KRANKENBERICHT über einen Patienten der Chirurgischen

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KRANKENBERICHT
über einen Patienten der Chirurgischen Veterinärklinik.
Die Untersuchung findet am 2.3.2000 in der Zeit von 9.00-9.30 Uhr in der Poliklinik der
Chirurgischen Veterinärklinik statt.
Anamnese
Seit August 1999 hat die Hündin Schwierigkeiten beim Aufstehen und zeigt einen schwankenden
Gang. Es wurde ein Cauda-equina-Kompressionssyndrom diagnostiziert, welches im November
1999 operiert wurde. Außerdem fiel röntgenologisch eine rechtsseitige hochgradige Coxarthrose
auf. Seit der Operation ist noch eine geringgradige Lahmheit der rechten Beckengliedmaße zu
beobachten, leichte Probleme beim Aufstehen bestehen immer noch.
Der Hund ist regelmäßig geimpft und entwurmt.
Signalement
Bei dem zu untersuchenden Tier handelt es sich um die Deutsche Schäferhündin „Anima“. Die
Fellfarbe ist rassetypisch schwarz-braun. Die Hündin ist am 4.2.1995 geboren und wiegt 33 kg.
Besitzerin ist.
Allgemeine klinische Untersuchung
„Anima“ belastet alle vier Gliedmaßen gleichmäßig. Sie ist aufmerksam und nimmt an der
Umgebung teil. Ernährungs- sowie Pflegezustand sind als gut zu bezeichnen. Die Pulsfrequenz
beträgt 76 während die Atemfrequenz aufgrund des Hechelns nicht zu bestimmen ist. Die
Körperinnentemperatur beträgt 38,8 °C.
Spezielle klinische Untersuchung
Haare/ Haut
Das Haarkleid ist geschlossen, dicht und glänzend. Haarausfall, Juckreiz und Parasiten sind nicht
feststellbar. Der Hautturgor ist erhalten, auch ansonsten weist die Haut keinerlei Veränderungen
auf.
Schleimhäute
Die Konjunktival- und Maulschleimhäute sind rosa-rot, feucht, glatt, glänzend und ohne
Auflagerungen.
Lymphsystem
Die Lnn. mandibulares, cervicales superficiales und poplitei sind nicht vergrößert und von prallelastischer Konsistenz. Sie sind gut abgrenzbar, verschieblich und weder vermehrt warm noch
schmerzhaft.
Zirkulationsapparat
Die kapilläre Rückfüllzeit an der Maulschleimhaut liegt unter 2 Sekunden. Die Episcleralgefäße
sind nicht injiziert und gut konturiert.
Die Herzfrequenz liegt bei 76 Schlägen pro Minute. Der Herzschlag ist kräftig, regelmäßig, gut
abgesetzt und es sind keine Nebengeräusche zu auskultieren.
Die Pulsfrequenz stimmt mit der Herzfrequenz überein. Die Pulswelle ist kräftig, regelmäßig,
gleichmäßig und symmetrisch. Die Arterien sind gut gefüllt, die Arterienwände gut gespannt.
Respirationsapparat
Wegen des durch Aufregung bedingten Hechelns ist die Atemfrequenz nicht zu bestimmen. Die
Auskultation der Lunge ergibt keine Anzeichen einer gestörten Atemfunktion.
Der Brustkorb ist symmetrisch.
Verdauungsapparat
Futter- und Wasseraufnahme sowie Kotabsatz sind physiologisch. Die Bauchdecke ist locker und
die Palpation des Abdomens nicht schmerzhaft. Palpatorisch ergeben sich keine auffälligen
Befunde.
Bewegungsapparat
Im Stand belastet der Hund die Gliedmaßen gleichmäßig. In der Bewegung ist bei allen Gangarten
eine mittelgradige Lahmheit der rechten Beckengliedmaße zu beobachten. „Anima“ belastet das
Bein nur vorsichtig und die Schrittlänge ist verkürzt.
Die Zehengelenke sowie das Tarsal- und Kniegelenk der rechten Beckengliedmaße sind
physiologisch gut beweglich. Es sind keine Umfangsvermehrungen, Schmerzhaftigkeit oder
vermehrte Wärme festzustellen. Ebenfalls ist keine abnorme Beweglichkeit oder Krepitation
auszulösen. Der Tibiakompressionstest ist negativ und es ist kein Schubladenphänomen auslösbar.
Bei Manipulationen am Hüftgelenk zeigt die Hündin große Schmerzen, die Rotation des Gelenkes
ist deutlich eingeschränkt. Die Palpation der Knochen ist unauffällig. Bei der Weichteilpalpation
erscheinen die Oberschenkel- und Glutaealmuskulatur verspannt.
Die Untersuchung beider Schultergliedmaßen und der linken Beckengliedmaße ergibt keinen
besonderen Befund.
Nervensystem
Die Oberflächensensibilität wird über den Panniculusreflex geprüft und ist bei „Anima“ unauffällig.
Der Gang ist weder schwankend noch unsicher und die propriozeptiven Korrekturreaktionen
erfolgen spontan, so daß auch die Tiefensensibilität als ungestört zu bezeichnen ist.
Die zerebralen Reflexe (Droh-, Lid- und Corneareflex) sind physiologisch.
Die spinalen Reflexe (Bizeps-, Trizeps- und M. extensor carpi radialis-Reflex an den
Vordergliedmaßen sowie Patellarsehnen-, Achillessehnen- und M. Tibialis cranialis-Reflex an den
Hintergliedmaßen) sind ebenfalls ohne besonderen Befund.
Weiterführende Untersuchungen
Auf der ventrodorsalen Röntgenaufnahme des gestreckten rechten Hüftgelenkes sind Femurkopf
und –hals unregelmäßig begrenzt, der Femurhals ist verdickt. Am cranialen Rand des Acetabulum
befindet sich eine Ausziehung. Der Gelenkspalt ist stellenweise verengt. Es sind hochgradige
arthrotische Veränderungen zu sehen.
Diagnose
Bei „Anima“ liegt eine rechtsseitige, hochgradige, chronische Coxarthrose vor.
Differentialdiagnosen
1.)Osteochondrosis dissecans
2.)Luxation des Hüftgelenkes: a) traumatisch bedingte Femurkopfluxation
b) angeborene Hüftgelenksdysplasie
3.)Arthritis
4.)Frakturen an Becken und Femur
5.)aseptische Femurkopf-, Femurhalsnekrose (Calvé-Legg-Perthes Disease)
6.)Tumoren der Gelenke und des Skelettsystems
7.)Ankylose (A. incompleta)
8.)Synoviale Osteochondromatose
Epikrise
Bei der chronischen Arthrose handelt es sich um eine fortschreitende deformierende Arthropathie
(Gelenkaffektion). Sie zeigt bei verschiedenen Haustieren typische Lokalisationsmuster. Es sind in
der Regel ältere Tiere betroffen.
Die Äthiologie der Arthrose ist vielfältig. So kann die Arthrose auf der Grundlage von
Stellungsanomalien, Fehl- und Überbelastungen, Vitamin- und Mineralmangelernährungen,
altersbedingten Abnutzungen und genetisch verankerten Mesenchymschwächen entstehen. Weitere
Ursachen können andere Gelenkerkrankungen sein, wie Arthritis, Hüftgelenksdysplasie, CalvéLegg-Perthes Disease, Femurkopfluxation oder ein instabiles Kniegelenk. Außerdem ist die
Arthrose eine spezifische orthopädische postoperative Komplikation. Ein Gelenk, dessen
Standwinkel durch die Arthrodese eines benachbarten Gelenkes verändert wurde, kann später mit
einer Arthrose reagieren.
Die Arthrose kann folglich primär oder sekundär auftreten.
Obwohl Arthrosen zeitweise durch entzündlich-resorptive wie proliferative Geschehnisse
charakterisiert sind, sind sie trotzdem grundsätzlich von den entzündlichen Gelenkleiden zu
trennen. Die Veränderungen sind Äquivalente rasch fortschreitender oder chronischer
Umgestaltungen von Gelenken. In der Regel beginnen chronische Arthrosen mit Defekten (Usuren)
und Degenerationen des Gelenkknorpels: Gelenkknorpelschwund führt dazu, daß sich im
knöchernen und subchondralen Bereich der Gelenkmatrix Einbrüche mit Blutungen, Nekrosen und
Zysten einstellen. Nimmt der Verschleiß des Gelenkknorpels zu, so bilden sich seitens der Bälkchen
des Knochenmarkraumes resorptiv-proliferative Prozesse. Diese bauen einerseits den geschädigten
Gelenkknorpel ab und schaffen andererseits eine derbe, knöcherne Gelenkfläche, welche später
Schliffusuren und Abflachungen zeigt. An den Gelenkrändern bilden sich Knochenproliferate ( v.a.
sogenannte Pommer´sche Randwülste). Außerdem werden durch die Deformierungsprozesse
kronenförmige Pfannenrandwülste und bindegewebige Verdickungen von Gelenkkapsel sowie
Stratum synoviale induziert. Folglich zeigt sich eine zottige Umgestaltung in der Kapsel,
gelegentlich ist auch die Bildung von lipom-, chondrom- und osteomartigen Hyperplasien zu
beobachten.
Bei der klinischen Untersuchung von Patienten, die an chronischer Arthrose leiden fallen
Schmerzhaftigkeit und eine Einschränkung der Bewegunsfähigkeit, welche vor allem auf
periartikulären Knochenzubildungen beruht, auf. Außerdem sind sekundäre Folgeschäden (wie z.B.
Muskelatrophie) und Lahmheit zu beobachten.
Die Sicherung der Diagnose erfolgt durch das Röntgenbild: Der röntgendurchlässige Gelenkspalt
besteht aus den beiden sich gegenüberliegenden Knorpelbereichen mit dem dünnen Synovialfilm
der Gelenkoberfläche, welcher sie voneinander trennt. Der Gelenkknorpel selbst ist auf der
Röntgenaufnahme nicht direkt sichtbar. Ein verengter Gelenkspalt läßt auf eine Verdünnung des
Gelenkknorpels schließen, wie sie bei der Arthrose (Osteochondrose), aber auch bei Infektionen
und Tumoren der Gelenkkapsel vorkommt. Ein verdickter Gelenkknorpel bedingt einen
verbreiterten Gelenkspalt. Dies ist bei verschiedenen Stadien der Osteochondrose der Fall.
Die Diagnose lokal umschriebener Knorpelverluste läßt sich nur mit Hilfe eines positiven
Kontrastmittels stellen, welches die Defekte ausfüllt.
Die röntgenologisch nachweisbaren Veränderungen stimmen allerdings nicht immer mit den
funktionellen Störungen überein.
Epikrise der Differentialdiagnosen:
Die Chondrosis bzw. Osteochondrosis dissecans zählt zu den bevorzugt bei raschwüchsigen
Jungtieren auftretenden Arthropathien. Bevorzugte Lokalisationen sind Schulter-, Ellenbogen-,
Knie-, Tarsal- und Karpalgelenk. In seltenen Fällen tritt die OCD auch am Hüftgelenk auf und liegt
dann meist beidseitig vor. Betroffen sind heranwachsende Junghunde, etwa ab dem 6.
Lebensmonat. Die Ursache ist in einer Überlastung zu suchen, welche zu einer Hyperplasie des
Gelenkknorpels führt. Folglich verschlechtert sich die diffusionsabhängige Versorgung tiefer
Knorpelschichten, so daß diese degenerieren, Spalten aufweisen und schließlich nekrotisch werden.
Wenn sich eine flächige Massennekrose gebildet hat kommt es zur Ablösung der oberflächlichen
Gelenkknorpelschichten unter dem Bild der Chondrosis dissecans. Bleibt die Ausbildung einer
flächigen Massennekrose aus, so erfolgt ein Einbruch in die nekrotischen Areale. Die
Osteochondrosis dissecans ist dadurch gekennzeichnet, daß sich Knochenteile mit ablösen,
und/oder die Nekrose vom subchondralen Knochengewebe ausgeht. Oft besteht parallel eine
Chondrodysplasie mit Hyperplasie, mangelhafter Ossifikation und Degenerationserscheinungen im
Wachstumsknorpel. In beiden Fällen kommt es in der Knochenmatrix im Bereich der Defektareale
zur Markfibrose. Da das hier untersuchte Tier 5 Jahre alt ist, ist diese Differentialdiagnose
auszuschließen.
Bei der Luxation des Hüftgelenkes sind die traumatische Femurkopfluxation und die angeborene
Hüftgelenksdysplasie, bei welcher der Femurkopf subluxiert ist, zu unterscheiden.
Die beim Hund selten vorkommende traumatisch bedingte Femurkopfluxation kommt
vorwiegend beim ausgewachsenen Tier (>1 Jahr) vor. Bei Welpen und Hunden die sich noch im
Wachstum befinden, sind die Femurkopfepiphysen und der Femurhals noch nicht so kräftig wie die
Gelenkkapsel und das Ligamentum capitis ossis femoris, so daß es hier weitaus häufiger zu
Femurkopfepiphysen- und Femurhalsfrakturen als zu Femurkopfluxationen kommt.
Die Luxation liegt fast immer einseitig vor.
Da der Femurkopf nur vom Ligamentum capitis ossis femoris, der Gelenkkapsel und der
periartikulären Muskulatur im Acetabulum gehalten wird, kann eine Luxation relativ leicht
erfolgen. Als Ursache kommt äußere Gewalteinwirkung in Frage, wie dies bei Verkehrsunfällen,
Stürzen aus großer Höhe und Bewegungsunfällen der Fall ist. Die Luxation beruht allerdings
weniger auf direkter traumatischer Einwirkung auf das Hüftgelenk als auf indirekten Dreh- und
Hebelwirkungen. Das Ligamentum capitis ossis femoris und die Gelenkkapsel zerreissen hierbei
fast immer. Als Folge ist die Gelenkpfanne mit Bandresten, Knorpel- und Knochenanteilen,
Blutkoagula und später auch mit proliferierten Kapselanteilen und fibrösem Gewebe gefüllt, was
die Reposition erschwert oder sogar verhindert. Die periartikuläre Muskulatur ist überdehnt oder
zerrissen. Da der Femurkopf nach Luxation außerhalb des Acetabulum liegt, kommt es zu
Abreibungen mit Zerstörung des Knorpelüberzugs, wobei das Ausmaß der Schädigung von der
Intensität und Dauer der Einwirkung abhängt. Außerdem sind degenerative Veränderungen
beschrieben.
Bei dem größten Teil der Patienten ist der Femurkopf nach craniodorsal (90 %) verlagert,
seltener auch nach cranioventral (3 %) und sehr selten nach caudodorsal oder –ventral.
Ist der Femurkopf nach craniodorsal luxiert, hält das Tier das luxierte Bein typischerweise leicht
angewinkelt und adduziert. Der Femurkopf liegt dem Os ilium lateral an. Das Ligamentum capitis
ossis femoris sowie Teile der Gelenkkapsel sind zerrissen. Im Vergleich zur gesunden Seite steht
der Trochanter major deutlich hervor und der Abstand zwischen verlagertem Trochanter major und
Tuber ischiadicum ist vergrößert. Zur Sicherung der Diagnose gibt es drei Untersuchungsmethoden:
1.: Der Untersucher drückt an der eingedrehten Gliedmaße den Daumen zwischenTrochanter major
und Tuber ischiadicum. Wird das Bein nun bei erhaltenem Daumendruck nach außen gedreht und
der Daumen dabei nicht durch den Trochanter major weggedrängt, muß die Verbindung zwischen
Femurkopf und Acetabulum unterbrochen sein. 2.: Triangel-Test: Zwischen Trochanter major,
Darmbeinschaufel und Sitzbeinhöcker der verletzten Gliedmaße wird ein imaginäres Dreieck
gebildet und mit der Kollateralseite verglichen. Bei Luxation des Femurkopfes nach craniodorsal ist
das Dreieck flacher, bei Luxation nach ventral breiter als normal. Hierbei muß besonders beachtet
werden, daß auch eine beidseitige Luxation möglich ist. 3.: Gliedmaßenlänge-Test: Beim
anästhesierten, auf dem Rücken liegenden Tier erscheint das luxierte Bein bei maximaler Streckung
der Gliedmaße nach caudal verkürzt. Werden die gestreckten Gliedmaßen im Hüftgelenk maximal
gebeugt, so ist die luxierte Gliedmaße länger.
Bei der Femurkopfluxation nach caudodorsal oder –ventral hält das Tier den Oberschenkel
abduziert, wobei das Kniegelenk nach innen und das Sprunggelenk nach außen rotiert sind.
Palpatorisch kann ein verringerter Abstand zwischen Trochanter major und Tuber ischiadicum
festgestellt werden. Beim Gliedmaßenlänge-Test erscheint die betroffene Gliedmaße leicht
verlängert. Ein großes Risiko bei der Caudalluxation ist die Möglichkeit einer Verletzung des
Nervus ischiadicus. Eine Luxation nach ventral birgt das Risiko, daß sich der Femurkopf im
Foramen obturatum verkeilt und so den Nervus obturatorius schädigt.
Bei der orthopädischen Untersuchung von „Anima“ konnten keine Anzeichen für eine
Femurkopfluxation gefunden werden.
Die zweite Form der Hüftgelenksluxation stellt die angeborene Hüftgelenksdysplasie dar, bei der
der Femurkopf subluxiert ist. Dies ist die häufigste Erkrankung des Hüftgelenkes. Es handelt sich
um eine postnatale Entwicklungsstörung des Hüftgelenkes, welche auf hereditär, komplex
polygener Disposition beruht. Außerdem nehmen zahlreiche Umweltfaktoren in unterschiedlichem
Maße einen Einfluß. Am häufigsten sind Hunde großer Rassen betroffen. In der Regel ist die
Hüftgelenksdysplasie zum Zeitpunkt der Geburt noch nicht nachweisbar, da sie sich erst im Laufe
des Skelettwachstums entwickelt. Aufgrund eines mangelhaften Gelenkschlusses bzw.
Gelenklockerung übt der Femurkopf einen unphysiologischen und unzureichenden formativen Reiz
auf das Acetabulum aus, so daß die Gelenkpfanne abgeflacht wird. Als weitere Ursachen für die
Abflachung werden folgende angesehen: frühjuveniles Trauma, Chondrosen, andere rassebildende
oder spontan auftretende Skelettdysplasien, chromosomale Ursachen, extraskelettale
Stoffwechselstörungen, immunologische Primärerkrankungen, septische und toxische Einflüsse und
andere entzündliche Prozesse im Hüftgelenkbereich. Die dysplastische flache Pfanne bietet dem
Femurkopf nur ungenügend Halt, so daß es zu einem Circulus vitiosus kommt: Ungleichmäßige
und kleinflächige Belastung des Gelenkknorpels sowie unphysiologische Überbeanspruchung
sämtlicher gelenkbildender Gewebe bedingen degenerative Prozesse am Gelenkknorpel und den
darunterliegenden Knochen. Es folgen mannigfaltige Gewebereaktionen, welche einen Versuch
darstellen, daß insuffiziente Gelenk zu stabilisieren. Das klinische Bild ist sehr komplex, vielseitig
und wandlungsfähig. Es beruht auf funktionellen Störungen des Hüftgelenkes, chronischen
Schmerzen und zunehmender Muskelatrophie. Symptome sind Nachhandschwäche, ungenügende
Kontrolle des Bewegungsablaufes mit gestörter Rotations- und Abduktionsbeweglichkeit,
Vermeiden schnellen Trabes, Bevorzugung des Galopps und Spiel- und Bewegungsunlust. Später
kommt es zur Muskelatrophie. Der Verlauf kann sowohl akut sein (in einem Alter von 4-8
Monaten), als auch chronisch (bei ausgewachsenen Tieren).
Bei der Arthritis handelt es sich um eine Gelenkentzündung, welche akut oder chronisch verlaufen
kann. Primäre Arthritiden werden weitaus häufiger diagnostiziert als sekundäre. Sie sind Folge
einer Perforation von Haut, Subcutis und Gelenkkapsel, bei der von der Haut aus und durch den
kontaminierten Fremdkörper Bakterien in das Gelenk gelangen. Eine primäre Arthritis kann auch
iatrogen durch Gelenkpunktion, Arthroskopie oder Arthrotomie ausgelöst werden. Die sekundäre
Arthritis entsteht hämatogen. Klinisch zeigen Tiere mit Arthritis eine hochgradige Lahmheit, das
betroffene Gelenk ist geschwollen und schmerzhaft. Oft werden Gelenkwunden und allgemeine
Krankheitserscheinungen (Fieber, reduziertes Allgemeinbefinden, reduzierte Futteraufnahme, ...)
gefunden. Eine Arthritis kann bei „Anima“ ausgeschlossen werden, da sie nur eine mittelgradige
Lahmheit zeigt und es keine Hinweise auf Gelenkwunden oder andere Traumata gibt.
Beckenfrakturen gehören zu den am häufigsten auftretenden Frakturen. Äthiologisch sind vor
allem Verkehrsunfälle, Stürze aus großer Höhe, Schläge und Schußverletzungen von Bedeutung.
Stoffwechselstörungen, hereditäre Knochenerkrankungen und seltener auch Tumoren gelten als
prädisponierende Faktoren. Beckenfrakturen sind selten offen und kontaminiert. Da das Becken
einen Ring bildet, kommen praktisch nie Monofrakturen vor. Isolierte Abrisse von
Knochenvorsprüngen am Becken ohne Einbeziehung des Beckenringes sind eher selten. Das
klinische Bild variiert je nach Lokalisation, Schwere und Ausdehnung der Verletzung von
geringgradigen, gemischten Lahmheiten bis zur Unfähigkeit zu stehen. Häufig sind adspektorisch
eine Asymmetrie des Beckens und lokale Schwellungen festzustellen. Die definitive Diagnose wird
radiologisch gestellt. Der Femur ist der bei Kleintieren am häufigsten gebrochene Röhrenknochen
(25 % aller Frakturen). Die Symptomatik ist sehr unterschiedlich und hängt vor allem von der
Lokalisation der Fraktur ab. Am auffälligsten ist die Hangbeinlahmheit, oft ist auch eine
Seitenasymmetrie vorhanden. Bei Femurkopf- und –halsfrakturen kann Krepitation ausgelöst
werden. Eine Fraktur kann bei „Anima“ aufgrund des Röntgenbildes ausgeschlossen werden.
Bei der aseptischen Femurkopf-, Femurhalsnekrose (Calvé-Legg-Perthes Disease) liegt eine
Rassedisposition für Miniaturrassen vor. Meistens ist nur eine Gliedmaße betroffen. Die Krankheit
geht immer mit einer vermehrten Sklerosierung im Bereich des basalen Femurkopfes oder des
Oberschenkelhalses einher, die genaue Ursache und Pathogenese sind allerdings weitgehend
unbekannt. Fest steht, daß eine mangelhafte Durchblutung des Femurkopfes, welche durch
verschiedene Störfaktoren (wie hormonale, vaskuläre, metabolische und genetische Dysregulation)
zustande kommt, einen besonderen äthiologischen Stellenwert hat. Es zeigen sich kleinere oder
größere, meistens sogar multifokale ischämische Knochennekrosen. Das klinische Bild beginnt
meist im Alter von 4-12 Monaten mit einer geringgradigen Lahmheit der Hinterhand, welche sich
über einen Zeitraum von bis zu 2 Monaten zu einer hochgradigen Lahmheit verschlechtert. Die
Lahmheit wird von zunehmender Atrophie der Glutaeal- und Oberschenkelmuskulatur begleitet.
Abduktion sowie Rotation sind sehr schmerzhaft. Die ventro-dorsale Röntgenaufnahme mit
gestreckten Hintergliedmaßen zeigt eine Deformation des Femurkopfes. Da eine Prädisposition für
Zwergrassen vorliegt und die betroffenen Tiere sehr jung sind, kann diese Differentialdiagnose bei
dem untersuchten Hund ausgeschlossen werden.
Tumoren der Gelenke: Primärtumoren kommen an Gelenken sehr selten vor, und sind dann in der
Regel nur an einem der gelenkbildenden Knochen zu finden. Sekundär können aber alle
Weichteiltumoren der Gliedmaßen in die Gelenke einwachsen. Meist sind dann die Knochen
beidseits des Gelenkes betroffen. Das Synovialzellsarkom ist ein Tumor, welcher fast ausschließlich
im Bereich der Gelenke vorkommt. Es scheint eine Prädisposition für ältere, großrassige und
männliche Tiere zu geben, grundsätzlich können aber alle Tiere erkranken. Das Synovialzellsarkom
entsteht vermutlich „de novo“ aus mesenchymalen Zellen unspezifischen Bindegewebes aus der
Nachbarschaft von Gelenkkapsel oder Sehnenscheide. Es verhält sich lokal aggressiv und zeigt
infiltratives Wachstum, vor allem entlang der Gewebsschichten. Sekundär wird das Periost befallen,
später bricht der Tumor in den Knochen und das Gelenk ein. Die Wachstumsrate ist sehr
unterschiedlich, Metastasen treten relativ spät auf. Klinisch zeigen die betroffenen Tiere
unspezifische Lahmheiten und eine derbe, mehr oder weniger schmerzhafte Weichteilschwellung
im Bereich eines Gelenkes.
Tumoren des Skelettsystems gehen meistens von den Knochen aus. Solche primären
Knochentumoren sind überwiegend bösartig. Sekundäre Knochentumoren sind zum einen
Knochenmetastasen, zum anderen invasive Tumoren, welche von den angrenzenden Weichteilen in
den Knochen einwachsen. Überwiegend erkranken ältere Tiere großwüchsiger Rassen. Bei der
Anamnese wird von keinem Trauma berichtet. Klinisch fallen Schmerzhaftigkeit, Lahmheit,
neurologische Ausfälle sowie offensichtliche Umfangsvermehrungen auf. Auch diese
Differentialdiagnose kann bei „Anima“ ausgeschlossen werden, da keine Weichteilschwellung zu
beobachten ist.
Die Ankylose ist als pathologische Versteifung eines Gelenkes definiert, bei der der
Bewegungswinkel des Gelenkes zunehmend eingeschränkt wird. Ursachen hierfür sind fibröse oder
knöcherne intraartikuläre Verwachsungen, periartikuläre Verknöcherungsprozesse sowie
Schrumpfung oder Verdickung der Gelenkkapsel.
Prädilektionsstellen für die synoviale Osteochondromatose sind das Hüft- und Kniegelenk.
Hierbei befinden sich Corpora libera im Gelenk. Diese freien Gelenkkörper werden zunächst als
Chondrome von der Synovialmembran der Gelenkkapsel gebildet. Dieser Prozeß ist die Folge eines
vermutlich metaplastischen „Irrtums“ der Synovialzellen. Zu Anfang sind die Chondrome noch
über Synovialzotten mit der Gelenkkapsel verbunden. Diese Verbindungen reißen durch
mechanische Beeinflussung ab und die Chondrome verknöchern bzw. verkalken vom Zentrum her.
Die Chondrome werfen keine Röntgenschatten, so daß zu ihrem Nachweis eine
Kontrastarthrographie nötig ist. Mit zunehmender Verknöcherung werden Nativaufnahmen
möglich. Bei der synovialen Osteochondromatose kommt eine klinisch symptomfreie latente Form
vor, nicht selten sind aber auch mäßige intermittierende Schmerzen bzw. „Einklemmphänomene“
zu beobachten. Hierbei weisen sonst symptomfreie Hunde plötzlich ein blockiertes Gelenk auf. Das
Gelenk wird erst wieder frei, wenn sich das verursachende Chondrom wieder gelöst hat.
Therapie
Bei der Hündin wird eine Femurkopf- und –hals-Resektion durchgeführt.
Anästhesie
Da der Eingriff sehr schmerzhaft ist erfolgt eine Prämedikation mit 0,1-0,2 mg/kg Polamivet als
Analgetikum und 1 mg/kg Diazepam. Diazepam wirkt anxiolytisch, antikonvulsiv, antiaggressiv,
sedierend, hypnotisch und zentral muskelrelaxierend. Die Narkose wird mit einer Injektion von 610 mg/kg Ketamin (Analgesie, oberflächlicher Schlaf, Katalepsie) und 1-3 mg/kg Xylazin
(analgetisch, sedativ/hypnotisch) eingeleitet. Nach Intubation wird die Narkose über Inhalation von
Isofluran erhalten. Während der Narkose wird die Hündin beatmet und mit Monitoring (CO2, Pleth)
überwacht.
Operation
Der Zugang zum Hüftgelenk erfolgt von cranial über einen ca. 15 cm langen Hautschnitt. Hiernach
wird der Femurkopf durch überwiegend stumpfe Präparation freigelegt. Nun wird mit einer
oszillierenden Säge der Femurhals an seiner Basis, unmittelbar am Femurschaft mit glatter
Schnittfläche abgesetzt. Nach Durchtrennen des Ligamentum teres werden Femurkopf und –hals
entfernt. Während der Resektion ist besonders darauf zu achten, daß der Nervus ischiadicus nicht
geschädigt wird. Wichtig ist, daß Knochenkanten oder –vorsprünge mit einer Feile geglättet
werden, da sie sonst am Acetabulum reiben und so erhebliche Schmerzen verursachen können. Die
Gelenkkapsel wird besonders im dorsalen Bereich mit einem resorbierbaren Faden (2-0 Biosyn) mit
Einzelheften genäht. So wird bei Belastung der Gliedmaße ein Vorbeigleiten des Femur am
Acetabulum möglichst vermieden. Faszie und Unterhaut werden fortlaufend mit einem
resorbierbaren Faden genäht. Die Hautnaht erfolgt mit Einzelheften.
Nachbehandlung
Eine Bewegungstherapie, welche möglichst bald nach der Operation begonnen wird, wirkt sich
sehr günstig auf die Heilung aus. Am besten geeignet sind Maßnahmen, bei denen ein großer
Bewegungsumfang erreicht wird, wobei aber möglichst wenig Gewicht auf dem Hüftgelenk lastet.
Dies kann durch Physiotherapie mit Massage, passiver Bewegung, Schwimmen,
Elektrostimulation, ... erreicht werden. Um einer drohenden Muskelatrophie vorzubeugen und die
„Nearthrose“-Bildung zu fördern sind häufige, kurze Spaziergänge an der Leine anzuraten, sobald
der Patient die Gliedmaße wieder belastet.
Prognose
Nach Femurkopfresektion ist die Prognose um so günstiger, je geringer das Körpergewicht des
betroffenen Tieres ist. Da „Anima“ 33 kg wiegt muß damit gerechnet werden, daß sie eine
geringgradige Lahmheit beibehält.
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