Liebe Zuschauerin, lieber Zuschauer,

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Liebe Zuschauerin, lieber Zuschauer,
am 27. September ist Bundestagswahl. Dass Sie dabei von Ihrem Wahlrecht Gebrauch
machen, darum möchte ich Sie bitten. Im Bundestag fallen nämlich auch in den nächsten vier
Jahren wichtige Entscheidungen. Beispielsweise die über unsere künftige Regierung. Vor
allem aber stehen Sachthemen an. Lassen Sie mich einige davon in Frageform nennen! Wie
kann die Wirtschafts- und Finanzkrise überwunden und Ähnliches für die Zukunft verhindert
werden? Wie lässt sich Arbeit beziehungsweise ein Auskommen für alle sichern? Was ist zu
tun, damit die Schere zwischen Arm und Reich – hier bei uns und in der Welt als ganzes –
nicht noch weiter auseinandergeht? Welche Maßnahmen helfen den Klimawandel zu stoppen
und seine fatalen Folgen zu vermeiden? Wie geht’s weiter im Nahen Osten und in
Afghanistan? Und überhaupt: Wie kann die Vision vom „Frieden auf Erden“ annähernd
Wirklichkeit werden? Aber auch: Sind sich Politikerinnen und Politiker bewusst, welche
Gaben sie aus den christlichen Traditionen und Vorstellungen dieses Landes entgegennehmen
können, sind sie sich bewusst, wie wichtig Wertevermittlung in Schule und Gesellschaft sind?
Entwickeln wir in unserem Land immer wieder genügend Sensibilität für die Würde des
Lebens – am Anfang und am Ende? Sind wir bereit, gesellschaftliche Entwicklungen immer
wieder zu überprüfen? Diese Fragen gehen uns alle an. Darauf, wie sie politisch beantwortet
werden, sollten wir Einfluss nehmen, unter anderem indem wir am 27. September wählen
gehen.
„Die da oben machen ja doch, was sie wollen!“ Natürlich kenne auch ich diesen Spruch und
es gibt Situationen, da verstehe ich die Resignation, mit der dieser Satz ausgesprochen wird.
Aber deshalb nicht wählen zu gehen, halte ich für falsch. Da denke ich vielmehr an Thomas
Jefferson. Der dritte Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika hat einmal gesagt:
„Schlechte Kandidaten werden von Bürgern gewählt, die nicht zur Wahl gehen.“ Wenn
Jefferson recht hat – und ich glaube nicht, dass er irrt: Was soll dann besser werden, wenn
immer mehr Bürgerinnen und Bürger von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch machen? Ganz
abgesehen davon, dass eine geringe Wahlbeteiligung dazu führt, dass die, die dann gewählt
werden, sich nicht mehr auf eine wirkliche Mehrheit stützen können. Und noch etwas: In
Afghanistan haben vor kurzem Frauen und Männer ihr Leben riskiert, um wählen zu gehen.
Beim Aufbau demokratischer Verhältnisse dient ihnen unter anderem Deutschland als
Vorbild.
Natürlich stellt sich mir als Ihrem Landesbischof auch die Frage, ob wählen gehen nicht
vielleicht sogar eine Christenpflicht ist. Dabei fällt mir dieser Satz von Jesus selber ein: „Gebt
dem Kaiser, was dem Kaiser gehört!“ (Matthäus 22,21) Dass die Regierungsform in der
Zwischenzeit gewechselt hat und dass es gerade Monarchen gewesen sind, denen hierzulande
im 19. und 20. Jahrhundert das Wahlrecht erst abgerungen werden musste, vergesse ich
natürlich nicht. Wenn man Jesus aber so verstehen darf, wie ich ihn verstehe, dann heißt das:
Es gibt eine zeitlos gültige Verpflichtung von uns Christen dem Staatswesen gegenüber, in
dem wir leben. Und in diesem Sinne könnte wählen gehen dann tatsächlich auch eine
Christenpflicht sein.
Gott befohlen!
Ihr Landesbischof Frank Otfried July
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