SEITE 1 ______________________________________________________________________________________________________ RECHTSÄNWALTE SCHÖNBERGER DIX 12 goldene Regeln für den Softwarehersteller _________________________________________________________________________________________________________ RECHTSÄNWALTE SCHÖNBERGER DIX, UNTER SACHSENHAUSEN 35, 50667 KÖLN 2001 RECHTSÄNWALTE SCHÖNBERGER DIX , WWW.MEDIAJUS.DE SEITE 2 ______________________________________________________________________________________________________ Wir haben es in unserer täglichen Beratungspraxis immer wieder mit bereits gescheiterten oder kurz vor dem Scheitern stehenden EDV-Projekten zu tun, bei denen es nur noch darum gehen kann „zu retten, was zu retten ist“. Dies ist dann für den Software-Hersteller mit Kosten verbunden, die die Kosten für eine konfliktvermeidende Vertragsgestaltung im Vorfeld regelmäßig um das drei bis vierfache übersteigen. Wir haben daher für den Software-Hersteller „12 goldene Regeln“ aufgestellt, deren Beachtung erfahrungsgemäß die Erfolgswahrscheinlichkeit für ein Projekt erheblich erhöhen, deren Nichtbeachtung andererseits Hauptursache für das Scheitern von Projekten ist. Jede Regel wird von uns nachfolgend kurz kommentiert, um Ihnen auch den entsprechenden Hintergrund zu vermitteln. 1. Regel: Erst der Vertrag, dann die Entwicklung Häufig werden Software-Entwicklungen bereits begonnen, bevor ein Entwicklungsvertrag vorliegt, bzw. unterzeichnet ist. Gründe hierfür sind Zeitdruck und ein stillschweigender Konsens der Parteien, man werde sich schon einigen. Manche Entwicklungshäuser, die einen bestimmten Auftrag besonders herbeisehnen, meinen mit einer derartigen Vorgehensweise auch bereits „einen Fuß in der Türe“ zu haben. Die Konsequenzen eines solchen Vorgehens sind allerdings oft fatal. Es entsteht zum einen ein Zwang zur Annahme von Bedingungen, die ohne bereits kostenintensivem Projektbeginn nicht angenommen worden wären. Zum anderen wird die konkrete Vertragsgestaltung auch aufwendiger und teurer, da Entwürfe regelmäßig durch die realen Verhältnisse überholt werden und wiederholt der aktuellen Entwicklung angepasst werden müssen. Es gibt nicht wenige Fälle, in denen aufgrund dieser Vorgehensweise überhaupt nie ein schriftlicher Vertrag zustande kam. Im Konfliktfall war dann vollends unklar, auf was sich denn die Parteien verständigt haben. 2. Regel: Vertragsmacht behalten Auf den ersten Blick erscheint eine Vertragsgestaltung durch den Vertragspartner positiv. Zum einen lernt man den Vertragspartner schon einmal kennen, denn er gibt mit seinem Vertragsentwurf eine Visitenkarte über seine Einstellungen ab. Manche Unternehmen neigen dabei bis hin zur Knebelung dazu, den Vertragspartner möglichst aller Rechte zu beschneiden, andere Unternehmen sind von Beginn an auf einen fairen Ausgleich aus. Regelmäßig setzt sich diese Grundeinstellung als Verhalten im Rahmen der Vertragsdurchführung fort. Auch hier überwiegen jedoch die Nachteile. Wenn der Vertragspartner Ihnen einen Vertragsentwurf übermittelt, dann gilt der Inhalt des Vertragsentwurfes als Norm und Ihre Anmerkungen als Änderungswünsche. Die Durchsetzung von Änderungen ist jedoch schwieriger als das Festhalten an der Norm, denn ein Eingehen auf Änderungswünsche stellt ein Nachgeben des Vertragspartners dar. Weiterhin ist in diesem Fall bereits die Struktur vorgegeben und eine Änderung der Gesamtstruktur des Vertrages kaum mehr möglich. Der Vertragspartner bildet mit dieser _________________________________________________________________________________________________________ RECHTSÄNWALTE SCHÖNBERGER DIX, UNTER SACHSENHAUSEN 35, 50667 KÖLN 2001 RECHTSÄNWALTE SCHÖNBERGER DIX , WWW.MEDIAJUS.DE SEITE 3 ______________________________________________________________________________________________________ Struktur jedoch regelmäßig sein Unternehmen, nicht jedoch Ihr Unternehmen sowie dessen Organisation ab. 3. Regel: AGB´s vor Vertragschluss vereinbaren Möchten Sie neben dem individuell erstellten Entwicklungsvertrag oder anstelle eines solchen Entwicklungsvertrages Ihre AGB mit in das Vertragsverhältnis einbeziehen, so muss diese Einbeziehung in der zutreffenden juristischen Form und rechtzeitig geschehen. In diesem Bereich sind Fehler an der Tagesordnung. Beachten Sie daher zwingend Folgendes: Allgemeine Geschäftsbedingungen müssen spätestens zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses einbezogen sein. Eine nachträgliche einseitige Einbeziehung ist nicht möglich. Dies bedeutet, dass entweder die AGB selbst oder ein drucktechnisch deutlich gestalteter Hinweis auf die eigenen AGB sowie die Nichtakzeptanz fremder AGB auf der nachträglich erstellten Rechnung nichts bringt. Eine derartige Einbeziehung ist bereits auf dem ersten Schriftstück, welches an den späteren Vertragspartner übermittelt wird, dringend zu empfehlen. 4. Regel: Mehr Projektierung, weniger Umprogrammierung Wir stellen darüber hinaus immer wieder fest, dass Softwareentwickler zu früh mit der Programmierung beginnen. Es wird bereits begonnen, Programmzeilen zu erstellen, bevor der konkrete Inhalt des Ergebnisses (vgl. dazu Regel 5), der Projektablauf und die Einsatzbedingungen der Software (technische Umgebung, Anwendungsumfang etc.) feststehen. Je weniger Sie jedoch projektieren, umso mehr zeit- und kostenaufwendige Umprogrammierungen stehen zu erwarten. Diese Regel wird im übrigen vor allem von deutschen Programmierern nicht beachtet. Japaner und zum Teil auch Amerikaner neigen – insoweit richtig – wesentlich stärker zu einer extensiveren Projektierungsphase. 5. Regel: Vollständiges Pflichtenheft vereinbaren Wie dem Softwarehersteller bekannt ist, liegt eines der Hauptprobleme im Rahmen der Softwareerstellung darin, die Erwartungen des Auftraggebers an die Software zu ermitteln und umzusetzen. Gerade nicht übereinstimmende Erwartungen an Programminhalte sind bekanntlich nach Fertigstellung der Software Auslöser für Konflikte. Es ist besonders entscheidend, ein möglichst umfassendes Pflichtenheft zu vereinbaren, welches die Funktion hat, letztlich die „Sollbeschaffenheit“ der Software gemeinsam zu ermitteln und sich auf diese festzulegen. Der Richter fragt im Rahmen eines EDV-Prozesses üblicherweise zunächst nach dem Pflichtenheft und beurteilt danach ergänzend durch allgemeine Anforderungen an die Software nach dem Stand der Technik die Frage nach deren Mangelhaftigkeit. Im Rahmen des Pflichtenheftes sollten die Eigenschaften der Software so umfassend wie möglich beschrieben werden. Sofern möglich, sollten Screenshots in das Pflichtenheft aufgenommen werden, ggf. kann auch ein bereits _________________________________________________________________________________________________________ RECHTSÄNWALTE SCHÖNBERGER DIX, UNTER SACHSENHAUSEN 35, 50667 KÖLN 2001 RECHTSÄNWALTE SCHÖNBERGER DIX , WWW.MEDIAJUS.DE SEITE 4 ______________________________________________________________________________________________________ bestehendes Handbuch in das Pflichtenheft einbezogen werden. Wenn sich die Vertragsparteien an dieser Stelle besondere Mühe geben, minimieren sie ein späteres Prozessrisiko deutlich. 6. Regel: „Mile-Stones“ setzen Nicht nur die Ermittlung des Inhalts der zu entwickelnden Software, sondern auch das Aufstellen einer Zeitplanung ist besonders wichtig. Zu Beginn eines Projekts bestehen regelmäßig nur sehr vage Vorstellungen über den zeitlichen Umfang der Entwicklung. Ohne Zeitplanung kollidiert dann der regelmäßig frühe Einsatzwunsch des Auftraggebers mit den zeitlichen und personellen Möglichkeiten des Softwareentwicklers. Wird zudem kein konkreter Zeitplan als Teil des Projektplans aufgestellt, neigen Software-Hersteller zu einem verspäteten Beginn der Entwicklung nach dem Motto: „Das kriegen wir schon noch hin“. Der zu einem späteren Zeitpunkt entstehende Zeitdruck führt dann insbesondere zu Fehlern im Rahmen der Programmierung mit der weiteren Konsequenz von Gewährleistungsprozessen. Im Rahmen der Zeitplanung sollten sogenannte „Mile-Stones“ gesetzt werden. Es sollte genau definiert werden, welches Entwicklungsstadium zu welchem Zeitpunkt erreicht werden muss. Auf diese Weise erkennen die Vertragsparteien frühzeitig, wie es um die Entwicklungsfortschritte des Projekts bestellt ist. Weiterhin sollten diese „Mile-Stones“ möglichst in sich abgeschlossene Entwicklungsschritte definieren, an die eine Teilabnahme geknüpft werden kann. Diese Teilabnahme kann wiederum mit der Vereinbarung von Teilzahlungen verbunden werden. Auf diese Weise können die Vertragsparteien eine gerechte Verteilung von Leistung und Gegenleistung erreichen, gleichzeitig zu einem frühen Zeitpunkt problematische Punkte im Rahmen der Entwicklung erkennen und diese frühzeitig beseitigen. 7. Regel: Systemumgebung und Schnittstellen definieren Ein weiterer Streitpunkt ist im nachhinein häufig die Frage, welche Ursache ein aufgetretener Fehler hat. Liegt der Fehler an dem vertragsgegenständlichen Programm, einem Programm, welches mit diesem zusammenarbeitet oder an der Hardware? Eine derartige Frage hat im Streitfall der Sachverständige zu entscheiden, eine vertragliche Vorbeugung gibt es hier nicht. Allerdings können in diesem Bereich zumindest Teilprobleme von Beginn an ausgeräumt werden. Häufig zeigt sich ein Fehler deshalb, weil Kompatibilitäts- oder Schnittstellenprobleme auftauchen. In diesem Fall wird es ohne konkrete Vereinbarung schwierig, die Verantwortlichkeit hierfür zu bestimmen. Da Gerichte dazu tendieren, eher den Anwender zu schützen, besteht daher auch hier besonderer Regelungsbedarf. _________________________________________________________________________________________________________ RECHTSÄNWALTE SCHÖNBERGER DIX, UNTER SACHSENHAUSEN 35, 50667 KÖLN 2001 RECHTSÄNWALTE SCHÖNBERGER DIX , WWW.MEDIAJUS.DE SEITE 5 ______________________________________________________________________________________________________ 8. Regel: Schadenersatzansprüche beschränken Der Software-Hersteller haftet in den Fällen, in denen er einen Mangel verschuldet hat grundsätzlich auf Schadenersatz. Da die EDV das „Herz“ der meisten Unternehmen darstellt, können Mängel zu auch im Verhältnis zum Auftragswert unverhältnismäßig hohen Schäden führen. Es ist deshalb dringend zu empfehlen, Schadenersatzansprüche im Bereich des Grades des Verschuldens und des Schadensumfanges zu beschränken. Der Software-Hersteller sollte sich einräumen lassen, dass er nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit auf Schadenersatz haftet, nicht jedoch für leichte Fahrlässigkeit. Bereits diese Haftungsbeschränkung führt in den meisten Fällen zu einem vollständigen Ausschluss von Schadenersatzansprüchen, da ein grob fahrlässiges Verhalten des Software-Herstellers eher selten ist. Weiterhin sollten auch Haftungshöchstgrenzen, etwa bezogen auf den doppelten oder dreifachen Auftragswert, vereinbart werden. Sofern die Vertragsbedingungen AGB darstellen, muss in diesem Bereich das AGBG und dessen Beschränkungen zugunsten des Verbrauchers und in Teilen des Kaufmanns beachtet werden. 9. Regel: Nutzungsrechte sichern Während es sich von selbst versteht, dass der Softwarehersteller sich im Falle des Verkaufs auch von Fremdsoftware entsprechende Lizenzen sichern muss, wird diese Sicherung regelmäßig im Bereich der Nutzungsrechte für die zu entwickelnde „eigene“ Software vergessen. Hierbei gilt es das Folgende zu beachten: Diejenige Person oder die Personen, die die konkrete Software entwickeln sind Urheber bzw. Miturheber der Software. Das Urheberrecht kann auch nicht übertragen werden, sondern haftet der Person bzw. den Personen an. Übertragbar sind jedoch entsprechende Nutzungsrechte an der Software. Während bei Entwicklungen im Rahmen von Arbeitsverhältnissen grundsätzlich angenommen wird, dass die Nutzungsrechte dem Arbeitgeber zur Verwertung zustehen, ist dies bei Entwicklung durch freie Mitarbeiter oder Subunternehmer nicht so. Wird also keine Vereinbarung über die Gewährung von Nutzungsrechten getroffen, so wird eine solche Gewährung allenfalls stillschweigend anzunehmen sein. Rechtsunsicherheiten sind hier groß. Deshalb sollte sich das zu vertreibende Unternehmen von Freiberuflern oder Subunternehmern zwingend und ausdrücklich in einem eigenen schriftlichen Vertrag die Nutzungsrechte an der Software einräumen lassen. Zur Sicherheit sollte dies auch gegenüber Arbeitnehmern im Rahmen des Arbeitsvertrages oder im Rahmen eines gesonderten Vertrages geregelt werden. Wer hier untätig bleibt, schafft sich enormes Gefahrenpotential, da immer wieder aufgrund anderer Anlässe Streitigkeiten mit den Subunternehmern oder den – ehemaligen – freien Mitarbeitern auftreten, welche diese Regelungslücke dann zum Anlass nehmen, um erhebliche Nachforderungen zu stellen. _________________________________________________________________________________________________________ RECHTSÄNWALTE SCHÖNBERGER DIX, UNTER SACHSENHAUSEN 35, 50667 KÖLN 2001 RECHTSÄNWALTE SCHÖNBERGER DIX , WWW.MEDIAJUS.DE SEITE 6 ______________________________________________________________________________________________________ 10. Regel: Zeitschlösser vereinbaren Grundsätzlich darf ohne ausdrückliche Vereinbarung ein entwickeltes und geliefertes Programm keine Programmsperren enthalten. Andererseits haben Software-Hersteller häufig das Problem, dass sie nach Übergabe bzw. Abnahme der Software kein richtiges Druckmittel mehr an der Hand haben, mit dem sie ihren Vertragspartner zur Zahlung von (Rest-)Werklohn bewegen können. Der Auftraggeber kann jedoch bereits unbegrenzt mit der Software arbeiten und hat allenfalls das Problem, dass ihm kein Update zur Verfügung gestellt wird. Daher sollte in den Fällen, in denen nach Gesamtübergabe der Software noch erhebliche Zahlungen ausstehen, ausdrücklich nur eine „beschränkte Lizenz“ dergestalt vereinbart werden, dass der Software-Hersteller nach einer bestimmten Frist und Nichtzahlung berechtigt ist, das Programm per Programmsperre abzuschalten. 11. Regel: Handbuch liefern EDV-Anwender kommen häufig zu uns, weil sie Probleme mit ihrer Software haben und stehen vor der Schwierigkeit, dass entsprechende Gewährleistungsrechte verjährt erscheinen. In diesem Fall gibt es noch eine Chance. Hat der Software-Hersteller das Programm, nicht jedoch ein Handbuch geliefert, so hat er seine Leistungsverpflichtungen aus einem EDV-Kaufvertrag noch gar nicht erfüllt. und die Verjährung beginnt noch nicht zu laufen. Die Lieferung eines Handbuchs gehört im EDV-Kaufrecht zu den Leistungspflichten des Verkäufers. Achten Sie also zwingend darauf, dass mit der entsprechenden Software auch ein Handbuch geliefert wird. 12. Regel: Quellcode nicht herausgeben Soweit möglich, sollte schließlich der Quellcode der zu entwickelnden Software nicht herausgegeben werden. Wir haben es regelmäßig mit Fällen zu tun, in denen der Besitzer des Quellcodes die Software mit leichten Veränderungen unter anderem Namen selbst auf den Markt bringt. In diesem Fall ist es sehr kostenintensiv, den tatsächlichen Missbrauch des Quellcodes nachzuweisen. Der Software-Hersteller sollte daher möglichst darauf drängen, den Quellcode nicht herauszugeben. Um den berechtigten Interessen des Auftraggebers an einer Sicherung des Programms bei Insolvenz des Herstellers gerecht zu werden. (RA Peter Schönberger) _________________________________________________________________________________________________________ RECHTSÄNWALTE SCHÖNBERGER DIX, UNTER SACHSENHAUSEN 35, 50667 KÖLN 2001 RECHTSÄNWALTE SCHÖNBERGER DIX , WWW.MEDIAJUS.DE