Die rechtlichen und administrativen Voraussetzungen der Kulturautonomie der deutschen Minderheit in Dänemark und der dänischen Minderheit in Deutschland Vortrag von Peter Iver Johannsen, Generalsekretär des Bundes Deutscher Nordschleswiger im Rahmen der Tagung „Kulturelle Identität und Kulturautonomie in Europa“ des Internationalen Instituts für Nationalitätenrecht und Regionalismus“ am 2.7.2008 in München Sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke den veranstaltenden Organisationen und insbesondere Herrn Dr. Ortfried Kotzian für die Einladung, bei diesem internationalen Symposium über kulturelle Identität und Kulturautonomie in Europa einen Beitrag über die deutsche Minderheit in Dänemark und die dänische Minderheit in Deutschland, sozusagen über das deutsch-dänische Minderheitenmodell, vortragen zu dürfen. Sie haben sicher Verständnis dafür, dass ich mich als Generalsekretär der deutschen Minderheit in Nordschleswig in erster Linie auf meine Minderheit – die deutsche Minderheit in Dänemark beziehe, wobei vieles mit umgekehrtem Vorzeichen auch für die dänische Minderheit in Deutschland gilt. Die beiden Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzland sind ein Ergebnis der geschichtlichen Entwicklung. Vor 150 Jahren bestand noch der dänisch-schleswig-holsteinische Gesamtstaat, der das eigentliche Königreich Dänemark und die Herzogtümer Schleswig und Holstein umfasste. Es war die Zeit, als nach der französischen Revolution mit dem Schlagwort „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ überall in Europa vom Volk der Übergang vom Absolutismus zur Demokratie gefordert wurde, aber auch der Anlass zur Nationenbildung und mit dem erwachenden Nationalgefühl der Wunsch nach einem homogenen Staatsgebilde. Im dänisch-schleswigholsteinischen Gesamtstaat, einem multikulturellen Gebilde, führten diese Strömungen zwangsläufig zum Auseinanderstreben. Die Reichsdänen forderten eine gemeinsame Verfassung für das Königreich Dänemark und das Herzogtum Schleswig, und die Holsteiner und die deutschen Schleswiger forderten eine gemeinsame Verfassung für die Herzogtümer und die Aufnahme Schleswigs und Holsteins in den Deutschen Bund. Diesem Auseinanderstreben standen jedoch die europäischen Großmächte entgegen, die aufgrund des Gleichgewichtes im Ostseeraum zunächst an einer Status-quo-Lösung interessiert waren. Die politischen und nationalen Auseinandersetzungen kamen jedoch nicht zur Ruhe – im Gegenteil, sie verschärften sich und führten 1848 zur Schleswig-Holsteinischen Erhebung. Diese wurde vom dänischen Heer niedergeschlagen, allerdings musste Dänemark sich aufgrund des Drucks der 2 Großmächte verpflichten, die bisherigen Bindungen der Herzogtümer Schleswig und Holstein an Dänemark nicht zu verändern. Aber die nationalen Auseinandersetzungen setzten sich fort und erreichten ihren Höhepunkt 1863, als die dänische Regierung aufgrund zunehmenden innenpolitischen Drucks eine gemeinsame Verfassung für das Königreich und das Herzogtum Schleswig erließ, was die staatliche Einverleibung Schleswigs in Dänemark bedeutete, während Holstein nicht von der Verfassung umfasst wurde und lediglich durch den König die Verbindung zum dänischen Königshaus behalten sollte. Das widersprach den internationalen Vereinbarungen des Londoner Protokolls von 1852 und führte zur Kriegserklärung des Deutschen Bundes 1864. Ein internationaler Vermittlungsversuch, der u.a. einen Vorschlag zur Teilung Schleswigs enthielt, wodurch die Grenze ungefähr der jetzigen entsprochen hätte, scheiterte vor allem daran, dass die dänische Regierung ihre Möglichkeiten falsch einschätzte. Die militärische Niederlage Dänemarks 1864 bei Düppel bedeutete, dass Schleswig und Holstein preußische Provinzen wurden, und dass der dänisch-schleswig-holsteinische Gesamtstaat damit aufgelöst wurde. Dänemark verlor dadurch 2/5 seines Territoriums. Die nationalen Auseinandersetzungen zwischen Königsau und Eider waren damit jedoch nicht beendet. Sie prägten weiter die Politik und den Alltag der Menschen. Zur grundsätzlichen Lösung des Nationalitätenkonflikts kam es 1920, als das Prinzip des Selbstbestimmungsrechts der Völker nach dem 1. Weltkrieg in den Versailler Friedensvertrag einbezogen wurde. Die daraufhin im Grenzland durchgeführte Volksabstimmung führte zur heutigen deutsch-dänischen Staatsgrenze mit dem Ergebnis, dass das alte Herzogtum Schleswig geteilt wurde. Der nördliche Teil wurde in den dänischen Staat eingegliedert, während der südliche Teil bei Deutschland blieb. Auch wenn die damals zwischen Deutschland und Dänemark gezogene Grenze im Großen und Ganzen auch der Grenze zwischen dänischer und deutscher Nationalität entsprach, so verblieben doch auf beiden Seiten der Grenze nationale Minderheiten. Das Jahr 1920 ist somit auch die Geburtsstunde der nationalen Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzland, deren organisatorischer und inhaltlicher Aufbau sich in den Folgejahren vollzog. Die dänische Regierung war nach 1920 dankenswerterweise bereit, die freiheitlichen Prinzipien des dänischen Grundgesetzes auf die deutsche Minderheit in Nordschleswig anzuwenden. Neben der allgemeinen Feststellung im Grundgesetz, dass die persönliche Freiheit eines jeden Bürgers unantastbar ist, gewährleistet das Grundgesetz u.a. Religionsfreiheit, Unterrichtsfreiheit, Pressefreiheit, Vereinsfreiheit und Versammlungsfreiheit, und gerade diese Freiheitsrechte haben für den Aufbau und die weitere Entwicklung der deutschen Volksgruppe in Nordschleswig entscheidende Bedeutung gehabt. Auf dieser Grundlage konnte die deutsche Volksgruppe ein eigenes Schulwesen aufbauen, deutsche Zeitungen herausgeben, kulturell und politisch tätig sein, ein eigenes kirchliches Leben gestalten und eine weit verzweigte Vereinsstruktur aufbauen. 3 Trotz dieser freiheitlichen Grundlage war die Zeit von 1920 bis 1945 dennoch von nationalen Spannungen geprägt. Es war vor allem die Grenzrevisionsforderung der deutschen Volksgruppe, ausgelöst durch die aus ihrer Sicht ungerechte Form der Abstimmung und Grenzziehung, die zu nationalen und menschlichen Spannungen führte. Die Besetzung Dänemarks durch Deutschland im 2. Weltkrieg von 1940 bis 1945 und die überwiegend nationalsozialistische Ausrichtung der deutschen Volksgruppe haben die Gegensätze noch verschärft, und es ist zutiefst bedauerlich, dass einige Freiheitsrechte für ideologische Propaganda missbraucht wurden. Diese Entwicklung führte zu einer ernsten Belastung des deutschdänischen Verhältnisses und der guten Nachbarschaft in Nordschleswig. Das Ende des 2. Weltkrieges 1945 bedeutete für die deutsche Volksgruppe wie für alle Deutschen sowohl die Befreiung vom Nationalsozialismus als auch den völligen Zusammenbruch. Das Jahr 1945 brauchte aber auch eine grundlegende Neuorientierung der Politik der deutschen Volksgruppe. Durch die endgültige Anerkennung der Staatsgrenze von 1920 und die Abgabe einer Loyalitätserklärung gegenüber dem dänischen Staat brachte die Volksgruppe eine wichtige Vorleistung für die Entspannung im deutsch-dänischen Grenzland. Die Ansage an eine Grenzverschiebung war ein deutliches Signal an die dänische Seite, dass seitens der deutschen Volksgruppe um Verständnis für ihre geschichtlich-kulturelle Identität und ihre weitere Existenz innerhalb des dänischen Nationalstaates geworben wurde. Es war ein Appell an den Staat, den Mitgliedern der deutschen Volksgruppe eine gleichberechtigte Behandlung zu sichern. Heute hat die deutsche Volksgruppe die Grenze nicht zur anerkannt, sondern auch in den Köpfen überwunden. In Deutschland entwickelte sich die dänische Minderheit nach 1920 zunächst ähnlich. Sie konnte im Rahmen der nationalen Gesetzgebung dänische Kindergärten und dänische Schulen einrichten, dänische Pastoren einsetzen, eine dänische Zeitung – Flensborg Avis – herausgeben und ein weitverzweigtes Vereinsleben aufbauen. Diese Entwicklung wurde aber erschwert in der Zeit von 1933-1945, wo die dänischen Aktivitäten zwar nicht verboten wurden, aber von den Nationalsozialisten doch sehr bedrängt wurden. Nach Kriegsende 1945 erlebte die dänische Minderheit einen enormen Zulauf auch von Menschen mit ursprünglich deutscher Herkunft, auch von Flüchtlingen aus dem Osten, die aus sozialen Gründen („Speckdänen“) und aus politischer Frustration in der dänischen Bewegung eine neue Heimat suchten. Die Zahl der Mitglieder stieg nach 1945 so stark an, dass die deutsch-dänische Grenze vorübergehend in Gefahr geriet – denn die Besatzungsmacht, die Engländer, boten Dänemark eine Grenzverschiebung an. Aber die dänische Politik behielt damals einen kühlen Kopf und erklärte: Die Grenze liegt fest. Die dänische Regierung versprach jedoch damals, die kulturelle, soziale und politische Arbeit der dänischen Minderheit mit erheblichen staatlichen Mitteln zu fördern. 4 Dieses Versprechen wurde bis heute eingehalten und wird mit Sicherheit auch in Zukunft eingehalten werden. Die dänische Minderheit umfasst heute etwa 50.000 Menschen. In 55 dänischen Kindergärten werden 1.900 Kinder betreut, und 58 dänische Schulen werden von 5.700 Schülern besucht. Die Zeitung „Flensborg Avis“ wird nach wie vor herausgegeben, und es werden vielseitige Aktivitäten im kulturellen, kirchlichen, sozialen Bereich und im Bereich der Jugendarbeit angeboten. Die politische Vertretung der dänischen Minderheit, der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), ist in den Kommunen und Kreisen im Landesteil Schleswig sowie mit zwei Abgeordneten im Schleswig-Holsteinischen Landtag vertreten. Der dänische Staat fördert die Arbeit der dänischen Minderheit jährlich mit etwa 58 Mio. Euro. Die Rechtsgrundlage für die Arbeit der deutschen Minderheit in Nordschleswig nach 1945 bilden das dänische Grundgesetz, die allgemeine dänische Gesetzgebung und die Bonn-Kopenhagener Minderheitenerklärungen aus dem Jahre 1955. In diesen Erklärungen werden die Stellung und die Rechte beider Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzland präzisiert, und es wird vor allem festgestellt, dass das Bekenntnis zum Volkstum und zur Kultur des Muttervolkes frei ist und von Amts wegen nicht bestritten oder nachgeprüft werden darf. Ferner wird festgestellt, dass die Minderheit Anspruch auf gleichberechtigte Behandlung seitens des Staates und der Behörden hat, und das Interesse der Minderheit, ihre religiösen, kulturellen und fachlichen Verbindungen mit dem Muttervolk zu pflegen, wird ausdrücklich anerkannt. Die Bonn-Kopenhagener Minderheitenerklärungen stellen kein einklagbares Recht dar. Es handelt sich um politische, aber völkerrechtlich verbindliche Absichtserklärungen beider Regierungen und beider Parlamente, die in der Praxis in den Jahren von 1955 bis heute umgesetzt worden sind. Dass die Minderheitenerklärungen sich auch ohne Volksgruppengesetzgebung als ein geeignetes Instrument zur Lösung von Konflikten erwiesen haben, liegt daran, dass beide beteiligten Staaten, die Bundesrepublik Deutschland und das Königreich Dänemark, ein Interesse daran haben, die Minderheitenfragen einvernehmlich zu lösen, und dass die beiden nationalen Minderheiten die sich aus diesen Minderheitenerklärungen ergebenen Chancen konstruktiv nutzten. Für die dänische Minderheit in Südschleswig gilt zudem, dass der Minderheitenschutz im Paragraphen 5 der Schleswig-Holsteinischen Landesverfassung festgehalten ist. Von entscheidender Bedeutung war und ist, dass die Bundesrepublik Deutschland und das Königreich Dänemark sich in Verbindung mit den Bonn-Kopenhagener Minderheitenerklärungen darauf verständigt haben, ihre jeweiligen Minderheiten finanziell zu unterstützen. Bei der Förderung der deutschen Volksgruppe in Nordschleswig seitens der Bundesregierung handelt es sich um die Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen Deutschlands aufgrund der BonnKopenhagener Erklärungen von 1955, die mit entsprechenden Verpflichtungen Dänemarks gegenüber der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein korrespondieren. 5 Die Bundesrepublik Deutschland fördert die Arbeit der deutschen Minderheit in Dänemark jährlich mit etwa 11,9 Mio. Euro, wobei die Bundesregierung etwa 10,2 Mio. Euro bereitstellt und das Land Schleswig-Holstein etwa 1,7 Mio. Euro. Die gegenseitige und grenzüberschreitende Minderheitenfinanzierung ist Bestandteil des deutschdänischen Minderheitenmodells, und es hat über Jahrzehnte eine gewisse Balance in der gegenseitigen Minderheitenfinanzierung gegeben. Für die weitere Entwicklung ist es wichtig, dass diese Balance in der gegenseitigen Minderheitenfinanzierung in den kommenden Jahren grundsätzlich erhalten bleibt. Bei eventuellen Vergleichen der Minderheitenförderung im deutsch-dänischen Grenzland mit der Minderheitenförderung in anderen Ländern in Europa muss beachtet werden, dass die Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzland ihre Kindergärten und Schulen in eigener Trägerschaft als private Einrichtungen betreiben und dafür auch eine staatliche Förderung erhalten, während die Minderheitenkindergärten und –schulen in anderen Gebieten kommunale oder staatliche Einrichtungen sind, deren Finanzierung nicht über die Minderheitenförderung läuft. Die hier geschilderte positive deutsch-dänische minderheitenpolitische Entwicklung war jedoch kein isolierter Vorgang im deutsch-dänischen Grenzland, sondern wichtiger Teil der deutschdänischen Gesamtbeziehungen, die sich vor allem durch die gemeinsame Nato-Mitgliedschaft 1955 entscheidend normalisiert haben, und die seit 1973 eine weitere positive Perspektive durch die gemeinsame EU-Mitgliedschaft erhalten hat. Die deutsche Minderheit in Dänemark vertritt heute die Zielsetzung, selbstbewusst die deutsche Sprache, ihre besondere deutsche Kultur in Nordschleswig und ihre historische Identität zu bewahren – in einer offenen Zusammenarbeit zum Wohle des ganzen Landesteils. In diesem Sinne verstehen wir uns als Brückenbauer und Mitgestalter der deutsch-dänischen Beziehungen, als Mitgestalter der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der EU-Region Schleswig-Sønderjylland, und wir sehen in unserer Arbeit eine europäische Perspektive. Heute sind wir auf dem Wege von der Gleichberechtigung zur Gleichwertigkeit. Die deutsche Volksgruppe ist heute gesellschaftspolitisch integriert – heute bilden Mehrheit und Minderheit gemeinsam eine Gesellschaft – eine Gesellschaft, in der es ein Geben und Nehmen gibt, und in der die Minderheit auch Funktionen im Interesse der Mehrheit ausübt. Früher war Dänemark unser Herbergstaat – heute ist er unser Staat. Diese Tatsache schmälert nicht unsere Verbundenheit über die Grenze hinweg zu Deutschland und Schleswig-Holstein. Die etwa 15-20.000 köpfige deutsche Volksgruppe verfügt über eine Vielzahl von Vereinen und Institutionen, in denen die praktische Sozial- und Kulturarbeit der Volksgruppe geleistet wird. Die Hauptorganisation der deutschen Volksgruppe ist der Bund Deutscher Nordschleswiger, der den organisatorischen Rahmen für die politische Arbeit sowie für eine Fülle von kulturellen Aktivitäten bildet. Im kulturellen Bereich werden neben dem Angebot der eigenen Kulturarbeit, z.B. durch die Konzerte der Nordschleswigschen Musikvereinigung, viele kulturelle Höhepunkte aus SchleswigHolstein und Deutschland nach Nordschleswig geholt. Glanzlichter waren dabei in den letzten 6 Jahren die Nordschleswig-Konzerte des Schleswig-Holstein Musikfestivals, die auch beim dänischen Publikum auf starkes Interesse gestoßen sind. Im politischen Bereich ist die Schleswigsche Partei mit ihren Vertretern in den Kommunen von Nordschleswig die Interessenvertretung der deutschen Volksgruppe, Darüber hinaus setzt die Schleswigsche Partei wichtige regionalpolitische und grenzüberschreitende Akzente. Die deutsche Volksgruppe ist seit 1979 nicht mehr im dänischen Parlament (Folketing) vertreten. Als Ersatz hat die dänische Regierung 1983 das Sekretariat der deutschen Volksgruppe in Kopenhagen eingerichtet, dessen Wirken regional, grenzüberschreitend und international große Beachtung gefunden hat. Darüber hinaus gibt es einen Kontaktausschuss bei Regierung und Folketing in Kopenhagen sowie das Gremium für Fragen der deutschen Minderheit beim Schleswig-Holsteinischen Landtag, in denen die Minderheit ihre Interessen vertreten kann. Der Bund Deutscher Nordschleswiger ist Herausgeber der deutschen Tageszeitung „Der Nordschleswiger“, die das Sprachrohr der Volksgruppe und gleichzeitig ein wichtiges identitätsstiftendes Medium für die Volksgruppe ist. Darüber hinaus trägt die Zeitung wesentlich zur Gestaltung der deutsch-dänischen Beziehungen bei. Die deutsche Volksgruppe hat ihr eigenes Schulwesen mit 17 deutschen Privatschulen, davon ein Gymnasium, mit erfreulich steigenden Schülerzahlen, und ein eigenes deutsches Büchereiwesen mit mehreren Standort- und Fahrbüchereien. Über das Schul- und Büchereiwesen hinaus gibt es eine Reihe von weiteren Organisationen mit speziellen Arbeitsgebieten im sozialen und kirchlichen Bereich und im Bereich der Jugendarbeit, die zur Pflege der deutschen Gemeinschaft in Nordschleswig beitragen. Insgesamt trägt die Kulturarbeit der deutschen Volksgruppe zur kulturellen Vielfalt im deutschdänischen Grenzland bei, und sie ist letztendlich auch Bestandteil der auswärtigen Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Das deutsch-dänische Minderheitenmodell mit den Bonn-Kopenhagener Erklärungen als dem zentralen Element erfreut sich seit des Umbruchs in Osteuropa vor einigen Jahren eines zunehmenden internationalen Interesses. So hat die deutsche Volksgruppe in Nordschleswig die positiven minderheitenpolitischen Erfahrungen des deutsch-dänischen Grenzlandes in den letzten Jahren vielen Minderheiten in Osteuropa zur Verfügung stellen können. Zwar kann das deutschdänische Minderheitenmodell nicht direkt auf andere Minderheitensituationen übertragen werden, aber man kann daraus ableiten, wie man Sprache, Kultur und Identität pflegen und erhalten kann und wie man zwischen Mehrheit und Minderheit Toleranz, Respekt und Vertrauen schaffen kann. Auch auf internationaler Ebene greift man auf die Erfahrungen der deutschen Volksgruppe zurück. So ist der frühere Leiter des Sekretariats der deutschen Volksgruppe in Kopenhagen Siegfried Matlok mehrfach bei OSZE-Konferenzen in die offizielle dänische Regierungsdelegation aufgenommen worden, und der frühere BDN-Hauptvorsitzende Hans Heinrich Hansen ist zur Zeit Präsident der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEV), die sich europaweit für einen verbindlichen Minderheitenschutz einsetzt. 7 Auch minderheitenpolitische Initiativen des Europarates, der EU, der OSZE und der UNO unterstreichen, dass Minderheitenangelegenheiten heute nicht mehr ausschließlich nationale Angelegenheiten sind, sondern in den letzten Jahren eine zunehmende internationale Dimension bekommen haben. In dieser Hinsicht sind die vom Europarat verabschiedete Rahmenkonvention für nationale Minderheiten und die Charta zum Schutz von Regional- und Minderheitensprachen ein wichtiger Schritt nach vorn. Durch die Rahmenkonvention sind die Staaten verpflichtet, dem Europarat gegenüber zu dokumentieren, wie die Prinzipien der Rahmenkonvention auf nationaler Ebene umgesetzt werden. Dies wird von Deutschland und Dänemark in vorbildlicher Weise umgesetzt. Die deutsche Identität in Nordschleswig hat 1920 und 1945 überlebt, und ich bin davon überzeugt, dass sie trotz zunehmender Globalisierung auch in Zukunft existieren wird. Die Nachkriegsgeneration der deutschen Volksgruppe sicherte in einer nationalen Spannungszeit durch eine vernünftige Politik die Grundlage unserer weiteren Existenz als deutsche Volksgruppe in Nordschleswig. Die nächste Generation baute durch stetige Arbeit und Berechenbarkeit auf der Grundlage der Bonn-Kopenhagener Erklärungen die Beziehungen zum dänischen Nachbarn wieder auf. Meine Generation hat in hohem Maße den Weg der Integration beschritten. Für kommende Generationen bleibt die Aufgabe, die deutsche Identität in Nordschleswig und damit den kleinen Unterschied zu bewahren und nicht der Assimilation in der liebevollen Umarmung anheimzufallen, und das gilt mit umgekehrtem Vorzeichen natürlich auch für die dänischen Südschleswiger. Im deutsch-dänischen Grenzland ist viel erreicht worden. Verglichen mit anderen Minderheiten leben wir bei uns heute nördlich und südlich der Grenze in einem positiven minderheitenpolitischen Umfeld – auch wenn es auch auf beiden Seiten der Grenze noch ungelöste Probleme gibt. Diese Feststellung darf weder von den Minderheiten selbst, noch von den Mehrheiten als Ruhekissen verstanden werden. Es bleibt der ständige Auftrag an die Minderheiten, kultur- und minderheitenpolitisch aktiv zu bleiben und dabei offen und zukunftsorientiert zu sein, und es bleibt der Auftrag an die Mehrheiten und die Politik, eine aktive und zukunftsorientierte Minderheitenpolitik zu führen. Das ist die Mühe wert und rechtfertigt den finanziellen Einsatz – denn Minderheitenpolitik ist Friedenspolitik.