Länderpapier Indigene Völker in Ecuador © Kristin Weidner 2006 Herausgeber: Koordinationsstelle Indigene Völker in Lateinamerika und der Karibik (KIVLAK/GIZ) Kontakt: [email protected] Focal Point ([email protected]) April 2013 I. Kontext Die im Nordwesten Südamerikas gelegene Präsidialrepublik Ecuador ist nicht nur geographisch, topografisch und klimatisch, sondern ebenso ethnisch eines der vielfältigsten Länder der Welt. Ecuador verdankt seinem Namen der Äquatorlinie, die etwa 15 Kilometer nördlich der Hauptstadt Quito verläuft. Das Land, welches im Norden von Kolum-bien, im Süden und Osten von Peru und im Westen vom Pazifik begrenzt wird, teilt sich in vier unterschiedliche geographische Zonen auf: den westlichen Küstenbereich (Costa), die zentrale Andenregion (Sierra), das östliche Amazonas-Tiefland (Amazonía) und die ca. 1.000 Kilometer vor der Küste gelegenen Galapagos-Inseln. Gemäß des Zensus 2010 zählt das Land rund 14,5 Millionen Einwohner1. Nach offiziellen Angaben des Wohnungs- und Bevölkerungszensus (Censo de Población y Vivienda) von 20132 identifizieren sich 1.018.176 als Indigene, was lediglich 7,0% der Gesamtbevölkerung entspricht. Andere Studien beziffern den indigenen Anteil auf 30-40%. Obwohl die Zahlenangaben variieren, hat die indigene Bevölkerung mit einem relativ hohen Prozentsatz an der Gesamtbevölkerung, ebenso wie auch in Bolivien, Guatemala und Peru, eine große Bedeutung. Dies zeigt sich auch an der ecuadorianischen Indigenenbewegung, die als eine der am meisten ausgebauten Bewegungen Lateinamerikas gilt. Auf Grund der sehr guten Vernetzung ist sie in allen sozialen Schichten vertreten und ihre Forderungen finden Gehör. Dies hat signifikant zu dem politischen Wandel der letzten Zeit beigetragen. Seit der Verabschiedung der neuen Verfassung im September 2008 bezeichnet sich Ecuador als interkultureller und plurinationaler Staat3, der die Gemeinschaften, Völker und Nationalitäten der indigenen und der afro-ecuadorianischen Bevölkerung sowie der Küstenbauern (montubios) anerkennt und ihre kollektiven Rechte und die Natur als Rechtssubjekt respektiert4. Zudem wird das Prinzip Sumak Kawsay (auf kichwa: gutes Leben) als politisches Ziel formuliert, das durch eine neue Entwicklungsplanung umgesetzt werden soll. Sumak Kawsay fordert, “dass die Menschen, Gemeinschaften, Völker und Nationalitäten ihre Rechte effektiv genießen und ihren Verantwortungen im Rahmen der Interkulturalität, des Respekts gegenüber der Vielfalt und des harmonischen Zusammenlebens mit der Natur nachkommen”5. Andere Aspekte der Verfassung stehen in engem Bezug zur indigenen Justiz (Art. 171) und den indigenen territorialen Bezirken CTI (Circunscripciones Territoriales Indígenas) (Art. 257). Die Ausarbeitung einer neuen Verfassung durch die verfassungsgebende Versammlung war Bestandteil der indigenen Forderungen, welche insbesondere durch den Dachverband der indigenen Nationalitäten Ecuadors CONAIE (Confederación de Nacionalidades Indígenas del Ecuador) vertreten wurde6. Nach Verabschiedung der neuen Verfassung veranlasste die Regierung unter Präsident Rafael Correa eine Reihe von politischen Maßnahmen, um den darin enthaltenen Forderungen, wie z.B. der institutionellen Umstrukturierung oder der Aufstockung des Haushalts für den sozialen Bereich, nachzukommen. Außerdem wurden der Nationalversammlung mehrere Gesetzesentwürfe vorgelegt, bei deren Diskussion die Indigenen Organisationen aus Ecuador (CONAIE, FEINE, FENOCIN) ihre Vorschläge einbringen und auf Ebene der Exekutive signifikante Veränderungen herbeiführen konnten. In anderen Fällen waren keine oder nur geringe Übereinkünfte möglich, wie z.B. beim mittlerweile verabschiedeten Bergbaugesetz oder beim Wasserressourcengesetz, welches wegen starker Meinungsverschiedenheiten auf Eis gelegt wurde und nationale Proteste der Indigenen Bevölkerung hervorrief. Die indigene Bevölkerung kritisierte, dass die Regierung die verfassungsrechtlichen Prinzipien und die Kollektivrechte indigener Völker nicht beachte. 1INEC, www.inec.gob.ec/preliminares La población indígena en Ecuador. 2006. 3Constitución de la República del Ecuador, Registro Oficial No. 449, Octubre 20 de 2008. Artículo 1 4Ibid. Artículos 56-57. 5Constitución de la República del Ecuador, Registro Oficial No. 449, Octubre 20 de 2008. Artículo 275 6Para una breve definición sobre pueblo y/o nacionalidad indígena, véase: Rathgeber (2009: 2). 2INEC, 2 Andere Gesetze, die von den indigenen Bewegungen und Organisationen in Ecuador für signifikant erachtet werden, erhielten von der Gesetzgebung ebenfalls keine effektive Behandlung; hierzu zählen unter anderem die Gesetze bezüglich der Ernährungssouveränität und des Gesetz um Land und Territorien. Andererseits wurden die Prozesse der Partizipation und Inklusion der indigenen Völker und Nationalitäten, welche in der im Gesetz der vorherigen einvernehmlichen Absprache festgeschrieben sind, nicht eingerichtet. Die Exekutive verordnete mittels eines Dekrets die Regulierung der Konsultation, was sich nicht mit den internationalen Standards in Bezug auf die Rechte bei vorherigen Anhörung vereinbaren lässt (ILO 169 der UN-Erklärung). Vergleicht man die Ansätze der Nationalregierung und tatsächliche ihre Politik ergeben sich große Unterschiede; die Indigenenbewegung kritisiert, dass die Regierung die in der Verfassung postulieren Grundsätze und die Kollektivrechte der indigenen Völker und Nationalitäten, insbesondere wenn es um die Erweiterung der Grenze der Ölförderung im Südosten von Amazonien, den Großbergbau in verschieden Teilen des Landes, sowohl im Amazonas als auch in den Anden, und die Umsetzung von mehr als hundert WasserkraftProjekten geht, nicht respektiert. II. Indigene Völker in Ecuador Die indigene Bevölkerung wurde von den vergangenen Regierungen Ecuadors als Minderheit betrachtet, weshalb die indigene Bewegung lange Zeit um ihr Recht auf Land, Wasser, Bildung sowie ihre Kollektiv- und Identitätsrechte kämpfen musste. Heute treten die Indigenen als politische, soziale, kulturelle und ökonomische Akteure auf und werden anerkannt. Dieb indigene Bevölkerung Ecuadors setzt sich aus mehreren Völkern und Nationalitäten zusammen, die im Folgenden aufgelistet sind: Indigene Nationalitäten und Völker in Ecuador Nationalität Volk Einwohner KÜSTE Awá --- 3.082 Epera --- 300 Chachi --- 9.000 Tsachila --- 2.640 --- Huancavilca 100.000 --- Manta 168.724 ANDENREGION Kichwa 3 Saraguro 60.000 Kañari 150.000 Puruhá 120.000 Waranka --- Kitu Kara 100.000 Salasaka 12.000 Panzaleo 58.738 Kisapincha 12.400 Nationalität Volk Einwohner Chibuleo 12.000 Kayambi 147.000 Otavalo --- Natabuela 14.109 Karanki 15.000 Tomabelas s/d Waranka s/d --- Pastos s/d --- Palta 24.703 AMAZONAS-TIEFLAND Andoa --- 800 Siona --- 360 Secoya 380 Shiwiar --- 697 Achuar --- 5.440 Waorani --- 3.000 Zápara --- 1.300 Shuar --- 110.000 Kichwa de la Amazonía - Napo-Kichwa 80.000 - Kanelo-Kichwa (Pastaza) Cofán --- 800 Quelle: CODENPE ( www.codenpe.gov.ec) Von der Anzahl her ist das Volk der in der Andenregion beheimateten Kichwa, am stärksten vertreten. Die Nationalitäten der Amazonasregion zählen weniger Menschen, weisen aber eine große kulturelle Vielfalt auf. Die in der Küstenregion lebenden indigenen Nationalitäten befinden sich in einem Prozess der Umstrukturierung und der Festigung ihrer Identität. Des Weiteren sind die Ethnien der Tagaeri und der Taromenani zu nennen. Sie haben einen international anerkannten Rechtsanspruch auf Isolation und siedeln in dem im äußersten Nordosten des Landes gelegenen Nationalpark Yasuní, der im Rahmen der ITT-Initiative7 der ecuadorianischen Regierung, im Mittelpunkt der internationalen Aufmerksamkeit steht. Ein großer Prozentsatz der Gesamtbevölkerung gehört den Indigenen Völkern in den folgenden Provinzen an: Chimborazo 17,1%, Pichincha 13,5%, Imbabura 10,1%, Cotopaxi 8,8 y Tungurahua 6,1%. Die afro-ecuadorianische Bevölkerung hat gemäß dem Zensus 2010 einen Anteil von 7,2% an der ecuadorianischen Gesamtbevölkerung. ITT bezeichnet die noch nicht ausgebeuteten Ölstandorte ‘Ishpingo-Tambococha-Tiputini’. Cf.: http://www.utekoczy.de/cms/ecuadoritt/rubrik/14/14303.lasst_das_oel_im_boden_die_ittinitiative.html. La iniciativa Yasuní ITT pretende mantener grades reservas de crudo bajo tierra (sin explotar). 7 4 II.1. Indigene Sprachen Die Amtssprache in Ecuador ist Spanisch, daneben sind Kichwa und Shuar als offizielle Sprachen, sowie der alltägliche Gebrauch anderer überlieferten Sprachen in den indigenen Gebieten anerkannt8. Gemäß Entwicklungsrat der Nationalitäten und Völker Ecuadors CODENPE (Consejo de Desarrollo de las Nacionalidades y Pueblos del Ecuador) lassen sich folgende Sprachen zu den indigenen Völkern zuordnen: Sprachen der indigenen Nationalitäten und Völker in Ecuador Nationalität Volk Sprache KÜSTE Awá --- Awapít Epera --- Siapede Chachi --- Cha palaa Tsachila --- Tsa´fiqui --- Huancavilca Spanisch --- Manta Spanisch Kichwa Saraguro, Kañari, Purua, Waranka, Kitu Kara, Salasaka, Panzaleo, Kisapincha, Chivuelo, Kayambi, Otavalo, Natabuela, Karank, Tomabelas, Waranka. Kichwa --- Pastos Spanisch --- Palta Spanisch Andoa --- Andoa Siona --- Paicoca ANDENREGIO N AMAZONASTIEFLAND Secoya Shiwiar --- Shiwiar Chicham, Kichwa Achuar --- Achuar chicham Waorani --- Wao terero Zápara --- Záparo Shuar --- Shuar -Napo-Kichwa Kichwa Kichwa de Amazonía 8Ibid. Artículo 5 Paicoca 2 la -Kanelo-Kichwa (Pastaza) Nationalität Cofán Volk --- Sprache A´ingae Quelle: CODENPE en: www.codenpe.gov.ec II.2. Sozio-kulturelle Indikatoren und Situation der indigenen Völker Laut dem Human Development Index 2007/2008 gehört Ecuador hinsichtlich der Lebenserwartung, Bildung und Lebensstandard zu den Schlusslichtern Südamerikas. Obwohl die Alphabetisierungsrate nach offiziellen den Angaben im Zensus von 2010 93,2% beträgt, besucht nur die Hälfte der Bevölkerung eine Sekundarschule. Benachteiligt ist insbesondere die indigene Bevölkerung. Indigene besuchen im Durchschnitt nur zwei Jahre lang eine Schule und gehören zu der Bevölkerungsgruppe mit der höchsten Analphabetenquote von 20,4%. Die am stärksten von Analphabetismus betroffene Gruppe sind indigene Mädchen bei denen die Analphabetenrate auf 26,7% steigt9. Das ecuadorianische Gesundheitssystem ist insbesondere in den ländlichen Regionen stark unterentwickelt. Obwohl laut Verfassung zumindest die Basisgesundheitsleistungen kostenlos sind, verfügen 30% der Bevölkerung über keinen Zugang zu medizinischer Versorgung. Davon wiederum sind 70,6% Angehörige indigener Völker. Auch haben 43,2% aller Indigenen keinen ausreichenden Zugang zu Trinkwasser10. Die Kindersterblichkeit bei indigenen Kindern beträgt 67,6, bei Nicht-Indigenen Kindern 29,9 pro tausend Geburten11. Ein großes soziales Problem stellt die Kinderarbeit dar: So müssen fast 40 % aller Kinder für das eigene Überleben und dem ihrer Familien einer Tätigkeit nachgehen.12 Angesichts dieser Situation hat die Regierung unter Rafael Correa die Investitionen im sozialen Bereich signifikant erhöht: In 2009 wurden 8,4% des PIBs (im Vergleich zum Jahre 2000 nur 2,92%13) in die Verbesserung der Qualität und des Zugangs zu den sozialen Dienstleistungen für die ärmere Bevölkerung investiert. 9 Vgl.: http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Ecuador/Kultur-UndBildungspolitik.html. ebd. 11 Vgl.: Centro Latinoamericano y Caribeño de Población (CELADE)-División de Población de la CEPAL: Sistema de Indicadores Sociodemográficos de Poblacion y Pueblos Indígenas, 2002-2010. Siehe: http://www.eclac.cl/cgibin/getProd.asp?xml=/celade/noticias/paginas/0/36160/P36160.xml&xsl=/celade/tpl/p18f.xsl&base=/celade/tpl/top -bottom_ind.xslt. 12 Vgl.: http://reset.to/knowledge/ecuador-%E2%80%93-ein-%C3%BCberblick. 13Alberto Acosta, Análisis de coyuntura, Quito, 2010 10 6 III. Politische und soziale Rahmenbedingungen III.1. Geschichte Ecuador ist seit der spanischen Kolonialherrschaft, die von 1532 bis 1822 andauerte, durch die Konfrontation zwischen der europäischen und der indigenen Kultur gekennzeichnet. In diesem Zusammenhang entwickelte sich ein umfassender Rassismus der weißen und kreolischen Oberschicht14 gegenüber der indigenen Bevölkerung15. Die indigene Bewegung Ecuadors hat ihren Ursprung in den 1920er Jahren. In dieser Zeit gab es erste, von weiß-mestizischen Intellektuellen initiierte Bestrebungen, die Lebensbedingungen von Hacienda-Arbeitern und Indigenen zu verbessern. 1944 wurde die ecuadorianische Indio-Förderation gegründet FEI (Federación Ecuatoriana de Indios) mit dem Ziel, für ihre Gebiete und ihr Recht auf Bildung in den indigenen Zonen im Norden der Pichincha zu kämpfen. Daraufhin folgte in den 60er Jahren die Bildung von lokalen Organisationen, welche ihre Interessen im Rahmen der damaligen Agrarreformprozesse vertraten. Dabei ist vor allem die Nationale Förderation der Bauern FENOC (Federación Nacional de Organizaciones Campesinas) mit einem Großteil indigener Mitglieder zu nennen, aus welcher sich dann die Nationale Förderation der Bauern und der afro-amerikanischer Bevölkerung FENOCIN (Federación Nacional de Organizaciones Campesinas y Negras) entwickelte. Des Weiteren gründeteten 1964 die Shuar im Amazonasbecken den Verband der Shuar-Zentren (Asociación de los Centros Shuar). Dieser Verband integrierte alle auf lokaler Ebene existierenden Gruppierungen.16 Die Federation Interprovencial de Centros Shuar del Ecuador (FICSH) war die erste Organisation im ecuadorianischen Amazonasgebiet. Im Juni 1972 gründete sich die Ecuador Runacunapac Richarimui (ECUARUNARI), die die Völker der Kichwa der andinischen Andenregion repräsentierte. Ihr Einfluss führte 1973 zu einer zweiten Agrarreform in der Andenregion, die allerdings nicht die erhoffte Wirkung erzielte. Parallel zu den genannten Agrarreformen wurde ein umfassender Ausbau des ländlichen Schulwesens seitens des ecuadorianischen Staates mit dem Ziel vorangetrieben, die indigenen Bevölkerungsgruppen zu „integrieren“ - und damit kulturell zu assimilieren. Dem gegenüber verfolgten die indigenen Organisationen das Ziel, durch die Bewahrung der (eigenen) indigenen Identität auch ein Umdenken in der ecuadorianischen Gesellschaft zu erreichen17. Der Rat der evangelischen indigenen Völker und Organisationen FEINE (El Consejo de Pueblos y Organizaciones Indígenas Evangélicas del Ecuador) organisierte sich 1980 „als Folge der Diskriminierung evangelischer, indigener Völker; FEINE setzt sich für die Religionsfreiheit und für die fundamentalen Menschenrechte zur Ablehnung der Ausgrenzung und der Ausbeutung der indigenen Völker ein“18. 1986 gründete sich der Dachverband der indigenen Nationalitäten Ecuadors CONAIE (Confederación de Nacionalidades Indígenas del Ecuador), welcher zu einer geringen Verbesserung der sozialen Position der indigenen Bevölkerung beitrug. Die CONAIE erreichte durch ihren beharrlichen Kampf die Anerkennung der indigenen Kollektivrechte. Zu ihren zahlreichen Aktionen gehörten außer Protesten und Streiks auch die Aufstellung der 14Se denomina ‘criollos’ a los descendientes de padres españoles, nacidos en una colonia. http://liportal.inwent.org/ecuador/geschichte-staat.html. 16Cf.: http://de.wikipedia.org/wiki/ECUARUNARI. 17Cf.: http://www.lateinamerika-studien.at/content/lehrgang/lg_jaeger/pdf/putscher_ecuador.pdf. 18Cf.: http://www.feine.org.ec/esp/ 15Cf.: 7 eigenen Partei PACHAKUTIK (Movimiento de Unidad Pluricultural Pachakutik; Kichwa: Zeit des Umschwungs). Auf diese Weise wurde die CONAIE zu einem wichtigen politischen Akteur19. Während des Organisationsprozess blieb die Verbindung zwischen der CONAIE und der zur regionalen und nationalen Ebene bestehen. 1986 gründeten sich der Dachverband der indigenen Amazonasvölker Ecuadors CONFENIAE (Confederación de Nacionalidades Indígenas de la Amazonía Ecuatoriana) und der Dachverband der indigenen Küstenvölker Ecuadors CONAICE (Confederación de Nacionalidades Indígenas de la Costa Ecuatoriana). Dies unterstützte die institutionelle Basis der CONAIE20. Seit dem Aufstand im Jahr 1990, bei dem die indigene Bewegung das Recht auf Territorium sowie das Recht auf zweisprachige Bildung forderten, verstärkte sich der Bekanntheitsgrad der CONAIE enorm und sie initiierte weitere zahlreiche nationale Aufstände. Damit konnte sie ihre Forderungen wie z.B. letztendlich die Territorialrechte, den Schutz ihrer gemeinsamen Ländereien, die politische Teilhabe und schließlich die Inkraftsetzung einer neuen Verfassung für die Implementierung von politischen Einrichtungen zu Gunsten indigener Völker und Nationalitäten durchsetzen. Zu diesen Einrichtungen gehören u.a. die Nationale Leitung für interkulturelle, zweisprachige Erziehung DINEIB (Dirección Nacional de Educación Intercultural Bilingüe), die Nationale Leitung für interkulturelle Gesundheit (Dirección Nacional de Salud Intercultural), der Entwicklungsrat für Nationalitäten und Völker in Ecuador CODENPE (Consejo de Desarrollo de las Nacionalidades y Pueblos del Ecuador) und die Stiftung für die Entwicklung der indigenen Nationalitäten und Völker in Ecuador FODEPI (Fondo de Desarrollo de las Nacionalidades y Pueblos Indígenas del Ecuador). Während des politischen Kampfes haben die indigenen Organisationen ihre Bewegung strukturiert und folglich konnten ihre Parteien an Wahlkämpfen auf lokaler und nationaler Ebene teilnehmen. Hierbei ist vor allem die plurinationale, mit der CONAIE verbundene, Partei Pachakituk-NP (Movimiento Plurinacional Pachakutik) zu nennen, sowie die Partei “Unabhängige Bewegung Amauta Jatari” (Movimiento Independiente Amauta Jatari), die mit der FEINE in Beziehung steht. Seit der Entstehung dieser Parteien konnten die politischen Bewegungen einige Ämter besetzen, so z.B. sind Indigene mittlerweile als Abgeordnete, Prefäkte, Bürgermeister und Ausschußmitglieder der ländlichen Gemeinden vertreten. Während der politischen Krisenjahre zwischen 1997 und 2006, bei denen das Land den Sturz von drei demokratisch gewählten Regierungen erlebte, brachten sich die indigenen Organisationen sowohl inner- als auch außerparlamentarisch in die politische Debatte ein. Ergebnis dieses Prozesses war, dass nach dem politischen Putsch der Regierung Mahuad im Jahr 2001, Luís Maldonado zum Minister für soziale Wohlfahrt berufen wurde. Er war der erste Angehörige eines indigenen Volkes, der ein nicht ausschließlich für Angelegenheiten der indigenen Bevölkerung zuständiges Ministerium leitete21. Zu Beginn der Regierungszeit von Lucio Gutiérrez (im Jahr 2002) war der Dachverband CONAIE durch seinen politischen Arm Pachakutik ebenso mit zwei Ministern im Kabinett vertreten. Nachdem jedoch der wirtschaftspolitische Regierungskurs eine gegensätzliche Richtung zum Grundsatzprogramm der indigenen Organisationen einschlug, ging Pachakutik in die Opposition. Dies wiederum war ein wesentlicher Aspekt beim Sturz von Gutiérrez im Jahr 200522. Zu den im Jahr 2006 anstehenden Präsidentschaftswahlen nominierte Pachakutik mit Luís Macas erstmals einen eigenen Präsidentschaftskandidaten. Der bei diesen Wahlen hervorgegangene Sieger, Rafael Correa vom Parteienbündnis Alianza País, berief eine 19Cf.: http://www.conaie.org/home. http://www.conaie.org/home. 21Vgl.: http://de.wikipedia.org/wiki/Indigenenbewegung_in_Ecuador. 22Vgl.: http://www1.uni-hamburg.de/IIK/brennpkt/jg2003/bpk0309.pdf. 20Cf.: 8 verfassungsgebende Versammlung, ein, um gemeinsam mit den VolksvertreterInnen eine neue Verfassung auszuarbeiten, was eine der Forderungen der CONAIE seit ihren Anfängen war. Es muss hier angemerkt werden, dass die Forderung nach einem neuen Verfassungsprozess von den indigenen Bewegungen stellt wurde, allerdings nicht bereits seit den Anfängen als Bewegung, sondern vor dem Regierungswechsel im Jahr 2007 als die indigene Bewegung zusammen mit anderen linken Gruppierungen verstärkt Rafael Correa und die Bewegung Alianza Paíz unterstützt hat. III.2. Politische und ökonomische Situation heute Die Armut und die soziale Ungleichheit stellen immer noch die größte Herausforderung in Ecuador dar. Nach der Konjunkturnalyse von Alberto Acosta23 verringerte sich die Armutsrate im Zeitraum 2003-2006 von 49,1% auf 37,4% und unter der Regierung von Rafael Correa sank diese von 36,6% auf 35,8% …“indem die sozialen und Ausgaben deutlich erhöht und soziale Maßnahmen unternommen wurden, obwohl seine Amtszeit von der stärksten internationalen Wirtschaftskrise der letzten 70 Jahre geprägt war”…. Die Situation der indigenen Bevölkerung ist aber weiterhin “Besorgnis erregend”, da die indigene Armut von 2007-2009 von 63,46% auf 68,39% stieg. Nach dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist Ecuador das zweitärmste Land Lateinamerikas. Obwohl in 2008 das wirtschaftliche Wachstum 6,5% betrug, gab es in 2009 einen erneuten Rückgang auf 2%24. Hinzu kommt, dass die ökonomische Ungleichverteilung sehr hoch ist: 10% der reichsten Bevölkerung verfügt über das Dreifache Einkommen vom Einkommen der Hälfte der ärmsten Bevölkerung und das 70fache vom Einkommen der 10% Ärmsten des Landes, zu denen die Indigenen mehrheitlich gehören 25. Der Gini-Koeffizienz beträgt 0,49926. Einen wichtigen Schritt zum Abbau von Armut und Ungleichheit stellt die Verabschiedung der neuen Verfassung dar, in der die Wirtschaftsordnung des Landes als „sozial und solidarisch“ definiert wird und die Entscheidungen der Regierung, gemäß des Nationalen Plan für “ein gutes Leben”, gehen auf diese herausfordernde Situation mit Hilfe der Politik Nr. 1.3 ein, welche zum Ziel hat “die soziale und ökonomische Einbindung interkulturell, generationenübergreifend und unter Einbeziehung der Geschlechtergleichheit zu fördern, um die Bedingungen für Gleichheit zu schaffen”27. Der nachhaltige Abbau der natürlichen Ressourcen, insbesondere von Öl, als eine der wichtigsten Einnahmequellen für den Staatshaushalt, ist eine große Herausforderung. Der Notwendigkeit, diese Einnahmequellen für öffentliche Investitionen zu nutzen, stehen die negativen Auswirkungen auf die Umwelt (Verlust der Biodiversität), die Kultur (Vertreibung der indigenen Nationalitäten, Verringerung ihrer Territorien sowie Verlust ihrer kulturellen Werte) und die Gesellschaft (Alkoholabhängigkeit und Prostitution) gegenüber. Als die Regierung anfing, den Abbau neuer Bodenschätze in anderen Teilen des Landes zu fördern, begann eine große Diskussion: Die Positionen der indigenen Bewegung und anderer sozialer Bereiche steht den so genannten “ausbeuterischen” Politiken (políticas extractivistas) sehr kritisch gegenüber. 23Acosta, 24Cf.: Alberto Ibid., S. 100-101 http://www.theodora.com/wfbcurrent/ecuador/ecuador_economy.html. 25Cf.: http://web.worldbank.org/WBSITE/EXTERNAL/COUNTRIES/LACEXT/ECUADOREXTN/0,,contentMDK:2225557 ~pagePK:1497618~piPK:217854~theSitePK:325116,00.html. 26Vgl.: http://www.photius.com/rankings/economy/distribution_of_family_income_gini_index_2009_0.html. 27República del Ecuador. Plan Nacional de Desarrollo. Plan Nacional para el Buen Vivir 2009-2013. 2009 9 Die Debate wurde während der Ausarbeitung der neuen Verfassung sehr vital geführt und ist immer noch aktuell: “Der Präsident der Nationalversammlung, Alberto Acosta, und die Correa-loyalen Versammlungsteilnehmer sind noch zu keiner Einigung gekommen bezüglich der ökologischen Grenzen der Erzressourcen, der Deklaration von Wasser als fundamentales Menschenrecht und der Notwendigkeit, die indigenen Gemeinschaften und Völker zu informieren (Standpunkt von Correa) und ihre frühzeitige Zustimmung (Standpunkt von Acosta) einzuholen, wenn der Staat über den Abbau der natürlichen Ressourcen in indigenen Territorien bestimmt.” 28 Eine staatliche Enteignung auf Grund einer dort beabsichtigten Erdölförderung könnte beispielsweise für die im Yasuní-Nationalpark lebenden Huorani Wirklichkeit werden. Präsident Correa hat zwar wegen zahlreicher internationaler Proteste der internationalen Gemeinschaft im Juni 2007 das Angebot unterbreitet, die dort lagernden Ölreserven im Boden zu belassen - allerdings unter der Bedingung, dass Ecuador die nicht erwirtschafteten Einnahmen durch Ausgleichszahlungen kompensiert bekommt29. In diesem Zusammenhang muss auch das in der Verfassung verankerte Recht der indigenen Völker und Nationalitäten auf ihre Territorien berücksichtigt werden, das eines der Hauptaspekte auf der Agenda der indigenen Bewegung ist. Bezüglich der in den Schutzgebieten gelegenen Territorien indigener Völker zeigt sich ein weiterer Konflikt: Der Art. 261, Literal 7, der Verfassung besagt, “dass der Zentralstaat exklusive Befugnisse über die geschützten Naturreservate und die Naturressourcen hat”, was in Widerspruch zu den Kollektivrechten der indigenen Völker und Nationalitäten steht, “ihre Gebiete und ihre altüberlieferten Territorien zu behalten und diese Zusprechung ohne weitere Ausgaben zu erhalten sowie am Gebrauch, am Nutzen, an der Verwaltung und der Erhaltung der erneuerbaren, natürlichen Ressourcen ihrer Territorien teilzuhaben” (Art. 57, Literal 5 und 6). Der Staat kann als Besitzer über die Territorien verfügen und die indigenen Nationalitäten haben das Recht “Die Hüter des Waldes zu sein”, “ihn zu beschützen” und gleichzeitig ökonomische Vorteile zu erhalten, die als Teil von speziellen Abkommen definiert sind oder aus der Teilnahme an Programmen erwachsen, in denen sie die Rolle des “Anwalt des Waldes” einnehmen. Es ist den indigenen Völkern allerdings nicht gestattet, die Waldreserven zu verwalten und gleichzeitig durch diese Tätigkeit ein ökonomisches Einkommen zu erwirtschaften. III.3. Aktuelle Konflikte Als Rafael Correa als Präsidentschaftskandidat antrat, bot er anfangs der Pachakutik an, mit ihm als Präsidentschaftskandidaten und einem Vertreter der Pachakutik als Vizepräsident zu kandidieren, jedoch ohne Erfolg. Deshalb stellte die Bewegung der Pachakutik ihren eigenen Kandidaten auf und Correa kandidierte für die von ihm gegründete Partei “Landes-Allianz” (Alianza País – AP). Seine später realisierten Vorschläge, unter anderem eine Verfassungsgebende Versammlung einzuberufen, das Freihandelsabkommen (Tratado de Libre Comercio TLC) abzulehnen, das Ende des Übereinkommens über die Bewilligung der amerikanische Militärbasis in Manta zu fordern, aus dem Neoliberalismus auszusteigen und die sozialen Ausgaben einer Abzahlung der Auslandsverschulden vorzuziehen, unterscheiden sich nicht von dem Diskurs, welcher in den letzten Jahrzehnten von der 28Ramírez Gallegos, Franklin, “Desencuentros, convergencias, polarización (y viceversa) en Revista Nueva Sociedad No. 227. 29 Cf.: http://www.sosyasuni.org/de/ 10 indigenen Bewegung, anderen bürgerlichen Organisationen und einigen Bewegungen der Linken geführt wurde30. Bei den Sitzungen der verfassungsgebenden Versammlung präsentierten die indigenen Organisationen ihre Vorschläge, von denen einige in die neu ausgearbeitete Verfassung aufgenommen wurden. Die wichtigsten dieser Neuerungen standen im Zusammenhang mit der Anerkennung des interkulturellen und plurinationalen Staates, dem Sumak Kawsay als Modell für die neue Entwicklungsplanung, der Verankerung des Menschenrechts auf Wasser, der Ernährungssouveränität, der indigenen Justiz und den Kollektivrechten. Die neue Verfassung wurde von der indigenen Bewegung unterstützt und im September 2008 mittels Referendum verabschiedet. Nach der Verabschiedung ergriff die Regierung eine Reihe von Maßnahmen, unter anderem die Erstellung der Rahmenplanung für die nationale Regierung und die autonomen dezentralen Regierungen, die institutionelle Umstrukturierung der Exekutive, die Steigerung der Sozialausgaben und die Erhöhung der Steuern. Innerhalb kürzester Zeit wurden in den Jahren 2009 und 2010 mehrere Gesetzesvorschläge vorgelegt, welche von der Nationalversammlung je nach Thema und involvierten Akteuren unterschiedlichst behandelt wurden31. Bei der Verabschiedung der Gesetze und den Entscheidungen der Exekutive wurden bedeutende Differenzen zu der Position der indigenen Organisationen deutlich, vor allem bei dem “ausbeuterischen” Wasserressourcenmanagement. Correa betonte zwar mehrfach, dass mit den höheren Einnahmen durch die gerechtere Nutzung der nationalen Ressourcen zahlreiche Sozialprogramme finanziert werden könnten. Es sollte angemerkt werden, dass ein Großteil der Sozialpolitik und soziale Investitionen in Bildung, Gesundheit und das Verkehrswesen auf den Ressourcen beruht, die aus dem Ausbau des Bergbaus stammen. Diese Überlegungen widersprechen allerdings den in der neuen Verfassung festgelegten eigenständigen Rechten der Natur, was deutlich über das ebenfalls verbriefte Recht der Bevölkerung auf eine gesunde und ökologisch ausgeglichene Umwelt bzw. das öffentliche Interesse auf Schutz und Erhalt der Umwelt hinausgeht. Damit besitzt die Natur das Recht, dass die Existenz, der Erhalt und die vollständige Wiederherstellung ihrer Lebenszyklen, Struktur, Funktionen und Evolutionsprozesse respektiert werden und dies kann auch durch jede Person, Gemeinschaft, Volk oder Nationalität eingefordert werden. Andere ausgehandelte Gesetze betrafen ganz konkret die Indigenen, so z.B. das Bergbaugesetz, das Gesetz der Zustimmung und das Bildungsgesetz. Die CONAIE versuchte weiterhin, auf die Gesetzgebung Einfluss zu nehmen über einen Dialog mit der Regierung Correas. Dieser wurde aber inzwischen des öfteren unterbrochen, da die CONAIE Ende September 2009 wiederholt zu Demonstrationen aufgerufen hat, um ihre Vorschläge durchzusetzen. Anfang Oktober 2009 verschärften sich die Konflikte zwischen der Polizei und den Demonstranten, bei denen u.a. der shuarische Profesor Bosco Wisun ums Leben kam und mehrere Indigene und Polizeikräfte verletzt wurden. Präsident Correa lud daraufhin die Vertreter der indigenen Organisationen in den Carondelet Palast ein, um den Dialog wieder aufzunehmen32. Die Annäherung zwischen den beiden Konfliktparteien blieb aber weiterhin schwierig, hauptsächlich weil die CONAIE den Entwurf des Wassergesetz (ley de aguas) als eine klare Privatisierung des Wassersektors ansieht. Aber auch bei anderern Gesetzesvorhaben gab es Konflikte, die im Rahmen des Dialogs nicht gelöst werden konnten. 30Ramírez, Gallegos, Franklin. “Desencuentros, convergencias, polarización (y viceversa). Revista Nueva Sociedad No. 227. 31Robles-pillco, jaime. Documento informe PROINDIGENA, 2010. 32Cf.: http://www.eluniverso.com/2009/10/05/1/1355/indigenas-dicen-iran-hoy-carondelet.html. 11 Im Februar 2010 bezeichnete die CONAIE schließlich in einer Sondersitzung den Dialog als gescheitert “aus Gründen des politischen Willens, der die Rechte der Völker und Nationalitäten nicht beachtet, und auf Grund des fehlenden Resultats des Dialogs”33.. Die ablehnende Haltung der Regierung gegenüber den Forderungen der indigenen Organisationen war Ursache für die Unterzeichnung des Abkommen “Einheit in der Vielfalt für die Errichtung eines echten plurnationalen und interkulturellen Staates – Sumak Kawsay” (Unidad en la diversidad para la construcción del verdadero Estado Plurinacional e Intercultural – Sumak Kawsay) zwischen den drei wichtigsten indigenen Organisationen des Landes, CONAIE, FENOCIN und FEINE. Dieses gemeinsame Abkommen macht es Anfang Mai möglich, gemeinsame Vorschläge bezüglich eines plurinationalen Staates und anderer gemeinsamer Themen wie z.B. der Ernährungssouveränität, Territorium und Land, frühzeitige Konsultation, indigener Justiz und interkultureller zweisprachige Erziehung, auf eine gemeinsame Agenda zu setzen. Trotz dieser Konflikte stimmte die Exekutive und die Mehrheit der Nationalversammlung der Verabschiedung einiger, zu indigenen Positionen im Widerspruch stehenden Gesetzen zu. Unter diesen befinden sich die verfassungsergänzenden Gesetze (leyes organicas) zur Ernährungssouveränität, zur bürgerlichen Beteiligung, zum Steuerrecht, für den öffentlichen Dienst, für höhere Bildung, sowie das Bergbaugesetz, das Reformgesetz für das Kohlenwasserstoffgesetz, das verfassungsergänzende Gesetzbuch für die territoriale Organisation, die Autonomie und Dezentralisierung COOTAD (Código Orgánico de Organización Territorial, Autonomía y Descentralización) und das verfassungsergänzende Gesetzbuch für Planung und das öffentliche Finanzwesen34. Das COOTAD behandelt das Thema der Indigenen Verwaltungsbezirke (Circunscripciones Territoriales Indígenas –CTIs) und gibt Vorgehensweise für deren Abgrenzungen vor. Die nationale Regierung nimmt die Gestaltung der indigenen Verwaltungsbezirke, vor allem im ecuadorianischen Amazonastiefland, durch das Institut für regionale Ökoentwicklung für die Amazonasregion (Instituto para el Ecodesarrollo Regional Amazónico) vor. Nach der Verabschiedung des Bergbaugesetzes legte die CONAIE am 22.04.2009 eine Klage auf Verfassungswidrigkeit vor, da das Gesetz einige konstitutionelle Normen und internationale Abkommen verletzen würde. Im April 2010 verkündete der Verfassungsgerichtshof, dass die Klage zurückgewiesen wird35. Daraufhin ließ die CONAIE auch von der Diskussion weiterer Unstimmigkeiten beim Wasserressourcengesetz ab und begann stattdessen die Diskussion um den Gesetzesvorschlag zur Konsultation, wo sich auch Differenzen zeigten: Die indigene Bewegung stützt ihre Forderungen zum Recht auf Konsultation auf alle Aktivitäten, die ihre Interessen und belange betreffen (gemäß ILO 169), während die Regierung die eine Konsultation mit den indigenen Organisationen auf Prozesse vor der Gesetzgebung beschränken möchte (consulta prelegislativo). . el movimiento indígena sustenta su planteamiento en los postulados de la OIT, mientras que en el caso ecuatoriano, se considera la consulta prelegislativa Bezüglich des Wasserressourcengesetzes ist man nicht zu einer Vereinbarung gekommen und die Diskussion wurde abgebrochen. Im Rahmen einer Ende April 2010 stattgefundenen Sitzung des Permanenten Forums für indigene Angelegenheiten hat die CONAIE außerdem eine Beschwerde gegen den ecuadorianischen Staat beim UN-Sonderberichterstatter zur Lage der Menschenrechte und 33 Artikel1 der Übereinkünfte und Resolutionen getroffen von CONAIE in der Versammlung von Ambato, 25. und 26. Februar 2010. 34www.asambleanacional.gob.ec/leyes-asamblea-nacional 35Registro 12 Oficial No. 176. Abril 21 de 2010. grundlegenden Freiheiten indigener Völker, James Anaya, vorgebracht, die sich insbesondere auf die Diskriminierung der indigenen Organisationen, den Abbau von Rohstoffen in indigenen Gebieten und die Verabschiedung von Gesetzen ohne die Konsultation indigener Vertreter bezieht. Auch in anderer Hinsicht spitzt sich der Konflikt zwischen der Regierung Correa und den indigenen Organisationen zu: Die indigenen Repräsentanten haben zum Boykott eines ALBA-Treffens in der ecuadorianischen Stadt Otavalo aufgerufen, welches gerade dem Thema der indigenen und afroamerikanischen Völker gewidmet gewesen ist. Die CONAIE vertritt die Auffassung, dass auf diesem Treffen die indigenen Völker nicht legitim repräsentiert worden sind. Rafael Correa hat daraufhin die zum Boykott aufrufenden Personen als Terroristen bezeichnet und ihnen mit einem Gerichtsverfahren gedroht.36 Andererseits ist aber auch zu konstatieren, dass sich Präsident Correa weigert, die CONAIE als legitime Repräsentantin der indigenen Nationalitäten und Völker anzuerkennen. Es zeigt sich, dass seine teils offen konfrontative Haltung, CONAIE als eine unter vielen korporatistischen Akteuren zu behandeln, im Regierungslager keineswegs auf ungeteilte Zustimmung trifft: Nicht wenige hochrangige Politiker erachten insbesondere die indigene Bewegung als potenziell bedeutende Alliierte der eigenen politischen Projekte, die dafür eingebunden, bzw. einbezogen werden müsste.37 III.4. Staatliche Zuständigkeit für indigene Belange Gemäß der neuen Verfassung, nach der Ecuador ein multiethnischer und plurikultureller Staat ist, wurde der staatliche Rat für die Entwicklung der Nationalitäten und Völker Ecuadors (Consejo de Desarrollo de las Nacionalidades y Pueblos del Ecuador, CODENPE) eingerichtet. Über CODENPE sollen die staatlichen (Entwicklungs-)Programme mit den sozialen Akteuren abgestimmt und harmonisiert werden. Auf der Grundlage einer umfassenden Beteiligung der Bevölkerung in Entscheidungsprozessen ist angedacht, die Demokratisierung des Landes weiter voranzutreiben. Jedoch hat diese staatliche Institution38 durch die Anwendung des Art. 156 der aktuellen Verfassung einen Prozess “institutioneller Erneuerung” und die Gründung der Nationalräte für Gleichheit (Consejoes Nacionales de Igualdad) eingeläutet, welche “die Formulierung, das Mainstreaming, die Einhaltung, die Verfolgung und Auswertung der öffentlichen Politik zu den Themen Geschlecht, Ethnien, Generationen, Interkulturalität, Behinderung und menschliche Mobilität” zur Aufgabe haben. Dieser Prozess der Institutionalisierung wurde angestoßen durch die Regierung trotz der Proteste der indigenen Bewegung. CODENPE rechnet daher nicht mehr mit einem Etat für ihre Geschäftsführung, und die Unterstützungsmaßnahmen für indigene Völker und Nationen werden nun ausgeführt durch das Sekretäriat der Völker, sozialen Bewegungen und der bürgerlichen Teilnahme SPPC (Secretaría de Pueblos, Movimientos Sociales y Participación Ciudadana). 36Cf.:http://www.diario-extra.com/ediciones/2010/06/25/provincias/cumbre-del-alba-en-otavalo-reune-a-tres- presidentes/. 37Cf. Wolff (2010): 21. In: http://library.fes.de/pdf-files/iez/07116.pdf. 38 Siehe: http://www.codenpe.gob.ec/. 13 IV. Rechtliche Rahmenbedingungen Ecuador ratifizierte im Jahr 1998 die ILO-Konvention 169 (Übereinkommen über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern“). Ebenso votierte Ecuador im September 2007 für die Annahme der UN-Deklaration über die Rechte der indigenen Völker. Artikel 1 der neuen Verfassung Ecuadors von 2008 lautet “Ecuador ist ein sozialer, demokratischer, souveräner, unabhängiger und einheitlicher, interkultureller, plurinationaler und weltlicher Verfassungs- und Rechtsstaat. Des Weiteren erkennt die Verfassung die Kollektivrechte indigener Völker und Nationalitäten, das Prinzip des “Sumak Kawsay” (Prinzip des guten Lebens) als Grundlage für die Entwicklungsplanung des Staates, die indigenen Territorialbezirke als Regierungsreform, die indigene Justiz und die Ernährungssouveränität, an”. Die neue Verfassung legt damit die Grundlage für „ein gerechtes, demokratisches, produktives, solidarisches und nachhaltiges ökonomisches System, das auf der gleichmäßigen Verteilung der aus der Entwicklung erzielten Erträge und der Produktionsmittel basiert” (Artikel 276). Sie erteilt dem Staat die ihm zukommende Aufgabe im Rahmen einer auf gesellschaftliche Partizipation gestützten Entwicklungsplanung in Bereichen wie Gesundheit, Erziehung, Wohnraum und Wasserverteilung, die bislang in privater Hand gewesen sind. Der Staat soll den Finanzsektor kontrollieren und damit in die Lage versetzt werden, die Konzentration und den Erwerb der Produktionsmittel durch einige Wenige zu verhindern. Besondere Anstrengungen sollen unternommen werden, um die Ungerechtigkeiten in Bezug auf die Stellung der Frau zu beseitige.39 V. Indigene Organisationen Die indigene Bevölkerung lebt überwiegend in Dorfgemeinschaften, die sowohl im Rahmen des kolonialen Wirtschaftssystems als auch nach Gründung der Republik Ecuador erhalten blieben. Diese Gemeinschaften bilden auch heute noch die Basis der indigenen Organisationen. Seit den 80er Jahren vernetzen sich die indigenen Organisationen verstärkt auf kantonaler, provinzieller und nationaler Ebene. Das breite Netzwerk lokaler Organisationen mit den regionalen und nationalen Bündnissen trug dazu bei, dass die indigene ecuadorianische Bewegung als eine der am besten organisierten in Lateinamerika bekannt ist. In Ecuador gibt es drei nationale indigene Organisationen: Die CONAIE, FEINE und FENOCIN. Die CONAIE besteht aus drei regionalen Bündnissen indigener Völker und Nationalitäten: CONAICE (Küstenregion), ECUARUNARI (Andenregion), CONFENIAE (Amazonasregion) (siehe Tabelle). Indigene Organisationen nehmen dieselbe Form an, um sich innerhalb des Staates zu artikulieren, von den Verbänden der Basis bis hin zur Bildung von Partnerschaften auf der Kantons- und Landesebene. Auf nationaler Ebene entspricht die Konföderation ECUARUNARI der Anden-Ebene, der CONFENIAE und CONAICE im Amazonas und der 39Cf.: http://www.asambleanacional.gov.ec/documentos/constitucion_de_bolsillo.pdf; http://www.vspvernetzt.de/soz-0811/0811181.php. 14 Küste. Die Struktur hat eine ähnliche Form angenommen wie die der Gewerkschaftsbewegung, welche sich neu definiert, indem einige der Organisationen sich umbenennen, um die Form einer Organisationen für Völker und oder Nationalitäten anzunehmen. Dies war zum Beispiel bei der Achuar, der Achuar Federation of Ecuador (FINAE), der Fall, die ihren Namen zu Achuar Nationalität der Ecuador (NAE) änderte, dasselbe geschieht auch bei den Shiwiar und Kichwa. Die FEINE und die FENOCIN bestehen aus in drei verschiedenen Landesteilen ansässigen Organisationen40 und vertreten die Kleinbauern, die Afroecuadorianer und die Gewerkschaften. Die Federacion Ecuatoriana de Indigenas Evangelicas FEINE ist eine organisation, die Organisationen der Basis im ganzen Land miteinander verbindet und sich als Fundament auf die evangelische Weisung beruft. FENOCIN hingegen ist eine klassenbasierte Konföderation, die Organisationen und ländlich basierte Gemeinden, wie die Indigenen und Afro-Ecuadorianer der 18 Provinzen gleichermaßen zusammenbringt. Die FENOCIN hat eine größere Nahe zur tatsächlichen Regierung und einer ihrer Anführer war sogar Versammlungsteilnehmer der Al Paíz Bewegung. CONAIE hat die Rolle des Hinterfragenden in Bezug auf die Entwicklungspolitik der Regierung angenommen, welchen Gebrauch diese vom Prinzip des Sumak Kawsay macht; manchmal hat sie es sogar zusammen mit FEINE und FENOCIN Vorschläge erreicht, auch wenn sie es in den vergangenen Jahren nicht geschafft haben, Vorschläge bezüglich des das Recht der vorherigen Konsultation und anderer wichtige Gesetze für die indigenen Völker zu machen. Indigene Mobilisierungen sind kleiner worden und haben die starke Anziehungskraft, der Bewegungen der 90er und auch Anfang der 2000er Jahre verloren. Die indigenen Bewegungen und Organisation haben schon immer verschiedenen Zyklen durchgemacht aber in den letzten Jahren leiden die Organisationen insbesondere unter der Einmischung der Regierung, vor allem in den Amazonasgebieten, und der Kooptierung von Führern. So haben es Konföderationen wie die CONFENIAE, trotz Verlautbarungen, versäumt zu mobilisieren und den Entwicklungen bezüglich der effektiven Konsultation der Regierung von Oktober bis Dezember 2012 entgegenzugehen. Fragen wie zum Beispiel der Zugang zu staatlicher Unterstützung bei den Gemeinden hat die Zustimmung der Regierung gefunden; auf der anderen Seite ist aber einer der Faktoren, der den mobilisierenden Charakter und die Stärke der indigenen Bewegung ausbremst, die Kriminalisierung der Proteste und des Widerstands. So stehen mehrere indigene Anführer, sowohl Männer als auch Frauen, durch den Staat vor Gericht und müssen sich dort der Anklage von Sabotage und Terrorismus stellen, da sie zu Demonstrationen aufgerufen haben (so z.B. in Fällen von Mobilisierungen gegen den Bergbau und das Wassergesetz) Organisationen der indigenen Völker und Nationalitäten der CONAIE Nationalität Volk Organisation Awá --- Federación de Centros Awá Epera --- Organización de la Nacionalidad Epera Chachi --- Federación de Centros Chachi del Ecuador Tsachila --- Nacionalidad Tsachila CONAICE 40Cf.: 15 FEINE, www.feine.org.ec, / http://www.fenocin.org/ Nationalität Volk Organisation ---- Huankavilka Federación de comunas del Guayas --- Manta Organizadas en Uniones y comunas Saraguro Coordinadora Interprovincial Indígenas Saraguros ECUARUNARI Kichwa de Organizaciones Palta Kañari UPCCC Puruhá Movimiento Indígena de Chimborazo Waranka Fedración Campesina Riccharimui Kitukara Nación Originaria Kitu Kara Panzaleo Movimiento Indígena y Campesino de Cotopaxi Kisapincha Movimiento Indígena y Campesino de Cotopaxi Chibuleo Unión de Organizaciones del Pueblo Chibuleo de Bolívar Runacunapac Salasaka Kayambi FICI EPP Otavalo FICI Natabuela Consejo de Alcaldes y Gobernador del Pueblo Indígena de Natabuela Karanki FICI Pastos CONFENIAE Andoa ---- Nacionalidad Andoa de Pastaza del Ecuador Siona … Organización de la Nacionalidad Indígena Siona del Ecuador - ONISE Secoya --- Organización Indígena Secoya del Ecuador Shiwiar --- Organización de la Nacionaliad Shiwiar de Pastaza, Amazonía Ecuatoriana, ONSHIPAE Achuar --- Nacionalidad Achuar del Ecuador Waorani --- Organización de la Nacionaliad Huaorani Zápara --- Organización de la Nacionalidad Zápara del Ecuador Shuar -Federación Interprovincial de Centros Shuar -Nacionalidad Shuar del Ecuador Cofán Federación Indígena de los Cofán del Ecuador - FEINCE Quelle: CODENPE, in www.codenpe.gov.ec, CONAIE, www.conaie.org/nacionaliades-y-pueblos 16 V.1. Einige der indigenen Organisationen Ecuadors Nationaler Dachverband: CONAIE Avenida Los Granados E10-275 y 6 de Diciembre, Quito Telefon: (+593)-(0)2-452 335 Fax: (+593)-(0)2-444 991 E-Mail: [email protected] Webseite: www.conaie.org FEINE Isla Seymour y Guepi – Parque Jipijapa, en la sede del Club El Nacional, Casilla: 17-17-1353, Quito Telefon: (593-2) – 2441 591 / (593-2) – 2273 929 E-Mail: [email protected] Webseite: http://www.feine.org.ec/esp/ FENOCIN Versalles N21-326 y Carrión Aptos. 17-12-00448 / 17-01-1325 Telefon: (593-2) – 2228-192 / 2552-076 E-Mail: [email protected] Webseite: http://www.fenocin.org Regionale Dachverbände der CONAIE: CONFENIAE Union Base Casilla 16-01-0807 Puyo; Pastaza Telefon: (+593)-(0)3-885 134 Oficina coordinadora en Quito: Avenida 6 de Diciembre 159 Y Pazmino, Oficina 408 Apartado 17-01-4180 Fax: (+593)-(0)2-990 922 E-mail: [email protected] 17 Webseite: http://www.ecuanex.net.ec/confeniae/ ECUARUNARI Julio Matovelle 128, entre Vargas y Pasaje San Luis Edificio El Conquistador, primer piso; Quito Telefon: (+593)-(0)2-2580-700 Telefax: (+593)-(0)2-2580-713 E-Mail 1: [email protected] E-Mail 2: [email protected] Webseite: www.ecuarunari.org CONAICE Sede de la confederación regional de Esmeraldas Oficina coordinadora en Quito: Avenida Los Granados E10 -275 y Avenida 6 de Diciembre. Telefon: (+593)-(0)2-444991; Extensión 17 E-Mail: [email protected] 18