Abt Gregor Henckel – Donnersmark OCist Abt des Stiftes Heiligenkreuz Niederösterreich Mittwoch, 9.März 2005 MORAL UND MARKTENTWICKLUNG WIRTSCHAFTSETHIK ZWISCHEN THEORIE UND PRAXIS Wie Sie wissen gehöre ich dem Orden der Zisterzienser an und dieser hat, ebenso wie die Benediktiner, die Regel des Heiligen Benedikt als Grundlage. Sie alle kennen die Kurzfassung dieser Regel, sie heißt: ora et labora. Dieser Grundsatz ist durchaus höchst modern, aktuell und wichtig. In der Benediktsregel kommt allerdings nirgends das Wort ora et labora vor, es ist nur eine sehr zutreffende Darstellung dessen, was in der Regel enthalten ist. Eigentlich heißt es ja: ora et labora et lectio divina – also eine Trias. Dieses Wort ist in eine Situation hineingesprochen, die ganz unterschiedlich ist zu unserer Zeit. In der Antike, und die Benediktregel entsteht im 6. Jhdt. war die Arbeit diskreditiert. Man muß sich vor Augen halten, daß das Neue Testament hineinspricht in eine Welt, in der die Arbeit negativ belastet war. Der freie Bürger, oder auch der Philosoph in Griechenland, der sich über den Zusammenhang der Welt Gedanken macht, war weit entfernt von allem was Handarbeit war. Diese hat man den Sklaven überlassen. Erst das Christentum bringt in diesen Schlüsselbegriff des Wirtschaftens, nämlich die Arbeit, eine neue Heiligung! Arbeit ist, wie diese Theologie der Arbeit meint (Enzyclika : Laborem exercens) das Wesensmerkmal jedes Menschen. Schon das Kind in der Schule arbeitet – allerdings unbezahlt – ebenso die Hausfrau und Mutter - oft unbezahlt - es gibt niemanden, der nicht arbeitet: Künstler, Wissenschaftler, Unternehmer, Beamte, kurzum alle arbeiten, auch der Behinderte, der versucht sich in seiner Arbeit zu verwirklichen. Der Mensch kann sich nur in einem „DU“ verwirklichen, durch seine Arbeit wird er von Nutzen und Bedeutung für andere, Arbeit ist entscheidend für das Gelingen des Lebens. Arbeit ist daher nicht nur unter dem Aspekt der Produktivität zusehen, sondern wir müssen sie auch vom Philosophischen und Psychologischen her betrachten. Daher müssen wir ein Prinzip an den Beginn unserer Überlegungen stellen, wenn wir von christlicher Warte aus dieses Thema bedenken und das heißt: „Der Mensch ist der Weg der Kirche!“ So formulierte es der Heilige Vater in seiner ersten Enzyklika und die Österreichischen Bischöfe setzten dieses Zitat an den Beginn ihres Sozialhirtenbriefes aus dem Jahr 1990 Auch bei der rein wirtschaftlichen Fragestellung nach der Marktentwicklung geht die Kirche vom Menschen aus, um so eine Moral für den Menschen und eine humane Wirtschaftsethik zu formulieren. Die Kirche muß dabei die Dinge im weiten Horizont anschauen (theorein) um Grundsätze zu erkennen, denn nur von dort sind richtige Lösungen zu gestalten. Schon immer war ja die „Theorie die radikalste Form der Praxis“; radikal im Sinne von „wurzelhaft“! Die Kirche sieht den Menschen als Ganzes und hat daher keine Angst ihn mit allen seinen vitalen Aktionen zu erkennen, also nicht nur „sub specie aeternitatis“ also kurzschlüssig nur spirituell und jenseitig, sondern um ihn auch übernatürlich umfassend zu erkennen muß sie einen sehr wichtigen Bereich seines täglichen Lebens im Auge behalten: Den Bereich seiner Arbeit, des Handelns für seinen und seiner Familie Lebensunterhalt und seine dadurch entstehenden Beziehungen zu anderen Menschen, Gruppen und der Gesellschaft insgesamt. Um Mißverständnissen vorzubeugen sei sofort hinzugefügt, daß der wirtschaftlichökononische Bereich des menschlichen Lebens zwar sehr wichtig ist, aber der Mensch sich darin keineswegs erschöpft; sein innerstes Selbstverständnis und seine Beziehung zu Gott sind davon nur indirekt berührt und seine Relationen zum anderen Menschen sind viel größer und von vielen anderen Elementen mehr bestimmt als nur vom rein wirtschaftlichen. Aber man muß festhalten, daß der Mensch als arbeitender und wirtschaftlich handelnder im Markt und heute zunehmend auch in jener allgemeinen Tendenz, die wir Globalisierung nennen, steht. Wenn die Kirche von der Sendung Jesu Christi getragen, zu den Menschen geht, muß sie auch diese Aspekte, wie Markt und Globalisierung kennen und sie ethisch-moralisch werten, damit sie diesen Menschen wirklich trifft. Die kirchliche Soziallehre hat seit mehr als hundert Jahren kein anderes Ziel, als den Menschen dort zu erreichen, wo er tatsächlich lebt und arbeitet und ihm aus christlicher Liebe zu helfen, - aus materieller Not -, die keinesfalls gottgewollt ist, herauszuhelfen. Globalisierung wird heute fast ausschließlich negativ gesehen, ja man spricht häufig von der Globalisierungsfalle. Ich meine aber auch, daß sie eine große Chance ist.An sich ist Globalisierung etwas Gutes. Es ist gut, daß wir rund um den Globus mit allen Menschen kommunizieren können über die fabelhaften Kommunikations und Informationsmöglichkeiten die es heute gibt und auch durch den Verkehr in einen immer engeren Zusammenhang kommen. Sicherlich schafft das auch Schwierigkeiten, aber im Grunde ist es etwas Gutes. Die „one village world“ besagt ja, daß die Menschheit eine Familie ist und daß es zwar Unterschiede aber keine Klassifizierungen in den Rassen und Sprachen gibt, die einen Unterschied in der Wertigkeit des jeweiligen Mesnchen sieht. Das ist an sich etwas Gutes. Das ist urchristliche Botschaft. Die Frage die sich stellt ist: ob wir die richtigen oder die falschen Vorzeichen vor die Globalisierung setzen. Dabei braucht „das Rad nicht neu erfunden“ werden, sondern bereits gewonnene Erfahrungen und Ergebnisse der katholischen Soziallehre aufgesucht und zielgerichtet angewandt und eingesetzt werden. Daher könnte ich mein Referat auch nennen:“Markt und Globalisierung in der Katholischen Soziallehre.“ 1) Prinzipien: In der bereits „klassischen“ katholischen Soziallehre wurden die drei Grundprinzipien: Personalprinzip, Solidarität und Subsidiarität, streng wissenschaftlich und recht abstrakt formuliert. Sie entstehen auseinander und sind miteinander in logischen Beziehungen. Aus diesem Rahmen fallen das uralte Prinzip von Aristoteles und dem Heiligen Thomas von Aquin vom Gemeinwohl und die in den letzten Jahrzehnten in der Kirche prophetisch proklamierte Option für die Armen. Beide sollen aber hier aus verschiedenen Gründen bei den Prinzipien ausdrücklich genannt werden. 2.1 Personalprinzip Nach dem Text Johannes XXIII (Mater et Magistra 1961) „...........muß der Mensch, der Träger, Schöpfer und das Ziel aller gesellschaftlichen Einrichtungen sein.“ Der Mensch hat daher den Vorrang vor Gesellschaft und auch vor wirtschaftlicher Effizienz; er muß geschützt werden vor „Vergesellschaftung“ und vor „Vermarktung“, denn allein ihm, den einzelnen Menschen in seiner nicht austauschbaren Person kommt Würde im höchsten Maß zu. Theologisch gesprochen gebührt dem Menschen in seiner Individualität Ehre als dem Ebenbild Gottes. Alles weitere leitet sich aus diesem Grundprinzip ab! 2.2. Solidarität Aber der Mensch ist auf Gemeinschaft angelegt und daher bestimmt und berufen, in dieser Gemeinschaft verantwortlich zu handeln und für andere nach Kräften seinen Beitrag zu leisten. Aber dieselbe Solidarität bindet auch wieder Gemeinschaft an die Person. Solidarität beinhaltet also eine gegenseitige Zuordnung mit moralischer Qualität. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ wäre die biblische Formulierung. 2.3. Subsidiarität Subsidiarität ist hingegen eine flexible Regelung der Zuständigkeit. Da der Person – wie oben erklärt – der Vorrang zusteht, soll sie vorerst die Handelnde sein und alle ihre Angelegenheiten in Eigenverantwortung regeln; die Gemeinschaft hat nur dort „subsidiär“, helfend einzuspringen, wo es die Kräfte des Einzelnen übersteigt und die Gemeinschaft es nachweislich besser regeln kann. Dieses Prinzip gilt aber nicht nur zwischen Einzelpersonen und Gesellschaft, sondern grundsätzlich auch zugunsten der jeweils kleineren Gemeinschaft gegenüber der größeren. (Familie gegenüber der Stadt, dem Staat etc.) 2.4. Gemeinwohl Vor der Entfaltung der katholischen Soziallehre sprach man vor allem von der Erreichung des Gemeinwohls. Dies soll hier nochmals erwähnt werden, da der Titel auch etwas Positives vermittelt, das keinesfalls vergessen werden darf. Aber von Seiten der modernen Soziallehre kann zurecht behauptet werden, daß eine gute Verwirklichung des Gemeinwohls durch die Realisierung von Solidarität und Subsidiarität auf der Basis des Personalprinzips erreicht wird. Keinesfalls darf aber das Gemeinwohl als Ausrede dienen, langfristig das Wohl vieler einzelner Personen zu vernachlässigen. 2.5.Option für die Armen Herausgefordert von den sozialen Problemen Lateinamerikas hat die „Theologie der Befreiung“ und in Folge davon die großen Treffen der Lateinamerikanischen Bischofskonferenzen die „Option für die Armen“ ausgesprochen und die Enzyklika Sollicitudo Rei Socialis übernimmt in Nr 42 diesen Gedanken:“........die Option für die vorrangige Liebe für die Armen“ als „bevorzugte Art und Weise, wie christliche Liebe ausgeübt wird. Eine solche Option wird von der ganzen Tradition der Kirche bezeugt.“ Es handelt sich hierbei also nicht eigentlich um ein wissenschaftliches Prinzip, sondern um eine operative Formel, die zutiefst biblisch begründet ist. (z.B. Jes 61,1 bzw. Lk 4,18) 3. Der Markt Der Markt ist prinzipiell ein wirtschaftliches Phänomen und daher hat die katholische Soziallehre keine eigene Markttheorie entwickelt. Die Kirche akzeptiert ja, wie das Konzil es formuliert hat, die Eigenständigkeit der Sachbereiche. Aber der Markt in seiner jeweiligen Gestaltung und Entwicklung beeinflußt die wirtschaftlichen Bedingungen für den Menschen so, daß die Dokumente der kirchlichen Soziallehre immer wieder an verschiedenen Stellen zum Thema Stellung beziehen. Einige wichtige Texte sollen daher nachfolgend besprochen werden. 3.1. Macht ersetzt den Markt (Quadragesimo Anno, Mater et Magistra) Pius XI kritisiert in seiner Enzyklika 1931 zur sozialen Frage, daß auf Grund einer völligen Wettbewerbsfreiheit eine Zusammenballung von riesiger Macht in der Weltwirtschaft stattgefunden hat un daher „......... an die Stelle der freien Marktwirtschaft die Vermachtung der Wirtschaft trat. Das Gewinnstreben steigerte sich zum zügellosen Machtstreben.“ (QA 109) Erschütternd an der Textpassage insgesamt ist, daß die Schilderung der Weltwirtschaft 1931 eigentlich eine Schilderung unserer „Globalisierungsfalle“ der 90er Jahre sein könnte. Die Bewertung allerdings des Marktes – ja sogar der „freien“ Marktes – ist an sich positiv und sein Wegfall wird bedauert. Im Markt mit seinen Tauschmöglichkeiten wird offensichtlich etwas Gutes für den Menschen gesehen und seine Grundkonzeption wird wohl in Übereinstimmung mit dem Prinzip der Subsidiarität gesehen. Johannes XXIII kritisiert 70 Jahre nach dem Beginn der päpstlichen Aussagen zur sozialen Frage die vorherrschende Auffassung zur Wirtschaft in der Zeit vor Papst Leo XIII (1891) nach denen die Beziehungen zwischen den wirtschaftlich Schaffenden sich „rein nach mechanischen Marktgesetzen bestimmen.“ (MM11) Auch bemerkt er mit Pius XI, „daß der freie Wettbewerb sich schließlich, kraft seiner inneren Gesetzlichkeit, selbst fast ganz aufgehoben hatte.“ Wettbewerb und Markt haben danach also eine innere Tendenz zur Autodestruktion, die es zu bekämpfen gilt um dem Menschen jene Möglichkeit zu erhalten, die ihm durch den Markt geboten werden. Prof. Pater Schasching SJ, der große österreichsiche Repräsentant der katholischen Soziallehre, hat diese Tendenz des Marktes beschrieben mit dem Bild eines gerollten Papiers, auf welchem man arbeiten will; es hat nämlich die Tendenz sich immer wieder von seinen Rändern her aufzurollen, sodaß man nicht mehr darauf arbeiten kann; man streicht es also an den Rändern glatt und befestigt es mit Reisnägeln oder Klebstreifen um es benützen zu können. In derselben Weise ist der Markt also in sich selbst, wenn er allein gelassen wird, so asozial, so unökologisch ...... u.dgl. m., daß er sich von seinen Randzonen her „aufrollt“, und sich also selbst seiner Funktionsfähigkeit beraubt. Gesetzliche Intervention des Staates dient also letztlich dazu, den Markt in seiner nützlichen Funktion zu erhalten und nicht um ihn durch zuviel Regulierung zu erdrosseln. „Ein Markt, der nur von den Bedürfnissen des Geldes ausgeht, und nicht von den Bedürfnissen des Menschen, wird auf die Dauer nicht funktionieren.“ (Carola Meier-Seethaler, zitiert nach Manfred Jochum in „Conturen“ 2/98) 3.2 Vorrang des Naturrechts ( Populorum Progeressio 1967) Dieser Gedanke wird in der Enzyklika PaulVI. Im Hinblick auf die Entwicklungsländer weiter ausgeführt. „Die Spielregel des freien Handels kann also für sich allein die internationalen Beziehungen nicht regeln“. Natürlich wird im weiteren das Funktionieren des Marktes zwischen ähnlich starken Partnern betont und nicht kritisiert. Im Kontak zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern aber ist diese Balance der Kräfte nicht gegeben. : „Die Preise, die sich frei auf dem Markt bilden, können ganz verderbliche Folgen haben. Man muß es einfach sagen: in diesem Bereich wird ein Grundprinzip des sogannten Liberalismus als Regel des Handelns überaus fragwürdig.“ (PP58) Also auch hier gilt das Bild von Pater Schasching SJ: Das „Papier“ Markt wird in der Entwicklungszusammenarbeit aus sich selbst heraus so ungerecht, daß es zur Gegenbewegung kommt, das „Papier“ rollt sich vom Rand her zusammen, der Markt kann nicht mehr funktionieren. Nun muß durch gesetzliche oder sonstige Intervention in den Markt eingegriffen werden, um ihn arbeitsfähig zu erhalten. Der Markt ist zwar nützlich, aber nicht heilig. Er ist nicht ein Gott oder Götze, der alle auftretenden Probleme nur aus seinen eigenen Kräften lösen kann. Interessant in diesem Zusammenhang ist noch ein Argument Paul VI: Die Vertragsfreiheit ist ein wichtiges Element von Markt und von menschlicher Freiheit. Aber: „Die Regel, wonach Verträge durch das freie Einvernehmen der Partner zu Stande kommen, ist den Forderungen des Naturrechts untergeordnet.“ Auch Vertragsfreiheit untersteht also höheren Werten, was die Juristen bei unsittlichen Verträgen an sich schon immer gewußt haben, was aber im wirtschaftlichen Bereich natürlich auch gilt, auch wenn bisweilen die Unsittlichkeit nicht so klar zu Tage tritt; aber eine krasse wirtschaftliche Situation des Ungleichgewichts der Vertragspartner kann eben so unsoziale Folgen haben, daß man sie ohne Zögern als unsittlich klassifizieren muß. In diesem Zusammenhang sei hier noch erwähnt, daß die katholische Soziallehre bisher sehr stark, ja fast ausschließlich von der Gesellschaftslehre und dem juristischen Naturrechtsdenken geprägt war. Dabei ist ein Widerspruch zum theologischen Denken durchaus erfolgreich vermieden worden. Aber vielleicht ist es an der Zeit mit der Soziallehre näher an die Theologie und näher an die Bibel heranzurücken. In der „Option für die Armen“ ist wohl eine solche Annäherung zu erkennen. Die Gefahr biblizistischer und fundamentalistischer Kurzschlüsse sollte dabei natürlich vermieden werden. 3.3. Wer hat 1989 gesiegt? (Centesimus annus) Die katholische Theologie wurde von spöttischen Kritikern im 19. Jhdt. als die „et – et- Theologie“ karikiert. Diesen Spott hat das katholische Denken mit Fassung getragen und sollte es auch weiterhin tun. Das Denken im „sowohl als auch“ und nicht im harten „entweder oder“ ist doch letztlich das bessere; ein „et- et- Denken“ schüttet zumindest das Kind nicht mit dem Bade aus. In dieser Art und Weise ist auch eine Passage von Johannes Paul II. zu lesen , in welcher er Wesentliches zur Positionierung des Marktes aussagt. Es handelt sich um einen Text aus „Centesimus Annus“ aus dem Jahr 1991. Anlaß ist an sich das Jubiläum der ersten Sozialenzyklika aus dem Jahr 1891 „Rerum Novarum“ von Papst Leo XIII. Ein faszinierender Inhalt ist, daß hier jener Karol Woytila schreibt, der so wesentlich zum Untergang des „Realen Sozialismus“ beigetragen und nun genau zu diesem Thema „kirchenamtlich“ Stellung nimmt. Es wird eine provokante Frage gestellt und eine sehr ausbalancierte Antwort mit dem typischen „einerseits – andererseits“ gegeben: Die Frage lautet, ob denn nun 1989 nicht eigentlich der Kapitalismus gesiegt habe. Und darauf antwortet er: „Die Antwort ist natürlich komplziert. Wird nämlich mit >Kapitalismus< ein Wirtschaftssystem bezeichnet, das die grundlegend positive Rolle des Unternehmens, des Marktes, des Privateigentums und der daraus folgenden Verantwortung für Produktionsmittel, der freien Kreativität des Menschen im Bereich der Wirtschaft anerkennt, ist die Antwort sicher positiv. Vielleicht wäre es aber passender, von >Unternehmenswirtschaft<, oder Marktwirtschaft oder einfach >freier Wirtschaft< zu sprechen. Wird aber unter >Kapitalismus< ein System verstanden, in dem die wirtschaftliche Freiheit nicht in eine feste Rechtsordnung eingebunden ist, die sie in den Dienst der vollen menschlichen Freiheit stellt und sie als eine besondere Dimension dieser Freiheit mit ihrem ethischen und religiösen Mittelpunkt ansieht, dann ist die Antwort ebenso entschieden negativ.“ (Centesmus Annus Nr 42) Hier werden also 2 Typen des Kapitalismus unterschieden, wobei man von der Treminologie im Deutschen her das erste Modell, das der „Sozialen Marktwirtschaft“ nennen kann; nur ist der Begriff nicht in anderen Sprachen so üblich und daher schwer übersetzbar; daher also 2 Formen des >Kapitalismus<. Jedenfalls wird viel über eine akzeptable Form des Marktes ausgesagt. Wenn aber statt der ersten Variante des „Kapitalismus“ die zweite fälschlicherweise zum Sieger von 1989 ausgerufen wird: „.........besteht die Gefahr, daß sich eine radikale kapitalistische Ideologie breit macht, die es ablehnt, sie auch nur zu hinterfragen, da sie glaubt, jeder Versuch, sich mit ihr auseinanderzusetzen, sei von vorneherein zum Scheitern verurteilt und ihre Lösungen einem blinden Glauben der freien Entfaltung der Marktkräfte überläßt.“ (CAA 42, Schluß) Diese kritische Diagnose gilt für all das was wir unter Neo-Liberalismus in der Globalisierung erleben und erleiden. Nebenbei gesagt ist die Bezeichnung „NeoLiberalismus“ ein Euphemismus, denn es handelt sich letztlich um einen „UraltLiberalismus“ des vorigen Jahrhunderts der uns den unsozialen Kapitalismus damals bescherte und den man längst als wissenschaftlich und empirisch, also durch schmerzlichste Erfahrungen als widerlegt einstufen darf! 4. die Globalisierung Das Wort „Globalisierung“ ist ein relativ neu geprägter Begriff, aber die Idee, die dahinter steht ist eigentlich ein uralter Traum: Die Einheit der gesamten Menschheit in Frieden, Freiheit und Wohlstand zu verwirklichen. In unserer Zeit scheint aber „Globalisierung“ vorallem wirtschaftlich zu geschehen und dabei handelt es sich wohl vor allem um die „Globalisierung der Märkte“. Daher gilt vieles aus Abschnitt 3 dieses Vortrags ganz konkret auch für den entstehenden „Weltmarkt“. 4.1 Situation Die Globalisierung der Märkte wäre aber undenkbar, ohne die technische Entwicklung der Verkehrs- und Transportmittel einerseits und der planetarischen Vernetzung einer hochentwickelten Informations-Technologie. Ein wichtiger Teilaspekt der Globalisierung ist sicherlich die Einigung Europas. Und hierbei ist schon oft das Stichwort „Subsidiarität“ gefallen, insbesondere vom früheren Präsidenten der Europäischen Kommission Jaques Delors. Gerade bei den Prozessen der immer größer werdenden Einheiten Europas und der ganzen Welt, hat das steuernde Gegenprinzip, das vorher die kleinere Einheit ihre Probleme selbständig lösen soll und darf, ihre sehr heilsame Wirkung und kann auch dazubeitragen, daß der Mensch und die so wertvollen kleinen Gemeinschaften nicht entwurzelt werden. 4.2. Chancen und Gefahren In der Botschaft des Papstes zur Feier des Weltfriedenstages am 1.Jänner 1998 gibt es unter Punkt 3 einen eigenen Abschnitt „Globalisierung in Solidarität!. Dort wird festgestellt: „Die Globalisierung der Wirtschaft und Finanzen ist nunmehr Wirklichkeit geworden“ (BW 3) Aber diese Situation enthalte einerseits große Hoffnungen andererseits aber auch beunruhigende Fragen. Die Mittel, die eingemahnt werden und die dazu führen sollen, daß sich Hoffnungen erfüllen und beunruhigende Fragen beruhigend beantwortet werden können sind klassische, wohlbekannte Konzepte der katholischen Soziallehre: Das Verantwortungsgefühl für das Gemeinwohl muß gefördert werden, die menschliche Person darf nie außer Acht gelassen werden. „Die Herausforderung besteht also darin, eine Globalisierung in Solidarität, eine Globalisierung ohne Ausgrenzung zu sichern.“ Bezeichnend ist, daß der folgende Abschnitt in der selben Botschaft dem Thema der Auslandsverschuldung gewidmet ist, wo ebenfalls aus dem Gebot der Solidarität zum Schuldennachlaß aufgerufen wird. 4.3. Brauchen wir eine Weltregierung? Kehren wir aber noch einmal zum Prinzip der Subsidiarität zurück: Neben dem Auftrag die jeweils kleinere Gemeinschaft gegenüber der größeren zu schützen und mit Privilegien auszustatten, verpflichtet dieses Prinzip aber auch die jeweils größere Gemeinschaft hilfreich „subsidiär“ tätig zu werden, wo die kleinere Gemeinschaft überfordert ist. Dies steht im Gegensatz zur Auffassung des Liberalismus des 19. Jhdts, wie ihn noch Johannes XXIII 1961 rückblickend beschreibt und logischerweise kritisiert. „Der Staat hat sich jeder Einmischung in das Wirtschaftsgeschehen zu enthalten.“ (MM 11) Die Kirche ist also von Anfang an dagegen aufgetreten, daß es lediglich einen „Nachtwächterstaat“ geben dürfe. Heute im Zeitalter der Globalisierung stehen wir aber vor der Situation einer „Nachtwächter – Welt“. Die rechtlichen Instrumente der einzelnen Nationalstaaten sind in einer globalisierten Weltwirtschaft unwirksam. Es geht darum, hier einen wirkungsvollen Regelmechanismus zu schaffen, um wieder einmal den Markt – diesmal den globalisierten Weltmarkt – vor seiner Selbstzerstörung zu bewahren; eine Tendenz zur Autodestruktion wohnt ihm ja bekanntlich inne. Und Regelung heißt nicht ihn zu erdrosseln, sondern ihn zum Nutzen der Menschen funktionsfähig zu erhalten. Nun ist aber keinerlei Weltregierung“ zu erkennen und es ist sehr fraglich ob eine solche realisierbar oder überhaupt wünschenswert ist. Daher muß man internationale Abmachungen treffen. Auch das Multilaterale Investitionsabkommen (MAI) könnte ein solches Instrument sein, allerdings unter den Voraussetzungen, daß eine öffentliche und partizipative Erarbeitung stattfindet und daß hernach die Regelungen, menschenfreundlich, demokratisch, sozial, schöpfungsverantwortlich u.dgl.m. sein müssen. Dazu scheint aber noch eine weite Strecke des Weges zurückzulegen sein. 4.4. Globalisierung: Ja aber! Gerade erst am 9. Mai 1998 hat Papst Johannes Paul II in Rom bei einer Audienz für die Mitglieder der Stiftung „Centesimus Annus – Pro Pontifice“ wiederum zu Markt und Globalisierung Stellung genommen: „Die wirtschaftliche Globalisierung kann Fortschritte für Kultur, Demokratie, Solidarität und Frieden mit sich bringen. Voraussetzung ist jedoch, daß die Erfordernisse des Marktes mit denen von Ethik und sozialer Gerechtigkeit in Einklang gebracht werden.“ Der Papst stellte einer „Explosion des Egoismus“ eine „globale Kultur der Solidarität, die sich der Schwächsten annimmt“ entgegen. Dabei bemerkt er, daß die Maßnahmen der einzelnen Staaten nicht mehr ausreichen. Man müsse daher für eine Kultur der Regelungen eintreten, die nicht nur komerzielle Gesichtspunkte, sondern die Verteidigung der Menschenrechte in aller Welt im Blick hat. Wir kehren zum Ausgangspunkt zurück: Im Blick auf das 3. christliche Jahrtausend ist auch bei den Themen „Markt“ und „Globalisierung“ die Kirche mit ihrer Soziallehre auf den Satz verpflichtet „Der Mensch ist der Weg der Kirche!“ Verwendete Dokumente: 1931 Quadrqagesimo Anno 1961 Mater et Magistra 1967 Populorum Progressio 1987 Sollicitudo Rei Socialis 1990 Sozialhirtenbrief der österr. Bischöfe 1991 Centesimus Annus 1995 Ecclesia in Africa 1997 Sidarität und Gerechtigkeit 1998 Botschaft zum Weltfriedenstag 1998 Rede des Papstes zu Globalisierung und Solidarität