EUROPÄISCHES PARLAMENT 2009 - 2014 Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres 17.1.2013 ARBEITSDOKUMENT über die Lage der Grundrechte: Standards und Praktiken in Ungarn (gemäß der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Februar 2012) – Mediengesetze Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres Berichterstatter: Rui Tavares Renate Weber (Ko-Berichterstatterin) DT\919892DE.doc DE PE500.583v01-00 In Vielfalt geeint DE I. Einleitung Der Rechtsrahmen der Medien in Ungarn hat sich in den letzten beiden Jahren deutlich verändert. Die Verfassung der Republik Ungarn wurde im Jahr 2010 geändert1 und ein neues Grundgesetz, welches neue Bestimmungen zum Medienrecht2 beinhaltet, trat 2012 in Kraft. Verschiedene Gesetze zur Regulierung der Medien traten 2011 in Kraft und wurden im gleichen Jahr bzw. im Jahr 2012 geändert. Zahlreiche Bestimmungen der Mediengesetze wurden auf internationaler und nationaler Ebene kritisiert und vor dem Hintergrund der EU-Verträge, der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Charta), der internationalen und europäischen Rechtsinstrumente sowie der nicht bindenden Texte, die die Meinungsfreiheit, die Freiheit der Meinungsäußerung sowie die Informationsfreiheit schützen, und der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) als problematisch erachtet. Dieses Arbeitsdokument gibt eine Übersicht über einige problematische Bestimmungen, die zwischenzeitlich geändert wurden oder weiter klargestellt oder überarbeitet werden könnten, um verbleibende Mängel zu beheben. Verschiedene Bewertungen, die im Rahmen des Austausches der Europäischen Kommission, des Europäischen Kommissars für Menschenrechte des Europarats, des Generalsekretärs des Europarats, des OSZE-Beauftragten für Medienfreiheit, des UN-Sonderberichterstatters über die Förderung und den Schutz der Meinungsfreiheit und des Rechts der freien Meinungsäußerung mit den ungarischen Behörden werden ebenso berücksichtigt, wie das Gutachten der Experten des Europarates zum ungarischen Medienrecht vom 11. Mai 20123, die Stellungnahme der Venedig-Kommission zur neuen ungarischen Verfassung vom 17./18. Juni 20114 und die Stellungnahme der Regierung Ungarns dazu vom 6. Juli 20115. In der Verfassungsnorm ist die Pressefreiheit nicht als Individualrecht, sondern als staatliche 1 Mit Gesetz CLXIII/2010 änderte das Parlament die frühere Verfassung Ungarns. Diese Änderung trat am 2. Januar 2011 in Kraft. Artikel 7/A Absatz 2 sah vor: „Zu den Rechtsvorschriften gehören … Verordnungen der Staatlichen Behörde für Medien und Telekommunikation (NMHH) …“ Die Änderung der früheren Verfassung fügte auch Kapitel VIII/B zur Regelung der Staatlichen Behörde für Medien und Telekommunikation (NMHH) in Artikel 40/D der Verfassung ein. 2 Artikel T Absatz 2 regelt: „Rechtsnormen sind … Verordnungen des Leiters eines selbständigen Regulierungsorgans ...“ Artikel IX Absatz 3 lautet: „Die detaillierten Regeln zur Pressefreiheit sowie zum Aufsichtsorgan für Mediendienste, Presseerzeugnisse und den Telekommunikationsmarkt legt ein Schwerpunktgesetz fest.“ Gemäß Artikel 9 Absatz 4 ernennt der Staatspräsident die „Leiter eigenständiger Regulierungsorgane“. Artikel VI Absatz 1 und 2 sehen den besonderen Schutz der Verfassung für den Zugang zu Daten von öffentlichem Interesse und deren Verbreitung vor. Artikel 23 regelt die selbständigen Regulierungsorgane: „Das Parlament kann in einem Schwerpunktgesetz zur Erledigung und Ausübung einzelner zur Exekutive gehörender Aufgaben- und Kompetenzbereiche eigenständige Regulierungsorgane bilden.“ Das Parlament hat jedoch noch keine neuen Schwerpunktgesetze zum Mediengesetz oder das selbständige Regulierungsorgan angenommen. (Die Mediengesetze wurden am 31. Dezember 2010 erlassen, bevor das Grundgesetz am 1. Januar 2012 in Kraft trat.) 3 „Expertise by Council of Europe experts on Hungarian media legislation: ACT CIV of 2010 on the freedom of the press and the fundamental rules on media content and ACT CLXXXV of 2010 on media services and mass media, 11 may 2012“. 4 Stellungnahme Nr. 621/2011 – CDL-AD(2011)016. 5 CDL(2011)058. PE500.583v01-00 DE 2/13 DT\919892DE.doc Verpflichtung formuliert1. Die Feststellung der detaillierten Regelungen zur Pressefreiheit und ihrer Überwachung ist ausdrücklich einem Schwerpunktgesetz vorbehalten (für dessen Annahme eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig ist), ohne dass Vorgaben zu Zweck, Inhalt und Schranken eines solches Gesetzes gemacht würden2. Die Venedig-Kommission schlug vor, klarzustellen, dass die verfassungsrechtlichen Garantien individuelle Rechte beinhalten3. Mit dem Gesetz LXXXII vom 10. August 2010 über die Änderung verschiedener Gesetze in den Bereichen Medien und Kommunikation wurden viele Gesetze in den Bereichen Medien und Kommunikation geändert4. Das Gesetz gestaltete die Organisation des Regulierungssystems um und führte unter anderem die neuen, zentralisierten Medienregulierungsbehörden ein: Staatliche Behörde für Medien und Telekommunikation (NMHH) und Medienrat. Das Gesetz CIV vom 9. November 2010 über die Pressefreiheit und die grundlegenden Bestimmungen zu Medieninhalten (Medienverfassung) legt die Grundregeln der Medieninhalte fest, während das Gesetz CLXXXV vom 31. Dezember 2010 über Mediendienste und Massenkommunikation, das das Gesetz über Rundfunk- und Fernsehübertragungen von 1996 ersetzte, neue inhaltliche Regeln für alle Medienplattformen, die Kompetenzen der neuen Medienregulierungsbehörden und die Sanktionen und Geldstrafen wegen Verstößen gegen die neuen Gesetze enthält. Beide traten am 1. Januar 2011 in Kraft und wurden nach Verhandlungen mit der Europäischen Kommission im März 2011 geändert5. Mit dem Beschluss 165/2011 prüfte das ungarische Verfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Verfahrensvorschriften, nach denen das Gesetz erlassen wurde, die behördliche Kontrolle der Pressemedien, die Registrierungspflicht der gedruckten und der Online-Presseerzeugnisse, den Schutz der Informationsquellen, die Verpflichtung zur Datenbereitstellung und das Amt des Medien- und Kommunikationsbeauftragten.6. Artikel IX Grundgesetz: „1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. 2) Ungarn erkennt die Pressefreiheit und -vielfalt an, schützt sie und gewährleistet die Voraussetzungen der für die demokratische Meinungsbildung notwendigen Informationsfreiheit. 3) Die detaillierten Regelungen zur Pressefreiheit sowie zum Aufsichtsorgan für Mediendienste, Presseerzeugnisse und den Telekommunikationsmarkt legt ein Schwerpunktgesetz fest.“ 2 Vgl. Position der ungarischen Regierung, S. 6: „Die Verfassung erklärt in ihrem Artikel IX, dass jede Person das Recht auf freie Meinungsäußerung hat. Diese Formulierung der Meinungsäußerungsfreiheit steht mit dem einschlägigen Artikel der EMRK vollständig im Einklang (Artikel X). Gleichzeitig verpflichtet Artikel IX den Staat, die Freiheit und Vielfalt der Presse anzuerkennen und zu schützen sowie die Voraussetzungen der für die demokratischen Meinungsbildung notwendigen Informationsfreiheit zu gewährleisten. ... Auch in der EMRK gibt es keine ausdrückliche Formulierung eines Individualrechts der Pressefreiheit – dieses Recht ist aus dem Individualrecht der Meinungsäußerungsfreiheit abzuleiten.“ 3 Vgl. Stellungnahme der Venedig-Kommission, Ziffer 74. 4 Gesetz C/2003 über die elektronische Kommunikation, Gesetz I/1996 über Rundfunk- und Fernsehübertragungen und Gesetz CXXVII/1996 über die Staatliche Nachrichtenagentur. 5 Gesetz XIX/2011 zur Änderung des Gesetzes CIV/2010 und des Gesetzes CLXXXV/2010. Diesen Änderungen folgte am 19. Juli 2011 das Gesetz CVII/2011 über die Änderung bestimmter Gesetze in Bezug auf die elektronische Kommunikation, v. a. das „Mediengesetz“ vom 31. Dezember 2010, das Gesetz über elektronische Kommunikation von 2003 und das Gesetz 74/2007, das Bestimmungen über die Verbreitung und die Digitalisierung von Programmen enthielt. 6 Urteil 165/2011 (XII.20.) AB des Ungarischen Verfassungsgerichts über das Mediengesetz, das gemäß Gesetz XX/1949 über die Verfassung der Republik Ungarn erlassen wurde, in dem die Kompetenzen des Verfassungsgerichts zur Prüfung von Verfassungsbeschwerden von Einzelpersonen und Organisation geregelt 1 DT\919892DE.doc 3/13 PE500.583v01-00 DE Das Gericht erklärte einige der Bestimmungen des Gesetzes CIV/2010 für verfassungswidrig und forderte das ungarische Parlament auf, das Gesetz bis zum 31. Mai 2012 zu ändern. Diese Bestimmungen betrafen die Regulierung von Inhalten der gedruckten Presse, die Kontrolle der Medienbehörde über die gedruckten und die Online-Medien, den Quellenschutz für die Informationen der Journalisten, das Amt des Beauftragten für Medien und Telekommunikation, und die Möglichkeit der Medienbehörde, rechtlich geschützte Informationen zu verlangen. Infolge des Beschlusses des Verfassungsgerichts änderte das Gesetz LXVI/2012 das Gesetz CIV/2010, das Gesetz CLXXXV/2010 und verschiedene, damit im Zusammenhang stehende Gesetze. Das Gesetz änderte einschlägige Bestimmungen zum Schutz der Informationsquelle des Anbieters von Medieninhalten1. Diese Änderung hob auch zahlreiche Verpflichtungen auf, die den Print- und Online-Medien ursprünglich auferlegt wurden, führte detaillierte Regeln für den journalistischen Quellenschutz ein und regelte den Zugang zu Daten im Rahmen der Verfahrensregeln der Medienbehörde neu. Das Gesetz änderte auch die ehemals auf Gesetz CLXXXV/2010 gestützte Kompetenzen des Medien- und Telekommunikationsbeauftragten und begrenzte diese. Kapitel 4 und 5 der Änderungen des Gesetzes CIV/2010 und des Gesetzes CLXXXV/2010 sind Schwerpunktgesetze. II. Das EP und die Freiheit der Medien Die internationalen und europäischen Menschenrechte schützen die Meinungsfreiheit, die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang insbesondere auf Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, Artikel 19 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Die EU-Grundrechtcharta geht einen Schritt weiter und trifft in Artikel 11 Absatz 2 die Aussage, dass „die Freiheit der Medien und ihre Pluralität sind zu respektieren [sind]“, was im Vergleich zu früheren Menschenrechtsverträgen neu ist. Mit dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon wurde die Charta verbindlich und die Verpflichtung in der EU, die Freiheit und die Pluralität der Medien zu achten, ist aus einer neuen Perspektive zu betrachten, vor allem im Zusammenhang mit den Artikel 2 (Werte und Prinzipien der EU), Artikel 7 sowie Artikel 9 bis 12 EUV in Bezug auf Demokratie und Bürgerschaft. Es ist in erster Linie die Pflicht der Mitgliedstaaten, die Meinungsfreiheit, die Freiheit der Meinungsäußerung sowie die Informations- und Medienfreiheit zu schützen, da diese Prinzipien auch in ihren Verfassungen und Gesetzen garantiert werden. In diesem Sinne sollte die Europäische Union dann, wenn in einem Mitgliedstaat gegen die Freiheit und die Pluralität der Medien verstoßen werden oder eine diesbezügliche erhebliche Gefahr bestehen sollte, auf Grundlage der Verträge und der Charta die Initiative ergreifen und zum Schutz der europäischen, demokratischen und pluralistischen Ordnung und der Bürgerrechte tätig werden. Das EP hat diese Auslegung der Verträge und der Charta fortwährend unterstützt. In wurde. Verfügbar unter: http://public.mkab.hu/dev/dontesek.nsf/0/F59C316F4F04C20AC1257A250047E8FD?OpenDocument. 1 Gesetz III/1952 über das Zivilverfahren, Gesetz XIX/1998 über das Strafverfahren und Gesetz CXL/2004 über die allgemeinen Bestimmungen des Verfahrens und der Dienstleistung der Verwaltungsbehörden. PE500.583v01-00 DE 4/13 DT\919892DE.doc der Wissenschaft wird dieser Ansatz als „Solange-Reversed“ beschrieben, der darauf abzielt, das Wesen der Grundrechte – und der Unionsbürgerschaft – aus Artikel 2 EUV im gesamten Rechtsraum der EU gegen die EU-Mitgliedstaaten zu schützen, die gegen sie auf europäischer und einzelstaatlicher Ebene verstoßen. Das Europäische Parlament hat wiederholt seine Bedenken über Medienfreiheit und -pluralismus geäußert1 und erstellt gegenwärtig den Bericht zum Thema „Die EU-Charta: Festlegung von Standards für die Freiheit der Medien in der EU“. III. Überblick über die Bewertung des ungarischen Medienrechts Auf nationaler und internationaler Ebene wiesen Akteure wie die Europäische Kommission, das Europäische Parlament, der OSZE-Beauftragte für Medienfreiheit, der Europarat, der UNSonderberichterstatter über die Förderung und den Schutz der Meinungsfreiheit und des Rechts der freien Meinungsäußerung sowie akademische Einrichtungen, regionale und internationale Berufsverbände der Medien (Europäischer Verband der Zeitungsverleger, Weltverband der Zeitungen und Nachrichtenmedien, Internationales Presseinstitut, Süd- und Osteuropa-Medienorganisation, Europäische Journalisten-Föderation, Europäischer Verband von Nachrichtenorganisationen, Reporter ohne Grenzen), Organisationen der Zivilgesellschaft wie Amnesty International und Freedom House2 und die Medien selbst auf die problematischen Bestimmungen der Mediengesetze hin. Die Kritik bezog sich hauptsächlich auf die Annahme der Rechtsakte nach dem Parlamentsverfahren, das auf Gesetzesentwürfen einzelner Parlamentsabgeordneter beruht und keine Konsultationen mit den Oppositionsparteien und der Zivilgesellschaft vorsieht, die stark hierarchische Organisation der Medienaufsicht, die Weisungsbefugnis des Direktors der Regulierungsbehörde, die fehlenden Vorschriften zur Sicherung der Unabhängigkeit der Behörde, die erheblichen Aufsichts- und Sanktionsbefugnisse der Behörde, die erheblichen Auswirkungen bestimmter Bestimmungen auf den Inhalt der Programme, die fehlenden medienspezifischen Rechtsvorschriften, die fehlende Transparenz in den 1 Entschließungen vom 20. November 2002 zur Medienkonzentration, ABl. C 25E, 29.1.2004, S. 205, vom 4. September 2003 zur Situation der Grundrechte in der EU, ABl. C 76E, 25.3.2004, S. 412, vom 4. September 2003 zu Fernsehen ohne Grenzen, ABl C 76 E, 25.3.2004, S. 453; vom 6. September 2005 zur Anwendung der Artikel 4 und 5 der Richtlinie 89/552/EWG („Fernsehen ohne Grenzen“) geändert durch die Richtlinie 97/36/EG, für den Zeitraum 2001-2002, ABl. C 193E, 17.8.2006, S. 117; vom 22. April 2004 zu Gefahren der Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit (Artikel 11 Absatz 2 der Charta der Grundrechte) in der EU, vor allem in Italien (Bericht von Boogerd Quaak), ABl. C 104E vom 30.4.2004, S. 1026; vom 25. September 2008 zu Konzentration und Pluralität in den Medien der EU, ABl. C 8E, 14.1.2010, S. 75; vom 10. März 2011 zu den Medien in Ungarn, P7_TA(2011)0094. 2 Im Bericht 2012 über Ungarn wird folgendes festgestellt: „Ungarn fiel vom Status „frei“ auf den Status „teilweise frei“, was den allgemeinen Niedergang des ungarischen Medienumfelds wegen der Einrichtung der neuen Staatlichen Behörde für Datenschutz, Nachweisen politisch motivierter Lizenzierungsverfahren, die zum Verlust der Frequenzen der regierungskritischen Rundfunkstation „Klubrádio“ führte, zunehmender Berichte von Zensur und Selbst-Zensur, insbesondere in den öffentlich-rechtlichen Kanälen, und der Verschlechterung der ökonomischen Bedingungen für unabhängige Medienunternehmen, widerspiegelt. (...) Ungarn erfreut sich einer großen Anzahl an gedruckten und audiovisuellen Medien, wobei sich die privaten Nachrichtenmedien deutlich mit der einen oder anderen Seite des politischen Spektrums identifizieren. Ungarns Verfassung schützt die Redeund Pressefreiheit, aber die jüngsten einer Reihe von im Jahr 2010 angenommenen kontroversen Mediengesetzen traten inmitten von anhaltenden Protesten von Journalisten und Druck internationaler Beobachter der Pressefreiheit zum 1. Januar 2011 in Kraft.“ Vgl. http://www.freedomhouse.org/report/freedompress/2012/hungary. DT\919892DE.doc 5/13 PE500.583v01-00 DE Lizenzierungsverfahren, die Unklarheit der Normen, die potentiell die willkürliche Anwendung und Umsetzung fördern. Die Europäische Kommission war der Ansicht, dass die neuen Gesetze in Bezug auf die Achtung der grundlegenden Medienfreiheiten, wie sie in den europäischen Verträgen und der EU-Charta verankert ist, und im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste1 bedenklich seien. Die problematischen Bestimmungen bezogen sich auf die unverhältnismäßige Anwendung der Regeln über die ausgewogene Information, auf die Verhängung von Geldbußen gegen in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig gegründeten und autorisierten Sendeanstalten, auf Regelungen über die Registrierung und Zulassung von Anbietern von Mediendiensten sowie auf Regelungen, die sich gegen Einzelpersonen, Minderheiten oder Mehrheiten richten, die Vorschriften verletzen. In seiner Entschließung vom 10. März 2011 zum Mediengesetz in Ungarn2 stellte das Europäische Parlament fest, „dass das ungarische Mediengesetz (...) dringend ausgesetzt und auf der Grundlage der Bemerkungen und Vorschläge der Kommission, der OSZE und des Europarates überprüft werden sollte (...).“ Das EP forderte die ungarischen Behörden auf, die Unabhängigkeit der Medienaufsicht wieder herzustellen und die Einmischung des Staates in die Freiheit der Meinungsäußerung und die „ausgewogene Berichterstattung“ einzustellen. Die Kommission wurde aufgefordert, „ihre genaue Überwachung und Bewertung der Vereinbarkeit des ungarischen Mediengesetzes in der geänderten Fassung mit den europäischen Rechtsvorschriften, insbesondere mit der Charta der Grundrechte, fortzusetzen“. In einer Stellungnahme vom 25. Februar 2011 zum ungarischen Medienrecht im Lichte der Standards des Europarates in Bezug auf die Meinungsfreiheit3 analysierte der Kommissar für Menschenrechte des Europarates die Mediengesetze und schlug Änderungen vor. Zur Medienfreiheit wurden die folgenden Beeinträchtigungen festgestellt: Verpflichtung zur Information und Berichterstattung für alle Medien (Artikel 13 des Presse- und Mediengesetzes 2010), Verhängung von Sanktionen gegen Medien (Artikel 187 des Massenkommunikationsgesetzes 2010); vorbeugende Einschränkungen der Pressefreiheit in Form einer Registrierungspflicht (Artikel 45 und 46 des Massenkommunikationsgesetzes 2010), Ausnahmen in Verbindung mit dem Schutz journalistischer Quellen (Artikel 6 und 4 des Presse- und Mediengesetzes 2010). In Verbindung mit der Unabhängigkeit und Vielfalt der Medien zeigte die Stellungnahme die folgenden Probleme auf: geschwächte verfassungsmäßige Garantien für Pluralismus (Artikel 61 der Verfassung Ungarns in der Fassung von 2010), fehlende Unabhängigkeit der für die Regulierung der Medien zuständigen Behörden (Artikel 14 Absatz 2 des geänderten Gesetzes C/2003 über die elektronische Kommunikation, Artikel 124 und 125 des Massenkommunikationsgesetzes 2010), Mangel an Mechanismen zur Sicherung der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Artikel 102 des Massenkommunikationsgesetzes 2010), Fehlen eines wirksamen inländischen Rechtsmittels 1 ABl. L 95 vom 15.4.2010, S. 1. P7_TA(2011)0094, insbesondere Ziffer 1, 2, 4, 5, 7, verfügbar unter: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-20110094+0+DOC+XML+V0//DE. 3 Verfügbar unter: https://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp?id=1751289. 2 PE500.583v01-00 DE 6/13 DT\919892DE.doc für Medienakteure gegen Entscheidungen des Medienrates (Artikel 163, 164, 165 und 166 des Massenkommunikationsgesetzes 2010). Zu diesen spezifischen Punkten erhielt Kommissar Hammarberg im Juni 2011 von den ungarischen Behörden Anmerkungen1, die weitere Informationen liefern, mögliche Missverständnisse klären und die Auslegung der fraglichen Normen durch die ungarischen Behörden bestätigen sollten. Die Empfehlungen des Rechtsgutachtens der OSZE, die der ungarischen Regierung am 28. Februar 2011 übermittelt wurde2, enthielt folgende Punkte: Streichung der rechtlichen Anforderungen an die ausgewogene Berichterstattung und andere inhaltliche Vorschriften aus den Gesetzen, Sicherung der redaktionellen Unabhängigkeit, Gewährleistung der differenzierten Regelung für verschiedene Medienformen – Presse, Funk und Fernsehen sowie Online-Medien, Klarstellung der ungenauen Begriffe in den Rechtsvorschriften, Streichung der als überzogen erachteten Registrierungserfordernisse, Gewährleistung der Unabhängigkeit und Kompetenz der Regulierungsbehörde; Sicherstellung der Objektivität und Pluralität im Prozess der Ernennung von Gremien zur Steuerung des Mediensektors, Absehen von der Erfassung der Printmedien unter die Zuständigkeit der Regulierungsbehörde und wirksame Förderung der Selbstverwaltung. Nach Verhandlungen mit der Europäischen Kommission änderte das ungarische Parlament im März 2011 das Recht in den folgenden Punkten: Verpflichtung zur ausgewogenen Berichterstattung, Herkunftslandprinzip, Registrierungsanforderungen für gedruckte Presseerzeugnisse und Beschränkungen anstößiger Inhalte. Im April 2011 legte der UN-Sonderberichterstatter über die Förderung und den Schutz der Meinungsfreiheit und des Rechts der freien Meinungsäußerung eine Analyse3 vor, die den Ansichten der unabhängigen Experten des Europarats und der OSZE entsprach. Zwar wurden die im März 2011 verabschiedeten Änderungen begrüßt, die verbliebenen Bedenken in Bezug auf die nachfolgenden Punkte wurden jedoch hervorgehoben: Regulierung der Medieninhalte, unzureichende Garantien zur Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Medienbehörde, überzogene Geldstrafen und andere Verwaltungssanktionen, Anwendbarkeit des Medienrechts auf alle Medienarten, einschließlich Presse und Internet, Registrierungserfordernisse, Mangel ausreichenden Schutzes journalistischer Quellen. Eine vergleichende Studie des Zentrums für Medien- und Kommunikationsstudien der Central European University (CEU) über die Vereinbarkeit der ungarischen Mediengesetze mit den europäischen Gepflogenheiten und Normen kam zu dem Schluss, dass das derzeit geltende Medienrecht nicht mit den europäischen Gepflogenheiten und Normen vereinbar sei, wobei darauf hingewiesen wurde, dass die ungarische Medienbehörde über eine in Europa einmalige Konzentration an Befugnissen verfüge4. Die Studie wurde in der zweiten Sitzung der 1 Verfügbar unter: https://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp?id=1821497&Site=CommDH&BackColorInternet=FEC65B&BackColorIntran et=FEC65B&BackColorLogged=FFC679. 2 http://www.osce.org/fom/75990. Vgl. auch die Analyse und Bewertung vom September 2010: http://www.osce.org/fom/71218. 3 http://www.ohchr.org/en/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=10915&LangID=E. 4 Die Studie ist verfügbar unter: https://cmcs.ceu.hu/news/2012-01-05/new-study-hungarian-media-laws-ineurope-an-assessment-of-the-consistency-of-hungary. Sie enthält Analysen von Experten von 56 DT\919892DE.doc 7/13 PE500.583v01-00 DE unabhängigen hochrangigen Expertengruppe zu Medienfreiheit und –pluralismus vorgestellt. IV. Verbleibende Bedenken Einige der oben genannten Themen sollten weiter beobachtet werden, obwohl die Gesetze 2011 nach Verhandlungen mit der Europäischen Kommission und im Mai 2012 nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichts vom Dezember 2011 geändert wurden. Nach der Verabschiedung der Änderung im Jahr 2012 stellte der OSZE-Beauftragte für Medienfreiheit fest, dass verschiedene Änderungen ohne die Beteiligung von Interessenträgern eingefügt und kurzfristig verabschiedet worden seien, und dass die wesentlichen Bestandteile der Gesetze nicht verbessert worden seien, insbesondere die Ernennung des Präsidenten und der Mitglieder der Medienbehörde und des Medienrates, ihre Macht über Inhalte in den audiovisuellen Medien, die Verhängung hoher Geldbußen, der Mangel an Mechanismen zur Sicherung der finanziellen und redaktionellen Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Mit Schreiben vom 15. Juni 2012 legte László Kövér, Präsident des ungarischen Parlaments, der OSZE detaillierte Informationen über die Gesetzesänderungen vor und stellte fest, dass das Mediengesetz gemeinsam mit den vom Parlament angenommenen Änderungen die völlige Meinungs- und Pressefreiheit gewährleisten werde. Ähnliche Bedenken wie die OSZE machten Experten des Europarates in einem Gutachten vom Mai 2012 geltend, das die Vereinbarkeit der Mediengesetze (wie sie im Mai 2012 geändert werden sollten) mit der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), dem Europäischen Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen und den Empfehlungen des Europarates und anderen Texten zur Standards im Bereich der Medien und der Meinungsfreiheit prüfte1. In dem Gutachten wird empfohlen, dass spezielle Vorschriften über die Registrierung und Transparenz, Regelungen zum Inhalt, Verpflichtungen zur Nachrichtenberichterstattung, Quellenschutz, öffentlich-rechtliche Mediendienste und Regulierungsbehörden gründlich überarbeitet, klargestellt und in einigen Fällen aufgehoben werden sollten. Registrierungspflichten, die auf alle Arten der Medien Anwendung finden, könnten zu Beschränkungen der Pressefreiheit führen. In Bezug auf Artikel 41 bis 46 des Gesetzes CLXXXV, in denen die Registrierungsverfahren für Mediendienste geregelt werden, empfahl der Europarat, dass das „Gesetz CLXXXV (...) klar zwischen den allgemeinen Bestimmungen, die für alle Medienarten Anwendung finden (einschließlich Printmedien), die durch allgemeine Gerichte durchgesetzt werden, und den spezifischen Regeln, die nur audiovisuelle Mediendienstleistungen erfassen und vorrangig von einer spezialisierten Regulierungsbehörde durchgesetzt werden, unterscheiden sollte. (...) Die Registrierung sollte nicht von gedruckten und Online-Pressediensten von einer Medienbehörde der Verwaltung verlangt werden. Die üblichen Registrierungsanforderungen Mediengesetzen aus 20 europäischen Ländern und EU-Mitgliedstaaten, die von der ungarischen Regierung als Vorbild für ihr neues Medienrecht genannt wurden. 1 Für einen umfassenden Überblick vgl. „Expertise by Council of Europe experts on Hungarian media legislation: ACT CIV of 2010 on the freedom of the press and the fundamental rules on media content and ACT CLXXXV of 2010 on media services and mass media, 11 may 2012“. PE500.583v01-00 DE 8/13 DT\919892DE.doc für Unternehmen sollten Anwendung finden. Eine Registrierung zu verlangen, widerspricht den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit im Sinne der ständigen Rechtsprechung des EGMR ...“1 Bestimmungen zu inhaltlichen Anforderungen und die Verpflichtung zur ausgewogenen Berichterstattung2 könnten zu willkürlichen Auslegungen führen und die freie Verbreitung von Informationen und Meinungen über die Medien verhindern. Die Analyse des Europarates erinnert daran, dass „Artikel 10 EMRK und die dazu ergangene Rechtsprechung des EGMR klarstellen, dass Behörden sich der ungebührlichen Einmischung in Medieninhalte zu enthalten haben. Der von Artikel 10 gewährte Schutz des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit verlangt, dass jegliche Beschränkung gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein sollte. Rechtsvorschriften dürfen nicht ungenau oder zu breit sein. Sie müssen immer in Verbindung mit den Zielen, Grundsätzen und Rechten, die diese Beschränkungen letztendlich rechtfertigen, eng ausgelegt werden.“ Das Gutachten unterstreicht, dass die 2012 Änderungen am Gesetz CIV entsprechend dem Urteil des Verfassungsgerichts, das feststellte, dass bestimmte inhaltliche Anforderungen nicht auf die gedruckten und Online-Pressedienste Anwendung finden sollten, vorgeschlagen wurden. Das Gesetz CLXXXV wurde diesbezüglich jedoch nicht geändert. Um die Bedenken in Bezug auf den Anwendungsbereich, die überzogene Einmischung der Verwaltung und die Rechtsunsicherheit auszuräumen, wird empfohlen, dass der „Medienrat keine Regulierungsbehörde der Verwaltung in Bezug auf Print- (und Online-)medien bleiben sollte (sei es in Fragen des Inhalts oder der Lizenzierung)“ und dass die Kriterien „angemessen“, „glaubwürdig“, „sachlich“, „objektiv“ und „ausgewogen“ aus den Gesetzen CIV und CLXXXV entfernt werden und durch klarere und einfachere Anforderungen (etwa Genauigkeit und Ausgewogenheit) entsprechend europäischer Standards und dem Recht anderer Mitgliedstaaten des Europarates ersetzt werden sollten. Das Gesetz muss denjenigen, die es auslegen, auch eine Definition dieser Aufgaben an die Hand geben, damit mögliche Beurteilungsspielräume, die gegen europäisches Recht verstoßen würden, vermieden werden können.“3 Die Verpflichtung für die Medienanbieter, adäquate oder angemessene Nachrichtenberichterstattung bereitzustellen, ist mit einem formellen Beschwerdeverfahren Vgl. den Abschnitt „Registration and transparency“ des Gutachtens des Europarates, S. 12-15. Artikel 10 des Gesetzes CIV legt Folgendes fest, „Jeder hat das Recht, angemessen über die Angelegenheiten des lokalen, überregionalen und europäischen öffentlichen Lebens sowie die für Ungarns Bürger und die Mitglieder der ungarischen Nation bedeutenden Ereignisse informiert zu werden.“ Das Mediensystem soll „glaubwürdige, schnelle und genaue Information über diese Angelegenheiten und Ereignisse“ liefern. Artikel 13 legt fest, dass lineare Mediendienste, „vielseitig, sachlich, aktuell, objektiv und ausgewogen informieren“ über Angelegenheiten, die für die Öffentlichkeit von allgemeinem Interesse sind; Artikel 16 des Gesetzes CIV legt fest, dass Medieninhalte nicht die „verfassungsmäßige Ordnung verletzen“ dürfen; Artikel 17 des Gesetzes CIV verbietet den Ausgrenzung von Nationen, Gemeinschaften, nationalen, ethnischen, linguistischen oder anderen Minderheiten oder von Mehrheiten wie auch aller Kirchen oder religiösen Gruppierungen; Artikel 19 des Gesetzes CIV regelt schädliche Inhalte im Allgemeinen; Artikel 20 des Gesetzes CIV betrifft die kommerzielle Kommunikation und beinhaltet ein Verbot der Verletzung religiöser oder weltanschaulicher Überzeugungen; Artikel 28 Absatz 1 Buchstabe a des Gesetzes CLXXXV verbietet das Sponsern von Nachrichten und politischen Programmen. 3 Siehe Empfehlung, S. 17. 1 2 DT\919892DE.doc 9/13 PE500.583v01-00 DE verbunden, da Artikel 181 des Gesetzes CLXXXV der Medienregulierungsbehörde der Verwaltung die Zuständigkeit für die Bearbeitung von Anträgen in Bezug auf mutmaßliche Verletzungen in einem speziellen Verwaltungsverfahren überträgt. Um negative Auswirkungen auf die Medienfreiheit zu vermeiden, muss das Regulierungssystem so verwaltet werden, dass Rechenschaftspflicht und Unabhängigkeit von politischer Einmischung garantiert werden. Weitere Änderungen werden der ungarischen Regierung in Bezug auf die Ernennung der Mitglieder der Regulierungsbehörde empfohlen. Die Regulierungsbehörden sollten auch transparent und rechenschaftspflichtig sein und über einen Finanzierungsmechanismus verfügen, der es ihnen erlaubt, ihre Aufgaben in vollem Umfang und unabhängig durchzuführen. Artikel 109ff. des Gesetzes CLXXXV enthalten detaillierte Vorschriften in Bezug auf die Regulierungsbehörde für die Medien. Die Staatliche Behörde für Medien und Telekommunikation (NMHH) ist eine Sammelbehörde, die für die Verwaltung sowohl der Telekommunikation als auch der Medien verantwortlich ist. Sie besteht aus verschiedenen Gremien, die unabhängige Zuständigkeiten haben: Präsident, Medienrat und Amtsstelle. Aufgaben, die zur Regulierung der Medien gehören, werden durch den Medienrat (grundsätzlich unter Leitung des Präsidenten der Behörde) wahrgenommen, einem Kollegialorgan, das mit relativer Autonomie innerhalb der Behörde ausgestattet ist. Der Präsident und der Medienrat des NMHH haben weite Regulierungsbefugnisse in Bezug auf alle Kommunikationsmärkte einschließlich audiovisueller linearer und On-Demand-Medien, öffentlich-rechtlicher Mediendienste, gedruckter und Online Presseerzeugnisse sowie in Bezug auf den Sektor der elektronischen Kommunikation. Die Regulierungsbehörde erlässt normative Rechtsakte in Bezug auf Ausschreibungen, Lizenzierungen, Zuweisung von Frequenzspektren, Frequenzverwaltung, Überwachung, Kontrolle, Untersuchungen und Sanktionen. Die bestehenden Ernennungsverfahren1 sollten geändert werden, um ihre Unabhängigkeit gegenüber jeglicher Einmischung wirksam zu garantieren, so dass keine Anweisungen entgegengenommen werden können und Entlassungen nicht als Mittel politischen Drucks verwendet werden. In den Fond zur Förderung der Mediendienste und Vermögensverwaltung, der gemäß Artikel 136 des Gesetzes CLXXXV eingerichtet wurde und für die Vermögensverwaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie die Koordinierung der Programmproduktion verantwortlich ist, wurden drei verschiedene öffentlich-rechtliche Sendeanstalten aufgenommen. Die Zusammensetzung des Aufsichtsrates des Fonds und die Auswahl seiner leitenden Angestellten durch den Vorsitzenden des Medienrates ist bedenklich, da dies schädlichen Einfluss auf Pluralismus und Unabhängigkeit hat. Artikel 101 Absatz 4 des Gesetzes CLXXXV gewährt der ungarischen Nachrichtenagentur das ausschließliche Recht, Nachrichtenprogramme für die Anbieter öffentlich-rechtlichen 1 Der Präsident der Behörde könnte auch als Vorsitzender des Medienrates gewählt werden. Der Präsident wird unmittelbar vom Ministerpräsidenten für einen Zeitraum von neun Jahren ernannt und kann über diese Amtszeit hinaus wiedergewählt werden. Der Präsident hat die Befugnis, zwei Vizepräsidenten für einen unbefristeten Zeitraum zu ernennen. Diese Ernennung erfolgt direkt, ohne vorheriges formales Auswahlverfahren oder öffentliche Ausschreibung. PE500.583v01-00 DE 10/13 DT\919892DE.doc Rundfunks zu produzieren, während von allen großen privaten Sendeanstalten erwartet wird, ihre eigenen Nachrichtenagenturen zu haben. Das Gutachten des Europarates zeigt, dass die Verpflichtung für öffentlich-rechtliche Sendeanstalten, die ungarischen Nachrichtenagentur zu benutzen, unangemessen und eine ungerechtfertigte Einschränkung der Pluralität der Bereitstellung von Nachrichten ist und daher aufgehoben werden sollte. Die Vorschriften in Bezug auf die Struktur, die Verwaltung und redaktionelle Aufsicht über die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten Ungarns und ihr Finanzierungsmechanismus könnte auch einen erheblichen Einfluss auf Pluralismus und Inhalt haben. Die drei öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten und die ungarische Nachrichtenagentur sind Eigentum der Stiftung des öffentlichen Rechts der öffentlich-rechtlichen Programmanbieter, die von einem einzigen Kuratorium verwaltet wird. Drei Mitglieder des Kuratoriums werden von der Regierungspartei bzw. den Regierungsparteien nominiert, die anderen drei von den Oppositionsparteien. Die Kandidaten werden mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit der anwesenden Abgeordneten gewählt. Der Medienrat nominiert den Vorsitzenden des Kuratoriums und ein weiteres Mitglied für neun Jahre und die Mitglieder. Die von den im Parlament vertretenen Parteien nominierten Mitglieder haben ebenfalls eine neunjährige Amtszeit (Artikel 86 Gesetz CLXXXV von 2010). Das Kuratorium der Stiftung des öffentlichen Rechts der öffentlich-rechtlichen Programmanbieter hat die allgemeine Verantwortung für die öffentlich-rechtlichen Medien und auch eine wichtige Rolle bei der Ernennung und Entlassung der leitenden Angestellten jedes öffentlich-rechtlichen Medienanbieters. Es ernennt den Vorsitzenden und die meisten Mitglieder des Aufsichtsrates der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, die die Verwaltung der Sendeanstalten beaufsichtigen. Das Öffentlich-rechtliche Gremium bewertet die Vereinbarkeit mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag. Die Analyse des Europarats betont, dass ausdrücklich geregelt sein sollte, dass weder das Kuratorium noch der Aufsichtsrat eine Rolle bei der Festlegung des Programms haben noch irgendeinen redaktionellen Einfluss ausüben kann. Das derzeit bestehende System der Ernennungen in die Regulierungsbehörden der Medien (Medienrat, Kuratorium der Stiftung des öffentlichen Rechts der öffentlich-rechtlichen Programmanbieter und Öffentlich-rechtliches Gremium) sollte daher überarbeitet werden, um politische Neutralität zu gewährleisten. Diesbezüglich reicht es nicht aus, dass Ernennungen von einer bestimmten Mehrheit abhängen, da die Regelung der Ernennung einem Wert, nämlich dem der vielfältigen, inklusiven und pluralistischen Zusammensetzung im kulturellen, politischen und sonstigen Sinne dient. Das wird missachtet, wenn die Abstimmungsregeln nicht die vielfältige, inklusive und pluralistische Vertretung im Rat fördert. Mit Blick auf die Sicherung der redaktionellen Unabhängigkeit und der institutionellen Autonomie der Anbieter öffentlich-rechtlichen Rundfunks empfiehlt der Europarat, dass die „Medienbehörde keine Entscheidungsbefugnis haben sollte, was den Prozess der Entwicklung und der Annahme des Öffentlich-rechtlichen Kodex anbelangt und die Definition des DT\919892DE.doc 11/13 PE500.583v01-00 DE Anwendungsbereiches der öffentlich-rechtlichen Mediendienstleistungen“1. Es wird empfohlen, den Finanzierungsmechanismus der Stiftung des öffentlichen Rechts der öffentlich-rechtlichen Programmanbieter insgesamt zu ändern, um die Transparenz der Finanzierung und die Ausgaben der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten sowie deren Management entsprechend dem Grundsatz der finanziellen Autonomie zu garantieren. Andere Empfehlungen beziehen sich auf das Amt des Medien- und Kommunikationsbeauftragten (Artikel 139ff. des Gesetzes CLXXXV), der gegebenenfalls durch einen gesetzlich vorgesehenen Ombudsmann ersetzt werden sollte, der befugt ist, Verbraucherbeschwerden über elektronische Kommunikationsdienstleistungen zu bearbeiten, und dessen Befugnisse vollumfänglich anfechtbar sind. Die Ausnahme zum allgemein vorgesehenen Ausschreibungsverfahren zur Bereitstellung bestimmter linearer Dienstleistungen gemäß Artikel 48 Absatz 4, wonach die Medienbehörde für einen bestimmten Zeitraum von bis zu drei Jahren einem Unternehmen zur Erledigung von öffentlichen Aufgaben auch ohne Ausschreibungsverfahren die Betreibung des Mediendienstes genehmigen kann, sollte gestrichen werden. Um in Bezug auf die Bekanntmachung einer Ausschreibung, die von der Medienbehörde veröffentlicht werden sollte, wirklichen Wettbewerb und Fairness, wie auch den Schutz der Rechte des Bewerbers, zu garantieren, wird empfohlen, dass für die Bewerber die Möglichkeit vorsehen werden könnte, die Bekanntmachung einer Ausschreibung einer gerichtlichen Prüfung zu unterziehen, bevor sie als Grundlage einer Bewertung herangezogen wird. Die 15Tage-Frist für den Antrag auf gerichtliche Prüfung der Entscheidung der Medienbehörde über die Ergebnisse einer Ausschreibung sollte verlängert werden. Artikel 163 Absatz 3 sollte geändert werden, um die Möglichkeit der Aussetzung des Vollzugs von Verwaltungsakten und Sanktionen im Fall einer Klage gegen Entscheidungen des Medienrates einzuführen. Bestimmungen zur Amtsstelle der Medienbehörde und zu den Sanktionsbefugnissen des Medienrats über alle Medien, einschließlich der gedruckten und der Online-Presseerzeugnisse (Artikel 185ff. des Gesetzes CLXXXV) wurden als negativ für gefährdete Bereiche, die schließen könnten, betrachtet. Außerdem könnten diese Bestimmungen abschreckend auf die Unabhängigkeit der Medien wirken. Die Experten des Europarats empfehlen die Änderung dieser Artikel, um die Verhältnismäßigkeit zwischen der Schwere der Verletzung und der Schwere der Sanktion zu garantieren sowie die Streichung der Paragrafen, die sich auf die Höchststrafen, die gegen Anbieter von gedruckten und Online-Pressediensten verhängt werden können, beziehen. Andere Empfehlungen sehen vor, dass der Medienrat nicht in die Tätigkeit der Selbstverwaltungsorgane eingreifen und die Selbstverwaltung im Gesetz gestärkt werden sollte. Artikel 66 des Gesetzes CLXXXV sollte geändert werden, um eine transparente Regelung der Mediendienste einer Gemeinschaft auf Grundlage der Anforderungen des 1 Vgl. Artikel 95, 98 und 136 des Gesetzes CLXXXV zur Regelung der Befugnisse der Medienbehörde gegenüber der Stiftung des öffentlichen Rechts der öffentlich-rechtlichen Programmanbieter. PE500.583v01-00 DE 12/13 DT\919892DE.doc öffentlichen Interesses einzuführen. In Bezug auf die gesetzlichen Verpflichtungen der Printmedien, die den internationalen bewährten Verfahren widersprechen, wonach der Presse nahegelegt wird, sich selbst zu verwalten, sollten Bestimmungen in Bezug auf das Recht, gemäß Artikel 12 des Gesetzes CIV Gegendarstellungen in der Presse zu verlangen, geändert werden, damit die Selbstverwaltungsorgane ihre eigenen Standards festlegen können. Das Recht sollte auf Inhalte begrenzt werden, die stark irreführend oder unlauter sind. DT\919892DE.doc 13/13 PE500.583v01-00 DE