Rede von Ellen Diederich

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Arbeit, Globalisierung, Privatisierung
in den Zeiten Neoliberaler Mächte
DGB Kundgebung zum 1. Mai in Crailsheim
Ellen Diederich
Liebe KollegInnen, Liebe Kollegen,
Die Geschichte des 1. Mai ist die Geschichte der Kämpfe um menschenwürdiges
Leben, um vernünftige Arbeitsbedingungen, Bildung und Ausbildung, Arbeitszeitregelung, Krankenversorgung, Renten, soziale Absicherung der Schwachen, der
Kranken, der Alten, der Kinder und um Frieden. Alles, was wir heute erreicht
haben, ist kein Geschenk gewesen, sondern in langen Auseinandersetzungen, die
viele Opfer gefordert haben, durch die Gewerkschaften und andere Organisationen der ArbeiterInnenbewegung erkämpft worden.
Heute befinden wir uns in einer Zeit der Verwirrung und Verunsicherung, sowohl
im zivilen Leben als auch in der militärischen Entwicklung.
Diese Verwirrung drückt sich auch in Sprache aus. Begriffe werden in ihr
Gegenteil verkehrt. Ja wird zum Nein, Begriffe wie „Sicherheit, Terrorismus,
Pazifismus, Krieg und Frieden, Humanität, Liberalität, soziale Gerechtigkeit,
demokratischer Sozialismus“ und andere.
Bei der Abstimmung im Bundestag über den Afghanistan Einsatz sagte Antje
Vollmer: „Mein Ja war eigentlich ein Nein!“ (Besser kann man in einem Satz die
Entwicklung der Grünen nicht charakterisieren)
Sicherheit ist einer dem am meisten pervertierten Begriffe. Unser Leben
„sichern“ wir durch „Lebens – Versicherung“, Sicherheit erreichen wir angeblich
durch immer schärfere Gesetze, Überwachung, Bespitzelung. Sicherheit durch
Tampons, Sicherheit durch Schönheitsoperationen, Sicherheit im Alter durch
private Vorsorge, kaum ein Bereich, in dem nicht von Sicherheit gequatscht wird.
Terrorismus wird durch diejenigen definiert, die selber in der Form von
Staatsterrorismus Kriege führen und Verbrechen in unvorstellbaren Dimensionen begehen. Für uns ist Terrorismus u.a. die Verweigerung von Nahrung,
Wasser, Medikamenten für die Menschen in der 2/3 Welt. Dieser Verweigerung
fallen weltweit täglich alleine etwa 40.000 Kinder zum Opfer.
Pazifismus heute sei nicht mehr dasselbe wie im letzten Jahrhundert, heute sei
Pazifismus Drückebergerei, sagte Erhard Eppler beim SPD Parteitag.
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Außenminister Josef Fischer definierte Krieg neu. Er sagt: „Krieg ist die
realpolitische pazifistische Konsequenz“!
Humanität wird in den neuen Kriegen zur Humanitären Intervention,
Liberalität wird zum Neoliberalismus.
Ein Staat, der soziale Gerechtigkeit für seine BürgerInnen will, sei nicht mehr
zeitgemäß. Er müsse einen Staat umgewandelt werden, in den die Bestimmung
der gerechten Ungleichheiten gehört. Wir müssten uns von der antiquierten
Bismarckschen Sozialgesetzgebung, die im Sozialstaatsgedanken fortwuchert,
verabschieden und die Umwandlung der Idee des demokratischen Sozialismus in
eine soziale Demokratie der offen Wirtschaft vollziehen, sagen Olaf Scholz und
Thomas Meyer von der SPD.
Also: Krieg ist jetzt Frieden, Humanität humanitäre Intervention, Pazifismus
Drückebergerei, soziale Gerechtigkeit wird zu gerechten Ungleichheit und der
demokratische Sozialstaat zur sozialen Demokratie einer offenen Wirtschaft.
Soziale Gerechtigkeit aber ist ein durch die französische Revolution
und die Arbeiterbewegung gleichsam geprägter Kampfbegriff.
Wir werden ihn nicht aufgeben.
Jeden Tag hören wir über vorgeblich notwendige Veränderungen, sei es die
sogenannte Rentenreform, die für das Leben von Millionen Menschen im Alter
Unsicherheit heißt, sei es die sogenannte Gesundheitsreform, die Beschneidung
der medizinischen Versorgung bedeutet, Privatisierung von Bildung,
Arbeitszeitverlängerung und -intensivierung, Verkauf von kommunalem Eigentum
an Konzerne.
Die Morgennachrichten sind wie Russisches Roulette, was wird uns als nächstes
treffen?
Zauberworte sind Globalisierung und Privatisierung.
Was heißt Globalisierung? Was richtet sie an? sind die Folgen?
Ein paar Beispiele:
Kinderarbeit:
Weltweit sind an die 250 Millionen Kinder zur Arbeit gezwungen, werden sexuell
ausgebeutet oder versklavt. Millionen von ihnen schuften für die multinationalen
Konzerne.
Wirtschaftsmächte:
Unter den hundert größten Wirtschaftsmächten der Welt sind heute 48 Länder
und 52 Konzerne. Diese 52 Konzerne haben soviel Umsatz, daß sie den vieler
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Länder überschreiten. Unter diesen 52 sind Daimler/Chrysler, Volkswagen und
die Deutsche Bank.
Armut und Reichtum:
Die Befürworter der Globalisierung sagen, die Globalisierung wird alle Menschen
wohlhabender machen. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Kluft zwischen arm
und reich vergrößert sich dramatisch.
Verschuldung:
Die Verschuldung der Länder des Südens und Ostens ist von 100 Milliarden
Dollar im Jahre 1970 auf über 2000 Milliarden Dollar zum Jahr 2000
angewachsen. Die Zinsen verschlingen 30 – 50% der Haushalte dieser Länder.
Frankenfood:
Alle fünf Stunden wird weltweit ein neuer Mc Donald eröffnet. Mc Donald ist
einer der großen Verbreiter von Frankenfood. Frankenfood bedeutet:
Frankensteinfood, also Frankensteinnahrung, das ist genetisch manipulierter und
industriell hergestellter Fraß. Was wir essen, ist heute eine politische Aktion.
Kulturelle Vorherrschaft:
Die kulturelle Vorherrschaft soll durchgesetzt werden.
Sie ist soweit fortgeschritten, daß wir überall auf der Welt die gleichen in USamerikanischen Filmstudios entstandenen Filme sehen, die Seifenoper Dallas
flimmerte in nahezu allen Ländern der Erde in die Wohnungen, Disneyland ist ein
Weltreich, Popstars werden zu globalen Autoritätsfiguren. „Satelliten, Kabel,
Walkmans, Videorecorder, CD’s und andere Wunderwerke der Elektronik sind die
Arterien, durch die die modernen Unterhaltungskonzerne die Weltkultur
gleichmachen.“
Barnet/Cavanagh, Die globale Homogenisierung der Kultur, Schwarzbuch, S. 253
Saatgut:
Überall auf der Welt haben Bauern und Bäuerinnen von der Ernte des letzten
Jahres einen Teil für die nächste Aussaat zurückbehalten. Nun haben Konzerne
wie der US Konzern Monsanto ein Saatgut entwickelt, das nur für eine Ernte
gebraucht werden kann. Es hat sterile Nachkommen, vernichtet sich selbst.
„Dieses Saatgut nennt man Selbstmord Samen und es bedeutet, daß die Bauern
jedes Jahr neues Saatgut kaufen müssen.“ Maria Mies, Globalisierung von unten, S. 91
Freihandelszonen:
In weltweit über 800 Freihandelszonen schuften Millionen Menschen, vor allem
Frauen für die multinationalen Konzerne. Die Arbeitszeit beträgt zwischen 12
und 16 Stunden, die Löhne betragen 1 – 4 Dollar, die Arbeitsbedingungen
unbeschreiblich. Freihandelszone bedeutet: In diesem Bereich gelten keine
Gesetze, die sich das Land, in dem diese Zone liegt, gegeben hat. Es gilt kein
Gesetz zum Umweltschutz, zu Arbeitsbedingungen, zur sozialen Absicherung.
Percy Barnewick, Verwaltungspräsident der Asea-Brown-Bovery-Gruppe, eines
der größten Multis der Welt, definierte Globalisierung folgendermaßen:
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„Ich würde Globalisierung als die Freiheit für meine Gruppe von Unternehmen
definieren, zu investieren, wo und wann sie will, zu produzieren, was sie will, zu
kaufen und verkaufen wo sie will, und die möglichst geringsten Restriktionen zu
unterstützen, die aus Arbeitsgesetzen oder anderen sozialen Übereinkünften
resultieren.“
Klarer kann man es eigentlich nicht formulieren!
Das 2. Zauberwort heißt: Privatisierung.
Warum ist ein solches Interesse an der Privatisierung?
Die globalen Ausgaben für Wasserversorgung belaufen sich auf über $ 1 Billion,
für Erziehung auf über $2 Billionen, Gesundheitsversorgung auf über $3,5
Billionen pro Jahr. In diesen drei Bereichen sehen die multinationalen Konzerne
ihre größten Profitmöglichkeiten. Es ist daher kein Wunder, dass sie auf die
Privatisierung gerade dieser Bereiche drängen.
Wasserversorgung
Wasser ist ein notwendiges Gut, Voraussetzung für Leben.
Wasser darf nicht zur Handelsware werden.
In vielen Ländern aber, auch in Deutschland, haben bereits viele Gemeinden, oft
aus Finanznot ihre Wasser- oder Abwasserversorgung an Konzerne verkauft.
Privatisierung von Wasser bedeutet überall Verteuerung, Reduzierung der
Arbeitsplätze, Verschlechterung der Qualität. In Großbritannien haben die
Wasserkonzerne nach der Privatisierung die Tarife um 50 % erhöht. Krankheiten
wie Hepatitis A verdoppelten sich im Laufe weniger Jahre. Die Anlagen
verrotten, Konzerne haben wenig Interesse an kostenintensiver Wartung, sie
wollen Profit machen.
In Indien, wo die Wasserversorgung von 98% der Bevölkerung nicht durch ein
ausgebautes Wasserleitungssystem der Kommunen, sondern weitgehend direkt
durch die Flüsse gedeckt wird, ist der erste Fluß, der Sheonath in der Provinz
Chattisgarh. privatisiert worden. Polizei auf Motorrädern fährt am Fluß auf und
ab, um zu kontrollieren, daß ja niemand einen Eimer Wasser aus dem Fluß holt. 1
km von den Flußufern entfernt dürfen die Brunnen nicht mehr benutzt werden.
In Bolivien durften nach der Privatisierung ebenfalls die Brunnen nicht mehr
genutzt, es sollte nicht mal mehr Regenwasser gesammelt werden dürfen, weil
alles Wasser privat angeeignet werden sollte. In der Provinz Cochambamba
rebellierten die Menschen, die bis zu 40% ihre Einkommens für Wasser
ausgeben mussten. Es gab Aufstände und Tote. Die Regierung musste die
Privatisierung zurücknehmen.
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Gesundheitsbereich
Ein kleines Beispiel für den dramatischen Qualitätsverlust durch Privatisierung
im Gesundheitsbereich sehen wir bei uns an der Pflegedienstentwicklung. Hier
ist inzwischen jeder Handgriff einzeln bewertet und muß bezahlt werden. Meine
Mutter musst sich überlegen, wann sie es sich leisten kann, den Rücken waschen
zu lassen, oder die Strumpfhosen anzuziehen. Zuwendung und Freundlichkeit,
bleiben auf der Strecke, werden nicht bezahlt, dafür ist keine Zeit.
Die Privatisierung der Krankenhäuser ist in den USA viel weiter fortgeschritten.
Sie hat hat u.a. zu sogenannten drive-in Operationen geführt. Wie bei einem
drive-in fast food Restaurant wie Mac Donalds gilt auch für Krankenhäuser: kurz
rein und so schnell wie möglich wieder raus. Z.B. Bei Brustkrebs, morgens die
Brust amputiert, gegen Abend muß das Krankenhaus wieder verlassen werden.
Neben den Krankenhäusern sind sogenannte Pflegehotels entstanden, die privat
bezahlt werden müssen. Diejenigen, die es sich also leisten können, gehen ins
Pflegehotel, die anderen müssen sehen, wie sie zurechtkommen.
Richard Rainwater, Gründer einer der größten privaten Krankenhauskette
formulierte den Anspruch: „Der Tag ist gekommen, wo jemand für das
Spitalbusiness das tun muß, was Mac Donald für das Fast Food Business und Wal
Mart für den Einzelhandel gemacht hat.“ Reimon/Felber, Schwarzbuch Privatisierung, S. 62
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
Es ist ganz einfach: Niemand möchte krank sein. Egal wie modern die Arztpraxis,
wie schön die Krankenhauszimmer und wie gut die Versorgung ist. Ein
Krankenhaus oder eine Arztpraxis sind kein Fast Food Restaurant.
Wir können entscheiden, ob wir, entsprechend unseren Mitteln, ein Kleid bei
Lagerfeld oder bei C&A kaufen. „Wer aber chronisch krank ist, kann nicht
einfach seine Krankheit zurückgeben. Niemand kann entscheiden, ob er Leukämie
oder doch nur lieber eine Erkältung hat.“ ebenda
Der dritte Bereich, der privatisiert werden soll, ist die Bildung.
Gehen wir noch mal aus von dem, wie wir uns umfassende Bildung vorstellen,
„Menschenwürde ist in ihrem Kern die Möglichkeit des einzelnen Menschen, sich
seines eigenen Denkens ohne fremde Leitung zu bedienen und aus eigenen
Einsichten heraus zu handeln. In diesem Kontext begreifen sich die individuellen
Freiheitsrechte und die Rechte demokratischer Gesellschaften.“ Maude Barlow,
GATS-Papier
Bildung und Ausbildung sind hierzu die unbedingte Voraussetzung.
Mit der Privatisierung sind marktähnliche Verhältnisse in Kindergärten, Schulen
Universitäten, Eliteschulen, Volkshochschulen, Büchereien, aber auch in Kultureinrichtungen wie Theater usw. geplant.
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Die Stadt Gelsenkirchen hat aus Finanznot alle Schulgebäude an einen USKonzern verkauft. Sie muß jetzt jeden Monat die Schulen zurückmieten und ist
99 Jahre noch dafür verantwortlich, dass die Gebäude instand gehalten sind.
40 Länder der WTO, einschließlich aller Länder der EU haben bereits die
Erziehung unter den Zuständigkeitsbereich des Allgemeinen Abkommens über
Privatisierung von Dienstleistungen, das sogenannte GATS gesetzt. Die EU hat
angekündigt, daß jede öffentliche Schule in Europa noch in diesem Jahrzehnt
eng mit einem Unternehmen verbunden werden muß. Die Schritte sind
eingeleitet. Bayer Leverkusen hat bereits Kooperationen mit verschiedenen
Schulen. Die Kinder kommen in den Ferien zu Bayer, arbeiten in den Labors und
werden in die schöne neue Welt der Genforschung usw. eingewiesen. Bertelsmann
hat den Auftrag erhalten, das Fach Wirtschaftskunde für alle Sekundarstufen 2
zu entwickeln.
Das alles läuft auf eine erzwungene kommerzielle Ausrichtung des Bildungs- und
Kulturlebens hinaus, am besten gefördert durch reiche Sponsoren. Bildung und
Kultur im unfassenden Sinne wird es nur noch für die geben, die von den
Marktinteressen auch dazu ausersehen sind.
Dazu gehören sicherlich nicht mehr die Arbeitslosen. Seit 2002 gibt es bei uns
eine Bestimmung für Menschen, die Arbeitslosenhilfe beziehen. Diese
Bestimmung heißt:
„Nicht mehr geschützt für Arbeitslose sind Gegenstände, die zur Befriedigung
geistiger, wissenschaftlicher und künstlerischer Bedürfnisse dienen. (Bücher und
Schallplatten z.B.)“ Arbeitslosenprojekt Tu was, Leitfaden für Arbeitslose, Fachhochschulverlag, S.
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Das heißt im Klartext. Das Arbeitsamt ist berechtigt zu verlangen, dass Bücher
und Schallplatten, Bilder und sonstiges verkauft werden müssen, um vom Erlös
ein paar Tage zu leben.
Jetzt sind wir nicht nur arbeitslos, jetzt sollen wir auch dumm und
ungebildet sein.
Fernsehen dürfen wir noch behalten. Vielleicht kann man ja den Arbeitslosen die
öffentlich rechtlichen Programme abstellen und nur noch die Privatsender, das
Tittitainment zulassen.
Was aber ist Privatisierung wirklich: Die Ökonomin Susan George,
eine der Initiatorinnen von attac, sagt:
„Ich schlage vor, daß wir aufhören von Privatisierung zu sprechen und statt
dessen Worte verwenden, die die Wahrheit deutlich machen. Wir reden über die
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Veräußerung und Preisgabe der Ergebnisse der jahrzehntelangen Arbeit von
Millionen Menschen an eine winzige Minderheit großer Investoren. Dies ist einer
der größten Raubüberfälle unserer und aller bisherigen Generationen.“
Susan George in: Infobrief 1 Netzwerk gegen Konzernherrschaft und neoliberale Politik, S. 8
Wer steuert diese Prozesse?
Das internationale Finanzkapital, die Finanzakteure der Wall Street und anderer
Börseneinrichtungen. Die Wall Street war übrigens in der Zeit, in der die USA
eine Sklavenhaltergesellschaft waren, die Straße, in der die Mauer stand, an die
die Sklaven auf dem größten Sklavenmarkt von New York angekettet waren.
Heute ist nahezu die ganze Welt an diese Mauer angekettet. Neben diesen
Finanzakteuren sind es im zivilen Bereich drei Institutionen: Die Weltbank, der
Internationale Währungsfonds und die Welthandelsorganisation.
Direktor des Internationalen Währungsfonds war bis zum letzten Monat Horst
Köhler, der Mann, der in diesem Monat aller Voraussicht nach zum Präsidenten
der Bundesrepublik Deutschland gewählt werden wird. Herr Köhler,
der
Lieblingskandidat von Frau Merkel, Herrn Weigel, des Großkapitals, der
Wirtschaftsverbände, war also Direktor des Internationalen Währungsfonds,
berufen übrigens durch den SPD Bundeskanzler Gerhard Schröder.
Viele Länder sind bereits im Würgegriff des IWF.
Der IWF will nach eigener Darstellung in enger Kooperation mit der Weltbank
durch Förderung von Wirtschaftswachstum zur Verhinderung von Arbeitslosigkeit und Entwicklung beitragen. Genau das Gegenteil ist der Fall.
Die geförderten Entwicklungsvorhaben sind in erster Linie viele unsinnige
Großprojekte wie z.B. in Indien 3.000 Staudämme, durch die alleine in dem Land
50 Millionen Menschen heimat- und arbeitslos geworden sind. Diese Großprojekte erfordern eine ständige Erweiterung des Kreditvolumens durch IWF und
Weltbank und damit immer größere Schulden- und Zinsenberge.
Hat ein Land Kredite bei normalen Banken und kann diese Kredite nicht
zurückzahlen, können Weltbank und IWF als Kreditgeber eintreten. Zur
Sicherung der Währungsstabilität kann der IWF gefährdete Länder vorübergehend mit Finanzmitteln ausstatten, bindet diese Mittelvergabe an strenge
Kriterien, die sogenannten Strukturanpassungsprogramme. Ohne die Verpflichtung auf die Strukturanpassungsprogramme erhalten die Länder keine
kurzfristigen Sofortkredite.
Wie sehen diese Programme aus? Einige Kriterien:
1. Die Länder dürfen ausländischen Investoren keine Beschränkung geben.
Einheimische Industrien und Banken dürfen nicht mehr bevorzugt werden,
Das Land hat eine schlechtere Selbstversorgung, die Vielfalt heimischer
Produkte wird beschnitten, Monokulturen bekommen den Vorrang.
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2. Löhne müssen gekürzt werden, auf Lohnerhöhungen muß verzichtet werden,
um die Exporte wettbewerbsfähiger zu machen.
3. Die Staatsausgaben müssen gekürzt werden. Das heißt, die Gelder für
Bildung, Gesundheit, Soziales, öffentliche Dienstleistungen reduziert werden.
4. Die Landeswährung muß abgewertet werden, damit die eigenen Exporte auf
dem Weltmarkt bessere Chancen haben.
5. Staatseigentum muß privatisiert werden, damit ausländische Firmen besseren
Zugang haben.
6. Vorschriften, die sich ein Land zum Umweltschutz gegeben hat, zu
Arbeitsschutz , zum Schutz der natürlichen Bodenschätze müssen
zurückgenommen werden, damit die Kosten für die Produkte, die ausgeführt
werden sollen, sinken.
Viermal im Jahr kontrollieren Weltbank und IWF die Länder, denen sie Kredite
gewährt haben, ob diese Länder die Bedingungen auch einhalten.
In allen Ländern, in denen die Strukturanpassungsprogramme gegriffen haben,
sinken die Einkommen der Mehrheit der Bevölkerung, die Versorgungslage wird
schlechter, Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit und Armut wachsen.
Das erste Land, in dem die in Chicago entwickelten Strukturanpassungsprogramme (SAK) ausprobiert wurden, war übrigens das Chile nach der
Ermordung des gewählten sozialistischen Präsidenten Salvador Allende und dem
blutigen Putsch des Diktators Pinochets. Chile wurde zum ersten Experimentierfeld für neo-liberalistische Konzepte zur Umgestaltung von Gesellschaften.
Argentinien gehört zu den Ländern, die sich weitgehend an die Kriterien des
IWF gehalten hat. Es ist auch das Land, in dem einer der größten ökonomischen
Zusammenbrüche des letzten Jahrzehnts die Mehrheit der Bevölkerung in
Armut getrieben hat.
Die Institution, die zusammen mit Weltbank und Welthandelsorganisation diese
Prozesse zu verantworten hat, ist der Internationale Währungfonds, dessen
Direktor eben Herr Köhler war.
Die USA versuchen, ihr Wirtschafts-, Sozial-, und Militärmodell der Welt
aufzuzwingen. In den USA ist nahezu alles privatisiert, von den Gefängnissen bis
hin zur derzeitigen Regierung. Oder wie soll man das nennen, wenn der Präsident,
der Vizepräsident, der Kriegsminister und andere Regierungsmitglieder auf
Gehaltslisten der Konzerne stehen, die Regierungsaufträge, vor allem große Ölund Rüstungsaufträge bekommen? Das Land überzieht die Welt mit Krieg, die
Rüstungsausgaben sind international in unvorstellbaren Dimensionen gestiegen.
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Deutschland hat nachgezogen, leistet sich Soldaten in vielen Teilen der Erde,
unsere Freiheit muß am Hindukush verteidigt werden.
Der Aufbau dieser Militäreinheiten, aber natürlich auch die längst in
verschiedenen Teilen der Erde stationierten deutschen Truppen mit ihren
Waffensystemen kosten enorme Summen. Das Geld kann nicht zweimal
ausgegeben werden, also müssen anderswo Kürzungen vorgenommen werden.
Der Militärhaushalt betrug für 2.003 24.4. Milliarden Euro bei einem
Gesamthaushalt von 246.3 Mrd. Euro.
Für Deutschland sagte Schröder bei der Vorstellung der Agenda 2010: „Das, was
wir mit der Agenda 2010 vorhaben, ist natürlich unserer inneren und sozialen
Entwicklung geschuldet. Es ist aber zugleich unsere Verantwortung für eine
starkes Europa und damit für seine Rolle in der Welt.“
In den neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien heißt es: „Künftige Einsätze
lassen sich wegen des umfassenden Ansatzes zeitgemäßer Sicherheits- und
Verteidigungspolitik und ihrer Erfordernisse weder hinsichtlich ihrer Intensität
noch geografisch eingrenzen.“ Die Richtlinien sehen vor, daß die Bundeswehr
weltweit und im Innern eingesetzt werden soll.
Heute, am 1. Mai, stellen wir überall auf der Welt bei unseren
Aktionen die Fragen:
Wer ist berechtigt, die Regeln der Wirtschafts- und Sozialordnung
aufzustellen, die weltumspannend gilt? Ein exklusiver Club der Reichen und
Superreichen? Oder diejenigen, die die Millionen Menschen vertreten?
Was können wir machen? Haben wir überhaupt Einflussmöglichkeiten? Mit
unseren Aktionen am 3. April, mit unseren heutigen Kundgebungen, Protesten?
Am 15. Februar 2003 wurde eine Vision wahr.
15 – 20 Millionen Menschen weltweit gingen auf die Straße und protestierten
gegen den Krieg im Irak. Von Neuseeland bis Mexiko, von San Francisco bis
Madrid.
Die New York Times unterstützte den Kriegskurs der US-Regierung. Trotzdem
kam sie 2 Tage nach den Demonstrationen, am 17. Februar 03 zu der bemerkenswerten Einschätzung, daß es jetzt zwei Supermächte auf der Erde gäbe: Die
USA und die Öffentliche Meinung der Welt. Präsident Bush finde sich nun Auge
in Auge mit einer hartnäckigen Widersacherin, nämlich der weltweiten
Antikriegs- und der Bewegung für soziale Gerechtigkeit, wieder.
Diese Bewegung hat den Irak Krieg noch nicht verhindern können.
Dennoch: Wir sind viele und sie sind es nicht. Sie brauchen uns mehr als wir sie.
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In Spanien waren am 15. Februar 2003 über 10% der gesamten Bevölkerung auf
der Straße. Über 90% der Spanier war gegen eine Beteiligung am Irak-Krieg.
Dort hat die Widersacherin Öffentliche Meinung die konservative Regierung
abgewählt, Die spanischen Soldaten kommen nach Hause.
Heute vor vier Wochen waren wir eine halbe Million Menschen in Deutschland,
die auf die Straße gegangen sind. Wir haben Möglichkeiten zur Veränderung. Und
es wird Zeit, stärker als je zuvor einzugreifen.
Das wird keine einfache Sache. Wir brauchen einen langen Atem, kluge und
warmherzige Menschen. Eine von ihnen ist die indische Schriftstellerin und
Aktivistin Arundhati Roy. In ihrer Rede bei Weltsozialforum antwortete sie auf
die Frage, was wir tun können:
„Wir können unser Gedächtnis schärfen und aus unserer eigenen Geschichte
lernen. Wir können der öffentlichen Meinung Ausdruck geben, bis sie zum
ohrenbetäubenden Gebrüll wird.... Wir können zeigen, dass die Menschen dieser
Welt nicht nur die Wahl zwischen einer bösartigen Mickymaus und wahnsinnigen
Mullahs haben. Unsere Strategie darf nicht nur darin bestehen, die neoliberalen
Mächte bloßzustellen, wir müssen sie regelrecht belagern, dafür sorgen, dass
ihnen die Luft ausgeht. Wir müssen sie beschämen und verspotten. Mit unserer
Kunst, mit unserer Musik, unserer Literatur, unserer Dickköpfigkeit, und unserer
Lebenslust, mit unserer Raffinesse und unserer Unermüdlichkeit – und nicht
zuletzt damit, dass wir unsere eigenen Geschichten erzählen, Geschichten, die
sich von denen unterscheiden, die man uns eintrichtern will. Eine andere Welt ist
nicht nur möglich, sie ist bereits im Entstehen.
An stillen Tagen kann ich sie atmen hören.“
Ellen Diederich, Lothringer Str. 64, 46045 Oberhausen
Tel.:0208/853607 email: [email protected]
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