch auf die Limited
anwendbar wären.56
Angesichts dieses für deutsche Vorstellungen großzügigen Umgangs mit dem Eigenkapital
als Schutz vor Insolvenzen fragt man sich, wie die englische Praxis hiermit zurecht kommt.
Denn es ist ja zu erwarten, dass sich der Rechtsverkehr in Deutschland darauf auch
einstellen wird. Die Gläubiger bestehen etwa auf private Sicherung durch die Directoren oder
die Gesellschafter,57 was allerdings bei dem geringen Mindestkapital der deutschen GmbH
dort regelmäßig ebenso der Fall ist.58 Der EuGH hat die Frage, ob die Vorschriften über ein
Mindestkapital einen geeigneten Gläubigerschutz darstellen, ausdrücklich offen gelassen.59
Ob die geplanten Änderungen im GmbH-Recht nach dem MoMiG60, wonach das
Mindeststammkapital der GmbH auf 10.000 € gesenkt werden soll, nennenswerte
Erleichterungen bringt, ist fraglich. Das Für und Wider eines ausgefeilten Kapitalschutzes
nach deutschem Vorbild soll hier nicht diskutiert werden. Unternehmensgründungen
bedürfen aber bereits nach geltendem Recht nur eines Mindestkapitals von 25.000 €, von
dem bei einer Bargründung die Hälfte eingezahlt werden muss61. Diese Mittel können
teilweise ohne Haftungsfolgen für Zwecke der Gesellschaft ausgegeben werden, denn die
52
Mellert/Verfürth, Wettbewerb der Gesellschaftsformen, 2005, Rn. 60.
Wachter, GmbHR 2004, 89, 92; Fleischer, DStR 2000, 1015, 1017.
54 Gesellschafter ist in der Insolvenz nur nachrangiger Gläubiger, Anfechtung und Rückzahlung sind nach § 135
InsO, § 6 AnfG, § 32 GmbHG möglich.
55 Ausschüttungs- und Rückzahlungssperre auch außerhalb der Insolvenz nach BGHZ 90, 370, 381 = NJW 1984,
1891.
56 Begr. zum Referentenentwurf, S. 83; Hommelhoff, Die GmbH-Reform in der Diskussion, 2006, 115, 121.
57 Zum englischen Gläubigerschutz vgl. Fleischer, DStR 2000, 1015; Schall, ZIP 2005, 965; Gernoth, Pseudo
Foreign Companies, 2005.
58 Wachter, GmbHR 2004, 89, 92; Sandrock, BB 2005, 897, 898; Goette, DStR 2005, 197, 198; Happ/Holler,
DStR 2004, 732 zur Bonitätsprüfung des internen Ratings.
59 EuGH v. 30.9.2003, GmbHR 2003, 1260 ff.
60 O. Fn. 2.
61 Für Einpersonengesellschaften gilt zusätzlich § 7 II S. 3 GmbHG, der durch Art. 1 Nr. 5 MoMiG (o. Fn. 2)
abgeschafft werden soll.
53
11
Anschaffung etwa von langfristig zu nutzendem Anlagevermögen führt als bloßer Aktivtausch
nicht zu einer Unterbilanz, sondern erst ein später eintretender Wertverlust62. Außerdem wird
in der Praxis die Freiheit, das Geld als Fremdkapital zur Verfügung stellen zu können,
geschätzt.63
V.
Gesellschaftsstruktur und Geschäftsführer
Auf die Unterschiede in der Gesellschaftsform gehe ich nur soweit ein, wie es für den
Vergleich mit der GmbH relevant ist, dh. soweit sich hieraus Erschwernisse, Erleichterungen
oder Risiken ergeben können.
a) Die Limited kann seit 1992 ebenso wie die GmbH (§ 1 GmbHG) gem. s. 1 (3A) CA 1985
als Einmanngesellschaft gegründet werden. In diesem Fall ist die Adresse des registered
office, die Registrierungsnummer, dem Ort der Registrierung und dem Namen der
Gesellschaft auf der gesamten geschäftlichen Korrespondenz anzugeben (s. 351 CA 1985).
b) Der Name der Gesellschaft muss nicht den Namen eines oder aller Gesellschafter
enthalten (s. 25 (2) CA 1985), auch der Geschäftszweck muss sich in dem Namen nicht
widerspiegeln.64 Der Name darf nicht mit dem einer anderen Gesellschaft verwechselt
werden oder gar identisch sein (s. 26 CA 1985), dies kann beim Companies House
telefonisch oder per Internet geklärt werden. Nach § 349 CA 1985 muss der Name der
Gesellschaft auf allen Rechnungen und Geschäftsbriefen deutlich erkennbar sein, sonst
droht die persönliche Haftung der Geschäftsführer.65 Ungeklärt ist, ob bei der Eintragung als
Zweigniederlassung das deutsche oder das großzügigere engl. Firmenrecht zur Anwendung
kommt.66 So ist nicht geklärt, ob der Name „GmbH“ nach deutschem Recht geführt werden
kann; nach englischem Recht ist dies aber unproblematisch.67 Für die Anwendung des
deutschen Rechts mit seinem Irreführungsverbot in § 18 HGB spricht sich etwa das LG
Limburg/Lahn aus, so dass ein Nichtgesellschafter im Firmennamen nicht genannt werden
kann.68
c) Im Memorandum ist die Object Clause anzugeben, dh der Unternehmensgegenstand. In
der Praxis englischer Gesellschaften finden sich hierzu oft seitenweise Angaben, was auf die
lange
Zeit
geltende
ultra-vires-Lehre
zurückzuführen
62
ist.
Hiernach
durften
nur
K. Schmidt, GesR, 4. Aufl. (2002), § 34 III 4 c), 5, will die Haftung sogar nur bei operativen Verlusten eingreifen
lassen.
63 Leuering, ZRP 2006, 201, 202 m.w.Nw.
64 Luke, Die U.K. Limited, Rechtliche Grundlagen und praktische Hilfen, 2005, S. 25.
65 Just, Die englische Limited in der Praxis, 2. Aufl. 2006, Rn. 65.
66 OLG Frankfurt aM, GmbHR 2006, 259 m.w.Nw.
67 Römermann, NJW 2006, 2065, 2066.
68 LG Limburg/Lahn, GmbHR 2006, 260 m abl. Anm. Römermann.
12
Rechtsgeschäfte geschlossen werden, die sich mit dem Unternehmensgegenstand der
Gesellschaft vereinbaren ließen. War das Rechtsgeschäft hiervon nicht umfasst, war es
unwirksam und der Geschäftsführer haftete persönlich. Nach s. 3A CA 1985 gilt diese Lehre
zwar mittlerweile als überholt. Nach dieser Vorschrift genügt die allgemeine Angabe „to carry
on business as a general commercial company“ (sog. catch-all-clause). Da aber noch nicht
abschließend geklärt ist, ob es der Gesellschaft hiernach erlaubt ist, das Unternehmen selbst
zu
verkaufen,
und
weil
die
Geschäftsführer
gegenüber
der
Gesellschaft
schadensersatzpflichtig sind, wenn sie den Unternehmensgegenstand überschreiten, finden
sich auch heute noch ausführliche Beschreibungen des Unternehmensgegenstand.69 Die
englische Literatur empfiehlt dies, Rechtsprechung hierzu steht aus. Misslich ist dies vor
allem deshalb, weil die Limited in Deutschland als Zweigniederlassung in das
Handelsregister einzutragen ist. Dadurch entstehen zusätzlich hohe Gebühren für die
Veröffentlichung der seitenlangen Aufzählungen (Bsp. 1.800 oder 3000 €). Der EuGH hat
diese Praxis kürzlich gebilligt.70 Das Gericht ist aber nicht darauf eingegangen, ob die
Eintragung
des
ausführlichen
Unternehmensgegenstandes
nach
deutschem
Recht
erforderlich ist, da dies eine Frage der Auslegung des nationalen Rechts ist. Nach englischer
Rechtslage könnte das Problem entschärft werden, wenn der englische Gesetzgeber wie
geplant die Angaben zum Unternehmensgegenstand ganz aufgibt.71 Zusätzlich folgert die
deutsche Rechtsprechung aus § 13e II S. 3 HGB, dass zumindest der Gegenstand der
Zweigniederlassung bezeichnet wird, und dies konkret und nicht allgemein. Allerdings geht
die Meinung der meisten Oberlandesgerichte dahin, dass es ausreicht, wenn nur der
Gegenstand der Zweigniederlassung angegeben wird (Bsp. Herstellung von Kartenmaterial
für Fahrradtouren).72 Das deutsche Handelsregister habe nicht zu prüfen, ob dies mit dem
Geschäftsgegenstand
der
Limited
übereinstimmt,
da
die
Überprüfung
des
Unternehmensgegenstandes nach englischem Recht den deutschen Gerichten untersagt
sei. Die teure Veröffentlichung in Printmedien wird in Deutschland spätestens bis Ende 2008
ein Ende haben, wenn die Bekanntmachung nur noch im Internet erfolgt.73
d) Die Organe der Limited sind der director oder mehrere directors, der secretary
(Schriftführer) und die Gesellschafterversammlung (members). Der director ist anders als der
deutsche Geschäftsführer nicht an Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden.74
Das bedeutet
aber, der
Geschäftsführer kann sich gegenüber der
69
Gesellschaft
Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, 2005, § 4 Rn. 17; Just, Die englische Limited in der Praxis,
Rn. 70; Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004, § 10 Rn. 17.
70 EuGH, GmbHR 2006, 707 - Innoventif Limited, m. Anm. Wachter.
71 Clause 39 f. Company Law Reform Bill 2006, hierzu companieshouse.gov.uk, wonach Clause 33 (1) keine
Angaben zum Unternehmensgegenstand mehr enthalten soll.
72 OLG Frankfurt aM, NZG 2006, 515; OLG Hamm, GmbHR 2005, 1130; GmbHR 2006, 1198; OLG Düsseldorf,
NZG 2006, 317; OLG Jena, NJ 2006, 180
73 S. Art. 61 IV EGHGB n.F.
13
schadensersatzpflichtig machen, wenn er gegen die Gesellschaftsinteressen verstößt,
anders als im deutschen Recht bei weisungsgemäßem Handeln.75
e) Anders als nach § 181 BGB kennt das englische Recht kein Verbot des
Selbstkontrahierens. Der Director hat lediglich die Pflicht, etwaige Insich-Geschäfte den
anderen directors und den Gesellschaftern gegenüber offenzulegen (s. 317 CA 1985), bei
Verletzung droht eine Schadensersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft. Generell macht
sich der Geschäftsführer schadensersatzpflichtig, wenn er den Interessen der Gesellschaft
zuwider handelt. Zwar kann Clause 85 Table A abbedungen und die Vornahme von
Insichgeschäften im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden, allerdings ohne dass auf die
Offenlegungspflicht der directors gegenüber den Gesellschaftern verzichtet werden kann,
sondern nur gegen dem board of directors. Die generelle Befreiung vom Verbot des § 181
BGB ist damit nach englischem Recht nicht zulässig und kann in das Handelsregister der
Zweigniederlassung nicht eingetragen werden.76 Die rechtsgeschäftliche Vollmacht unterliegt
nach dem Wirkungslandprinzip (Art. 32 EGBGB) dem Land, in dem die Wirkungen der vom
Vertreter
vorgenommenen
Rechtsgeschäfte
eintreten.
Daher
versucht
die
Praxis,
rechtsgeschäftlich einen ständigen Vertreter der Zweigniederlassung zu bestellen (der
Begriff taucht in § 13 HGB auf), der von dem Verbot des § 181 BGB befreit werden kann.
Hierzu liegen bereits Entscheidungen vor, die eine dahingehende Satzungsklausel aber
wegen Irreführung ablehnen, wenn der ständige Vertreter und der director personenidentisch
sind.77
f) Ein Vorteil der Limited soll es sein, dass hierdurch Personen zu Geschäftsführern bestellt
werden können, die in Deutschland einem gewerberechtlichen Verbot unterliegen. Die
gem. 8 III S. 1 GmbHG gegenüber einem deutschen Handelsregister abzugebende
Erklärung, dass eine zum Geschäftsführer zu bestellende Person nicht wegen einer
Insolvenztat vorbestraft ist, wird von dem ausländischen Register nicht verlangt.78 Zwar
können auch nach englischem Recht directors oder faktische Geschäftsführer einer
insolventen Gesellschaft sowie Personen, denen gerichtlich die Eignung für das Amt des
Geschäftsführers entzogen worden ist, nicht als director bestellt werden (s. 11, s. 2 – 4, s. 6
– 9 Companies Directors Disqualification Act 1986). Personen, die eine Privatinsolvenz
erlitten haben, dürfe nur auf gerichtliche Zulassung als director bestellt werden (s. 11
Companies Directors Disqualification Act 1986). Das gleiche gilt bei der Verurteilung wegen
74
Mellert/Verfürth, Wettbewerb der Gesellschaftsformen, 2005, Rn. 69.
Vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, § 42 Rn.
76 OLG München, GmbHR 2005, 1302; GmbHR 2006, 603 Rn. 13; OLG Celle, GmbHR 2005, 1303; OLG
Frankfurt aM ,NZG 2006, 830.
77 OLG München, GmbHR 2006, 603 m. Anm. Werner; OLG Hamm, GmbHR 2006, 1198; vgl. aber OLG Frankfurt
aM, NZG 2006, 830 zur Limited als Komplementärin einer KG.
75
14
einer schweren Straftat im Zusammenhang mit der Gründung oder Führung einer
Gesellschaft sowie bei kontinuierlicher Verletzung von Mitteilungspflichten gegenüber dem
Companies House. Bei Nichtbeachtung haften die directors persönlich für die Schulden der
Gesellschaft
(s.
15
Companies
Directors
Disqualification
Act
1986).
Diese
Bestellungsverbote gelten aber nur bei Verstößen gegen die eigene Rechtsordnung. In
Deutschland muss die sonst bei der GmbH notwendige dahingehende Erklärung nach § 8 III
S. 1 GmbHG bei der Zweigniederlassung nicht gemacht werden. Diese fehlende
Abstimmung bietet im Moment noch Schutzlücken.79
Allerdings finden öffentlich-rechtliche und ordnungsrechtliche Vorschriften des deutschen
Rechts auch auf Auslandsgesellschaften Anwendung. Daraus ergibt sich, dass die
deutschen
Verbote
des
Gewerberechts
auch
für
die
Limited
gelten.80
Eine
Gewerbeuntersagung gegenüber einer Limited ist auch möglich, wenn einer Person der
Betrieb eines Gewerbes untersagt ist, und dieser hinter der Gesellschaft steht.81 Fraglich ist
nur,
ob
bestehende Gewerbeverbote
der
Eintragung
der
Zweigniederlassung
im
82
Handelsregister entgegenstehen oder allein gewerberechtlich gegen das Unternehmen und
den Geschäftsführer vorzugehen ist.83 Das OLG Jena hat diese Frage nach § 28 II FGG dem
BGH zur Entscheidung vorgelegt.84
VI.
Haftung der Gesellschafter und Geschäftsführer
Für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten gelten auch bei einer Auslandsgesellschaft allein
die Haftungstatbestände des englischen Rechts.85 Das bedeutet grundsätzlich ebenso wie
bei der GmbH (§ 13 GmbHG), dass die persönliche Haftung der Gesellschafter
ausgeschlossen ist (durch Regelung im memorandum nach s. 2 (3) CA 1985, sog. liability
clause). Aber sowohl das deutsche als auch das englische Recht kennen persönliche
Haftungstatbestände.
1. Haftung nach englischem Recht
-
Nach englischem Recht besteht die Haftung aus wrongful trading nach s. 214
Insolvency Act 1986. Der director haftet, wenn er trotz Zahlungsunfähigkeit der
Gesellschaft und wenn die Insolvenz unvermeidbar war, weiterhin Rechtsgeschäfte
78
Wachter, ZNotP 2005, 122, 130; Heckschen, NotBZ 2005, 24, 27.
Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, 2005, § 1 Rn. 49.
80 Zu § 35 GewO s. OLG Dresden, Senat für Bußgeldsachen, ZIP 2006, 1097; zu § 3 Nr. 4 S. 1 SteuerberaterG s.
FG Köln, EFG 2006, 682, Nichtzulassungsbeschwerde zum BFH unter dem Az. III B 198/06; FG Rheinl.-Pfalz,
EFG 2006, 1286.
81 VG Sigmaringen v. 18.5.2006, 1 K 635/06.
82 So OLG Jena, NZG 2006, 434; vgl. auch OVG Münster, NZG 2005, 897.
83 So OLG Oldenburg, GmbHR 2002, 29.
84 OLG Jena, NZG 2006, 434.
85 BGH, NJW 2005, 1648 m Anm. Eidenmüller 1618 u. Paefgen, GmbHR 2005, 957.
79
15
abschließt, statt ein Insolvenzverfahren einzuleiten. Der director ist dafür beweispflichtig,
dass er nichts von der Krise wußte. Anders als nach deutschem Recht knüpft dies nicht
an die Zahlungsunfähigkeit oder an das Bestehen einer Unterbilanz an (§ 64 GmbHG).
Rein tatsächlich exisistieren in England nur wenige Urteile, aber die deutschen Gerichte
können das englische Recht anwenden und mit Leben füllen (s.o.).86 Allerdings ist noch
offen, ob der Haftungstatbestand in Deutschland anwendbar ist. Ordnet man den
Tatbestand als insolvenzrechtliche Norm an, würde er ein englisches Insolvenzverfahren
erfordern.87 Ist die Norm dagegen gesellschaftsrechtlich einzuordnen, könnte auch ein
deutscher Insolvenzverwalter zuständig sein. In beiden Fällen würde die Haftung aber die
Durchführung eines Insolvenzverfahrens voraussetzen, so dass die Haftung nicht greift
bei der Abweisung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse.88 Hier ist so
gut wie alles offen. Betont wird, dass neben dem Anspruch aus dem englischen
Gesetzesrecht ein ergänzender Schadensersatzanspruch der Gläubiger gegenüber dem
director aus Richterrecht besteht.89
-
Den Gesellschaftsgläubigern haften die directors bei betrügerischer Geschäftsführung,
die zur Insolvenz der Gesellschaft geführt hat (fraudulent trading, s. 213 Insolvency Act
1986). Hierfür muss jedoch die Absicht des Betrugs nachgewiesen werden, so dass
diese Haftung nicht sehr wirksam ist. Außerdem billigt die englische Rechtsprechung
dem director die Hoffnung auf einen günstigen Ausgang zu (sunshine doctrine).90 Beide
Haftungstatbestände greifen auch bei faktischen Geschäftsführern ein (shadow
directors), die einen erheblichen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben.91
-
Im Gegensatz zu den Vorschriften über die Kapitalaufbringung sind die Vorschriften über
die Kapitalerhaltung im englischen Recht eher strenger als im deutschen. Auszahlungen
an die Gesellschafter dürfen nur aus erwirtschafteten Gewinnen erfolgen.92 Nach s.
263 CA 1985 dürfen Dividenden nur aus bereits erwirtschafteten Gewinnen abzüglich der
realisierten Verluste ausgeschüttet werden (profits available for distribution). Die seit
Bestehen der Gesellschaft erwirtschafteten Gewinne müssen die gesamten Verluste
übersteigen. Damit besteht auch ohne das Vorliegen eines festen Stammkapitals eine
Ausschüttungssperre mit ähnlicher Funktion wie im deutschen Recht § 30 GmbHG.
Verletzt der director diesen Grundsatz, hat die Gesellschaft gegenüber dem director
einen Anspruch auf Schadensersatz, der director kann sich dann an den Gesellschafter
halten, der die Auszahlung erlangt hat. Die Rückzahlung kann die Gesellschaft auch
86
Hierzu Habersack/Verse, ZHR 2004, 174, 184 ff.; Bachner, EBOR 2004, 293, 318; Hirte, ECFR 2004, 71, 103.
So LG Kiel, BB 2006, 1468, 1469.
88 Wachter BB 2006, 1463 ff.
89 Schall, DStR 2006, 1229.
90 Fleischer, DStR 2000, 1015, 1018; Mellert/Verfürth, Wettbewerb der Gesellschaftsformen, 2005, Rn. 76.
91 Burg, GmbHR 2004, 1379, 1382; Just, Die englische Limited in der Praxis, Rn. 132.
92 Schall, ZIP 2005, 965 (969); Zöllner, GmbHR 2006, 1, 6.
87
16
direkt von dem Gesellschafter verlangen, wenn dieser nicht gutgläubig war.93 Das gilt
auch, wenn auch unter engeren Voraussetzungen als in Deutschland, bei verdeckten
Gewinnausschüttungen.94 Daraus ergibt sich etwa auch eine persönliche Haftung des
directors, wenn er eine überbewertete Sacheinlage in den Bilanzen ausweist.95
-
Vernachlässigenswert sind bislang vereinzelte Entscheidungen dass Gesellschafter
persönlich haften müssen, wenn die Gesellschaft als bloße Fassade fungiert und
ausschließlich zu dem Zweck gegründet wurde, rechtliche Verpflichtungen zu umgehen
(Jones v Lopman 1962 1 All ER 442). Ebenso wenn die Gesellschaft als bevollmächtigte
Vertreterin (agent) der Gesellschaft agiert, etwa wenn die beherrschende Gesellschaft
selbst eine Körperschaft ist (Firestone Tyre & Rubber Co v Lewellin 1975, 37 TC 111
(HL)). Allerdings sind die Risiken einer Anwendung des englischen Gesellschaftsrechts
durch deutsche Gerichte noch nicht geklärt.
-
Wenig bekannt ist die persönliche Haftung des directors für die Schulden einer
insolventen Gesellschaft, wenn unter einem ähnlichen Namen wie der insolventen
Gesellschaft ein neues Unternehmen gegründet wird (§§ 216, 217 Insolvency Act
1986),96 sog. Schutz vor „phoenix companies“.
2. Haftung nach deutschem Recht
-
Nach Art. 40 I EGBGB findet bei unerlaubten Handlungen das Recht des Staates
Anwendung, in dem der Verletzte und der Ersatzpflichtige ihren gewöhnlichen Aufenthalt
haben. Gewöhnlicher Aufenthalt von Gesellschaften ist der Sitz ihrer Hauptverwaltung. In
der Regel gilt daher deutsches Recht. Gibt es keinen gemeinsamen gewöhnlichen
Aufenthalt, dann gilt gem. Art. 40 I EGBGB das Recht des Handlungsortes, an dem die
unerlaubte Handlung begangen worden ist.97 Ist der Handlungserfolg an einem anderen
Ort als dem Handlungsort eingetreten, kann der Verletzte auch die Anwendung des
Rechts des Erfolgsortes verlangen. Unter diesen Voraussetzungen wird diskutiert, ob die
Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung in Betracht kommen kann. Ein
derartiger Haftungstatbestand ist aber schon in Deutschland nicht anerkannt.
-
Daneben besteht die Möglichkeit der Haftung wegen existenzvernichtendem Eingriff,
der in Deutschland die Haftungslücke schließt, wenn durch den Eingriff die Unterbilanz
nicht verstärkt, sondern erst herbeigeführt wurde.98 Auch hierbei handelt es sich wohl
93
ss. 272, 273 CA 1985.
Höfling, Das englische internationale Gesellschaftsrecht, 2002, S. 154.
95 Hierauf weist Schall, DStR 2006, 1229, hin.
96 Hierzu High Court of Justice - Court of Appeal v. 28.11.2003 – A2-0624/03, EWiR s. 216 IA 1/05, 709 m Anm.
Schall.
97 Art. 40 I S. 1 EGBGB; Schall, ZIP 2005, 965, 973 ff.; Zöllner, GmbHR 2006, 1, 7.
98 Hierzu Fröhlich/Strasser, ZIP 2006, 1182 ff.; Römermann, NJW 2006, 2065 (2068); Zöllner, GmbHR 2006, 1 (7
f.).
94
17
aber um eine gesellschaftsrechtliche Rechtsfigur,99 die zudem dann nicht greift, wenn
von Anfang an zu wenig Eigenkapital vorhanden war.
-
Die Haftung nach deutschem Recht ist nach § 826 BGB wegen vorsätzlicher
sittenwidriger
Schädigung
oder
§
823
II
BGB
iVm
Untreue,
Betrug
oder
Insolvenzstraftaten möglich.100 Schwierigkeiten bereitet hier meist der Beweis der
Schädigungs- oder Betrugsabsicht. Allerdings kommt es auch vor, dass sie dies beweise
lässt,
wie
der
Fall
des
LG
Kiel
zeigt,
wo
ein
„Bettelschreiben“
des
Gesellschafter/Geschäftsführers an einen Freund aufgefunden worden ist, aus dem sich
ergab, dass der Geschäftsführer von der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ausgehen
musste und dennoch weiter Geschäfte tätigte.
-
Noch offen ist, ob die Haftung wegen Insolvenzverschleppung nach § 823 II BGB i.V.
mit § 64 I GmbHG eingreift. Das hängt vor allem davon ab, ob man den
Haftungstatbestand als insolvenzrechtlich,101 als Haftung aus unerlaubter Handlung oder
als gesellschaftsrechtlich102 einordnet.
-
Ebenso greift die öffentlich-rechtlich ausgestaltete Haftung der Geschäftsführer der
Limited nach § 69 AO für rückständige Abgabenschulden103
-
sowie nach § 823 II BGB i.V.m. § 266a StGB wegen Vorenthaltung von
Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung.104
-
Zum Insolvenzrecht sollen auch die Novellenregeln zum Eigenkapitalersatzrecht
gehören.105
VII.
Mitbestimmungsrecht
Überwiegender
Auffassung
nach
findet
das
Recht
Unternehmensmitbestimmung auf die Limited keine Anwendung.
106
der
deutschen
Selbst wenn deutsches
Recht Anwendung finden würde, erstreckt sich wohl schon das deutsche MitbestG 1979 und
das BetrVG 1952 nicht auf ausländische Gesellschaften. Dies würde auch Verwerfungen mit
der andersartigen Struktur der englischen Gesellschaftsform führen (eingliedriges board als
Führungsorgan statt Geschäftsführer und Aufsichtsrat).107 Wendet man das deutsche
Mitbestimmungsrecht analog an, wäre darin wohl eine unzulässige Beschränkung der
Niederlassungsfreiheit
zu
sehen.
So
99
ist
es
fraglich,
ob
man
die
So AG Bad Segeberg, ZInsO 2005, 558, 559; aM Goette, ZIP 2006, 541, 545, aber dann Eingriff in die
Niederlassungsfreiheit.
100 Wachter, DStR 2005, 1817, 1821 f.
101 So LG Kiel, BB 2006, 1468 = GmbHR 2006, 710 m. zust. Anm. Leutner/Langner; Wachter, BB 2006, 1463 ff.:
dann deutsches Recht.
102 So Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, 2005, § 16 Rn. 36; Gross/Schork, NZI 2006, 10, 14
dann englisches Recht.
103 FG München v. 26.4.2006, 14 V 133/06.
104 Vgl. BGH, NJW 2006, 3573 zur Reichweite der Haftung bei einer deutschen GmbH.
105 So Goette, ZIP 2006, 541, 546; aM Klaus J. Müller, BB 2006, 837, 838.
106 Junker, NJW 2004, 728, 729 m.w.Nw.
107 Kamp, BB 2004, 1496, 1499.
18
Unternehmensmitbestimmung zu den zwingenden Erfordernissen der Allgemeinheit zu
rechnen ist, die nach der Rspr des EuGH eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit
rechtfertigen
kann,
da
keine
Unternehmensmitbestimmung kennt.
ausländische
108
Rechtsform
eine
entsprechende
Im Gegensatz zur Unternehmensmitbestimmung
findet bei der betrieblichen Mitbestimmung durch die Bildung von Betriebsräten bei
mindestens fünf wahlberechtigten Beschäftigten deutsches Recht Anwendung. Hier kommt
es nämlich allein auf die Belegenheit des Betriebs, nicht der Gesellschaft an.109
VIII.
Rechnungslegung und Publizität
Gem. s. 221 CA 1985 hat die Gesellschaft täglich Aufzeichnungen der Einnahmen und
Ausgaben vorzunehmen und muss ein Vermögensverzeichnis aufstellen. Die Unterlagen
sind am Ort des registered office oder an einem anderen durch die directors bestimmten Ort
aufzubewahren (s. 222 CA 1985), also auch in Deutschland. Jährlich ist ein Jahresabschluss
aufzustellen, dieser umfasst wie in Deutschland die Bilanz und die Gewinn- und
Verlustrechtnung. Hinzu kommen noch ein Geschäftsbericht der directors
und ein
Prüfungsbericht der Wirtschaftsprüfer (nicht für Gesellschaften mit einem Jahresumsatz von
max. 5,6 Mio. GBP und Bilanzsumme von max. 2,8 Mio. GBP, ss. 249, 388 A CA 1985, sog.
„very small company“, vergleichbar in Deutschland nach § 316, 267 HGB). Der
Jahresabschluss ist nach englischen Rechnungslegungsvorschriften vorzulegen, die von den
in Deutschland gebräuchlichen erheblich abweichen.110 Für größere, international agierende
Gesellschaften ist die kein Problem, da diese heute schon in der Regel neben den
deutschen Abschlüssen solche nach internationalen Rechnungslegungsstandards erstellen,
um hier eine Vergleichbarkeit zu schaffen. Für Konzerne besteht sogar die Möglichkeit, einen
befreienden Konzernabschluss nur nach internationalen Regeln aufzustellen (§ 291 HGB).
Die Bilanz, GuV, Geschäftsbericht und Prüfbericht des WP sind dem Companies House
innerhalb von 10 Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres einzureichen (s, 244 (1) (b) CA
1985) und können dort von jedermann eingesehen werden. Anders als in Deutschland wird
diese Pflicht streng überwacht, es drohen Strafen und Bußgelder gegen den director und
gegen die Gesellschaft (s. 242 (2) und 242A CA 1985) sowie die Zwangslöschung.111 Das
deutsche Recht ist jedoch ebenfalls in diese Richtung durch das EHUG verschärft worden.112
108
Zur Diskussion vgl. Bayer, AG 2004, 534 ff. m. w. Nachw.; Wachter, GmbHR 2004, 88, 92; Kallmeyer, DB
2004, 636, 638; Meilicke, GmbHR 2003, 793, 805; Müller-Bonnani, GmbHR 2003, 1235, 1237 f.;
Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083, 1089; Zimmer, NJW 2003, 3585, 3590.
109 Wachter, GmbHR 2004, 88, 92.
110 Ausf. Klaus J. Müller, DB 2006, 824 ff.
111 Vgl. Geier, Der Konzern 2006, 421, 422 f.; AG Duisburg, NZG 2003, 1167.
112 Vgl. § 325 I HGB n.F., hierzu Leuering, ZRP 2006, 201, 204.
19
Muss die in Deutschland tätige Limited nun noch zusätzlich einen deutschen Abschluss
erstellen? Ob die Buchführungspflicht nach § 238 HGB auch für ausländische Kaufleute gilt,
oder ob es ausreicht, wenn die Gesellschaft nach § 352a HGB den englischen Abschluss
beim deutschen Handelsregister ihrer Zweigniederlassung abgibt, ist noch nicht geklärt. 113
Dahinter steht die Frage, ob die Rechnungslegung an das Gesellschaftsrecht oder an
öffentlich-rechtliche Vorschriften anknüpft. Allerdings bleibt die Gesellschaft in Deutschland
steuerpflichtig. Dazu muss endweder eine Überleitungsrechnung erstellt werden, die sich
aus der englischen Jahresbilanz ergibt, oder es muss doch parallel eine deutsche
Buchführung für die Steuerbilanz erstellt werden.114
Anders als in Deutschland, wo nur bestimmte gesellschaftsrechtliche Veränderungen bei
Handelsregister anzumelden sind, hat der director oder secretary einmal jährlich eine
Jahresmeldung – Annual Return – an das Companies House abzugeben. Diese muss den
Namen der Gesellschaft, die Registriernummer, den Gesellschaftstyp, die Adresse des
registered office, die Adresse, unter der sich das Gesellschaftsregister befindet, falls es nicht
dort aufbewahrt wird, die Art der Geschäftstätigkeit, die nach einem Klassifizierungssystem
bestimmt wird (UK Standard Industrial Classification SIC-Codes), den Namen und die
Adresse des secretary, den Namen, Wohnadresse, Geburtsdatum, Nationalität und Beruf
des directors, das Referenzdatum, den Nominalwert der ausgegebenen Anteile, die Namen
und Adressen der Gesellschafter sowie die Zahl und Art der von ihnen gehaltenen Anteile
enthalten. In den Folgejahren müssen nur die Änderungen nachgetragen werden. Die
Gebühr beträgt jährlich etwa 30 £. Darüber hinaus sind weitere Änderungen zu melden, zB
die Belastung von Grundstücken, auch solchen, die außerhalb Englands gelegen sind (ss.
395 ff. CA 1985). Allerdings machen nach einer aktuellen Studie ca. 80 % aller „deutschen“
Limiteds von der Ausnahmemöglichkeit für sog. dormant companies Gebrauch, die keine
wesentlichen Geschäftsvorfälle in Großbritannien haben.115
An diesen Regelungen zeigt sich, dass das englische Gesellschaftsrecht als Ausgleich für
die beschränkte Haftung weniger die Bereitstellung von Kapital als die Publizität für die
Öffentlichkeit vorsieht, die sich über den Vermögensstand der Gesellschaft genau
informieren können soll.
113
Dafür Graf/Bisle, IStR 2004, 873, 874; Hirsch/Britain, NZG 2003, 1100, 1102; dagegen Hüffer, in: Staub, HGB,
vor § 238 Rn. 1; vgl. Kessler/Eicke, DStR 2005, 2101, 2103.
114 Zu vereinfachend die Broschüre von Go ahead, S. 9.
115 Westhoff, GmbHR 2006, 525.
20
IX.
Die Besteuerung von Limited und GmbH
In England gibt es eine Körperschaftsteuer, eine Abzugssteuer auf Zinsen an der Quelle, die
Umsatzsteuer sowie eine Art gewerbliche Miet- und Grundsteuer von der Gemeinde, aber
keine
Gewerbesteuer.
Die
Körperschaftsteuer
ist
im
Gegensatz
zu
Deutschland
progressiv/degressiv ausgestaltet (Gewinne bis 10.000 0%, bis 50.000 23,75 %, bis 300.000
19 %, bis 1,5 Mio. 32,75 %, ab 1,5 Mio 30 %). Beträgt der zu versteuernde Gewinn etwa
270.000 £, dann ist der effektive Steuersatz bei 18,3 %, in Deutschland beträgt er dagegen
immer 25 %. Die Limited ist schon unbeschränkt steuerpflichtig mit ihrem Welteinkommen in
England, wenn sie dort nur den Gründungssitz hat (residence). In Deutschland ist sie
ebenfalls unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig (§ 1 I Nr. 1 KStG im Rahmen eines
Typenvergleichs), wenn sie dort nur den Sitz ihrer Geschäftsleitung hat (§ 10 AO). Zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung ist sie nach dem DBA D/GB nur dort unbeschränkt
steuerpflichtig, wo der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung liegt. In diesem Fall ist nur
eine deutsche Steuererklärung bei den deutschen Finanzämtern vorzulegen. Daneben greift
die deutsche Gewerbesteuer (§ 2 I GewStG iVm. § 15 II EStG) ein sowie die Umsatzsteuer,
die sich nach dem Ort der Leistung richtet (§ 1 UStG).
Der in Deutschland tätigen Gesellschaft wird es kaum gelingen, das deutsche FA zu
überzeugen, dass der Geschäftssitz in England liegt mit seinen zum Teil niedrigeren
Steuersätzen. Selbst wenn das aber der Fall sein sollte, unterfällt die deutsche
Zweigniederlassung als Betriebsstätte dem deutschen Körperschaftsteuerrecht, von der
englischen Körperschaftsteuer ist sie dann nach dem DBA befreit. Eine Möglichkeit zum
Steuersparen liegt darin, dass die Vergütung der directors in England mit seiner niedrigeren
Einkommensteuer versteuert werden kann (Art. 11 III DBA D/GB). Bei der Besteuerung der
Geschäftsführer in Deutschland besteht der Nachteil, dass eigenkapitalersetzende Darlehen
nach englischem Gesellschaftsrecht nicht anerkannt werden und daher die Vorschrift des §
17 IV EStG (nachträgliche Anschaffungskosten für nicht zurückgezahlte Darlehen an die
GmbH) nicht geltend gemacht werden kann.
Die Übertragung von Gesellschaftsanteilen unterliegt der Stamp Duty von 0,5 % des für den
Anteil bezahlten Preises, während in Deutschland bei einem Stammkapital von 25.000 €
etwa 168 € Notarkosten anfallen. Der Stamp Act 1981 enthält aber Ausnahmen von diesem
Grundsatz, so für die unentgeltliche Übertragung von Geschäftsanteilen an den Ehepartner.
X.
Insolvenz
Nach Art. 3 I EuInsVO (Europäische InsolvenzVO 1346/2000 des Rates v. 29.5.2000 über
Insolvenzverfahren) sind die Gerichte des Mitgliedstaates für das Insolvenzverfahren
21
zuständig, wo die Gesellschaft ihren Mittelpunkt des hauptsächlichen Interesses hat (center
of main interest = COMI). Dieser liegt bei in Deutschland tätigen Gesellschaften in
Deutschland, auch wenn eine widerlegliche Vermutung besteht, dass dies jeweils der
satzungsmäßige Sitz ist.116 Die Insolvenzfähigkeit bestimmt sich in diesem Fall ebenfalls
nach deutschem Recht (lex fori concursus, Art. 4 EuInsVO), ebenso die Insolvenzgründe
(Art. 4 II S. 1 EuInsVO) und das Insolvenzverfahren.117 Es ist davon auszugehen, dass der
deutsche Gesetzgeber daher ergänzende Haftungstatbestände am ehesten auf dem Gebiet
des Insolvenzrechts schafften wird.118 Umstritten ist lediglich, welches Recht für die
Insolvenzantragspflicht gilt (s.o. zu den Haftungstatbeständen). Ca. 2.500 Insolvenzanträge
sollen von Limiteds in Deutschland seit Ende 2002 gestellt worden sein.119
XI.
Die Vererbung von Gesellschaftsanteilen an der Limited und an der GmbH
Nicht zu unterschätzen sind auch die Risiken des englischen Erbrechts. Es findet eine
Nachlaßverwaltung von regelmäßig einem Jahr statt. Verstirbt ein Gesellschafter, so wird der
testamentarisch bestimmte Erbe executor oder executrix. Diese müssen vor Gericht belegen,
dass sie die rechtmäßigen Erben des Verstorbenen sind. Nach der Prüfung erteilt das
Gericht den Erben eine Urkunde, mit der sie über die Erbmasse verfügen können. 120
Gesetzliche Erben erhalten auf Antrag ebenfalls eine Legitimationsurkunde (letter of
administration). Nach Vorlegen der Urkunde werden die Erben von der Gesellschaft
anerkannt. Die rücken nur auf Antrag in die Stellung des verstorbenen Gesellschafters ein.
Ein Problem stellt auch die englische Inheritance Tax dar, die ab einem Nachlass mit einem
Wert von 275.000 £ (= knapp 400.000 €) 40 % (in Deutschland in Steuerklasse I 7 – 30 %,
bis 500.000 € 15 %)121 des Verkehrswertes beträgt, für betriebliches Vermögen lediglich
dadurch abgemildert, daß nur die Hälfte dieses Vermögen besteuert wird (in Deutschland §
13a I Freibetrag pro Erwerber 225.000 €, restl. Wert nach § 13a II nur zu 65 %, Bewertung
nach der Steuerbilanz ohne stille Reserven, § 12 V 2 ErbStG, § 109 I BewG), der anders als
im deutschen Recht auch nicht durch Freibeträge für Kinder (in Deutschland 205.000 € für
Kinder, in England 55.000 £ für Ehefrau bei ausländischem Domizil) abgemildert wird.
Umgehungsversuche durch lebzeitige Übertragung durch vorweggenommene Erbfolge
werden
ebenfalls
erfasst.122
Die
Erbschaftsteuer
wird
auch
nicht
von
einem
Doppelbesteuerungsabkommen erfasst. Allerdings besteht für Betriebsvermögen eine
116
Jetzt bestätigt durch den High Court of Justice für den in eine Limited umgewandelten Nürnberger
Anlagenbauer Brochier , vgl. FAZ v. 28.12.2006, S. 11; vgl. auch EuGH, Slg. 2006, I-03813 - Eurofood.
117 BGHZ 154, 185.
118 Teichmann, NJW 2006, 2444, 2449.
119 Römermann, NJW 2006, 2065, 2069.
120 Impey/Montague, Running a Limited Company, 4th ed., 2004, S. 50.
121 § 19 ErbStG.
122 Vgl. Albrecht, Die steuerliche Behandlung deutsch-englischer Erbfälle, 1992.
22
Erleichterung (Business Property Relief bei einer Beteiligung von 25 % an einer nicht
börsennotierten Kapitalgesellschaft unter bestimmen Voraussetzungen Steuerfreiheit, Anteile
müssen aber anschließend sieben Jahre gehalten werden).
XII.
Die Limited & Co. KG
Die
Vorteile
der
Personengesellschaft
(Gewerbesteueranrechnung,
kein
Halbeinkünfteverfahren, Geltendmachung von Verlusten, keine Mitbestimmung) und der
Kapitalgesellschaft
(Haftungsbeschränkung,
Drittorganschaft,
Besteuerung
des
Geschäftsführergehalts als Betriebsausgabe und beim Geschäftsführer als Einkünfte aus
unselbständiger Arbeit, damit Minderung der Gewerbesteuer) werden kombiniert durch die
GmbH und Co. KG. Inzwischen ist es allgemein anerkannt, dass die rechtsfähige Limited
auch Komplementärin einer KG sein kann.123
XIII.
Fazit
Gerade für den Einzelunternehmer, der seine persönliche Haftung beschränken will, ist die
Rechtsform
der
Limited
wegen
der
im
Vergleich
zu
einer
GmbH
mit
dem
Mindeststammkapital von 25.000 € (oder künftig 10.000 €) wegen der im Verlauf der
Geschäftstätigkeit erhöhten Kosten bei der doppelt vorzunehmenden Rechnungslegung und
den sonstigen Formalien in England sowie bei der Eintragung der Zweigniederlassung in
Deutschland, bei der Rechtsberatung im Hinblick auf das englische Gesellschaftsrecht und
das in Deutschland anwendbare Recht sowie wegen der Gefahr eines Erbfalls nicht zu
empfehlen. Das gilt umso mehr, als davon auszugehen ist, dass das Eintragungsverfahren
künftig
straffer
ablaufen
wird.
Für
größere
Gesellschaften
mit
internationalem
Betätigungsfeldern bietet die Limited als Holding deutscher Gesellschaften die Vorteile der
internationalen
Bekanntheit
sowie
der
Tatsache,
dass
die
deutsche
Unternehmensmitbestimmung umgangen werden kann.
Weiterführende Literatur:
-
Ebke, Überseering und Inspire Art: Die Revolution im Internationalen Gesellschaftsrecht und ihre Folgen, in:
Festschrift für Thode 2005, S. 593-613
-
Ego, Europäische Niederlassungsfreiheit der Kapitalgesellschaft und deutsches Gläubigerschutzrecht,
Nomos 2006
-
Römermann, Die Limited in Deutschland – Alternative zur GmbH?, NJW 2006, 2065 ff.
-
Leuering, Die GmbH und der internationale Wettbewerb der Rechtsformen, ZRP 2006, 201 ff.
-
Pohl, Die „deutsche Limited“, in: Festschrift für Raupach 2006, S. 375-389
-
Teichmann, Reform des Gläubigerschutzes im Kapitalgesellschaftsrecht, NJW 2006, 2444 ff.
123
BayObLG, NJW 1986, 3029; OLG Frankfurt aM, NZG 2006, 830 m.w.Nachw.; a.A. AG Bad Oeynhausen,
GmbHR 2005, 692.
23
-
Wegen/Schlichte, GmbH oder EU-inländische Gesellschaft – die Qual der Wahl für Unternehmer und Berater
in der Praxis, RIW 2006, 801 ff.
-
Wilms, Die englische Ltd. in deutscher Insolvenz, Nomos 2006
24
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