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Hannes Tretter, Boltzmann-Menschenrechtsinstitut, Wien
MENSCHENRECHTE IN EUROPA
1. Einleitung
Die Geschichte des europäischen Menschenrechtsschutzes ist im Großen und Ganzen
eine Erfolgsstory. Für keinen anderen Kontinent gibt es ein vergleichbar dicht
geknüpftes Netz an menschenrechtlichen Bestimmungen und Mechanismen. Die
Gründe dafür sind in der Geschichte Europas zu finden. Einerseits hat die europäische
Aufklärung die philosophischen Grundlagen für die Idee der Menschenrechte
geschaffen1 und andererseits haben nach der Französischen Deklaration der
Menschenrechte von 1789 Liberalismus und Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts
– dem Beispiel der amerikanischen Verfassungen folgend – die in den Verfassungen
vieler Staaten verbürgten Grundrechte vor Gericht durchsetzbar gemacht, womit den
Menschen ein Freiraum gegenüber dem Staat eingeräumt wurde.2 Und schließlich
haben die durch den Nationalsozialismus vor und während des Zweiten Weltkriegs
begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, insbesondere der Holocaust, und
sonstige massive, systematischen Menschenrechtsverletzungen die europäischen
Siegermächte und ihre Verbündeten derart sensibilisiert, dass sie nach 1945 ein
Engagement für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte entwickelt haben,
wie es in der Geschichte bisher einzigartig ist.
2. Europarat – Europäische Menschenrechtskonvention und
Spezialübereinkommen
Innerhalb kürzester Zeit wurde nicht nur der Europarat im Jahr 1949 als erste
europäische Organisation ins Leben gerufen, die sich der Entwicklung und der
Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten verschrieben hat,
sondern wurde auch 1950 die Europäische Menschenrechtskonvention als einzigartiges
regionales Instrument für den gerichtlichen Schutz der Menschenrechte (EMRK) ins
Leben gerufen. Als „Herzstück“ des europäischen Menschenrechtsschutzes bezeichnet,
ermöglicht sie allen Menschen, die in ihren Mitgliedstaaten leben (und bis heute sind es
– nach einer „Osterweiterung“ – bereits 42 Staaten inklusive Rußland), Beschwerde vor
dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg (EGMR) zu führen,
der die belangten Staaten im Falle von erwiesenen Menschenrechtsverletzungen
verurteilen kann. Verfahren können auch aufgrund von Beschwerden eines oder
mehrerer Staaten gegen einen anderen Staat erhoben werden; diese Möglichkeit wird
jedoch aus politischen Gründen vergleichsweise selten angewandt.3
Die EMRK beinhaltet mitsamt ihren im Laufe der Zeit hinzugekommenen
Zusatzprotokollen nahezu ausschließlich sogenannte „zivile und politische“ Rechte,
deren Ursprünge weitgehend schon im Liberalismus des 19. Jahrhunderts gelegen sind.
2
Die Konvention verbietet den Staaten grundsätzlich Eingriffe in diese Rechte (z.B.
unmenschliche Behandlungen zu unterlassen oder Zensur zu üben), verpflichtet sie
aber auch darüber hinaus, Maßnahmen zu ihrer Garantie zu ergreifen (z.B. das ORFMonopol auch im Bereich des Fernsehens zu beseitigen oder eine rechtmäßige
Demonstration vor spontanen Gegendemonstrationen zu schützen). Da selbst
Menschenrechte aber nicht grenzenlos gewährleistet sind, können sie zum Schutz
anderer Rechte und Interessen eingeschränkt werden, allerdings nur soweit dies in
einer demokratischen Gesellschaft erforderlich und verhältnismäßig ist (z.B. Festnahme
einer gefährlichen Person).
Beschwerde kann von einer Privatperson erhoben werden, wenn innerstaatlich alle
verfahrensrechtlichen
Möglichkeiten
ausgeschöpft
worden
sind,
die
Menschenrechtsverletzung zu bekämpfen. Die Beschwerde muß innerhalb von sechs
Monaten nach der Zustellung der letztinstanzlichen innerstaatlichen Entscheidung
erhoben werden und darf nicht „offensichtlich unbegründet“ sein. Sind diese
Voraussetzungen erfüllt, so wird die Beschwerde vom Gerichtshof geprüft, wobei der
belangte Staat im Verfahren genauso Parteistellung hat wie die beschwerdeführende
Person. Der Gerichtshof hat in jedem Stadium des Verfahrens danach zu trachten, eine
sogenannte „Gütliche Einigung“ zwischen den Streitparteien herbeizuführen. Gelingt
dies nicht, so entscheidet er – in der Regel mit einer seiner „Kammern“ oder in
wichtigen Fragen mit seiner „Großen Kammer“ – mit Urteil. Ein Staat kann verurteilt,
aber auch „freigesprochen“ werden. Eine Verurteilung besteht in der Feststellung, dass
bestimmte Rechte der Konvention verletzt worden sind, kann aber auch zusätzlich
einen Schadenersatz vorsehen. Die verurteilten Staaten sind – auch im Falle der
Verurteilung aufgrund einer Staatenbeschwerde – verpflichtet, sich nach dem Urteil des
Gerichtshofs zu richten. Die Überprüfung der Einhaltung der Urteile erfolgt – und das ist
die Schwachstelle der Konvention – durch das Ministerkomitee, das höchste politische
Organ des Europarates in der Zusammensetzung seiner Außen- oder Justizminister, im
Rahmen eines Verfahrens, in dem lediglich der verurteilte Staat, nicht mehr aber die
beschwerdeführende Person Parteistellung hat, sodass es einzig und allein dem Staat
obliegt, nachzuweisen, ob er seinen Verpflichtungen aus dem Urteil nachgekommen ist.
Auch die Sanktionsmöglichkeiten für einen unwilligen Staat sind unbefriedigend: es
kann einzig und allein die weitreichende Maßnahme des Ausschlusses aus dem
Europarat verhängt werden, was bis jetzt noch nicht vorgekommen ist.
Der Straßburger Gerichtshof interpretiert die Konvention als lebendiges
Rechtsschutzinstrument, das effektive und keine illusorischen Rechte garantieren will,
und versucht daher immer öfter, über die Konventionsrechte auch aktuellen
Rechtsschutzbedürfnissen gerecht zu werden, ohne dass dies vom Wortlaut der Rechte
her zwingend wäre, indem er die in der Regel lapidar formulierten Rechte entsprechend
weit interpretiert.4 Die Urteile des Gerichtshofs bewirken nicht nur Gerechtigkeit im
Einzelfall und allenfalls Änderungen von Rechtspraxis und Gesetzgebung im
betroffenen Staat, sondern beeinflussen auch die Rechtsordnungen anderer Staaten,
die sich an der Rechtsprechung Straßburgs orientieren, um Verurteilungen in
vergleichbaren Fällen zu entgehen. Auf diese Weise trägt der Gerichtshof maßgeblich
zur Vereinheitlichung und Harmonisierung europäischen Rechts bei.
Neben der EMRK hat der Europarat noch eine Reihe anderer menschenrechtlicher
Übereinkommen geschaffen:
 Die Europäische Sozialcharta wurde 1961 als Pendant zur EMRK im Hinblick auf
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte verabschiedet und 1988 sowie 1991
und 1995 durch Zusatzprotokolle ergänzt, eine revidierte Version der Rechte der
3



Charta wurde 1996 verabschiedet und ist 1999 in Kraft getreten. Die Charta
weist allerdings nicht das weit entwickelte gerichtsförmige Rechtsschutzsystem
der EMRK auf. Außerdem hat jeder Staat die Möglichkeit, nach einem
vorgegebenen System lediglich bestimmte Rechte verbindlich anzunehmen. Die
Überprüfung ihrer Einhaltung obliegt einem Sachverständigenausschuß, einem
weiteren Unterausschuß, der Parlamentarischen Versammlung und dem
Ministerkomitee des Europarats einerseits aufgrund von Berichten, die die
Mitgliedstaaten zum Stand der Umsetzung der Charta regelmäßig vorzulegen
haben. Andererseits hat das dritte Zusatzprotkoll von 1995 die Möglichkeit von
Kollektivbeschwerden von Arbeitnehmerorganisationen und Gewerkschaften
wegen unbefriedigender Anwendung der Charta eröffnet Das Ministerkomitee
kann den Staaten, bei denen Mißstände aufgedeckt wurden, jedoch lediglich
Empfehlungen geben. 
Das Übereinkommen zum Schutz der Menschen bei der automatischen
Verarbeitung personenbezogener Daten (kurz „Datenschutzkonvention“) aus
dem Jahr 1981 räumt keine individuellen Rechte ein, sondern verpflichtet nur die
Mitgliedstaaten. Das Übereinkomen enthält Grundsätze für den Datenschutz,
Regelungen zum grenzüberschreitenden Datenverkehr und über gegenseitige
Hilfeleistungen. Zur Überwachung ihrer Einhaltung ist ein Beratender Ausschuß
eingesetzt, der vor allem Vorschläge zur Erleichterung oder Verbesserung der
Anwendung des Übereinkommens geben kann. 
Einen gänzlich anderen Weg verfolgt das Europäische Übereinkommen zur
Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder
Strafe (kurz „Anti-Folter-Konvention“). Diesem geht es nicht um eine
nachfolgende justitielle Kontrolle oder begleitende Überwachung durch
ExpertInnen, sondern ausschließlich um Prävention. Ohne die Begriffe „Folter
und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe zu definieren
oder näher auszuführen (das Übereinkommen setzt hier allerdings das
Verständnis des einschlägigen Artikels 3 der EMRK voraus), wurde zu diesem
Zweck ein Ausschuß von Fachleuten verschiedenster Disziplinen (JuristInnen,
ÄrztInnen, PsychologInnen, StrafvollzugsexpertInnen etc.) eingesetzt, der die
Aufgabe hat, über seine Beobachtungen Berichte zu verfassen und den Staaten
Verbesserungen des Schutzes von Personen vorzuschlagen, denen die Freiheit
entzogen ist. Dieses Übereinkommen hat insofern große Wirksamkeit entfaltet,
als die Staaten durch die Möglichkeit der Veröffentlichung der Berichte unter
politischen und den Druck der öffentlichen Meinung geraten, wenn Mißstände
aufgezeigt werden oder wenn aufgrund der geäußerten Kritik keine
wirkungsvollen Maßnahmen zu deren Beseitigung ergriffen werden. 
Den Schutz ethnischer Minderheiten versucht – neben der Europäischen Charta
der Regional- und Minderheitensprachen von 1992, die den Zweck hat, die
Sprachenvielfalt Europas zu erhalten – insbesondere das Europäische
Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten aus dem Jahre
1994 sicherzustellen. Dieses Übereinkommen enthält alle wesentlichen Rechte
von Angehörigen ethnischer Minderheiten, wie etwa das Recht auf
Sprachgebrauch oder auf Unterricht der und in der Minderheitensprache, das
Recht auf topographische Aufschriften usw., wobei den Staaten allerdings ein
weiter Ermessensspielraum in der Umsetzung dieser Rechte eingeräumt wird.
Das Rechtsschutzsystem ist schwach ausgebildet und besteht in einer
Berichtspflicht der Staaten gegenüber dem Ministerkomitee des Europarats, der
4
in seiner Kontrollbefugnis dabei von einem Beratenden Ausschuß unabhängiger
ExpertInnen unterstützt wird.
Im Jahr 1999 hat der Europarat das Amt eines Kommissars für Menschenrechte mit
dem Mandat geschaffen, sich für Menschenrechtsausbildung und Bewußtseinsbildung
im Bereich der Menschenrechte einzusetzen, menschenrechtliche Defizite in den
Rechtsordnungen und in der Rechtspraxis der Mitgliedstaaten aufzuzeigen sowie die
wirksame Beachtung der Menschenrechte im Rahmen der Institutionen des Europarats
zu unterstützen.
3. Die „Menschliche Dimension“ der OSZE
Einen gänzlich anderen Menschenrechtsschutz offeriert die derzeit 55 teilnehmende
Staaten umfassende Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
(OSZE, von 1975-1994: KSZE, Konferenz). Während der Europarat vor allem durch
individuelle Beschwerdemöglichkeiten Rechtsschutz im Einzelfall ermöglicht und mit
Berichtssystemen zur Entwicklung menschenrechtlicher Standards beiträgt, stellt die
OSZE den Menschenrechtsschutz in ein umfassendes Sicherheitskonzept (das
„Sicherheitskonzept für das 21. Jahrhundert“), das auf einem permanenten politischen
und diplomatischen Dialog beruht (daher sind auch fast alle Dokumente des KSZE- und
OSZE-Prozesses wohl politisch, nicht aber rechtlich bindend, was nicht unwesentlich zu
dessen Flexibilität und damit aber auch zu dessen nicht unbeträchtlichem Erfolg
beigetragen hat). Friede und Sicherheit, so das Konzept der OSZE, sind nur über die
Entwicklung demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen sowie den Schutz der
Menschenrechte langfristig zu gewährleisten. Gerät ein Baustein ins Wanken, so ist der
gesamte systematische Zusammenhalt gefährdet.
Als die OSZE noch KSZE hieß, waren die Menschenrechte, wie sie in den
grundlegenden Dokumenten – allen voran der Helsinki-Akte von 1975 – verankert
wurden, noch ein Faktor des Kalten Krieges. Jede Einmischung in Fragen der
innerstaatlichen Umsetzung von Menschenrechten wurde von Seiten des „Ostblocks“
als „Einmischung in die inneren Angelegenheiten“ eines Staates bezeichnet, und
insbesondere auch die USA wiesen Vorwürfe der kommunistischen Staaten, wonach im
„Westen“ soziale Menschenrechte verletzt würden, strikte zurück. Das wurde mit dem
Kollaps der kommunistischen Systeme anders. Auf dem Wiener Treffen der KSZE
1986-1989 vollzog sich ein Paradigmenwechsel: Die Frage der Gewährleistung der
Menschenrechte wurde nunmehr zu einer grundsätzlichen internationalen
Angelegenheit. Daraus resultieren auch die neuen Konzepte und Programme der
OSZE, die sich nicht nur in der Entwicklung menschenrechtlicher Standards erschöpfen
(wie insbesondere über das Wiener Abschlußdokument 1989 und das Dokument des
Kopenhagener Treffens der sogenannten „Menschlichen Dimension“5 von 1990,
sondern darüberhinaus versuchen, mit Hilfe einer Langzeitpolitik konkrete Beiträge zur
(insbesondere präventiven) Sicherung und Förderung der Menschenrechte zu leisten.
Dies erfolgt vor allem durch
 eine rege Missionstätigkeit in Staaten mit ernsthaften menschenrechtlichen
Problemen, derzeit insbesondere in den in schwierigen
Transformationsprozessen befindlichen GUS-Staaten, mit der Aufgabe zu
beobachten und zu berichten, aber auch vertrauensbildende Maßnahmen zu
setzen und Streitschlichtungsversuche zu unternehmen; (Peacemaking) 
5




„Early-Warning“-Mechanismen, wie insbesondere den Hochkommissar über
nationale Minderheiten, der präventiv Staaten besucht, in denen ethnische
Konflikte zu eskalieren drohen, und mit großem Erfolg auf einer vertraulichen
Basis Vermittlungsdienste anbietet; 
Ausbildungsprogramme für Berufssparten (RichterInnen,
VerwaltungsbeamtInnen, RechtsanwältInnen, NGOs etc.), in deren Arbeit
Menschenrechte eine Rolle spielen) und Know-how-Transfer (etwa
Expertenunterstützung bei der Ausarbeitung nationaler Grundrechtssysteme); 
Wahlbeobachtung (als Beitrag zur Realisierung freier demokratischer Wahlen)
und 
neuerdings Teilnahme an Peacekeeping- und Peacebuilding-Missionen der
internationalen Staatengemeinschaft in post-Konflikt-Staaten, so vor allem
Beteiligung an den Übergangsverwaltungen sowie dem politischen und
gesellschaftlichen Wiederaufbau in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo.
4. Menschenrechtsschutz in der Europäischen Union
Im Vergleich zu den anderen, schon erwähnten europäischen Organisationen ist der
Menschenrechtsschutz innerhalb der EU noch relativ schwach ausgebildet, obgleich
nicht verkannt werden darf, dass alle 15 EU-Staaten über eigene nationale
Grundrechtskataloge verfügen und auch Mitgliedstaaten der Europäischen
Menschenrechtskonvention sind, womit sie der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) unterliegen. Abgesehen davon hat der
Europäische Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mit Sitz in Luxemburg
(EuGH) in seiner Rechtsprechung stets Maß an der EMRK und der Praxis des EGMR
genommen, obgleich die EMRK nicht formell zum Rechtsbestand der EU gehört. Seit
dem Vertrag von Amsterdam 1997 besagt auch Artikel 6 des EU-Vertrags, dass die
Union die Grundrechte achtet, wie sie in der EMRK gewährleistet sind.6 Im
sogenannten „Primärrecht“ der Union (das sind vor allem die Verträge über die drei
Gemeinschaften und die Union) sind dagegen lediglich die sogenannten „Vier
Freiheiten“ (Waren-, Dienstleistungs-, Kapital- und Personenverkehr), das
Diskriminierungsverbot, die Gleichheit der Geschlechter sowie das Wahlrecht zum
Europäischen Parlament und das Kommunalwahlrecht als Grundrechte verankert.
Derzeit besteht nur ein eingeschränkter individueller Grundrechtsschutz durch den
EuGH selbst, der nur dann wirksam wird, wenn ein EG-Rechtsakt für eine Person
unmittelbare Wirkung entfaltet, ohne dass nationale Behörden dazwischengeschaltet
sind. In diesem anderen Fall obliegt es den nationalen Instanzen, eine Rechtssache, die
sich auf EG-Recht stützt, aber gegen Grund- und Menschenrechte verstoßen könnte,
dem EuGH zur sogenannten „Vorabentscheidung“ vorzulegen, die in der Folge
Maßstab für die innerstaatliche Entscheidung wird.
Einen gewissen Rechtsschutz vermag auch noch der/die Bürgerbeauftragte des
Europäischen Parlaments zu leisten, an den/die sich Personen, die in der Union leben,
mit Beschwerden wenden können, in denen sie Mißstände in der Tätigkeit der Organe
und Institutionen der EG (mit Ausnahme der Gerichte) bekämpfen können. Der/die
Bürgerbeauftragte kann die behaupteten Mißstände untersuchen und einen Bericht
darüber verfassen, der dem Europäischen Parlament zugeleitet wird, das sich mit der
Angelegenheit befassen kann.
Nunmehr auf dem Weg zu einem umfassenden politischen Gemeinwesen, einer immer
dichter werdenden eigenen Rechtsordnung und einem starken Binnenmarkt mit
6
einheitlicher Währung, muss sich das menschenrechtliche Defizit der Union aus
folgenden Gründen rasch ändern:
 Nach Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam regelt die EU unter dem
programmatischen Titel „Schrittweiser Aufbau eines Raums der Freiheit, der
Sicherheit und des Rechts“ äußerst menschenrechtssensible Bereiche innerhalb
der sogenannten „ersten Säule“ (also innerhalb des Gemeinschaftsrechts),
nämlich die Kontrolle der Außengrenzen, die Visaerteilung, das Asylrecht und die
Einwanderung, sowie die gerichtliche Zusammenarbeit in Zivilsachen. 
 Die verbleibenden Bereiche der „dritten Säule“ („Zusammenarbeit in den
Bereichen Justiz und Inneres“), nämlich „Bestimmungen über die polizeiliche und
justitielle Zusammenarbeit in Strafsachen“, werden eine engere Zusammenarbeit
vor allem der Polizei- und Zollbehörden unter Einbindung von Europol und der
Justizbehörden sowie eine Annäherung der Strafvorschriften der Mitgliedstaaten
hinsichtlich organisierter Kriminalität, Terrorismus und Drogenhandel bringen. 
 Zunehmend bedrohen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz sowie die
Tendenz, Europa zu einer uneinnehmbaren „Festung“ für Vertriebene,
Flüchtlinge und politisch Verfolgte zu machen, Benachteiligte, Schwache,
Andersartige und Andersgläubige. 
 Moderne Kommunikationstechnologien greifen immer intensiver in bisher
unberührte und kaum geschützte Bereiche des privaten Lebens ein. 
 „Turbokapitalismus“ und Globalisierung haben das soziale Netz durchlässiger
gemacht und unterminieren soziale Rechte, die zudem in keinem Mitgliedstaat
grundrechtlich garantiert und durchsetzbar sind.
Diesen Entwicklungen sucht die auf dem Gipfel von Nizza im Dezember 2000
unterzeichnete Grundrechtscharta der Europäischen Union entgegenzuwirken. Sie
wurde innerhalb kürzester Zeit im sogenannten „Grundrechtskonvent“, dem
PolitikerInnen und Fachleute angehörten, unter Einbeziehung der Öffentlichkeit
(insbesondere über das Internet) ausgearbeitet und enthält sowohl zivile und politische,
als auch soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte sowie gewisse Solidaritätsrechte.
Die Charta leidet nicht nur unter schwerwiegenden systematischen, dogmatischen und
Formulierungsmängeln, sondern ihr fehlen auch die rechtliche Verbindlichkeit und damit
ein effektives Durchsetzungsinstrumentarium. Das politische Mandat, das am Gipfel von
Köln 1999 dem Grundrechtskonvent erteilt wurde, hat wegen der Uneinigkeit der
Unionsstaaten die Antwort nach ihrer Rechtsqualität und Justitiabilität der Zukunft
überlassen. Damit liegt uns heute lediglich eine Grundrechtsdeklaration vor, an der sich
möglicherweise zwar der EuGH in seiner Rechtsprechung
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