Medikamente - Fachdidaktik Chemie ETH

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Kurs: Medikamente S. 1
Fachdidaktik Chemie ETH
Medikamente
Vorkenntnisse: Enzyme sind wählerisch
Labor: Substratspezifität von Trypsin und Chymotrypsin
http://www.swisseduc.ch/chemie/labor/tryp_chymotryp/docs/exptryps.pdf (21.5.12)
O
H
N
O
H
N
+ H2O
O
O
O
+
HO
+ H+
+
HO
+ H+
O
NH
H2N
NH
NH2
H2N
NH2
N-Benzoyl-L-arginin-ethylester
O
H
N
O
H
N
+ H2O
O
O
O
O
OH
OH
N-Benzoyl-L-tyrosin-ethylester
Im Gegensatz zu Phenylalanin ist die Seitenkette von Arginin positiv geladen. Diese Ladung ist
entscheidend für die Spezifität.
aus: R. E. Dickerson & I. Geis, Chemie - eine lebendige und anschauliche Einführung, Verlag
Chemie, Weinheim (1981)
Amadeus Bärtsch
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4.9.2015
Kurs: Medikamente S. 2
Fachdidaktik Chemie ETH
Die Substratspezifität von Trypsin
Quelle: M. Jäckel et al. (Hrsg.), Lehrerband von Chemie heute SII, Schroedel, Hannover, 1988
Am Computer können die Enzyme dreidimensional dargestellt und die Spezifität von Trypsin und
Chymotrypsin verglichen werden: http://www.swisseduc.ch/chemie/molmod/anwendungen/index.html
Amadeus Bärtsch
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4.9.2015
Kurs: Medikamente S. 3
Fachdidaktik Chemie ETH
Medikamente
Enzyme gezielt blockieren
Erkenntnisse
 Meist wirken Medikamente in dem sie Enzyme gezielt blockieren
 Wenn man Krankheiten biochemisch verstanden hat, können Medikamente entwickelt werden,
die die Ursache bekämpfen
 Wie können Nebenwirkungen vermieden werden?
1. Bsp. Allopurinol gegen Gicht – ein gutes Konzept
NZZ: Gicht - eine alte Wohlstandskrankheit
Ein ausgezeichneter Zeitungsartikel zu üppigem Essen, Harnsäure und plötzlichen
Gelenkschmerzen. Früher ein Leiden der Oberschicht, ist die Gicht längst zur Volkskrankheit
geworden, bei deren Entstehung die Ernährung eine wesentliche Rolle spielt. Moderne Medikamente
haben die oft zu Verkrüppelungen führenden Spätfolgen inzwischen selten gemacht. (Neue Zürcher
Zeitung; 03.05.2006; Seite 65 zu finden auf der Plattform)
Ursache für die Erkrankung sind Harnsäurekristalle in den Gelenken, die die Reibung drastisch
erhöhen und zu Entzündungen führen.
Exp. Harnsäure in Wasser
Vorgehen
Eine Spatelspitze
Harnsäure in 200 ml
Wasser geben und rühren.
Wenig Bromthymolblau,
dann Natronlauge
zugeben und rühren
Mit 2 M Salzsäure sauer
stellen und rühren
Skizze
kleine Stücke
farblose, transparente
Lösung
einige Kristalle am
Boden
Beobachtung
Das Gemisch ist trübe
Das Gemisch wird klar
Das Gemisch bleibt klar.
Es dauert mindestens 1
Stunde bis Kristalle zu
sehen sind.
Erklärung
Harnsäure ist schwer löslich
Harnsäure gibt ein H+ ab
und erhält eine negative
Ladung, die das Molekül
wasserlöslich macht.
Harnsäure kristallisiert
verzögert.
Gichtanfälle sind
schubweise
Amadeus Bärtsch
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4.9.2015
Kurs: Medikamente S. 4
Fachdidaktik Chemie ETH
Labor: Xanthinoxidase hemmen
Der Abbau von DNA führt über Hypoxanthin zu Harnsäure, die sich schlecht in Wasser löst. Wenn
die Konzentration zu gross ist, kann Harnsäure in den Gelenken auskristallisieren und Gicht
hervorrufen.
Weil Allopurinol dem Hypoxanthin gleicht, passt es auf das aktive Zentrum von Xanthinoxidase. Eine
kompetitive Hemmung vermindert die Harnsäurebildung.
Andere Enzyme sind nicht betroffen, weil Enzyme spezifisch sind und Allopurinol nur auf die
Xanthinoxidase passt. Deshalb wird das Medikament gut vertragen.
Details und Versuchsanleitung sind auf http://fdchemie.pbworks.com eingestellt.
2. Bsp: Antibiotika gegen Bakterien
Antibiotika sind ausgezeichnete Medikamente, weil sie
sehr gut wirken und die Bakterien im menschlichen
Körper – also die Ursache der Infektion – bekämpfen.
Sie verhindern die Vernetzung der Zellwand von
Bakterien. Da Menschen keine Zellwand besitzen,
werden Antibiotika gut vertragen.
Resistente Bakterien besitzen Plasmide, die Lactamase – ein Enzym, das Antibiotika inaktiviert –
erzeugen.
H
N
S
O
N
O
O
O
H
Penicillin G
Auf molekularer Ebene lässt sich die Wirkung gut erklären: Antibiotika besitzen einen gespannten
viergliedrigen Ring. Die Ringspannung macht das Antibiotikum reaktionsfähig und führt zu einer
kovalenten(!) Bindung an das bakterielle Enzym. (J. Koolman et al., Taschenatlas der Biochemie,
Thieme, S. 93, 1994)
-Lactamase, die von resistenten Bakterien gebildet wird, öffnet den Ring und das Antibiotikum wird
inaktiv bevor es auf das Vernetzungsenzym trifft.
Amadeus Bärtsch
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4.9.2015
Kurs: Medikamente S. 5
Fachdidaktik Chemie ETH
3. Bsp. Sulfonamide gegen Bakterien
Sulfonamide hemmen die ersten beiden Stufen der Synthese von Folsäure und damit das Wachstum
von Bakterien. Auch Menschen können nicht ohne Folsäure auskommen. Im Unterschied zu den
Bakterien nehmen Menschen Dihydrofolsäure aber mit der Nahrung auf. Sulfonamide wirken
deshalb gezielt gegen Bakterien. (Unterrichtsmaterial von Roger Deuber ist auf
http://swisseduc.ch/chemie/sulfonamide zugänglich)
H2N
Bakterien
N
N
H
N
O
OH
N
COOH
H2N
NH2
O
OH
p-AminobenzoesЉ
ure
PABA
Dihydropteridin
H2N
N
Enzym:
DihydropteroinsЉ
ure-Synthase
H
N
N
CH2
OH
HN
DihydropteroinsЉ
ure
N
N
Menschen
nehmen
DihydrofolsЉ
ure
mit der
Nahrung auf
H
N
N
OH
CH2
HN
N
H
N
OH
N
H
N
H2N C CH2CH2 COOH
+
H
COOH
GlutaminsЉ
ure
Enzym:
DihydrofolsЉ
ure-Synthase
DihydrofolsЉ
ure
H2N
Sulfonamide hemmen
DihydropteroinsЉ
ure-Synthase,
ein Enzym das nur in Bakterien
vorkommt.
COOH
N
H2N
S NH2
O H COOH
C N C CH2CH2 COOH
H
Enzym:
DihydrofolsЉ
ure-Reduktase
CH2
HN
TetrahydrofolsЉ
ure
O H COOH
C N C CH2CH2 COOH
H
Neben der Erklärung des Wirkmechanismus zeigt Roger Deuber mit dem pdb-Viewer, warum
Sulfonamide stärker an die in die aktive Stelle passen als das Substrat. Die Schülerinnen erfahren in
einer selbständigen Arbeit, wie Enzyme am Computer dargestellt und die Wirkung von
Medikamenten optimiert werden können.
Amadeus Bärtsch
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4.9.2015
Kurs: Medikamente S. 6
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4. Bsp. Acetazolamid erhöht die Wasserausscheidung – ein schlechtes
Medikament
Labor: Sulfonamide hemmen Carboanhydrase (Anleitung auf http://fdchemie.pbworks)
Zuerst wird das Enzym Carboanhydrase aus Schweineblut isoliert. Weil jeder Schritt erklärt werden
kann, lohnt es sich die Vorschrift mit den Schülerinnen zu hinterfragen.
Carboanhydrase ist ein Enzym, das die Reaktion von Kohlendioxid mit Wasser beschleunigt:
CO2 + H2O
HCO3- + H+
+
Dabei entsteht Hydrogencarbonat und H
Nach der Isolation wird die Zeit bis zum Farbumschlag des Indikators Phenolrot gemessen. Das
Medikament Acetazolamid hemmt die Carboanhydrase. Es dauert länger bis der Indikator die Farbe
ändert.
Carboanhydrase kommt in vielen menschlichen Zellen vor. Sie ist wichtig für die Rückresorption von
Wasser in der Niere, erleichtert die Bildung von Kohlendioxid in der Lunge und anderes mehr.
Mit dem Carboanhydrasehemmern soll mehr Wasser ausgeschieden werden. Acetazolamid wird bei
Glaukom (Grünem Star) verschrieben, weil es den osmotischen Druck und damit die Wassermenge
im Auge vermindert. Zudem wird es zur Vorbeugung der Höhenkrankheit eingesetzt. Bei der
Höhenkrankheit bildet sich Wasser in der Lunge. Wie beim Glaukom verstärkt Acetazolamid auch
hier die Wasserausscheidung. Es erhöht die Urinmenge, senkt den Blutdruck, steigert die
Ausscheidung von Hydrogencarbonat, Kalium- und Natrium-Ionen und führt zu einer leichten
Azidose. Wegen der vielfältigen Wirkung von Carboanhydrase führt die Hemmung zu einem
Medikament mit Nebenwirkungen. Erwünscht ist die vermehrte Wasserausscheidung. Die andern
Effekte müssen in Kauf genommen werden.
Auch Sulfamethoxazol wird getestet: Dieses Sulfonamid hat keine Wirkung auf die Carboanhydrase.
Sulfamethoxazol ist ein Medikament gegen bakterielle Infektionen. Es hemmt die Synthese von
Folsäure und soll die Carboanhydrase nicht beeinflussen. Bei einer Bekämpfung der Infektion soll ja
nicht der Blutdruck gesenkt werden.
Die Resultate des Labors führen zum nächsten Abschnitt in dem mit den Skelettformeln der
Medikamente gezeigt wird wie Nebenwirkungen verhindert werden können.
Amadeus Bärtsch
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4.9.2015
Kurs: Medikamente S. 7
Fachdidaktik Chemie ETH
Nebenwirkungen verhindern
Der erste Satz zu Nebenwirkungen in meinem Pharmakologiebuch heisst:
"Wenn behauptet wird, dass ein Medikament keine Nebenwirkungen zeigt, so besteht der
dringende Verdacht, dass es auch keine Hauptwirkung hat." (G. Kuschinsky, zitiert aus
E. Mutschler, Arzneimittelwirkungen, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, S. 73, 1986)
Es lohnt sich den ausgezeichneten Aufsatz von John Emsley über die Risiken von Medikamenten zu
lesen. (siehe "Nebenwirkungen.Emsley.doc" auf http://fdchemie.pbworks)
Im Menschen hemmen Sulfonamide die Carboanhydrase. In Bakterien unterbinden Sulfonamide die
Bildung von Folsäure. Mit geeigneten Gruppen kann die Wirkung gesteuert werden:
O
H2N
S
H
N
passt nicht auf
die Carboanhydrase
N
O
O
Sulfamethoxazol
kaum Nebenwirkungen
Wirkstoff von Bactrim
Hemmung der
FolsЉ
uresynthese
in Bakterien
O
NH2
S
NH2
O
Sulfanilamid
wird nicht verkauft.
Wegen Nebenwirkungen
als Medikament unbrauchbar
beeinflusst
Bakterien nicht
O
N
N
H
N
O
S
O
S
hemmt die
Carboanhydrase:
Wasser wird vermehrt
ausgeschieden.
Augendruck sinkt.
Nebenwirkungen:
- Blutdruck sinkt
- mehr HCO3-, K+ & Na+
wird ausgeschieden
- Azidose
NH2
Acetazolamid
einige Nebenwirkungen
NH
O
S
S
S
O
O O
Dorzolamid
kaum Nebenwirkungen
Amadeus Bärtsch
NH2
hemmt die Carboanhydrase im
Auge.
Augendruck sinkt, weil Wasser
ausgeschieden wird
keine weiteren Wirkungen,
weil Dorzolamid auf das Auge
getropft und nicht eingenommen
wird
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4.9.2015
Kurs: Medikamente S. 8
Fachdidaktik Chemie ETH
Vorlage für ein Arbeitsblatt
Nebenwirkungen verhindern
Im Menschen hemmen Sulfonamide die Carboanhydrase. In Bakterien unterbinden Sulfonamide die
Bildung von Folsäure. Mit geeigneten Gruppen kann die Wirkung gesteuert werden:
O
H2N
S
H
N
N
O
O
Sulfamethoxazol
O
NH2
S
NH2
O
Sulfanilamid
O
N
N
O
S
S
N
H
NH2
O
Acetazolamid
NH
O
S
S
S
O
NH2
O
O
Dorzolamid
Amadeus Bärtsch
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4.9.2015
Kurs: Medikamente S. 9
Fachdidaktik Chemie ETH
Vorlage für ein Arbeitsblatt
Sulfonamide gegen Bakterien
Sulfonamide hemmen die ersten beiden Stufen der Synthese von Folsäure und damit das Wachstum
von Bakterien. Auch Menschen können nicht ohne Folsäure auskommen. Im Unterschied zu den
Bakterien nehmen Menschen Dihydrofolsäure aber mit der Nahrung auf. Sulfonamide wirken
deshalb gezielt gegen Bakterien.
H2N
N
H
N
N
COOH
H2N
OH
N
OH
p-AminobenzoesЉ
ure
PABA
Dihydropteridin
H2N
N
Enzym:
DihydropteroinsЉ
ure-Synthase
H
N
COOH
N
N
CH2
H2N
+
C CH2 CH2 COOH
OH
HN
DihydropteroinsЉure
H2N
N
H
N
H
COOH
GlutaminsЉ
ure
Enzym:
DihydrofolsЉ
ure-Synthase
N
N
CH2
OH
HN
O
C
H
N
COOH
C CH2CH2 COOH
H
DihydrofolsЉ
ure
H2N
N
Enzym:
DihydrofolsЉ
ure-Reduktase
H
N
N
OH
CH2
N
H
HN
TetrahydrofolsЉ
ure
Amadeus Bärtsch
O
C
H
N
COOH
C CH2 CH2 COOH
H
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4.9.2015
Kurs: Medikamente S. 10
Fachdidaktik Chemie ETH
Literatur
F. Helbling, Arzneimittel als Enzymhemmer, Praxis der Naturwissenschaften - Biologie, 4/45. Jg.,
S.10 (1996). Hier sind die Experimente zu Gicht und Carboanhydrase beschreiben.
Populärwissenschaftliche Texte zu Medikamenten
Expeditionen in die Wissenschaft", Band 1, S. 201-205, Wiley-VCH Verlag, Weinheim (2006)
Empfehlung: Klaus-Heinrich Röhm, Pillen aus dem PC, S. 201-205
Auftrag: Schülerinnen lesen den Abschnitt über Tamiflu und stellen den Mechanismus als Skizze
dar.
C. Bartels et al., Tabletten, Tropfen und Tinkturen, Wiley-VCH, Weinheim (2005)
Rechts ein Ausschnitt aus dem Inhalt:
Empfehlung:
Schmerzmittel, S1ff.
Die Wirkung von Aspirin wird erklärt.
Mit Chemie gegen Krebs,
Wirkungsweise von Cytostatika, S.246ff.
M. Reitz, Gene, Gicht und Gallensteine, Wiley-VCH, Weinheim (2001)
Tipp von Amadeus Morell
http://biochemical-pathways.com/#/map/1
Amadeus Bärtsch
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