und Identitätsrechte kämpfen musste. Heute treten die

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Länderpapier
Indigene Völker in
Ecuador
© Kristin Weidner 2006
Herausgeber:
Koordinationsstelle Indigene Völker
in Lateinamerika und der Karibik (KIVLAK/GIZ)
Kontakt:
[email protected]
Focal Point ([email protected])
April 2013
I. Kontext
Die im Nordwesten Südamerikas gelegene Präsidialrepublik Ecuador ist nicht nur
geographisch, topografisch und klimatisch, sondern ebenso ethnisch eines der vielfältigsten
Länder der Welt. Ecuador verdankt seinem Namen der Äquatorlinie, die etwa 15 Kilometer
nördlich der Hauptstadt Quito verläuft. Das Land, welches im Norden von Kolum-bien, im
Süden und Osten von Peru und im Westen vom Pazifik begrenzt wird, teilt sich in vier
unterschiedliche geographische Zonen auf: den westlichen Küstenbereich (Costa), die
zentrale Andenregion (Sierra), das östliche Amazonas-Tiefland (Amazonía) und die ca. 1.000
Kilometer vor der Küste gelegenen Galapagos-Inseln.
Gemäß des Zensus 2010 zählt das Land rund 14,5 Millionen Einwohner1. Nach offiziellen
Angaben des Wohnungs- und Bevölkerungszensus (Censo de Población y Vivienda) von
20132 identifizieren sich 1.018.176 als Indigene, was lediglich 7,0% der Gesamtbevölkerung
entspricht. Andere Studien beziffern den indigenen Anteil auf 30-40%. Obwohl die
Zahlenangaben variieren, hat die indigene Bevölkerung mit einem relativ hohen Prozentsatz
an der Gesamtbevölkerung, ebenso wie auch in Bolivien, Guatemala und Peru, eine große
Bedeutung. Dies zeigt sich auch an der ecuadorianischen Indigenenbewegung, die als eine
der am meisten ausgebauten Bewegungen Lateinamerikas gilt. Auf Grund der sehr guten
Vernetzung ist sie in allen sozialen Schichten vertreten und ihre Forderungen finden Gehör.
Dies hat signifikant zu dem politischen Wandel der letzten Zeit beigetragen.
Seit der Verabschiedung der neuen Verfassung im September 2008 bezeichnet sich Ecuador
als interkultureller und plurinationaler Staat3, der die Gemeinschaften, Völker und
Nationalitäten der indigenen und der afro-ecuadorianischen Bevölkerung sowie der
Küstenbauern (montubios) anerkennt und ihre kollektiven Rechte und die Natur als
Rechtssubjekt respektiert4. Zudem wird das Prinzip Sumak Kawsay (auf kichwa: gutes
Leben) als politisches Ziel formuliert, das durch eine neue Entwicklungsplanung umgesetzt
werden soll. Sumak Kawsay fordert, “dass die Menschen, Gemeinschaften, Völker und
Nationalitäten ihre Rechte effektiv genießen und ihren Verantwortungen im Rahmen der
Interkulturalität, des Respekts gegenüber der Vielfalt und des harmonischen
Zusammenlebens mit der Natur nachkommen”5. Andere Aspekte der Verfassung stehen in
engem Bezug zur indigenen Justiz (Art. 171) und den indigenen territorialen Bezirken CTI
(Circunscripciones Territoriales Indígenas) (Art. 257). Die Ausarbeitung einer neuen
Verfassung durch die verfassungsgebende Versammlung war Bestandteil der indigenen
Forderungen, welche insbesondere durch den Dachverband der indigenen Nationalitäten
Ecuadors CONAIE (Confederación de Nacionalidades Indígenas del Ecuador) vertreten
wurde6.
Nach Verabschiedung der neuen Verfassung veranlasste die Regierung unter Präsident
Rafael Correa eine Reihe von politischen Maßnahmen, um den darin enthaltenen
Forderungen, wie z.B. der institutionellen Umstrukturierung oder der Aufstockung des
Haushalts für den sozialen Bereich, nachzukommen. Außerdem wurden der
Nationalversammlung mehrere Gesetzesentwürfe vorgelegt, bei deren Diskussion die
Indigenen Organisationen aus Ecuador (CONAIE, FEINE, FENOCIN) ihre Vorschläge
einbringen und auf Ebene der Exekutive signifikante Veränderungen herbeiführen konnten.
In anderen Fällen waren keine oder nur geringe Übereinkünfte möglich, wie z.B. beim
mittlerweile verabschiedeten Bergbaugesetz oder beim Wasserressourcengesetz, welches
wegen starker Meinungsverschiedenheiten auf Eis gelegt wurde und nationale Proteste der
Indigenen Bevölkerung hervorrief. Die indigene Bevölkerung kritisierte, dass die Regierung
die verfassungsrechtlichen Prinzipien und die Kollektivrechte indigener Völker nicht beachte.
1INEC,
www.inec.gob.ec/preliminares
La población indígena en Ecuador. 2006.
3Constitución de la República del Ecuador, Registro Oficial No. 449, Octubre 20 de 2008. Artículo 1
4Ibid. Artículos 56-57.
5Constitución de la República del Ecuador, Registro Oficial No. 449, Octubre 20 de 2008. Artículo 275
6Para una breve definición sobre pueblo y/o nacionalidad indígena, véase: Rathgeber (2009: 2).
2INEC,
2
Andere Gesetze, die von den indigenen Bewegungen und Organisationen in Ecuador für
signifikant erachtet werden, erhielten von der Gesetzgebung ebenfalls keine effektive
Behandlung;
hierzu
zählen
unter
anderem
die
Gesetze
bezüglich
der
Ernährungssouveränität und des Gesetz um Land und Territorien.
Andererseits wurden die Prozesse der Partizipation und Inklusion der indigenen Völker und
Nationalitäten, welche in der im Gesetz der vorherigen einvernehmlichen Absprache
festgeschrieben sind, nicht eingerichtet. Die Exekutive verordnete mittels eines Dekrets die
Regulierung der Konsultation, was sich nicht mit den internationalen Standards in Bezug auf
die Rechte bei vorherigen Anhörung vereinbaren lässt (ILO 169 der UN-Erklärung).
Vergleicht man die Ansätze der Nationalregierung und tatsächliche ihre Politik ergeben sich
große Unterschiede; die Indigenenbewegung kritisiert, dass die Regierung die in der
Verfassung postulieren Grundsätze und die Kollektivrechte der indigenen Völker und
Nationalitäten, insbesondere wenn es um die Erweiterung der Grenze der Ölförderung im
Südosten von Amazonien, den Großbergbau in verschieden Teilen des Landes, sowohl im
Amazonas als auch in den Anden, und die Umsetzung von mehr als hundert WasserkraftProjekten geht, nicht respektiert.
II. Indigene Völker in Ecuador
Die indigene Bevölkerung wurde von den vergangenen Regierungen Ecuadors als
Minderheit betrachtet, weshalb die indigene Bewegung lange Zeit um ihr Recht auf Land,
Wasser, Bildung sowie ihre Kollektiv- und Identitätsrechte kämpfen musste. Heute treten die
Indigenen als politische, soziale, kulturelle und ökonomische Akteure auf und werden
anerkannt. Dieb indigene Bevölkerung Ecuadors setzt sich aus mehreren Völkern und
Nationalitäten zusammen, die im Folgenden aufgelistet sind:
Indigene Nationalitäten und Völker in Ecuador
Nationalität
Volk
Einwohner
KÜSTE
Awá
---
3.082
Epera
---
300
Chachi
---
9.000
Tsachila
---
2.640
---
Huancavilca
100.000
---
Manta
168.724
ANDENREGION
Kichwa
3
Saraguro
60.000
Kañari
150.000
Puruhá
120.000
Waranka
---
Kitu Kara
100.000
Salasaka
12.000
Panzaleo
58.738
Kisapincha
12.400
Nationalität
Volk
Einwohner
Chibuleo
12.000
Kayambi
147.000
Otavalo
---
Natabuela
14.109
Karanki
15.000
Tomabelas
s/d
Waranka
s/d
---
Pastos
s/d
---
Palta
24.703
AMAZONAS-TIEFLAND
Andoa
---
800
Siona
---
360
Secoya
380
Shiwiar
---
697
Achuar
---
5.440
Waorani
---
3.000
Zápara
---
1.300
Shuar
---
110.000
Kichwa de la Amazonía
- Napo-Kichwa
80.000
- Kanelo-Kichwa
(Pastaza)
Cofán
---
800
Quelle: CODENPE ( www.codenpe.gov.ec)
Von der Anzahl her ist das Volk der in der Andenregion beheimateten Kichwa, am stärksten
vertreten. Die Nationalitäten der Amazonasregion zählen weniger Menschen, weisen aber
eine große kulturelle Vielfalt auf. Die in der Küstenregion lebenden indigenen Nationalitäten
befinden sich in einem Prozess der Umstrukturierung und der Festigung ihrer Identität.
Des Weiteren sind die Ethnien der Tagaeri und der Taromenani zu nennen. Sie haben einen
international anerkannten Rechtsanspruch auf Isolation und siedeln in dem im äußersten
Nordosten des Landes gelegenen Nationalpark Yasuní, der im Rahmen der ITT-Initiative7 der
ecuadorianischen Regierung, im Mittelpunkt der internationalen Aufmerksamkeit steht.
Ein großer Prozentsatz der Gesamtbevölkerung gehört den Indigenen Völkern in den
folgenden Provinzen an: Chimborazo 17,1%, Pichincha 13,5%, Imbabura 10,1%, Cotopaxi
8,8 y Tungurahua 6,1%.
Die afro-ecuadorianische Bevölkerung hat gemäß dem Zensus 2010 einen Anteil von 7,2%
an der ecuadorianischen Gesamtbevölkerung.
ITT bezeichnet die noch nicht ausgebeuteten Ölstandorte ‘Ishpingo-Tambococha-Tiputini’. Cf.: http://www.utekoczy.de/cms/ecuadoritt/rubrik/14/14303.lasst_das_oel_im_boden_die_ittinitiative.html. La iniciativa Yasuní ITT
pretende mantener grades reservas de crudo bajo tierra (sin explotar).
7
4
II.1. Indigene Sprachen
Die Amtssprache in Ecuador ist Spanisch, daneben sind Kichwa und Shuar als offizielle
Sprachen, sowie der alltägliche Gebrauch anderer überlieferten Sprachen in den indigenen
Gebieten anerkannt8. Gemäß Entwicklungsrat der Nationalitäten und Völker Ecuadors
CODENPE (Consejo de Desarrollo de las Nacionalidades y Pueblos del Ecuador) lassen
sich folgende Sprachen zu den indigenen Völkern zuordnen:
Sprachen der indigenen Nationalitäten und Völker in Ecuador
Nationalität
Volk
Sprache
KÜSTE
Awá
---
Awapít
Epera
---
Siapede
Chachi
---
Cha palaa
Tsachila
---
Tsa´fiqui
---
Huancavilca
Spanisch
---
Manta
Spanisch
Kichwa
Saraguro, Kañari, Purua,
Waranka, Kitu Kara, Salasaka,
Panzaleo, Kisapincha, Chivuelo,
Kayambi, Otavalo, Natabuela,
Karank, Tomabelas, Waranka.
Kichwa
---
Pastos
Spanisch
---
Palta
Spanisch
Andoa
---
Andoa
Siona
---
Paicoca
ANDENREGIO
N
AMAZONASTIEFLAND
Secoya
Shiwiar
---
Shiwiar Chicham, Kichwa
Achuar
---
Achuar chicham
Waorani
---
Wao terero
Zápara
---
Záparo
Shuar
---
Shuar
-Napo-Kichwa
Kichwa
Kichwa de
Amazonía
8Ibid. Artículo
5
Paicoca
2
la
-Kanelo-Kichwa (Pastaza)
Nationalität
Cofán
Volk
---
Sprache
A´ingae
Quelle: CODENPE en: www.codenpe.gov.ec
II.2. Sozio-kulturelle Indikatoren und Situation der indigenen Völker
Laut dem Human Development Index 2007/2008 gehört Ecuador hinsichtlich der
Lebenserwartung, Bildung und Lebensstandard zu den Schlusslichtern Südamerikas.
Obwohl die Alphabetisierungsrate nach offiziellen den Angaben im Zensus von 2010 93,2%
beträgt, besucht nur die Hälfte der Bevölkerung eine Sekundarschule. Benachteiligt ist
insbesondere die indigene Bevölkerung. Indigene besuchen im Durchschnitt nur zwei Jahre
lang eine Schule und gehören zu der Bevölkerungsgruppe mit der höchsten
Analphabetenquote von 20,4%. Die am stärksten von Analphabetismus betroffene Gruppe
sind indigene Mädchen bei denen die Analphabetenrate auf 26,7% steigt9.
Das ecuadorianische Gesundheitssystem ist insbesondere in den ländlichen Regionen stark
unterentwickelt. Obwohl laut Verfassung zumindest die Basisgesundheitsleistungen
kostenlos sind, verfügen 30% der Bevölkerung über keinen Zugang zu medizinischer
Versorgung. Davon wiederum sind 70,6% Angehörige indigener Völker. Auch haben 43,2%
aller Indigenen keinen ausreichenden Zugang zu Trinkwasser10. Die Kindersterblichkeit bei
indigenen Kindern beträgt 67,6, bei Nicht-Indigenen Kindern 29,9 pro tausend Geburten11.
Ein großes soziales Problem stellt die Kinderarbeit dar: So müssen fast 40 % aller Kinder für
das eigene Überleben und dem ihrer Familien einer Tätigkeit nachgehen.12
Angesichts dieser Situation hat die Regierung unter Rafael Correa die Investitionen im
sozialen Bereich signifikant erhöht: In 2009 wurden 8,4% des PIBs (im Vergleich zum Jahre
2000 nur 2,92%13) in die Verbesserung der Qualität und des Zugangs zu den sozialen
Dienstleistungen für die ärmere Bevölkerung investiert.
9
Vgl.: http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Ecuador/Kultur-UndBildungspolitik.html.
ebd.
11 Vgl.: Centro Latinoamericano y Caribeño de Población (CELADE)-División de Población de la CEPAL: Sistema
de Indicadores Sociodemográficos de Poblacion y Pueblos Indígenas, 2002-2010. Siehe: http://www.eclac.cl/cgibin/getProd.asp?xml=/celade/noticias/paginas/0/36160/P36160.xml&xsl=/celade/tpl/p18f.xsl&base=/celade/tpl/top
-bottom_ind.xslt.
12 Vgl.: http://reset.to/knowledge/ecuador-%E2%80%93-ein-%C3%BCberblick.
13Alberto Acosta, Análisis de coyuntura, Quito, 2010
10
6
III. Politische und soziale Rahmenbedingungen
III.1. Geschichte
Ecuador ist seit der spanischen Kolonialherrschaft, die von 1532 bis 1822 andauerte, durch
die Konfrontation zwischen der europäischen und der indigenen Kultur gekennzeichnet. In
diesem Zusammenhang entwickelte sich ein umfassender Rassismus der weißen und
kreolischen Oberschicht14 gegenüber der indigenen Bevölkerung15.
Die indigene Bewegung Ecuadors hat ihren Ursprung in den 1920er Jahren. In dieser Zeit
gab es erste, von weiß-mestizischen Intellektuellen initiierte Bestrebungen, die Lebensbedingungen von Hacienda-Arbeitern und Indigenen zu verbessern. 1944 wurde die
ecuadorianische Indio-Förderation gegründet FEI (Federación Ecuatoriana de Indios) mit
dem Ziel, für ihre Gebiete und ihr Recht auf Bildung in den indigenen Zonen im Norden der
Pichincha zu kämpfen.
Daraufhin folgte in den 60er Jahren die Bildung von lokalen Organisationen, welche ihre
Interessen im Rahmen der damaligen Agrarreformprozesse vertraten. Dabei ist vor allem die
Nationale Förderation der Bauern FENOC (Federación Nacional de Organizaciones
Campesinas) mit einem Großteil indigener Mitglieder zu nennen, aus welcher sich dann die
Nationale Förderation der Bauern und der afro-amerikanischer Bevölkerung FENOCIN
(Federación Nacional de Organizaciones Campesinas y Negras) entwickelte. Des Weiteren
gründeteten 1964 die Shuar im Amazonasbecken den Verband der Shuar-Zentren
(Asociación de los Centros Shuar). Dieser Verband integrierte alle auf lokaler Ebene
existierenden Gruppierungen.16 Die Federation Interprovencial de Centros Shuar del
Ecuador (FICSH) war die erste Organisation im ecuadorianischen Amazonasgebiet.
Im Juni 1972 gründete sich die Ecuador Runacunapac Richarimui (ECUARUNARI), die die
Völker der Kichwa der andinischen Andenregion repräsentierte. Ihr Einfluss führte 1973 zu
einer zweiten Agrarreform in der Andenregion, die allerdings nicht die erhoffte Wirkung
erzielte.
Parallel zu den genannten Agrarreformen wurde ein umfassender Ausbau des ländlichen
Schulwesens seitens des ecuadorianischen Staates mit dem Ziel vorangetrieben, die indigenen Bevölkerungsgruppen zu „integrieren“ - und damit kulturell zu assimilieren. Dem gegenüber verfolgten die indigenen Organisationen das Ziel, durch die Bewahrung der (eigenen)
indigenen Identität auch ein Umdenken in der ecuadorianischen Gesellschaft zu erreichen17.
Der Rat der evangelischen indigenen Völker und Organisationen FEINE (El Consejo de
Pueblos y Organizaciones Indígenas Evangélicas del Ecuador) organisierte sich 1980 „als
Folge der Diskriminierung evangelischer, indigener Völker; FEINE setzt sich für die
Religionsfreiheit und für die fundamentalen Menschenrechte zur Ablehnung der Ausgrenzung
und der Ausbeutung der indigenen Völker ein“18.
1986 gründete sich der Dachverband der indigenen Nationalitäten Ecuadors CONAIE
(Confederación de Nacionalidades Indígenas del Ecuador), welcher zu einer geringen
Verbesserung der sozialen Position der indigenen Bevölkerung beitrug. Die CONAIE
erreichte durch ihren beharrlichen Kampf die Anerkennung der indigenen Kollektivrechte. Zu
ihren zahlreichen Aktionen gehörten außer Protesten und Streiks auch die Aufstellung der
14Se
denomina ‘criollos’ a los descendientes de padres españoles, nacidos en una colonia.
http://liportal.inwent.org/ecuador/geschichte-staat.html.
16Cf.: http://de.wikipedia.org/wiki/ECUARUNARI.
17Cf.: http://www.lateinamerika-studien.at/content/lehrgang/lg_jaeger/pdf/putscher_ecuador.pdf.
18Cf.: http://www.feine.org.ec/esp/
15Cf.:
7
eigenen Partei PACHAKUTIK (Movimiento de Unidad Pluricultural Pachakutik; Kichwa: Zeit
des Umschwungs). Auf diese Weise wurde die CONAIE zu einem wichtigen politischen
Akteur19.
Während des Organisationsprozess blieb die Verbindung zwischen der CONAIE und der zur
regionalen und nationalen Ebene bestehen. 1986 gründeten sich der Dachverband der
indigenen Amazonasvölker Ecuadors CONFENIAE (Confederación de Nacionalidades
Indígenas de la Amazonía Ecuatoriana) und der Dachverband der indigenen Küstenvölker
Ecuadors CONAICE (Confederación de Nacionalidades Indígenas de la Costa Ecuatoriana).
Dies unterstützte die institutionelle Basis der CONAIE20.
Seit dem Aufstand im Jahr 1990, bei dem die indigene Bewegung das Recht auf Territorium
sowie das Recht auf zweisprachige Bildung forderten, verstärkte sich der Bekanntheitsgrad
der CONAIE enorm und sie initiierte weitere zahlreiche nationale Aufstände. Damit konnte
sie ihre Forderungen wie z.B. letztendlich die Territorialrechte, den Schutz ihrer
gemeinsamen Ländereien, die politische Teilhabe und schließlich die Inkraftsetzung einer
neuen Verfassung für die Implementierung von politischen Einrichtungen zu Gunsten
indigener Völker und Nationalitäten durchsetzen. Zu diesen Einrichtungen gehören u.a. die
Nationale Leitung für interkulturelle, zweisprachige Erziehung DINEIB (Dirección Nacional de
Educación Intercultural Bilingüe), die Nationale Leitung für interkulturelle Gesundheit
(Dirección Nacional de Salud Intercultural), der Entwicklungsrat für Nationalitäten und Völker
in Ecuador CODENPE (Consejo de Desarrollo de las Nacionalidades y Pueblos del Ecuador)
und die Stiftung für die Entwicklung der indigenen Nationalitäten und Völker in Ecuador
FODEPI (Fondo de Desarrollo de las Nacionalidades y Pueblos Indígenas del Ecuador).
Während des politischen Kampfes haben die indigenen Organisationen ihre Bewegung
strukturiert und folglich konnten ihre Parteien an Wahlkämpfen auf lokaler und nationaler
Ebene teilnehmen. Hierbei ist vor allem die plurinationale, mit der CONAIE verbundene,
Partei Pachakituk-NP (Movimiento Plurinacional Pachakutik) zu nennen, sowie die Partei
“Unabhängige Bewegung Amauta Jatari” (Movimiento Independiente Amauta Jatari), die mit
der FEINE in Beziehung steht. Seit der Entstehung dieser Parteien konnten die politischen
Bewegungen einige Ämter besetzen, so z.B. sind Indigene mittlerweile als Abgeordnete,
Prefäkte, Bürgermeister und Ausschußmitglieder der ländlichen Gemeinden vertreten.
Während der politischen Krisenjahre zwischen 1997 und 2006, bei denen das Land den
Sturz von drei demokratisch gewählten Regierungen erlebte, brachten sich die indigenen
Organisationen sowohl inner- als auch außerparlamentarisch in die politische Debatte ein.
Ergebnis dieses Prozesses war, dass nach dem politischen Putsch der Regierung Mahuad
im Jahr 2001, Luís Maldonado zum Minister für soziale Wohlfahrt berufen wurde. Er war der
erste Angehörige eines indigenen Volkes, der ein nicht ausschließlich für Angelegenheiten
der indigenen Bevölkerung zuständiges Ministerium leitete21.
Zu Beginn der Regierungszeit von Lucio Gutiérrez (im Jahr 2002) war der Dachverband
CONAIE durch seinen politischen Arm Pachakutik ebenso mit zwei Ministern im Kabinett
vertreten. Nachdem jedoch der wirtschaftspolitische Regierungskurs eine gegensätzliche
Richtung zum Grundsatzprogramm der indigenen Organisationen einschlug, ging Pachakutik
in die Opposition. Dies wiederum war ein wesentlicher Aspekt beim Sturz von Gutiérrez im
Jahr 200522.
Zu den im Jahr 2006 anstehenden Präsidentschaftswahlen nominierte Pachakutik mit Luís
Macas erstmals einen eigenen Präsidentschaftskandidaten. Der bei diesen Wahlen
hervorgegangene Sieger, Rafael Correa vom Parteienbündnis Alianza País, berief eine
19Cf.:
http://www.conaie.org/home.
http://www.conaie.org/home.
21Vgl.: http://de.wikipedia.org/wiki/Indigenenbewegung_in_Ecuador.
22Vgl.: http://www1.uni-hamburg.de/IIK/brennpkt/jg2003/bpk0309.pdf.
20Cf.:
8
verfassungsgebende Versammlung, ein, um gemeinsam mit den VolksvertreterInnen eine
neue Verfassung auszuarbeiten, was eine der Forderungen der CONAIE seit ihren Anfängen
war. Es muss hier angemerkt werden, dass die Forderung nach einem neuen
Verfassungsprozess von den indigenen Bewegungen stellt wurde, allerdings nicht bereits seit
den Anfängen als Bewegung, sondern vor dem Regierungswechsel im Jahr 2007 als die
indigene Bewegung zusammen mit anderen linken Gruppierungen verstärkt Rafael Correa
und die Bewegung Alianza Paíz unterstützt hat.
III.2. Politische und ökonomische Situation heute
Die Armut und die soziale Ungleichheit stellen immer noch die größte Herausforderung in
Ecuador dar. Nach der Konjunkturnalyse von Alberto Acosta23 verringerte sich die Armutsrate
im Zeitraum 2003-2006 von 49,1% auf 37,4% und unter der Regierung von Rafael Correa
sank diese von 36,6% auf 35,8% …“indem die sozialen und Ausgaben deutlich erhöht und
soziale Maßnahmen unternommen wurden, obwohl seine Amtszeit von der stärksten
internationalen Wirtschaftskrise der letzten 70 Jahre geprägt war”…. Die Situation der
indigenen Bevölkerung ist aber weiterhin “Besorgnis erregend”, da die indigene Armut von
2007-2009 von 63,46% auf 68,39% stieg.
Nach dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist Ecuador das zweitärmste Land Lateinamerikas.
Obwohl in 2008 das wirtschaftliche Wachstum 6,5% betrug, gab es in 2009 einen erneuten
Rückgang auf 2%24. Hinzu kommt, dass die ökonomische Ungleichverteilung sehr hoch ist:
10% der reichsten Bevölkerung verfügt über das Dreifache Einkommen vom Einkommen der
Hälfte der ärmsten Bevölkerung und das 70fache vom Einkommen der 10% Ärmsten des
Landes, zu denen die Indigenen mehrheitlich gehören 25. Der Gini-Koeffizienz beträgt 0,49926.
Einen wichtigen Schritt zum Abbau von Armut und Ungleichheit stellt die Verabschiedung der
neuen Verfassung dar, in der die Wirtschaftsordnung des Landes als „sozial und solidarisch“
definiert wird und die Entscheidungen der Regierung, gemäß des Nationalen Plan für “ein
gutes Leben”, gehen auf diese herausfordernde Situation mit Hilfe der Politik Nr. 1.3 ein,
welche zum Ziel hat “die soziale und ökonomische Einbindung interkulturell,
generationenübergreifend und unter Einbeziehung der Geschlechtergleichheit zu fördern, um
die Bedingungen für Gleichheit zu schaffen”27.
Der nachhaltige Abbau der natürlichen Ressourcen, insbesondere von Öl, als eine der
wichtigsten Einnahmequellen für den Staatshaushalt, ist eine große Herausforderung. Der
Notwendigkeit, diese Einnahmequellen für öffentliche Investitionen zu nutzen, stehen die
negativen Auswirkungen auf die Umwelt (Verlust der Biodiversität), die Kultur (Vertreibung
der indigenen Nationalitäten, Verringerung ihrer Territorien sowie Verlust ihrer kulturellen
Werte) und die Gesellschaft (Alkoholabhängigkeit und Prostitution) gegenüber. Als die
Regierung anfing, den Abbau neuer Bodenschätze in anderen Teilen des Landes zu fördern,
begann eine große Diskussion: Die Positionen der indigenen Bewegung und anderer
sozialer Bereiche steht den so genannten “ausbeuterischen” Politiken (políticas
extractivistas) sehr kritisch gegenüber.
23Acosta,
24Cf.:
Alberto Ibid., S. 100-101
http://www.theodora.com/wfbcurrent/ecuador/ecuador_economy.html.
25Cf.:
http://web.worldbank.org/WBSITE/EXTERNAL/COUNTRIES/LACEXT/ECUADOREXTN/0,,contentMDK:2225557
~pagePK:1497618~piPK:217854~theSitePK:325116,00.html.
26Vgl.: http://www.photius.com/rankings/economy/distribution_of_family_income_gini_index_2009_0.html.
27República del Ecuador. Plan Nacional de Desarrollo. Plan Nacional para el Buen Vivir 2009-2013. 2009
9
Die Debate wurde während der Ausarbeitung der neuen Verfassung sehr vital geführt und ist
immer noch aktuell: “Der Präsident der Nationalversammlung, Alberto Acosta, und die
Correa-loyalen Versammlungsteilnehmer sind noch zu keiner Einigung gekommen bezüglich
der ökologischen Grenzen der Erzressourcen, der Deklaration von Wasser als
fundamentales Menschenrecht und der Notwendigkeit, die indigenen Gemeinschaften und
Völker zu informieren (Standpunkt von Correa) und ihre frühzeitige Zustimmung (Standpunkt
von Acosta) einzuholen, wenn der Staat über den Abbau der natürlichen Ressourcen in
indigenen Territorien bestimmt.” 28
Eine staatliche Enteignung auf Grund einer dort beabsichtigten Erdölförderung könnte
beispielsweise für die im Yasuní-Nationalpark lebenden Huorani Wirklichkeit werden.
Präsident Correa hat zwar wegen zahlreicher internationaler Proteste der internationalen
Gemeinschaft im Juni 2007 das Angebot unterbreitet, die dort lagernden Ölreserven im
Boden zu belassen - allerdings unter der Bedingung, dass Ecuador die nicht erwirtschafteten
Einnahmen durch Ausgleichszahlungen kompensiert bekommt29.
In diesem Zusammenhang muss auch das in der Verfassung verankerte Recht der indigenen
Völker und Nationalitäten auf ihre Territorien berücksichtigt werden, das eines der
Hauptaspekte auf der Agenda der indigenen Bewegung ist.
Bezüglich der in den Schutzgebieten gelegenen Territorien indigener Völker zeigt sich ein
weiterer Konflikt: Der Art. 261, Literal 7, der Verfassung besagt, “dass der Zentralstaat
exklusive Befugnisse über die geschützten Naturreservate und die Naturressourcen hat”,
was in Widerspruch zu den Kollektivrechten der indigenen Völker und Nationalitäten steht,
“ihre Gebiete und ihre altüberlieferten Territorien zu behalten und diese Zusprechung ohne
weitere Ausgaben zu erhalten sowie am Gebrauch, am Nutzen, an der Verwaltung und der
Erhaltung der erneuerbaren, natürlichen Ressourcen ihrer Territorien teilzuhaben” (Art. 57,
Literal 5 und 6). Der Staat kann als Besitzer über die Territorien verfügen und die indigenen
Nationalitäten haben das Recht “Die Hüter des Waldes zu sein”, “ihn zu beschützen” und
gleichzeitig ökonomische Vorteile zu erhalten, die als Teil von speziellen Abkommen definiert
sind oder aus der Teilnahme an Programmen erwachsen, in denen sie die Rolle des “Anwalt
des Waldes” einnehmen. Es ist den indigenen Völkern allerdings nicht gestattet, die
Waldreserven zu verwalten und gleichzeitig durch diese Tätigkeit ein ökonomisches
Einkommen zu erwirtschaften.
III.3. Aktuelle Konflikte
Als Rafael Correa als Präsidentschaftskandidat antrat, bot er anfangs der Pachakutik an, mit
ihm als Präsidentschaftskandidaten und einem Vertreter der Pachakutik als Vizepräsident zu
kandidieren, jedoch ohne Erfolg. Deshalb stellte die Bewegung der Pachakutik ihren eigenen
Kandidaten auf und Correa kandidierte für die von ihm gegründete Partei “Landes-Allianz”
(Alianza País – AP). Seine später realisierten Vorschläge, unter anderem eine
Verfassungsgebende Versammlung einzuberufen, das Freihandelsabkommen (Tratado de
Libre Comercio TLC) abzulehnen, das Ende des Übereinkommens über die Bewilligung der
amerikanische Militärbasis in Manta zu fordern, aus dem Neoliberalismus auszusteigen und
die sozialen Ausgaben einer Abzahlung der Auslandsverschulden vorzuziehen,
unterscheiden sich nicht von dem Diskurs, welcher in den letzten Jahrzehnten von der
28Ramírez
Gallegos, Franklin, “Desencuentros, convergencias, polarización (y viceversa) en Revista Nueva
Sociedad No. 227.
29 Cf.: http://www.sosyasuni.org/de/
10
indigenen Bewegung, anderen bürgerlichen Organisationen und einigen Bewegungen der
Linken geführt wurde30.
Bei den Sitzungen der verfassungsgebenden Versammlung präsentierten die indigenen
Organisationen ihre Vorschläge, von denen einige in die neu ausgearbeitete Verfassung
aufgenommen wurden. Die wichtigsten dieser Neuerungen standen im Zusammenhang mit
der Anerkennung des interkulturellen und plurinationalen Staates, dem Sumak Kawsay als
Modell für die neue Entwicklungsplanung, der Verankerung des Menschenrechts auf Wasser,
der Ernährungssouveränität, der indigenen Justiz und den Kollektivrechten. Die neue
Verfassung wurde von der indigenen Bewegung unterstützt und im September 2008 mittels
Referendum verabschiedet.
Nach der Verabschiedung ergriff die Regierung eine Reihe von Maßnahmen, unter anderem
die Erstellung der Rahmenplanung für die nationale Regierung und die autonomen
dezentralen Regierungen, die institutionelle Umstrukturierung der Exekutive, die Steigerung
der Sozialausgaben und die Erhöhung der Steuern. Innerhalb kürzester Zeit wurden in den
Jahren 2009 und 2010 mehrere Gesetzesvorschläge vorgelegt, welche von der
Nationalversammlung je nach Thema und involvierten Akteuren unterschiedlichst behandelt
wurden31.
Bei der Verabschiedung der Gesetze und den Entscheidungen der Exekutive wurden
bedeutende Differenzen zu der Position der indigenen Organisationen deutlich, vor allem bei
dem “ausbeuterischen” Wasserressourcenmanagement. Correa betonte zwar mehrfach,
dass mit den höheren Einnahmen durch die gerechtere Nutzung der nationalen Ressourcen
zahlreiche Sozialprogramme finanziert werden könnten. Es sollte angemerkt werden, dass
ein Großteil der Sozialpolitik und soziale Investitionen in Bildung, Gesundheit und das
Verkehrswesen auf den Ressourcen beruht, die aus dem Ausbau des Bergbaus stammen.
Diese Überlegungen widersprechen allerdings den in der neuen Verfassung festgelegten
eigenständigen Rechten der Natur, was deutlich über das ebenfalls verbriefte Recht der
Bevölkerung auf eine gesunde und ökologisch ausgeglichene Umwelt bzw. das öffentliche
Interesse auf Schutz und Erhalt der Umwelt hinausgeht. Damit besitzt die Natur das Recht,
dass die Existenz, der Erhalt und die vollständige Wiederherstellung ihrer Lebenszyklen,
Struktur, Funktionen und Evolutionsprozesse respektiert werden und dies kann auch durch
jede Person, Gemeinschaft, Volk oder Nationalität eingefordert werden.
Andere ausgehandelte Gesetze betrafen ganz konkret die Indigenen, so z.B. das
Bergbaugesetz, das Gesetz der Zustimmung und das Bildungsgesetz. Die CONAIE
versuchte weiterhin, auf die Gesetzgebung Einfluss zu nehmen über einen Dialog mit der
Regierung Correas. Dieser wurde aber inzwischen des öfteren unterbrochen, da die CONAIE
Ende September 2009 wiederholt zu Demonstrationen aufgerufen hat, um ihre Vorschläge
durchzusetzen. Anfang Oktober 2009 verschärften sich die Konflikte zwischen der Polizei
und den Demonstranten, bei denen u.a. der shuarische Profesor Bosco Wisun ums Leben
kam und mehrere Indigene und Polizeikräfte verletzt wurden. Präsident Correa lud daraufhin
die Vertreter der indigenen Organisationen in den Carondelet Palast ein, um den Dialog
wieder aufzunehmen32. Die Annäherung zwischen den beiden Konfliktparteien blieb aber
weiterhin schwierig, hauptsächlich weil die CONAIE den Entwurf des Wassergesetz (ley de
aguas) als eine klare Privatisierung des Wassersektors ansieht. Aber auch bei anderern
Gesetzesvorhaben gab es Konflikte, die im Rahmen des Dialogs nicht gelöst werden
konnten.
30Ramírez,
Gallegos, Franklin. “Desencuentros, convergencias, polarización (y viceversa). Revista Nueva
Sociedad No. 227.
31Robles-pillco, jaime. Documento informe PROINDIGENA, 2010.
32Cf.: http://www.eluniverso.com/2009/10/05/1/1355/indigenas-dicen-iran-hoy-carondelet.html.
11
Im Februar 2010 bezeichnete die CONAIE schließlich in einer Sondersitzung den Dialog als
gescheitert “aus Gründen des politischen Willens, der die Rechte der Völker und
Nationalitäten nicht beachtet, und auf Grund des fehlenden Resultats des Dialogs”33..
Die ablehnende Haltung der Regierung gegenüber den Forderungen der indigenen
Organisationen war Ursache für die Unterzeichnung des Abkommen “Einheit in der Vielfalt
für die Errichtung eines echten plurnationalen und interkulturellen Staates – Sumak Kawsay”
(Unidad en la diversidad para la construcción del verdadero Estado Plurinacional e
Intercultural – Sumak Kawsay) zwischen den drei wichtigsten indigenen Organisationen des
Landes, CONAIE, FENOCIN und FEINE. Dieses gemeinsame Abkommen macht es Anfang
Mai möglich, gemeinsame Vorschläge bezüglich eines plurinationalen Staates und anderer
gemeinsamer Themen wie z.B. der Ernährungssouveränität, Territorium und Land,
frühzeitige Konsultation, indigener Justiz und interkultureller zweisprachige Erziehung, auf
eine gemeinsame Agenda zu setzen.
Trotz dieser Konflikte stimmte die Exekutive und die Mehrheit der Nationalversammlung der
Verabschiedung einiger, zu indigenen Positionen im Widerspruch stehenden Gesetzen zu.
Unter diesen befinden sich die verfassungsergänzenden Gesetze (leyes organicas) zur
Ernährungssouveränität, zur bürgerlichen Beteiligung, zum Steuerrecht, für den öffentlichen
Dienst, für höhere Bildung, sowie das Bergbaugesetz, das Reformgesetz für das
Kohlenwasserstoffgesetz, das verfassungsergänzende Gesetzbuch für die territoriale
Organisation, die Autonomie und Dezentralisierung COOTAD (Código Orgánico de
Organización Territorial, Autonomía y Descentralización) und das verfassungsergänzende
Gesetzbuch für Planung und das öffentliche Finanzwesen34. Das COOTAD behandelt das
Thema der Indigenen Verwaltungsbezirke (Circunscripciones Territoriales Indígenas –CTIs)
und gibt Vorgehensweise für deren Abgrenzungen vor. Die nationale Regierung nimmt die
Gestaltung der indigenen Verwaltungsbezirke, vor allem im ecuadorianischen
Amazonastiefland, durch das Institut für regionale Ökoentwicklung für die Amazonasregion
(Instituto para el Ecodesarrollo Regional Amazónico) vor.
Nach der Verabschiedung des Bergbaugesetzes legte die CONAIE am 22.04.2009 eine
Klage auf Verfassungswidrigkeit vor, da das Gesetz einige konstitutionelle Normen und
internationale Abkommen verletzen würde. Im April 2010 verkündete der
Verfassungsgerichtshof, dass die Klage zurückgewiesen wird35. Daraufhin ließ die CONAIE
auch von der Diskussion weiterer Unstimmigkeiten beim Wasserressourcengesetz ab und
begann stattdessen die Diskussion um den Gesetzesvorschlag zur Konsultation, wo sich
auch Differenzen zeigten: Die indigene Bewegung stützt ihre Forderungen zum Recht auf
Konsultation auf alle Aktivitäten, die ihre Interessen und belange betreffen (gemäß ILO 169),
während die Regierung die eine Konsultation mit den indigenen Organisationen auf Prozesse
vor der Gesetzgebung beschränken möchte (consulta prelegislativo). . el movimiento
indígena sustenta su planteamiento en los postulados de la OIT, mientras que en el caso
ecuatoriano, se considera la consulta prelegislativa
Bezüglich des Wasserressourcengesetzes ist man nicht zu einer Vereinbarung gekommen
und die Diskussion wurde abgebrochen.
Im Rahmen einer Ende April 2010 stattgefundenen Sitzung des Permanenten Forums für
indigene Angelegenheiten hat die CONAIE außerdem eine Beschwerde gegen den
ecuadorianischen Staat beim UN-Sonderberichterstatter zur Lage der Menschenrechte und
33
Artikel1 der Übereinkünfte und Resolutionen getroffen von CONAIE in der Versammlung von
Ambato, 25. und 26. Februar 2010.
34www.asambleanacional.gob.ec/leyes-asamblea-nacional
35Registro
12
Oficial No. 176. Abril 21 de 2010.
grundlegenden Freiheiten indigener Völker, James Anaya, vorgebracht, die sich
insbesondere auf die Diskriminierung der indigenen Organisationen, den Abbau von
Rohstoffen in indigenen Gebieten und die Verabschiedung von Gesetzen ohne die
Konsultation indigener Vertreter bezieht.
Auch in anderer Hinsicht spitzt sich der Konflikt zwischen der Regierung Correa und den
indigenen Organisationen zu: Die indigenen Repräsentanten haben zum Boykott eines
ALBA-Treffens in der ecuadorianischen Stadt Otavalo aufgerufen, welches gerade dem
Thema der indigenen und afroamerikanischen Völker gewidmet gewesen ist. Die CONAIE
vertritt die Auffassung, dass auf diesem Treffen die indigenen Völker nicht legitim
repräsentiert worden sind. Rafael Correa hat daraufhin die zum Boykott aufrufenden
Personen als Terroristen bezeichnet und ihnen mit einem Gerichtsverfahren gedroht.36
Andererseits ist aber auch zu konstatieren, dass sich Präsident Correa weigert, die CONAIE
als legitime Repräsentantin der indigenen Nationalitäten und Völker anzuerkennen. Es zeigt
sich, dass seine teils offen konfrontative Haltung, CONAIE als eine unter vielen
korporatistischen Akteuren zu behandeln, im Regierungslager keineswegs auf ungeteilte
Zustimmung trifft: Nicht wenige hochrangige Politiker erachten insbesondere die indigene
Bewegung als potenziell bedeutende Alliierte der eigenen politischen Projekte, die dafür
eingebunden, bzw. einbezogen werden müsste.37
III.4. Staatliche Zuständigkeit für indigene Belange
Gemäß der neuen Verfassung, nach der Ecuador ein multiethnischer und plurikultureller
Staat ist, wurde der staatliche Rat für die Entwicklung der Nationalitäten und Völker Ecuadors
(Consejo de Desarrollo de las Nacionalidades y Pueblos del Ecuador, CODENPE)
eingerichtet. Über CODENPE sollen die staatlichen (Entwicklungs-)Programme mit den
sozialen Akteuren abgestimmt und harmonisiert werden. Auf der Grundlage einer
umfassenden Beteiligung der Bevölkerung in Entscheidungsprozessen ist angedacht, die
Demokratisierung des Landes weiter voranzutreiben.
Jedoch hat diese staatliche Institution38 durch die Anwendung des Art. 156 der aktuellen
Verfassung einen Prozess “institutioneller Erneuerung” und die Gründung der Nationalräte
für Gleichheit (Consejoes Nacionales de Igualdad) eingeläutet, welche “die Formulierung,
das Mainstreaming, die Einhaltung, die Verfolgung und Auswertung der öffentlichen Politik zu
den Themen Geschlecht, Ethnien, Generationen, Interkulturalität, Behinderung und
menschliche Mobilität” zur Aufgabe haben. Dieser Prozess der Institutionalisierung wurde
angestoßen durch die Regierung trotz der Proteste der indigenen Bewegung. CODENPE
rechnet daher nicht mehr mit einem Etat für ihre Geschäftsführung, und die
Unterstützungsmaßnahmen für indigene Völker und Nationen werden nun ausgeführt durch
das Sekretäriat der Völker, sozialen Bewegungen und der bürgerlichen Teilnahme SPPC
(Secretaría de Pueblos, Movimientos Sociales y Participación Ciudadana).
36Cf.:http://www.diario-extra.com/ediciones/2010/06/25/provincias/cumbre-del-alba-en-otavalo-reune-a-tres-
presidentes/.
37Cf. Wolff (2010): 21. In: http://library.fes.de/pdf-files/iez/07116.pdf.
38 Siehe: http://www.codenpe.gob.ec/.
13
IV. Rechtliche Rahmenbedingungen
Ecuador ratifizierte im Jahr 1998 die ILO-Konvention 169 (Übereinkommen über
eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern“). Ebenso votierte
Ecuador im September 2007 für die Annahme der UN-Deklaration über die Rechte der
indigenen Völker.
Artikel 1 der neuen Verfassung Ecuadors von 2008 lautet “Ecuador ist ein sozialer,
demokratischer, souveräner, unabhängiger und einheitlicher, interkultureller, plurinationaler
und weltlicher Verfassungs- und Rechtsstaat. Des Weiteren erkennt die Verfassung die
Kollektivrechte indigener Völker und Nationalitäten, das Prinzip des “Sumak Kawsay”
(Prinzip des guten Lebens) als Grundlage für die Entwicklungsplanung des Staates, die
indigenen Territorialbezirke als Regierungsreform, die indigene Justiz und die
Ernährungssouveränität, an”.
Die neue Verfassung legt damit die Grundlage für „ein gerechtes, demokratisches,
produktives, solidarisches und nachhaltiges ökonomisches System, das auf der
gleichmäßigen Verteilung der aus der Entwicklung erzielten Erträge und der
Produktionsmittel basiert” (Artikel 276). Sie erteilt dem Staat die ihm zukommende Aufgabe
im Rahmen einer auf gesellschaftliche Partizipation gestützten Entwicklungsplanung in
Bereichen wie Gesundheit, Erziehung, Wohnraum und Wasserverteilung, die bislang in
privater Hand gewesen sind. Der Staat soll den Finanzsektor kontrollieren und damit in die
Lage versetzt werden, die Konzentration und den Erwerb der Produktionsmittel durch einige
Wenige zu verhindern. Besondere Anstrengungen sollen unternommen werden, um die
Ungerechtigkeiten in Bezug auf die Stellung der Frau zu beseitige.39
V. Indigene Organisationen
Die indigene Bevölkerung lebt überwiegend in Dorfgemeinschaften, die sowohl im Rahmen
des kolonialen Wirtschaftssystems als auch nach Gründung der Republik Ecuador erhalten
blieben. Diese Gemeinschaften bilden auch heute noch die Basis der indigenen Organisationen.
Seit den 80er Jahren vernetzen sich die indigenen Organisationen verstärkt auf kantonaler,
provinzieller und nationaler Ebene. Das breite Netzwerk lokaler Organisationen mit den
regionalen und nationalen Bündnissen trug dazu bei, dass die indigene ecuadorianische
Bewegung als eine der am besten organisierten in Lateinamerika bekannt ist.
In Ecuador gibt es drei nationale indigene Organisationen: Die CONAIE, FEINE und
FENOCIN. Die CONAIE besteht aus drei regionalen Bündnissen indigener Völker und
Nationalitäten: CONAICE (Küstenregion), ECUARUNARI (Andenregion), CONFENIAE
(Amazonasregion) (siehe Tabelle).
Indigene Organisationen nehmen dieselbe Form an, um sich innerhalb des Staates zu
artikulieren, von den Verbänden der Basis bis hin zur Bildung von Partnerschaften auf der
Kantons- und Landesebene. Auf nationaler Ebene entspricht die Konföderation
ECUARUNARI der Anden-Ebene, der CONFENIAE und CONAICE im Amazonas und der
39Cf.:
http://www.asambleanacional.gov.ec/documentos/constitucion_de_bolsillo.pdf; http://www.vspvernetzt.de/soz-0811/0811181.php.
14
Küste. Die Struktur hat eine ähnliche Form angenommen wie die der
Gewerkschaftsbewegung, welche sich neu definiert, indem einige der Organisationen sich
umbenennen, um die Form einer Organisationen für Völker und oder Nationalitäten
anzunehmen. Dies war zum Beispiel bei der Achuar, der Achuar Federation of Ecuador
(FINAE), der Fall, die ihren Namen zu Achuar Nationalität der Ecuador (NAE) änderte,
dasselbe geschieht auch bei den Shiwiar und Kichwa.
Die FEINE und die FENOCIN bestehen aus in drei verschiedenen Landesteilen ansässigen
Organisationen40 und vertreten die Kleinbauern, die Afroecuadorianer und die
Gewerkschaften. Die Federacion Ecuatoriana de Indigenas Evangelicas FEINE ist eine
organisation, die Organisationen der Basis im ganzen Land miteinander verbindet und sich
als Fundament auf die evangelische Weisung beruft.
FENOCIN hingegen ist eine klassenbasierte Konföderation, die Organisationen und ländlich
basierte Gemeinden, wie die Indigenen und Afro-Ecuadorianer der 18 Provinzen
gleichermaßen zusammenbringt. Die FENOCIN hat eine größere Nahe zur tatsächlichen
Regierung und einer ihrer Anführer war sogar Versammlungsteilnehmer der Al Paíz
Bewegung.
CONAIE hat die Rolle des Hinterfragenden in Bezug auf die Entwicklungspolitik der
Regierung angenommen, welchen Gebrauch diese vom Prinzip des Sumak Kawsay macht;
manchmal hat sie es sogar zusammen mit FEINE und FENOCIN Vorschläge erreicht, auch
wenn sie es in den vergangenen Jahren nicht geschafft haben, Vorschläge bezüglich des
das Recht der vorherigen Konsultation und anderer wichtige Gesetze für die indigenen
Völker zu machen.
Indigene Mobilisierungen sind kleiner worden und haben die starke Anziehungskraft, der
Bewegungen der 90er und auch Anfang der 2000er Jahre verloren.
Die indigenen Bewegungen und Organisation haben schon immer verschiedenen Zyklen
durchgemacht aber in den letzten Jahren leiden die Organisationen insbesondere unter der
Einmischung der Regierung, vor allem in den Amazonasgebieten, und der Kooptierung von
Führern.
So haben es Konföderationen wie die CONFENIAE, trotz Verlautbarungen, versäumt zu
mobilisieren und den Entwicklungen bezüglich der effektiven Konsultation der Regierung von
Oktober bis Dezember 2012 entgegenzugehen.
Fragen wie zum Beispiel der Zugang zu staatlicher Unterstützung bei den Gemeinden hat die
Zustimmung der Regierung gefunden; auf der anderen Seite ist aber einer der Faktoren, der
den mobilisierenden Charakter und die Stärke der indigenen Bewegung ausbremst, die
Kriminalisierung der Proteste und des Widerstands. So stehen mehrere indigene Anführer,
sowohl Männer als auch Frauen, durch den Staat vor Gericht und müssen sich dort der
Anklage von Sabotage und Terrorismus stellen, da sie zu Demonstrationen aufgerufen haben
(so z.B. in Fällen von Mobilisierungen gegen den Bergbau und das Wassergesetz)
Organisationen der indigenen Völker und Nationalitäten der CONAIE
Nationalität
Volk
Organisation
Awá
---
Federación de Centros Awá
Epera
---
Organización de la Nacionalidad Epera
Chachi
---
Federación de Centros Chachi del Ecuador
Tsachila
---
Nacionalidad Tsachila
CONAICE
40Cf.:
15
FEINE, www.feine.org.ec, / http://www.fenocin.org/
Nationalität
Volk
Organisation
----
Huankavilka
Federación de comunas del Guayas
---
Manta
Organizadas en Uniones y comunas
Saraguro
Coordinadora
Interprovincial
Indígenas Saraguros
ECUARUNARI
Kichwa
de
Organizaciones
Palta
Kañari
UPCCC
Puruhá
Movimiento Indígena de Chimborazo
Waranka
Fedración Campesina
Riccharimui
Kitukara
Nación Originaria Kitu Kara
Panzaleo
Movimiento Indígena y Campesino de Cotopaxi
Kisapincha
Movimiento Indígena y Campesino de Cotopaxi
Chibuleo
Unión de Organizaciones del Pueblo Chibuleo
de
Bolívar
Runacunapac
Salasaka
Kayambi
FICI
EPP
Otavalo
FICI
Natabuela
Consejo de Alcaldes y Gobernador del Pueblo Indígena
de Natabuela
Karanki
FICI
Pastos
CONFENIAE
Andoa
----
Nacionalidad Andoa de Pastaza del Ecuador
Siona
…
Organización de la Nacionalidad Indígena Siona del
Ecuador - ONISE
Secoya
---
Organización Indígena Secoya del Ecuador
Shiwiar
---
Organización de la Nacionaliad Shiwiar de Pastaza,
Amazonía Ecuatoriana, ONSHIPAE
Achuar
---
Nacionalidad Achuar del Ecuador
Waorani
---
Organización de la Nacionaliad Huaorani
Zápara
---
Organización de la Nacionalidad Zápara del Ecuador
Shuar
-Federación Interprovincial de Centros Shuar
-Nacionalidad Shuar del Ecuador
Cofán
Federación Indígena de los Cofán del Ecuador - FEINCE
Quelle: CODENPE, in www.codenpe.gov.ec, CONAIE, www.conaie.org/nacionaliades-y-pueblos
16
V.1. Einige der indigenen Organisationen Ecuadors
Nationaler Dachverband:
CONAIE
Avenida Los Granados E10-275 y 6 de Diciembre, Quito
Telefon: (+593)-(0)2-452 335
Fax: (+593)-(0)2-444 991
E-Mail: [email protected]
Webseite: www.conaie.org
FEINE
Isla Seymour y Guepi – Parque Jipijapa, en la sede del Club El Nacional,
Casilla: 17-17-1353, Quito
Telefon: (593-2) – 2441 591 / (593-2) – 2273 929
E-Mail: [email protected]
Webseite: http://www.feine.org.ec/esp/
FENOCIN
Versalles N21-326 y Carrión
Aptos. 17-12-00448 / 17-01-1325
Telefon: (593-2) – 2228-192 / 2552-076
E-Mail: [email protected]
Webseite: http://www.fenocin.org
Regionale Dachverbände der CONAIE:
CONFENIAE
Union Base
Casilla 16-01-0807
Puyo; Pastaza
Telefon: (+593)-(0)3-885 134
Oficina coordinadora en Quito:
Avenida 6 de Diciembre 159 Y Pazmino, Oficina 408
Apartado 17-01-4180
Fax: (+593)-(0)2-990 922
E-mail: [email protected]
17
Webseite: http://www.ecuanex.net.ec/confeniae/
ECUARUNARI
Julio Matovelle 128, entre Vargas y Pasaje San Luis Edificio El Conquistador, primer piso;
Quito
Telefon: (+593)-(0)2-2580-700
Telefax: (+593)-(0)2-2580-713
E-Mail 1: [email protected]
E-Mail 2: [email protected]
Webseite: www.ecuarunari.org
CONAICE
Sede de la confederación regional de Esmeraldas
Oficina coordinadora en Quito:
Avenida Los Granados E10 -275 y Avenida 6 de Diciembre.
Telefon: (+593)-(0)2-444991; Extensión 17
E-Mail: [email protected]
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