"Wir Berliner wollen unser Wasser zurück" Der Weg von der Wasserprivatisierung zu demokratischer Kontrolle über das Gemeingut Wasser 17.10.2013 von Gerlinde Schermer [email protected] www.berliner-wassertisch.net Als erstes berichte ich über einen fundamentalen Sieg, den die Berlinerinnen und Berliner auf Initiative des Berliner Wassertisches per Volksabstimmung an der Wahlurne erreicht haben. Das tue ich deshalb, weil LINKE oft vergessen, ihre Siege gebührend zu publizieren, weil an der nächsten Ecke schon wieder neue Aufgaben warten. Der grandiose Sieg über die Privatisierer! Der "Berliner Wassertisch" hat sich 2006 auf Initiative von attac Aktivistinnen und aus einem Pv ool von einzeln politisch aktiven PrivatisierungsgegnerInnen gebildet, zu denen auch ich, als ehemaliges Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses von Berlin gehörte. Vom Gründungstreffen des Berliner Wassertisches am 23.Mai 2006 im Kulturzentrum "DIE WEISSE ROSE", bis zu unserem Abstimmungssieg am 13. Februar 2011, vergingen 6 lange Jahre! Wir mussten sogar gegen die SPD/DIE LINKE Regierung klagen und vor das Berliner Verfassunsgericht ziehen, weil sie meinten uns aufhalten zu müssen und haben gewonnen. (Urteil VerfGH 63/08 vom 6.10.2009). 2011 stellten wir ein Gesetz zur Abstimmung, welches politisch unter die Überschrift gestellt war: "Wir Berliner wollen unser Wasser zurück" und deren Abstimmungstext im §1 verlangt: "Alle Verträge, Beschlüsse und Nebenabreden, die im Zusammenhang mit der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe stehen und zwischen dem Land Berlin und den Privaten geschlossen worden, sind vorbehaltlos offen zu legen. Das gilt auch für zukünftige Verträge, Beschlüsse und Nebenabreden". Die Dokumente sind vom Senat im Internet zu veröffentlichen. Unser Gesetz hat nur eine Seite, verlangt nicht mehr als Transparenz, aber mit großer Wirkung!. Beim "Kernbereich der Daseinsvorsorge" wie "unser" Urteil des Verfassungsgerichtes 63/08 von 2009 die Trink- und Abwasserversorgung einordnet, darf es in Berlin keine Geheimnisse mehr geben! Das gilt rückwirkend und für die Zukunft! www.parlament-berlin.de/pari/web/wdefault.nsf/vFiles/C1600103/$FILE/Gesetz%20Offenleg%20Geheimvertr%20z%20Teilpriv%20Berl%20Wasserbetr.pdf Mit diesem Gesetz, trat am 13.3.2011 in Berlin erstmalig ein Gesetz in Kraft, für welches nicht 149 Abgeordnete, sondern 666.235 Berliner Bürger gestimmt haben. Die Verfassung von Berlin erachtet Volks- und Parlamentsgesetzgebung prinzipiell für gleichwertig Volksbegehren und Volksentscheid waren die Mittel der Bürgerinnen und Bürger die Politiker zu zwingen sich mit den Folgen der Privatisierung zu befassen, was sie jahrelang zu umgehen suchten. 1 Welches politische Gewicht hat dieses Volksgesetz? Von 2.466.288 stimmberechtigten Berlinerinnen und Berlinern (100%) stimmten 666.235 mit "JA" für unser Gesetz. Das sind 27% Zum Vergleich: Im September 2011 waren Wahlen in Berlin, dort erhielt die stärkste Partei, die Sozialdemokratische Partei (SPD) von den 2.469.716 Wahlberechtigten 413.332 Stimmen, also 16,7%. Die SPD erhielt mit diesem Ergebnis 47 Sitze im Abgeordnetenhaus. Wir als "Wasserkoalition" hätten es mit unserem Abstimmungsergebnis auf der Basis von durchschnittlich 8.810 Stimmen pro Mandat auf 76 Sitze gebracht! Das wären 51% aller Mandate - die Politische Mehrheit! Die Machtfrage war gestellt und sie wurde eindeutig vom Volk beantwortet! Nur 1,7% stimmten für die Position der Regierung! "Wir Berliner wollen unser Wasser zurück", das war die politische Aussage. Dieses Signal wurde in der Politik verstanden. Alle Parteien müssen seitdem öffentlich vertreten, dass die Wasserprivatisierung ein Fehler war. Die Konsequenz aus dieser Aussage ist die von der Politik aktuell umgesetzte Strategie des Rückkaufs der Anteile von RWE, dem deutschen Stromkonzern im Jahr 2012 und von Veolia dem französischen global aktiven Wasserkonzern 2013. Das ist unser Sieg über die neoliberale, Bürger feindliche Wettbewerbspolitik. Wie kam es zur Wasserprivatisierung? Die wirtschaftliche und finanzielle Situation Berlins hatte sich nach der Wiedervereinigung dramatisch verschlechtert. Berlin hatte 1999 schon 34,8 Milliarden € Schulden. Die Konservative Regierung von CDU/SPD behauptete durch Privatisierung würde man den Haushalt "aus eigener Kraft" konsolidieren. Bis zur Konsolidierung im Jahr 2000 sollten Verkäufe der Zwischenfinanzierung dienen, dann wäre der Haushalt ausgeglichen. Soweit die Versprechen. Nichts davon ist wahr. Die Schulden Berlins liegen 2012 bei mehr als 62 Milliarden €. Rechnet man die Bürgschaften dazu sogar über 80 Mrd. €. Durch den Verkauf der Strom, Gas und Wasser Betrieben und mehr als 200.000 städtischen Wohnungen wurden diese Betriebe auf Renditemaximierung auf Kosten der Bevölkerung umgestellt. Die "Privatisierung" war und ist das Kernstück der "Sparpolitik" . Privatisierung war das Ziel - nicht die Lösung! Die Senkung der Staatsquote ist ein Mittel um Privaten Konzerne Teile des Bruttoinlandproduktes, die bisher vom Staat erwirtschaftet wurden, für ihr Wachstum zur Verfügung stellen. Dass Privatisierung der Sanierung der Staatsfinanzen dient, wird von Beratern suggeriert - von Politkern geglaubt, ist aber falsch. Durch Privatisierung steigen die öffentlichen Schulden und die Belastungen durch Gebühren und Preise z.B. bei den Wasserkunden! "Wachstum" gibt es allein bei den Privaten. RWE und Veolia erhielten in 13 Jahren eine durchschnittliche Rendite von 14% aus dem Berliner Wasser. Inclusive Rückkaufpreis haben RWE in Berlin 1.347 Millionen € und Veolia 1.393 Millionen € Gewinn gemacht. Insgesamt also 2.739 Millionen € in knapp 13 Jahren! Die Kündigung des Vertrages wäre politisch 2003 unter der Linken/SPD Regierung möglich gewesen und hätte dem Land mindestens 740 Millionen € gespart! 2 Die Privatisierung der Berliner Wasserbetriebe - ein Versagen der Politik Da die Verfassung von Berlin Privatisierung von Monopolen verbietet und die Protesten gegen die Wasserprivatisierung wuchsen, griff die CDU/SPD Regierung mit ihren Beratern zum Trick PPP. Mit der 49,9% Privatisierung der Wasserbetriebe über einen public-private-partnership Vertrag wurde behauptet, es bestimme noch immer der Staat. In Wahrheit bestimmten die Privaten per Vertrag, es winkten sichere Renditen,denn Wasser braucht jeder! Der Umsatz ist gesichert! Null Risiko! Merkmale des PPP - Vertrages; 30 Jahre Renditegarantie und Geheimhaltung Der PPP Vertrag garantierte den Privaten Erwerbern eine Rendite(r) nach einer bestimmten Formel (R+2%) auf eine wachsende Bemessungsgrundlage - das "betriebsnotwendige Kapital", dessen Berechnung exakt festgelegt wurde. Schon die Ausschreibung 1999, geheim durchgeführt- erledigt von "Merrill Lynch" enthielt dieses Rendite Versprechen. Zugleich erhielten die Privaten die wirtschaftliche Führung. Der Vertrag war - geheim - passend dazu wurde gleichzeitig im Parlament ein "Gesetz zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe" beschlossen. Vertrag und Gesetz bilden eine inhaltliche Einheit! Gegen das Gesetz strengten 64 Abgeordnete, der damaligen Opposition eine "Normenkontrollklage" an. Dazu sind 25% der Abgeordneten nötig. Durch das Urteil vom 21. Oktober 1999 (VerfGH 42/99) http://openjur.de/u/270712.html wurde die Teilprivatisierung an sich als verfassungskonform anerkannt, jedoch zwei Bestandteile der gesetzlichen Regelung zur Tarifkalkulation welche die Höhe der Wasserpreise massiv beeinflussen, für verfassungswidrig und damit nichtig erklärt. Der Vertrag selbst wurde nicht durch das Verfassungsgericht nicht überprüft, auch das Gericht kannte ihn nicht! Positiv war am Urteil war, dass nun die Wasserpreise nicht so angehoben werden konnten, wie es für die Rendite geplant war. Aber: Dieser gerichtliche Erfolg wäre nur dann erhalten geblieben, wenn das Gesetz nach dem Urteil des Verfassungsgerichtes - mit den gestrichenen Passagen - erhalten geblieben wäre. Doch die Regierung sicherte im Interesse der im (geheimen) Vertrag gemachten Zusagen den Privaten die Rendite über die Anhebung der Wasserpreise zu und änderte dafür das Gesetz. Es waren Sozialdemokraten und DIE LINKE! Sie beschlossen am 11.12.2003 das "Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe". http://www.berlin.de/imperia/md/content/zep/stellenpoolgesetz_stpg_20031209.pdf?start&ts=1140442187&file =stellenpoolgesetz_stpg_20031209.pdf Dieses Gesetz war ein Betrug an der Bevölkerung und gleichzeitig ein Gesetz zur Umgehung des Urteils des Berliner Verfassungsgerichtes. DIE LINKE stellte den Wirtschaftssenator und setzte den PPP- Vertrag um! Weshalb? Vorausschauend auf die Klage hatten die Privaten Erwerber im Privatisierungsvertrag eine Klausel durchgesetzt, nach der etwaige wirtschaftliche Nachteile aus der Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit der Gesetze durch "geeignete Maßnahmen" auszugleichen sind. Diese Klausel nennen sie: "Nachteilsausgleich" . Das Land Berlin hat 1999 diese Klausel im damals geheimen Vertrag unterschrieben, um keine Minderung des Kaufpreises von 1,68 Mrd. € hinnehmen zu müssen. Das Parlament stimmte mit CDU/SPD Mehrheit für den Verkauf - inclusive der Nachteilsausgleichsklausel! Da die offizielle Begründung für den Verkauf war: "Wir sanieren durch Privatisierung den Haushalt." , dufte die Bevölkerung die Wahrheit nicht wissen. 3 Die Wahrheit ist, es wurde faktisch 1999 mit PPP ein sehr teurer Kreditvertrag unterschrieben, die Schulden dafür stehen nicht im Haushalt, sondern werden über die Wasserpreise abbezahlt! Das setzte CDU+SPD+LINKE geheim um! Die Bevölkerung merkte - Wir werden bei den Wasserpreisen betrogen! Seit der oben beschriebenen Gesetzesänderung 2003 stiegen in Berlin die Wasserpreise um ca. 35%. Grund dafür sind die im Wasserpreis versteckten massiv gestiegenen "kalkulatorische Kosten". Sie machten 1999 ca. 41,1% der Gesamtkosten aus und stiegen auf 51,8% im Jahr 2011! Dort versteckt sich die Rendite. Untermauert wird diese Kritik durch das "Bundeskartellamt! Dieses Amt wurde unter dem Druck des erfolgreichen Wasservolksbegehrens 2010 vom Wirtschaftssenator der Partei DIE LINKE, angerufen. Das Bundeskartellamt hat im Jahr 2012 eine "Preismissbrauchsverfügung" zur Senkung der Trinkwasserpreise um 17% verfügt für die Jahre 2012-2015 in Höhe von insgesamt 254 Millionen €. (Die Abwasserpreise wurden nicht untersucht, werden aber nach den gleichen Regeln kalkuliert.) Die Wasserbetriebe mussten für 2012 im Jahr 2013 den Wasserkunden insgesamt eine Gutschrift von 58,6 Millionen € erstatten. Alles unter "Vorbehalt", denn die Wasserbetriebe klagen gegen die Zuständigkeit des Bundeskartellamtes. Sie wollen, dass (wie bisher) allein die "Berliner Politik" die Regeln setzt. Am 24.9.2013 fand eine öffentliche Gerichtsverhandlung dazu in Düsseldorf statt. Das Urteil wird am 22.Januar 2014 verkündet. Nach der Anhörung gehen wir davon aus, dass das Bundeskartellamt gewinnen wird. Auch das wäre ein Erfolg für die Berlinerinnen und Berliner - für Transparenz! Was will der "Berliner Wassertisch.net" heute erreichen? Wir verlangen nicht die RE-Kommunalisierung unter Beibehaltung der Privatisierungsstrukturen und privatisierungsbedingten Preise! Das macht der Senat! Der Berliner Wassertisch verlangt die Wiederherstellung des vollständig öffentlichen Wasserbetriebes, und gleichzeitig die Änderung der gesetzlichen Grundlagen der Tarifkalkulation. Das betrifft folgende Gesetze Die Wassertarifordnung Das Betriebegesetz Der Berliner Wassertisch hat eine "Wassercharta" entwickelt, und zur Diskussion gestellt, an der sich die Wasserpolitik der Berliner Wasserbetriebe inhaltlich ausrichten soll. . [http://berliner-wassertisch.net/assets/docs/charta.php] Wir wollen über die zukünftige Aufgaben den kommunalen Wasserbetriebe und die gesetzlichen Grundlagen eine transparente Diskussion in einem Gremium, welches wir "Wasserrat" nennen. Über diesen "Wasserrat" wollen wir unter anderem auch über zukünftig notwendige Investitionen, als auch über die Art und Weise der Finanzierung sprechen und (Mit)-entscheiden. Es liegt viel Arbeit an! Die Privatisierung der Wasserbetriebe hat uns gezeigt, wir können uns nicht auf Politiker verlassen, egal welcher Partei sie angehören. Im Zweifel entscheiden sich Politiker für die Teilnahme an der Macht zu Lasten der Bevölkerung. Im Interesse der Berlinerinnen und Berliner halten wir die Bürgerinitiative "Berliner Wassertisch" aktiv! Wir machen weiter 4