Der innere und der äußere Meister

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Der innere und der äußere Meister
von Hilde Dressel
In einigen spirituell interessierten Kreisen der westlichen Welt, besonders im
deutschen Sprachraum, wird aus dem Wissen der großartigen Tatsache, dass jeder
Mensch das Göttliche in sich trägt, die Folgerung gezogen, ein äußerer Meister sei
überflüssig, denn den größten Meister habe man ja in sich selbst in einer ständigen
Gegenwart und Unmittelbarkeit des Einflusses, wie sie auch der beste äußere
Meister nicht herstellen könne. Manche in der westlichen Welt lebende Schüler
werden sich mit dieser Auffassung immer wieder auseinanderzusetzen haben, bis sie
zu der Erkenntnis herangereift sind, dass der innere und äußere Meister eines sind –
eine Tatsache, deren sich aber leider kaum jemand bewusst ist.
Was kann man zu einer solchen Ablehnung des größten spirituellen Geschenks,
nämlich der Annahme durch einen wahren Meister sagen? Zunächst einmal ganz
einfach dies: Wer ablehnt – aus welchen Gründen auch immer, tut dies aus
Unwissenheit über die wahren Zusammenhänge. Er hat noch nicht das rechte innere
Verhältnis zum lebenden Meister gefunden. Nicht der Ablehnende entscheidet,
sondern der Meister und damit das göttliche Gesetz. Warum das göttliche Gesetz so
bestimmt, wissen wir nicht, aber dreierlei Mitentscheidendes ist uns bekannt: Wer
vom lebenden Meister angenommen ist, wird auf den Pfad unmittelbar zurück zu Gott
gestellt. Dazu sind nur wenige geeignet. Wer vom Meister angenommen wurde, hat
dieses Geschenk durch karmische Verdienste in früheren Leben erworben. Wer vom
Meister angenommen wird, muß eine Sehnsucht zurück in die göttliche Heimat in
sich tragen.
Verständnislosigkeit gegenüber dem unvergleichlichen Vorzug der ständigen
Verbindung mit dem lebenden Meister weist ja darauf hin, dass in dieser Richtung in
einem früheren Leben noch nicht gearbeitet wurde. Zu denken, da solche Menschen
deshalb weniger wertvoll seien, als die vom Meister angenommenen, wäre eine
lieblose Anmaßung. Sie haben vielleicht Verdienste in anderer Richtung
angesammelt und sind noch mehr dem äußeren Leben zugewandt, das jedermann
erst zu überwinden hat.
Nun aber zurück zu der einleitend vorgetragenen Theorie, dass ein lebender Meister
zur Erlösung nicht notwendig sei:
Die Wege zu dem Göttlichen in uns sind, um es einmal symbolisch auszudrücken,
mit Unrat und Asche verschüttet. Zwar haben wir Leben, Atem und Sein von Gott,
wie alle Geschöpfe, und insofern besteht natürlich eine Verbindung zum Göttlichen,
aber sie wird den Menschen nur selten bewusst und von den meisten nur in großer
Not oder bei Gefährdung der physischen Existenz bewusst herzustellen versucht.
Das liegt in unserer persönlichen Beschaffenheit. An den üblichen, der Nützlichkeit
und dem Egoismus dienenden Gedanken und Gefühlen nimmt das Göttliche keinen
Anteil, wenn es auch aufgrund des karmischen Gesetzes von Ursache und Wirkung
darum weiß. Solche Gedanken und Gefühle dringen nicht zu Gott vor, auch nicht,
wenn man ihnen die Form eines Gebets gibt.
Was könnte nun zu ihm vordringen und womit können wir seine Aufmerksamkeit auf
uns lenken? Nur unsere echte Sehnsucht, unsere Liebe und demütige Ergebenheit
können Gott bewegen, sich unser anzunehmen und uns dem lebenden Meister zur
Hilfe zuzuführen. Für alle, die diese Eigenschaften nicht aufbringen, scheint der
Sperriegel kaum zu heben zu sein.
Nun ist aber andererseits sicher, dass auch jede Bemühung um Liebe,
Barmherzigkeit und jede echte Hingebung an das Göttliche sogar auf das Genaueste
aufgenommen werden. Auch der unsagbar tröstliche Satz behält seine Wahrheit:
„Gehst du Gott einen Schritt entgegen, so kommt er dir tausend Schritte entgegen.“
Aber dieser eine Schritt von unserer und die tausend Schritte von der anderen Seite,
immer wiederholt, reichen längst nicht aus, um diesen mit Asche vollgepfropften
Tunnel zwischen dem göttlichen und dem menschlichen Bewusstsein frei zu
bekommen und das göttliche Licht so durchzulassen, dass es uns bewusst wird.
Doch weil unser Bemühen bemerkt wurde und weil der oben zitierte Satz seine
Gültigkeit hat, ist eines Tages die große Hilfe da: Wir bekommen Verbindung mit
einem lebenden Meister! Nur mit seiner Hilfe können unser Bemühen und unsere
Anstrengungen, Gott zu erreichen, zum Erfolg führen, weil nur er den richtigen Weg
zu Gott kennt und uns diesen Weg führen kann, den wir nicht allein finden. Wie und
warum kann nur der lebende Meister das tun? Weil er die lebendige Offenbarung von
„Naam“ oder „Shabd“ – dem göttlichen Licht- und Tonprinzip – ist (auch das Wort
oder der heilige Geist genannt) und damit der göttliche Pol der Schöpfer- oder
Christuskraft, die alles erschaffen hat und in allem lebt und wirkt; also auch in jedem
Menschen. Aber der Mensch wird sich dessen nicht bewusst und kann von sich aus
keine bewusste Verbindung dazu herstellen, wenn nicht der lebende Meister ihn
anlässlich der Initiation mit „Naam“ und „Shabd“ verbindet und so den Weg zu Gott
für ihn freigibt.
Nachdem die Verbindung von höchster Wirksamkeit geschaffen wurde, liegt es an
uns, genau nach den Anweisungen des Meisters weiter zu arbeiten, und je mehr wir
das tun und uns an das Licht und den Tonstrom der Meisterkraft halten, desto
schneller wird unser Fortschritt sein, da wir Hilfe und Gnade des Meisters genau im
Maße unserer eigenen Anstrengung erhalten.
Wer glaubt, ohne den Meister auskommen zu können, muß eben vorerst die kleinen,
vorbereitenden Schritte weitermachen, um voranzukommen, bis er eines Tages
erkennen muß, dass er selbst den Pfad und die Tür zum Pfad nicht finden kann,
wenn ihm nicht der Meister zu Hilfe kommt. Aber wer seine Meditationen als Schüler
unter der Führung des Meisters ausführt, erlebt ja ständig, wie unvergleichlich sich
die göttlichen Kräfte (die Meisterkraft) verstärken, die auf den Menschen einströmen.
Aus oben Gesagtem geht hervor, dass es nur e i n e n Meister gibt, der – da er
die personifizierte Meisterkraft ist, sowohl innen als auch außen wirkt. Der Begriff
„Fremderlösung“ ist daher ganz fehl am Platze, den wir werden von keinem
„Fremden“ und nicht von außen her erlöst, sondern der Meister, dessen Kraft bereits
in uns lebt, erlöst uns durch direkte Übertragung seines eigenen Lebensimpulses
und lehrt uns, mit Hilfe von „Naam“ das Körperbewusstsein zu überschreiten, damit
wir uns ins kosmische Bewusstsein und später ins Gottesbewusstsein erheben
können. Größte und stetige Bemühungen des Schülers um Läuterung und
Überwindung des Egos in sich, um Reinheit des Körpers, des Gemüts und der
Gedanken, sowie regelmäßige Meditations-Übungen sind selbstverständliche
Voraussetzungen. Es ist wunderbar zu wissen, dass es das gibt: Daß das göttliche
Bewusstsein, im lebenden Meister voll inkarniert, sich einschaltet, um diejenigen
Brüder und Schwestern, die dafür bereit sind, wieder mit ihrem göttlichen Urgrund zu
vereinen.
Daß die Welt heute durch die Bücher des lebenden Meisters Sant Kirpal Singh au
feine solche Möglichkeit offen hingewiesen wird, ist etwas ganz Neues und gleitet wie
ein Wunder in dieses spirituell verdunkelte Jahrhundert hinein.
Kabir: Ich schlage bescheiden meine Augen nieder und schließe meinen Geliebten in
mein Herz. Ich genieße jede Freude mit meinem Geliebten, aber ich halte meine
Freude vor allen
Menschen geheim !
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