Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter Antike Grundlagen II u. III Einleitung: Von den Anfängen des frühen Christentums bis zur Konstantinischen Wende (Svenja Handke) Brückenbauer zwischen den Epochen (Svenja Handke) Der Konflikt Kaiser Konstantins mit den Heiden (Mustafra Sari) Das Stadtbild Roms unter Kaiser Konstantin (Ellemaj Mareike Degenhardt) Der Freskenzyklus im Silvesterauratorium der Kirche Santi Quattro Coronati (Carmen Lenhart) Die Konstantinische Schenkung – Rezeptionsphänomene im Mittelalter (Elisabeth Schreiber) Zusammenfassende Schlussbetrachtung (Svenja Handke) Seite 1 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter Antike Grundlagen II u. III - Einleitung Von den Anfängen des frühen Christentums bis zur Konstantinischen Wende Rom. Ruft man sich das Bild dieser Stadt ins Gedächtnis, so tauchen unwillkürlich Assoziationen in unseren Köpfen auf, die nicht nur durch die letzte Urlaubsreise sondern vor allem auch durch die Presse geprägt sind. Zu einer dieser Assoziationen gehört ganz gewiss auch das Papsttum. Ob es nun die Bilder vom April 2005 bei der Wahl zum Nachfolger für Johannes Paul den II. waren oder die regelmäßigen Übertragungen von Gottesdiensten auf einem überfüllten Petersplatz – mit Rom verbindet man unweigerlich das Papsttum. Dieses zeugt von einer beeindruckenden Kontinuität. Es gibt kaum eine andere Institution, die auf eine fast 2000 jährige Geschichte zurückblicken kann. Rom wurde zum festen Sitz des Heiligen Stuhls und ist auch heute noch das Zentrum der katholischen Christenheit. Doch warum ist das eigentlich so? Wie hat sich Rom zum Zentrum des christlich-religiösen und politischen Lebens entwickelt, um überhaupt erst einmal ein Papsttum auszubilden? Im Ursprung steht ohne Zweifel das Christentum mit seinen Apostolischen Vätern Petrus und Paulus. Diese sind gleichsam die Quelle der heutigen Assoziation - einem Rom der Päpste. Welche Faktoren haben aber noch zu einem mittelalterlichen Rom, zu einem Rom der Christenheit beigetragen? Wie verlief die Entwicklung, von einem heidnischen zu einem christlichen Rom und wie sind Veränderungen überhaupt sichtbar? Die folgenden Essays bilden nun die vielen Bausteine, die im Ganzen eine Antwort darauf geben sollen. Da sich der Prozess der Transformation Roms als vielschichtig erweist, werden die Veränderungen hier stets aus zwei Perspektiven betrachtet – zum einen aus der religiösen, zum anderen aus der politischen. Dazu werden wir zunächst Petrus und Paulus als Überbringer der christlichen Lehre näher beleuchten, um anschließend auf das frühe Christentum in Rom einzugehen und um zu erklären mit welcher Situation sich die frühen Christen in Rom konfrontiert sahen. Im Anschluss daran werden wir die Perspektive verschieben und auf die Regierungszeit Konstantins und auf die allmählichen Veränderungen im römischen Stadtbild eingehen, um die politischen Aspekte, die zum Einzug des Christentums beitrugen, zu erörtern. Einen Schlusspunkt dieser Überlegungen, bildet die rezeptionsgeschichtliche Wahrnehmung, also die Frage welche Bezugspunkte sich daraus für das Mittelalter ergeben. Seite 2 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter Brückenbauer zwischen den Epochen Svenja Handke 1. Einleitung Rom ist heute eine durch und durch christliche Stadt. Jedoch ist unser Bild von Rom ein durchaus zwiegespaltenes. Auf der einen Seite haben wir antike Assoziationen, wie etwa den Peloponnesischen Krieg, Platons Schriften oder auch eine Unzahl an verschiedenen Gottheiten. Die andere Verknüpfung, die wir zu Rom haben ist eben jene christliche, die uns an den Papst oder Gottesdienste denken lässt. Es fällt uns daher schwer, eine innere Verbindung dieser beiden so unterschiedlichen Rombilder herzustellen. Wie konnte sich das Rom eines Aristoteles in das von Karl dem Großen verwandeln? Schauen wir dabei auf den religiösen Aspekt, baute wohl das Christentum die stärksten Brücken zwischen antikem und mittelalterlichem Rom. Das frühe Christentum ist gleichsam eine Schnittstelle zwischen den Epochen, das sich letztlich nicht nur auf dem Feld der Religiosität verwurzelte, sondern weitere Früchte im politischen Alltag trug. Suchen wir den Anfang der erwähnten Brücken, so stehen dort Petrus und Paulus. Und so ist auch die Inschrift an der Kuppel der Peterskirche in Rom kein Zufall: „Tu es Petrus et super hanc petram aedificabo ecclesiam meam et tibi dabo claves regis coelorum“.1 Petrus und Paulus - Apostel, christliche Missionare und Märtyrer - sind nicht nur entscheidend für das Selbstverständnis des spätantiken oder des mittelalterlichen Roms, sondern auch noch heute die wichtigsten Galionsfiguren dieser Stadt. Petrus und Paulus trugen die christliche Lehre nach Rom und spannten so einen roten Faden der sich epochenübergreifend durch die gesamte Geschichte Roms zieht. Bleiben wir bei den Anfängen des roten Fadens und stellen uns die Frage, wie genau sich der Übergang vom antiken zum mittelalterlichen Rom vollzog. Wie sah das frühe Christentum aus und welche Faktoren begünstigten den Aufstieg Roms zum christlichen Zentrum? Das sind die Kernfragen an denen sich diese Arbeit orientiert. Bei den folgenden Überlegungen wird also auf Petrus und Paulus, den besagten Brückenbauern zwischen den Epochen, eingegangen werden um im Anschluss daran die Situation zu beschreiben, in die sich das Christentum in Rom einfügte und sich weiter ausbildete. Zunächst zu den bereits erwähnten Überbringern. „Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und ich werde dir die Schlüssel des Himmelreiches geben“, siehe: Mt. 16, 18. 1 Seite 3 Antike Grundlagen II u III 2. Das Christentum - Einzug im antiken Rom 2.1. Petrus und Paulus Seminar Rom im Mittelalter Nach der Darstellung des Markusevangeliums gehörte Petrus, ein einfacher Fischer der eigentlich Simon hieß, zu den ersten Jüngern Jesu und begleitete ihn auf seinem Wanderleben durch Galiläa. Petrus Aufgabe als Jünger war von nun an „Menschenfischer“ zu sein2, also die Aufgabe zu missionieren. Jesus bezeichnete ihn als Fels (griechisch: pétros) auf dem er seine Kirche bauen wolle. Darüber hinaus war Petrus der christlichen Lehre nach der erste Mensch, nach Maria Magdalena, der den Auferstanden Jesus gesehen hat. Der Überlieferung nach reiste Petrus später nach Rom, wo er als Leiter einer Gemeinde wirkte und wo er schließlich auf Paulus traf. Paulus (hebräisch: Saulus) war Sohn jüdischer Eltern mit römischem Bürgerrecht. Er war Anhänger der glaubenstreuen jüdischen Pharisäer und reiste zur theologischen Ausbildung nach Jerusalem. Seine Glaubenstreue sorgte dafür, dass er die aufkommende christliche Kirche für eine falsche jüdische Sekte hielt, die es zu verfolgen galt. Gerade auf dem Weg nach Damaskus mit der Aufgabe eine Christenverfolgung zu leiten, begegnete er der Überlieferung nach dem auferstandenen Jesus. Nach dieser Offenbarung veränderte sich sein Leben und er wurde Christ, Apostel und Missionar. Um das Jahr 62 herum kam er nach Rom, wo er etwa zwei Jahre lehrte und predigte. Hier kreuzten sich der Legende nach schließlich die Wege von Petrus und Paulus, wo sie im Jahre 64 nach dem Brand Roms unter Neros Herrschaft den Märtyrertod starben – Petrus am Kreuz, Paulus bei der Enthauptung.3 Der eigentliche Unterschied dieser beiden wichtigen Apostel liegt, um es modern auszudrücken, in der Zielgruppe. Paulus übernahm die Missionsreisen zu nicht-jüdischen Menschen also Heiden, wohingegen Petrus der Ansicht war, dass das Christentum seine jüdischen Wurzeln nicht verleugnen dürfe und somit die Missionierung von Juden im Vordergrund zu stehen habe. Warum bilden nun diese beiden Personen die Pfeiler der christlichen Lehre in Rom? Man kann sagen, dass seit dem 2. Jahrhundert so etwas wie ein christlicher Rom-Mythos4 entstand. Roms Größe und Reichtum waren seit je her herausragend, doch nun kam ein neues Gewicht hinzu: die zwei größten Apostel lebten und starben hier den Märtyrertod. Und was noch wichtiger scheint – sie sind auch hier begraben. Seit dem späten 2. 2 Lk. 5, 10 Zum Brand Roms: Tacitus, Annalen XV 44, 2-5. Zum Tod der Apostel: 1. Clemensbrief 5-6. 4 Siehe: Moeller, Bernd: Geschichte des Christentums in Grundzügen, S. 77. 3 Seite 4 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter Jahrhundert lässt sich beobachten, dass die christliche Gemeinde in Rom die Erinnerung hieran ganz bewusst pflegte. Zunächst waren ihre Gräber noch eher unscheinbarere Lokalitäten und wurden nicht als besondere Stätten hervorgehoben. Dies änderte sich als die Märtyrerkultstätte für Petrus und Paulus bei der späteren Kirche San Sebastiano einen Bedeutungszuwachs erhielt, denn laut Überlieferung war sie der Ort an dem unter der valerianischen Verfolgung im Jahr 258 ihre Reliquien überführt wurden. Noch bedeutender scheint das Kultzentrum des Petrus am Fuß des Vatikanhügels gewesen zu sein, welches vor rund 40 Jahren unter dem Petersdom entdeckt wurde. Um 200 war diese Kultstätte als Triumphmonument des Petrus bekannt, als ein Zeichen seines Sieges über den Tod. Man geht davon aus, dass dieses Denkmal seit dem 2. Jahrhundert als Petrusgrab betrachtet und verehrt wurde. Ende des zweiten Jahrhunderts entstand die Legende, dass an der Stelle an der der Kopf von Paulus abgeschlagen wurde, drei Quellen entstanden. An diesem Ort wurde später die Kirche San Paolo alle Tre Fontane errichtet. Heute liegen seine Reliquien in der Kirche San Paolo fuori le mura und sein Kopf in der Lateran-Kirche, dem Sitz der Päpste seit Konstantin. Wieso scheinen diese Ausführungen von den Kultstätten, Gräbern und Reliquien hier überhaupt relevant? Weil sie eines sehr deutlich zeigen und zwar, dass die Stadt Rom ein großes Stück ihrer christlichen Autorität aus der Darstellung und Wahrnehmung der Apostelgräber zog. Durch die Lehre der apostolischen Nachfolge, der zufolge alle Bischöfe von Rom direkte Nachfolger des Petrus sind, erhielt Petrus und sein Wirken in Rom eine enorme Bedeutung. Dieser grundlegende Prioritätsanspruch der römischen Christenheit gegenüber anderen christlichen Gemeinden zieht sich durch die gesamte Spätantike über das Mittelalter bis hin in die Neuzeit und hat seinen Ursprung im Petrusgrab und in den noch heute vorhandenen Reliquien. Der Tod des Paulus, wie er geschildert wurde, ist durchaus umstritten. Einige Stimmen sprechen sich dafür aus, dass Paulus nicht den Märtyrertod neben Petrus starb, sondern im Jahre 67 eines natürlichen Todes. Doch welche Bedeutung hätte dies für die mittelalterliche Konzeption des doppelten Märtyrertodes der beiden Patrone Roms gehabt? Es sollte daher nicht unerwähnt bleiben, dass das Leben und Sterben der beiden wichtigsten Apostel in Rom, vom Papsttum des Mittelalters in typischer Rezeption aufgewertet und vermutlich ganz bewusst verklärt wurde um Rom als Standort der Heiligkeit einzigartig und unumgänglich Bedeutungsvoll zu machen. Seite 5 Antike Grundlagen II u III 2.2. Seminar Rom im Mittelalter Christen in Rom, dem Ort der religiösen Vielfalt Angesichts der Bedeutung, die Petrus und Paulus zugemessen wird, stellt sich einmal mehr die Frage, was die Apostel eigentlich vorfanden, als sie in Rom eintrafen. Wie war das frühe Christentum organisiert und wie entwickelte es sich dann weiter? Die Situation in die Petrus und Paulus im spätantiken Rom traten, könnte man einfach formuliert als bunte Ansammlung der verschiedensten Sekten bezeichnen. Vom polytheistischen bis zum monotheistischen Glauben war alles an religiöser Vielfalt vorhanden. Das Christentum stellte somit nur eine Sekte unter vielen dar. Man kann sagen, dass diese religiöse Vielfalt und die damit einhergehende grundsätzliche Toleranz gegenüber Sekten aller Art, es dem Christentum überhaupt erst einmal ermöglichte in Rom Fuß zu fassen. Stellen wir uns die Frage, wieso es also angesichts dieser religiösen Vielfalt gerade das Christentum war, das zu enormer Stärke aufstieg, so finden wir die Antwort in mehreren Faktoren. Die Voraussetzung für die Ausbildung eines starken Christentums war zunächst einmal die eindeutige Abgrenzung zu anderen Sekten dieser Zeit. Dass dies nicht grundsätzlich der Fall war, zeigt die Tatsache, dass es für die meisten Römer gar nicht ersichtlich war, ob man nun einem Juden oder Christen gegenüberstand und in aller Regel spielte es ehrlicherweise auch keine Rolle. Der gescheiterte jüdische Aufstand gegen die Römer im Jahre 70 schien dann aber das Bedürfnis der Christen zur Abgrenzung zum Judentum entscheidend vorangetrieben zu haben. Das junge Christentum löste sich nun mehr und mehr von den Traditionen des Judentums und somit schien der Übergang aus der jüdischen in die griechische Welt praktisch vollendet. Der erste Schritt um eine völlig eigenständige und klar abgrenzbare Glaubensgemeinschaft zu bilden, wenn auch mit den gleichen Wurzeln, war getan. Diese Grundsätzliche Abgrenzung zum Judentum als Basis, hob sich das Christentum dann spätestens ab dem 2. Jahrhundert in Rom durch eine verhältnismäßig gut organisierte Armenfürsorge sichtbar gegenüber anderen Sekten ab. Diese ersetzte zunehmend die staatliche Sozialfürsorge der römischen Gemeinde, vor allem auch für Nicht-Bürger, die ja grundsätzlich von der staatlichen Hilfe ausgeschlossen waren. Dies schien gerade für ärmere Volksschichten attraktiv zu sein und so überrascht es nicht, dass sich die Christen in den ersten beiden Jahrhunderten fast ausschließlich aus niederen Volksschichten rekrutierten. Die christliche Nächstenliebe hob sich gegenüber der antiken Wohltätigkeit ab. Frauen und Sklaven waren gleichberechtigte Mitglieder in der christlichen Gemeinde und so stießen auch vermehrt Frauen aus höheren sozialen Rängen zum Christentum. Was zusätzlich das Interesse am Christentum erregt haben dürfte ist zum einen die Sicherung Seite 6 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter eines anständigen Begräbnisses der christlichen Gemeindemitglieder, womit das Christentum in Konkurrenz zu den heidnischen Begräbnisvereinen trat. Zum anderen dürften kleinere Wohltätigkeitsgaben zusätzlich für Anklang beim einfachen Volk gesorgt haben. Eine gewisse Hürde zum Judentum zu konvertieren stellte das Verbot der Beschneidung für Heiden dar und so mag der ein oder andere, der zum Monotheismus tendierte, das Christentum als attraktive Alternative gesehen haben. Was die weitere Ausbreitung des Christentums begünstigte, war die Tatsache, dass die römischen Christen unter der Zeit der so genannten Adoptivkaiser des 2. Jahrhunderts eine Phase der Expansion erlebten. Der römische Staat hatte verhältnismäßig spät übergreifend auf die expandierenden christlichen Gemeinden reagiert. Erst mit Decius, der im 3. Jahrhundert zur ersten reichseinheitlichen Christenverfolgung aufrief, war eine erste große Reaktion sichtbar. Doch zu diesem Zeitpunkt war die Stellung der christlichen Gemeinschaft schon so weit gefestigt, dass man die Christenheit nicht mehr in ihrem Bestand bedrohen konnte. Hinzu kam, dass in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts oft nur kurze Zeit „Soldatenkaiser“ regierten, die sich, zumindest bis Diokletian, um die ständig wachsende christliche Gemeinde in den verschiedenen Provinzen nur wenig kümmerten. Die positiv wahrgenommene Abgrenzung zu anderen Sekten und die Tatsache, dass man auf die stetig wachsende christliche Gemeinde erst mit Decius einheitlich reagierte, ebneten gleichsam den Weg zum langsamen Aufstieg des Christentums. Richten wir den Blick wieder speziell auf Rom um uns die Organisation der Christen anzusehen, so lässt sich erkennen, dass die frühen Christen in Hauskirchen organisiert waren. Die Organisation in Hauskirchen setzte allerdings die Existenz von begüterten Personen voraus, die ihre Privatwohnung zur Verfügung stellten. Dass man die christlichen Gemeinden also zunächst nicht eindeutig wahrnehmen konnte, liegt demnach auch an der Privatheit die durch die Hauskirchen erzeugt wurde. Alles spielte sich im Verborgenen ab. Und so fällt auf die Sozialstruktur der christlichen Gemeinden des 1. Jahrhunderts nur spärlich etwas Licht durch den Römerbrief des Paulus, in dem er Wohlhabende auffordert Almosen an Arme zu spenden. Interessant sind dazu auch die Aussagen aus dem Clemensbrief aus dem Jahre 95, der die stadtrömische christliche Gemeinde als wohlgeordnet, tatkräftig und sich ihrer Vorbildfunktion bewusst beschreibt. Vorbildfunktion? Es mag irritieren, dass eine vermutlich wenig sichtbare Gruppierung einen Vorbildcharakter für alle christlichen Gemeinden haben sollte. Aber wir befinden uns hier Seite 7 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter in Rom und daher gibt es einen ganz selbstverständlichen Prioritätsanspruch der römischen Christen. Abgeleitet wurde dieser Anspruch durch die zwei wichtigsten Apostel Petrus und Paulus, die ja schließlich in Rom wirkten und was noch viel wichtiger ist, auch hier starben. Charakteristisch für das Christentum des 3. Jahrhunderts ist ein wachsendes kirchliches Selbstbewusstsein im Zuge der immer größeren Verbreitung des Glaubens in allen Schichten. Die stadtrömische Kirche wurde immer stärker bürokratisiert. Man richtete neue Bezirke ein, die jeweils einem Diakon unterstellt wurden. Es entwickelte sich eine hierarchisch gegliederte Amtskirche, so dass sich im Jahr 251 nach Schätzungen etwa 30.000 Christen in Rom aufhielten mit etwa 155 Personen die dem Klerus angehörten. Eine weitere organisatorische Veränderung war, dass sich das Bischofsamt als besonderes Aufsichtsamt herausbildete. Auch hier liegt die Begründung im Prioritätsanspruch der römischen Christenheit, die die Amtsträger zu den Nachfolgern der Apostel erklärte. Mit der Konstantinischen Wende, also der Regierungszeit Konstantins, fand eine grundlegende Wandlung in der Stellung der Kirche zum römischen Staat statt. Das Christentum war zu einem gewissen Machtfaktor gewachsen, den man nicht mehr ohne weiteres verfolgen und niederringen konnte. Und so entschied sich Konstantin, die Stellung des Christentums auch rechtlich zu festigen und sie zu einer religio licita, also zu einer erlaubten Religion zu erklären, womit der Startschuss für die Entwicklung einer Reichskirche gesetzt wurde. Die Wandlungen unter Konstantin präsentierten sich auch in Kirchen- und Profanbauten die teilweise im Zentrum Roms ihren Platz fanden. Die Christen stiegen somit endgültig aus der Unsichtbarkeit in die Öffentlichkeit. Zwar waren auch schon die Titel- und Gemeindekirchen und die angeschlossenen Friedhöfe aus dem 2. und 3. Jahrhundert sichtbare Zeichen des Christentums, doch waren diese ausschließlich am Stadtrand zu finden und zeugten von bemerkenswerter Unscheinbarkeit. Im Jahr 330 verlagerte Konstantin seine Hauptstadt in den Osten, indem er durch die Vergrößerung des alten Byzanz Konstantinopel schuf. Während sich hier eine völlige Abhängigkeit des Bischofssitzes vom Kaiser entwickelte, konnte sich in Rom das Papsttum als kirchliches Zentrum völlig frei entfalten. So wurden Konstantinopel und Rom zu Konkurrenten, was sich nicht zuletzt in der Entfremdung von Ost- und Westkirche zeigte. 3. Zusammenfassung Seite 8 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter Petrus und Paulus waren, wenn man es so ausdrücken will, religiöse Baumeister des mittelalterlichen Roms. Sie trugen den christlichen Glauben in die Region und fungierten als Brückenbauer der Epochen. Denn wenn es eine Kontinuität für das Mittelalter gibt, dann ist es der christliche Glaube und einhergehend damit das Papsttum. Im Nachhinein dienten die Apostel bzw. ihre Gräber als Werkzeug für Rom, um den Prioritätsanspruch vor anderen Gemeinden zu begründen. Die Lehre der apostolischen Nachfolge sorgte dafür, dass man das Papsttum auf Petrus zurückführte. Somit war eine unweigerliche und allzeit gültige Verknüpfung mit dem Standort Rom gegeben. Der Einzug des christlichen Glaubens stellt gewiss einen Grundstein der Entwicklungen für das mittelalterliche Rom dar. Das frühe Christentum entwickelte zunächst nur zögerlich eine ungeheure Anziehungskraft im bunten, religiösen Treiben Roms. Aber dieses bunte Treiben und die mit ihr einhergehende Toleranz gegenüber verschiedenen religiösen Ansichten war letztlich ein Faktor, der die allmähliche Verbreitung des Christentums begünstigte. Das Christentum entwickelte sich von kleinen, unorganisierten Hauskirchen zu einer straff organisierten Amtskirche die, durch die Konstantinische Herrschaft begünstigt, gleichsam den Ursprung der Reichskirchen bildet, die uns im Mittelalter wieder begegnet. Doch waren es vielschichtige Ereignisse und Vorgänge, die Rom – ob nun architektonisch, kulturell oder politisch – prägten und die Brücken in die Epoche des Mittelalters schlugen. Von weiteren Brücken wird im Folgenden berichtet um die religiöse Perspektive um eine politische zu erweitern. Quellen- und Literaturverzeichnis Tacitus, Annalen XV 44, 2-5, in: Das frühe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen. Eine Dokumentation, Bd. 1 (Die Christen im heidnischen Staat), Darmstadt 1993, S. 16. Clemens von Rom, Clemensbrief 5-6, in: Das frühe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen. Eine Dokumentation, Bd. 1 (Die Christen im heidnischen Staat), Darmstadt 1993, S. 19. Eusebius, Kirchengeschichte II 25, in: Das frühe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen. Eine Dokumentation, Bd. 1 (Die Christen im heidnischen Staat), Darmstadt 1993, S. 21. Seite 9 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter Laktanz, Über die Todesarten der Verfolger 2, 5-9, in: Das frühe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen. Eine Dokumentation, Bd. 1 (Die Christen im heidnischen Staat), Darmstadt 1993, S. 23. Kolb, F., Rom. Die Geschichte der Stadt in der Antike, München 1995, S. 607-642. Vouga, F., Geschichte des frühen Christentums, Tübingen, Basel 1994. Sommer, W. und Klahr, D., Kirchengeschichtliches Repetitorium. Zwanzig Grundkapitel der Kirchen-, Dogmen- und Theologiegeschichte, Göttingen 1994. Schneider, C., Geistesgeschichte der christlichen Antike, gekürzte Sonderausgabe, München 1970. Moeller, B., Geschichte des Christentums in Grundzügen, 5., verb. und erw. Aufl., Göttingen 1992. Reinbold, W., Propaganda und Mission im ältesten Christentum. Eine Untersuchung zu den Modalitäten der Ausbreitung der frühen Kirche (Forschung zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments, Heft 188), Göttingen 2000, S. 32-182. Lampe, P., Die stadtrömischen Christen in den ersten beiden Jahrhunderten. Untersuchungen zur Sozialgeschichte (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, Reihe 2, Heft 18), 2., überarbeitete und ergänzte Aufl., Tübingen 1989. Pietri, C., Christianisierung der Kaiserlichen Repräsentation der staatlichen Gesetzgebung der römischen Gesellschaft, in: Pietri, C., Pietri, L. (Hgg.) Die Geschichte des Christentums, Bd. 2, Freiburg u.a. 1996, S. 193-241. Gottlieb, G., Flamant, J., Pietri, L., Die Krise des römischen Reiches und die Frage der Religion, in: Pietri, C., Pietri, L. (Hgg.) Die Geschichte des Christentums, Bd. 2, Freiburg u.a. 1996, S. 3-22. Amersfoort, J. van und Oort, J. van (Hgg.), Juden und Christen in der Antike, Kampen 1990. Brown, P., Die Entstehung des christlichen Europa, München 1996. Seite 10 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter Der Konflikt Kaiser Konstantins mit den Heiden Mustafra Sari 4. Einleitung Der Imperator Caesar Flavius Constantinus Pius Felix Invictus Augustus wurde als Gaius Flavius Valerius Constantinus am 27. Februar 274 (nicht eindeutig) in Naissus, in der römischen Provinz Dakien geboren und ist am 22. Mai 337 bei Nikomedia, bei Bithynia et Pontus gestorben. Er war der Sohn des Kaisers Constantius Chlorus und der heiligen Helena. Unter der Herrschaft Kaiser Diocletian und Kaiser Galerius war er hochrangiger Offizier im Heer. Als sein Vater starb, wurde er von den Truppen zum Augustus aufgerufen. 310 entmachtete er Maximianus. 312 rückte er mit einem kleinen Heer über die Alpen vor, eroberte Italien und schlug Maxentius bei Turin und Verona. Er wurde Alleinherrscher im Westen, nachdem er Kaiser Maxentius an der Milvischen Brücke des Tiber bei Rom schlug und Kaiser Maximinus Dia starb. 312 wurde Konstantin vom Senat zum Augustus erhoben. Am 3. Juli 324 besiegte er den Mitkaiser Licinius bei Adrianopel und am 18.09.324 bei Chrysopolis, wonach er Alleinherrscher des Imperium Romanum wurde. Kaiser Konstantin war der erste christliche Kaiser im Römischen Reich. Als er an die Macht kam unterstützte er die Christen im Reich. Im Jahr 313 erlies er mit dem Kaiser des Ostens Licinius das sogenannte Mailänder Toleranzedikt, welches sowohl den Christen als auch überhaupt allen Menschen die freie Vollmacht für die Wahl ihrer Religion gab. Die Gesetze Kaiser Konstantins machten aus der staatlich diskriminierten und phasenweise blutig verfolgten Christen, eine zuerst tolerierte und später eine staatlich anerkannte Religion. Durch das christliche Engagement des Kaisers entstanden Konflikte mit dem Heidentum im Reich, denn das Heidentum galt als die Religion des Römischen Reiches. Besonders die mächtigen Kreise im Reich gehörten dem Heidentum an. Die heidnische Religion war auch stark in der Kultur und damit verbunden im Alltagsleben präsent. Die christliche Religion, monotheistisch, und die heidnische Religion, polytheistisch, widersprachen sich, deshalb war Kaiser Konstantin immer in einem Zwiespalt, das sein Vorgehen beeinflusst hat. Er ist nicht zwar radikal gegen das Heidentum vorgegangen, aber er hat es versucht einzugrenzen. Die Zeit Kaiser Konstantins war der Anfang für die Seite 11 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter Christianisierung des Römischen Reiches, 380 unter Kaiser Theodosius wurde es zur Staatsreligion. 5. Hauptteil: Der Konflikt des christlichen Kaisers Konstantin mit dem Heidentum Kaiser Konstantins Ja zur Kirche verlangte ein Nein zum Heidentum, weil die christliche Religion prinzipiell Vielgötterei ablehnte und das Heidentum Vielgötterei vertrat. Er konnte also prinzipiell die Heiden nicht unterstützen. Nach Erringung der Alleinherrschaft (324) bevorzugte er die Christen im stärkeren Maße. Die Christen bekamen unter seiner Amtszeit immer mehr politische Macht. Sie besetzten wichtige Posten. Die Träger der Kultur waren eigentlich die heidnischen Bildungsschichten des Senatorenstandes und der munizipalen Aristokraten, aber im zunehmenden Maße drang der christliche Klerus in solche Kreise ein. Sein Vorhaben war es, das römische Imperium in ein christliches Imperium umzuwandeln, wobei natürlich Rom eine bzw. die wichtigste Rolle spielte. Die Christianisierungspolitik, aber auch insbesondere die christliche Bautätigkeit hatte ihre Grenzen in Rom mehr als anderswo. Der Grund dafür, die heidnischen Kreise waren in Rom am stärksten. Die christlichen Gemeindehäuser oder die Trophäe des heiligen Petrus auf dem Vatikanischen Hügel in Rom waren unauffällig. Dieser Zustand war für Kaiser Konstantin wahrscheinlich unerträglich, weil er selber Christ war bzw. bei seinem Einzug in Rom Sympathisant der christlichen Religion war. Christliche Gebäude im Zentrum Roms zu errichten war nicht politisch ratsam, weil der heidnische Senat dort seinen Sitz hatte. Deshalb baute Konstantin christliche Gebäuden auf kaiserlichem Besitz, vor allem Basiliken wurden erbaut. Für diese Bautätigkeit konnte ihn keiner verurteilen, weil es sein eigenes Eigentum auf seinem eigenen Grundstück war. Lateranbasilika, Baptisterium und S.Croce in Gerusalemme waren die einzigen Bauwerke, die Konstantin und seine Familie innerhalb der Mauern Roms für die Kirche errichten ließen. Er versuchte auch die christliche Religion für die Öffentlichkeit schmackhaft zu machen, zum Beispiel baute er die in Rom gegründete Kirche so groß und glanzvoll wie möglich, ließ sie prächtig einrichten und reich ausstatten, um so ein neues Bild des Christentum vorzuweisen. Die Bauten auf dem kaiserlichen Besitz trugen aber nicht dazu bei, Rom als die christliche Stadt darzustellen, deshalb hatte er 324/25 den Gedanken Byzanz das „Neue Rom“ zu machen. 330 wurde die Stadt eingeweiht, nun residierte Konstantin in Byzanz, welches nach seinem Tod in Konstantinopel umbenannt wurde. Das „Neue Rom“ wurde zur Hauptstadt des Christentums, er konnte die christlichen Gebäuden bauen, die er in Rom Seite 12 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter nicht bauen konnte, ein paralleler Senat zu Rom wurde im „Neuen Rom“ errichtet. Dieser Umzug spiegelt das Verhältnis Kaiser Konstantins mit dem heidnischen Senat im Rom wieder. In Rom hatte er Grenzen bei der Christianisierungspolitik, im „Neuen Rom“ nicht. Heidnische Kulte an christlich-heiligen Orten wie zum Beispiel Jerusalem wurden von Kaiser Konstantin als „schlimmer Frevel“, als „ruchlose Menschen“, die mit „untergangswürdigen Bildern“ und „unheiligen Opfern“ die Städte entweihen, bezeichnet. Ihm wurde die Unvereinbarkeit von Glaube zu Sonne und Glaube zu Christentum später klar, weshalb der Sonnengott, ein heidnischer Gott, von den Münzen verschwand. Die Sonne ist aus einem Gott zu einem der Werke Gottes geworden. Das Wort „unbesiegbar“ im Kaisertitel wurde durch „Sieger“ ersetzt, weil Unbesiegbarkeit der christlichen Religion widersprach, denn nach der christlichen Religion ist nur Gott unbesiegbar. Kaiser Konstantin lehnte den Anspruch auf Göttlichkeit des Kaisers ab. Seine Meinung zum heidnischen Opferkult: „Ich fliehe alles zu verabscheuende Blut, allen widrigen und unheilbringenden Geruch. Damit befleckt, hat der gesetzeslose und schändliche Irrtum viele Völker ins Verderben gebracht.“ „Die göttliche Fürsorge stellt, was sie den Menschen zu ihrem Bedarfe gibt, nicht in eines jeden Belieben.“ „Aber Gott fordert nur einen reinen Sinn und eine unbefleckte Seele von den Menschen.“ (Dörries, Hermann: Konstantin der Große. Stuttgart 1958, S.135) Konstantin wandte sich vom Opferkult ab, wodurch der heidnische Kult aufgehört hatte, staatserhaltend zu gelten. Der Kaiserkult hatte auch ein Ende gefunden unter seiner Herrschaft. Zum Beispiel ging er auf den Wunsch der umbrinischen Stadt Hispellum ein, ihm und seinem Hause ein Tempel zu errichten und einen eigenen Priester dort einzusetzen. Er forderte das Vorhaben, aber unter einer Bedingung und zwar: „ Das unserem Namen geweihte Gebäude darf nicht vom Trug ansteckenden Aberglaubens befleckt werden.“ (Dörries 1958, S.135) Somit wies er mit größerer Schärfe die Kaiseropfer ab. Der Tempel wurde nur zur Festhalle und der Priester nur zum Leiter der jährlichen Spiele im Tempel. Kaiser Konstantin schloss die heidnischen Tempel nicht, er zerstörte nur 2 phönische und den Jerusalemer Aphroditetempeln, weil sie als unsittlicher Kult und als Entweihung des heiligen Grabes betrachtet wurden. Die christliche Religion des Kaisers wurde auch im Heer eingefärbt, obwohl das Heer heidnisch war. Die heidnischen Soldaten wurden jeden Sonntag auf freiem Feld versammelt, damit sie den Himmelsherren um seinen gnädigen Schutz für Kaiser und Reich anbeteten. Konstantin hatte dafür ein Gebet verfasst: „Wir Seite 13 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter wissen, dass du allein Gott bist. Dich erkennen wir als den König. Dich rufen wir an als den Helfer. Von dir haben wir Sieg empfangen. Durch dich waren wir stärker als die Feinde. Dir wissen wir Dank für die erhaltenden Gaben und hoffen auf künftige. Wir alle bitten dich einständig, du wollest Konstantin, unseren Kaiser, und seine gottgeliebten Söhne für ein langes Leben gesund und siegreich uns erhalten.“ (Dörries 1958, S.136) Mit diesem Gebet wurden die Soldaten in den Vorhof der Kirche gebracht, weil sie eigentlich den christlichen Gott anbeteten und nicht den heidnischen. Als die Freiwilligkeit des Glaubens und als die Zeit der Duldung wird die Amtszeit Konstantins betrachtet, obwohl er gegen die heidnische Religion war und dem Viergötterglaube die Schuld am Niedergang des Reiches gab und die Herstellung des christlichen Gottesdienstes als Glück für das Imperium betrachtete, verbietet er die heidnische Religion nicht. Das Mailänder Edikt ist wie ein klassisches Dokument der konstantinischen Toleranz. Die früher den Bedrängten zu gute gekommene Freiheit der Wahl im Mailänder Edikt, wurde jetzt den Heiden zugesprochen. Kaiser Konstantin legte bei Gott für das Vorgehen gegen die Heiden Rechenschaft. Er richtete sich nicht an seine Untertanen, sondern in Gebetsworten zu Gott: „Dass dein Volk in Frieden lebe, das wünsche ich für das Wohl des Erdkreises und aller Menschen. Des Friedens und der Ruhe sollen sich die Irrenden in gleicher Weise erfreuen wie die Gläubigen. Das wird sie auf den rechten Weg bringen. Keiner soll den anderen beschweren. Ein jeder darf seiner Überzeugung leben.“ „Die Rechtdenkenden müssen gewiss sein, dass nur die heilig und rein leben, die du rufst, zu wirken auf den Grund deiner Gebote. Aber die sich ihnen entziehen, mögen die Tempel des Truges behalten: wir haben das lichte Haus deiner Wahrheit.“ „Wer sich nicht heilen lassen will, rechne die Schuld keinen anderen zu; denn die Kraft der Heilmittel ist offenkundig.“ „Keiner aber darf mit dem, wovon er sich selbst überzeugt hat, dem anderen schaden. Was einer gesehen und erkannt hat, damit soll er, wenn möglich, dem Nächsten nützen, wenn nicht, ihn gehen lassen. Den Kampf für die Unsterblichkeit kann ein jeder nur freuwillig aufnehmen; hier lässt sich nichts mit Strafen erzwingen.“ (Dörries 1958, S.138) Konstantin wurde durch den Sieg in seiner Sendung bestätigt und ruft die neuen Untertanen auf seinen Weg. Ihm reichte es nicht aus den Heiden Religionsfreiheit zu gewähren und Christen Duldsamkeit zur Pflicht zu machen. Er lag vor Gott Rechenschaft ab, begründet, warum er die Tempel nicht schloss und dem Heidentum nicht mit Gewalt entgegentrat. Er dachte im Reiche des Glaubens könne es nur Freiheit geben. Sein Urteil über die Gegenseite war klar: „verderblicher Irrtum“ und „Tempel des Truges“. Seite 14 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter Konstantin wollte die Heiden nicht durch Unterdrückung, sondern durch werbendes Dulden gewinnen. Er hat sie geduldet, obwohl schon in seiner Zeit nicht alle Christen damit einverstanden waren. Sein Gedanke war, dass die heidnische Religion bei vielen tiefverwurzelt war und deshalb ein Verbot nichts bringen würde. Konstantin lehnte Gewalt gegen sie ab und nannte als das Mittel, die Fernstehenden zu gewinnen, das Zeugnis des Nächsten, das Wort. „Der erste christliche Kaiser rät, belehrt, mahnt, warnt, tadelt und öffnet die Tür der Kirche so weit er kann; aber er unterlässt es, den Eintritt zu befehlen oder ihn gar zu erzwingen.“ (Dörries 1958, S.143) 6. Zusammenfassung Als Kaiser Konstantin über das römische Reich herrschte, änderte sich die Position der Christen im Reich. Zuvor waren sie immer die Benachteiligten und Verfolgten im Gegensatz zu den Heiden gewesen. Das Heidentum war die Hauptreligion im Reich. Durch die Christianisierungspolitik im Römischen Reich, die mit Kaiser Konstantin begann und später noch härter und strikter wurde, änderte sich die Position der Heiden. Sie wurden immer mehr zu Unterdrückten. Es folgte sozusagen ein Positionswechsel zwischen Christen und Heiden. Während der Amtszeit Kaiser Konstantins entwickelten sich die Christen, besonders nach dem Mailänder Edikt. Sei hatten jetzt freien Raum für ihre Religion. Der Konflikt zwischen den Heiden und Kaiser Konstantin war nicht radikal, jedoch auch nicht angenehm. Er verachtete ihre Religion, er lehnte Opferkulte und den Kaiserkult ab. Einige heidnische Motive verschwanden auf kaiserlichen Gegenständen. Die heidnische Religion wurde von der Hauptreligion im Reich nur zu einer Religion im Römischen Reich. Die Heiden durften aber ihre Religion weiter praktizieren. Die Begründung dafür war, dass Konstantin die Heiden auch gewinnen wollte. Er wollte sie christianisieren, aber nicht mit Zwang und Unterdrückung, sondern durch duldendes Werben. Zwang würde sie von dem Christentum noch weiter distanzieren. Bei der Christianisierungspolitik und bei dem Bau christlicher Bauten hatte er die größten Hindernisse in Rom. Er konnte im Zentrum Roms keine prächtigen christlichen Bauten errichten lassen, weil der heidnische Senat dort seinen Sitz hatte. Aus diesem Grund baute er nur auf kaiserlichem Grundstück außerhalb der Mauern Roms. Für ihn war es wichtig als Christ auch christliche Einrichtungen zu erbauen. Er konnte nur durch die Veröffentlichung der christlichen Religion die Heiden für den Christentum gewinnen, was Seite 15 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter aber in Rom nicht möglich war. Er entschied sich für die Umsiedlung von Rom nach Byzanz. 330 wurde die neue Stadt Kaiser Konstantins eingeweiht. Sie wurde das „Neue Rom“ genannt. Diese Stadt wurde die „Hauptstadt“ des Christentums. Nach seinem Tod wurde die Stadt ihm zu Ehren Konstantinopel genannt. 7. Quellen- und Literaturverzeichnis Barcelo, Pedro, Kleine römische Geschichte, Darmstadt 2005. Christ, Karl, Die Römer, München 1984. Dörries, Hermann, Konstantin der Große, 2.Aufl., Stuttgart 1958. Friedrowicz, Michael und Gerhard Krieger und Winfried Weber (Hg.), Konstantin der Große. Auflage, Saarbrücken-Ensheim 2006. Heuss, Alfred, Römische Geschichte, 6.Aufl., Paderborn 1998. Langenfeld, Hans, Christianisierungspolitik und Sklavengesetzgebung, Rom 1977. Piepenbrink, Karen, Konstantin der Große und seine Zeit, Stuttgart 2002. Schuller, Wolfgang, Das Römische Weltreich, Mannheim 1997. Voelkl, Ludwig, Der Kaiser Konstantin, Passau 1957. Seite 16 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter Das Stadtbild Roms unter Kaiser Konstantin Ellemaj Mareike Degenhardt 8. Einleitung Über Jahrhunderte hinweg hatte Rom sich durch eine hohe Toleranz in religiöser Hinsicht ausgezeichnet. Mit wenigen Einschränkungen, wie z.B. der Auflage der Anbetung des vergöttlichten Kaisers in jedem Tempel, war gemeinhin jede Religionsausübung gestattet. Im 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung fand jedoch eine entscheidende Veränderung statt: eine Religion, deren Ursprung noch nicht einmal in Rom, sondern in einer eroberten Provinz lag, wurde zur Staatsreligion erklärt – das Christentum. Diese Veränderung zog naturgemäß weitere Veränderungen nicht zuletzt im sozialen Bereich und damit auch im Stadtbild Roms nach sich. Um diese Veränderungen erfassen zu können, muss zuerst ein Blick auf die Gegebenheiten geworfen werden, die vor der Erhebung des Christentums zur Staatsreligion das Stadtbild Roms prägten. Entsprechend der römischen Lebensphilosophie war die Stadt zu republikanischen Zeiten stärker von praktischen Sachzwängen als von dekorativen Kriterien gezeichnet. Die Großstadt, die nach und nach aus dem Tiberdorf hervorgegangen war, bot sich dem Betrachter als „ein eng zusammengebautes Chaos von Häusern und Straßen“5, welches sich über die berühmten Hügel samt dazugehöriger Täler erstreckte. Augustus ordnete die Stadt neu. Er unterteilte sie in 14 Regionen und begann mit der Errichtung von Prunkbauten wie Tempeln, Palästen, Triumphbögen und dekorativen Objekten, zu denen Säulen und Statuen gehörten. Die folgenden Kaiser führten diese Entwicklung fort. 9. Hauptteil 9.1. Das vorkonstantinische Rom Seit dem 3. Jahrhundert war allerdings die Bevölkerungsanzahl trotz weiteren Anwachsens der Stadtfläche von ehemals mehr als einer Million auf ca. 800.000 Einwohner zurückgegangen. Auch politisch hatte Rom nicht mehr die einstige Bedeutung: die Kaiser 5 Gregorovius, Ferdinand. Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter. Vom V. bis zum XVI. Jahrhundert. Band 1. München, 1978. S. 11 Seite 17 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter hatten ihre Residenzen unter anderem in Nicomedia und Thessalonike. Trotzdem führten immer noch alle Wege nach Rom, denn die nicht zuletzt auch für den Handel wichtigen Überlandstraßen wie z.B. die Via Appia, die Via Flaminia oder die Via Salaria, um nur einige zu nennen, waren sorgfältig instand gehalten worden. Zusätzlich fanden viele Händler aus dem gesamten Mittelmeerraum zu Wasser ihren Weg nach Rom. Auch die alteingesessenen mächtigen Familien residierten weiterhin in der Stadt. Architektonisch bemerkenswert waren unter anderem die elf Aquädukte, die seit den Tagen der Republik nach und nach errichtet worden waren, um die Wasserversorgung der Stadt zu sichern. Zum Teil sind sie heute noch erhalten. Auch die Stadtmauern waren seit dem 1. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung immer mehr erweitert worden. Im ausgehenden 3. Jahrhundert ließen die Kaiser Aurelianus und Probos das damalige Stadtgebiet mit neuen Mauern umschließen. Überreste sind ebenfalls heute noch vorhanden, darunter die Aurelianischen Stadtmauern mit ihrer Gesamtlänge von 18 Kilometern. Zur Zeit der Thronbesteigung Konstantins zeigte sich der Stadtkern Roms als eine Mischung von Wohnvierteln und öffentlichen Bauten. In den Gebäuderegistern des 4. Jahrhunderts finden sich: „28 Bibliotheken, 6 Obelisken, 8 Brücken, 11 Foren, 10 Basiliken, 11 öffentliche Bäder, 18 Aquädukte, 9 Zirkusse und Theater (darunter ein paar für die Aufführung von gespielten Seeschlachten), 2 Triumphsäulen, 15 riesige Brunnen, 22 Reiterstatuen, 80 goldene und 74 Elfenbeinstatuen, sowie 36 Triumphbögen.“ 6 Auf eine ähnlich detaillierte Aufzählung der Kasernen für Feuerwehr, Polizei und Armee, sowie der diversen Speicher, Lagerhallen, privaten Bäder, Bordelle und anderer Gebäude soll an dieser Stelle verzichtet werden. Die Bevölkerung lebte in so genannten insulae, die mehrere Familien beherbergten oder in domus. Diese domus waren großzügige, niedrige Gebäude, die um einen Garten oder einen oder mehrere Innenhöfe herum errichtet wurden. Die insulae bestanden aus mit Ziegeln verkleidetem Zement. Zwischen ihnen befanden sich vermutlich Hütten, die aus minderwertigen Ziegeln, Fachwerk und Holz errichtet wurden. Durch die Viertel führten schmale Gassen, die oft von Querbögen überspannt waren. Die domus und Prachtgebäude standen vorwiegend in der Nähe der Foren und des Capitols. Jedoch war grundsätzlich keine Trennung von insulae, domus und 6 Krautheimer, Richard. ROM. Schicksal einer Stadt, 312-1308. München, 1987. S. 24 Seite 18 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter Prachtgebäuden in unterschiedliche Stadtviertel zu erkennen. Die Aurelianische Mauer verlief quer durch große Güter am Rande der Stadt, sodass die Gärten der reichen Bürger sich zum Teil weit entlang den Ausfallstraßen außerhalb des Stadtkerns erstreckten. Da Bestattungen innerhalb der Stadt nach dem Römischen Gesetz verboten waren, fanden sich Mausoleen und Friedhöfe nach dem Bau der Aurelianischen Mauer ausschließlich außerhalb des Stadtzentrums. 9.2. Das Christentum beim Einzug Konstantins Bis zum Jahr 312 war vermutlich ungefähr ein Drittel der römischen Bevölkerung zum Christentum konvertiert oder stand der Kirche zumindest nahe. Hierbei handelte es sich vorwiegend um Angehörige der mittleren und unteren Klassen. Da die Christen in vorkonstantinischen Zeiten häufig unter Verfolgung zu leiden hatten, versammelten sich in so genannten Häusern der Kirche, die zuvor insulae oder kleinere domus gewesen waren und zum Teil im Besitz oder von ihr gemietet waren. Offizielle christliche Gebäude gab es zu dieser Zeit noch nicht. Da die Existenz von 25 solcher tituli bekannt ist, die Zahl der Gläubigen jedoch in einem Missverhältnis dazu stand, ist zu vermuten, dass zusätzlich Gebetsräume in Privathäusern genutzt wurden. Rein äußerlich unterschieden sich die tituli in keiner Weise von den sie umgebenden Gebäuden. Nur in Ausnahmefällen kam es vor, dass Christen eine Halle bauten, die ausschließlich für den Gottesdienst vorgesehen war. So eine Halle ist die erste Kirche San Crisogono, die vermutlich unmittelbar vor 312 erbaut wurde. Nach dem Jahr 312 nahmen Christen bedeutende Positionen als Berater Konstantins ein, sodass auch die kirchlichen Versammlungshäuser einen anderen Charakter erhielten. Sowohl Konstantin, als auch reiche Privatleute nahmen umfangreiche Schenkungen zu Gunsten der Kirche vor. Diese befanden sich jedoch meist außerhalb der Aurelianischen Mauer. Zum einen befanden sich viele bereits existierende tituli außerhalb des Stadtzentrums und vermutlich hätten die Gemeinden eine Verlagerung in das Stadtinnere nicht begrüßt. Außerdem dominierte der nichtchristliche Senat im Stadtzentrum. Konstantin konnte es sich nicht erlauben den Senat zu verärgern. Daher waren die Bauten in den Rand- und Außenbezirken der Stadt äußerlich schmucklos und ohne christliche Symbolik. Sie waren keinesfalls mit zeitgenössischen Bauten, wie dem reich verzierten Konstantinsbogen am Kolosseum zu vergleichen. Doch auch auf diesem Bogen wird auf die sagenhafte Vision Konstantins an der Milvischen Brücke lediglich durch ein instinctu divino (Kraft göttlicher Eingebung) verwiesen. Ein Bezug zum Christentum fehlt. Während Seite 19 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter sich also die christlichen Gemeinden weiterhin außerhalb des Zentrums versammelten, entstanden innerhalb der Aurelianischen Mauer zunehmend öffentliche christliche Bauten. In erster Linie handelte es sich dabei um Basiliken. Diese zeichneten sich durch vielerlei Varianten in Grundriss und Baustil aus. Grundsätzlich handelte es sich jedoch stets um eine große Halle mit Balkendach. Basiliken wurden traditionell für alle Arten von öffentlichen Versammlungen genutzt, „als Gerichtsgebäude, Basare, Exerzierhallen, Heiligtümer, Empfangshallen und Thronsäle“7. Konstantin beauftragte Architekten Basiliken zu entwerfen, die zum einen einen raschen Baufortschritt ermöglichten, zum anderen jedoch durch Größe und prachtvolle Dekoration beeindrucken sollten. Diese Basiliken sollten dazu dienen nicht nur bereits gläubige Christen, sondern vor allem auch Nichtchristen deutlich zu machen, wie mächtig der neue Gott in Rom war. Die erste unter Konstantin gebaute Kirche war die Lateran Kathedrale. Sie war 98 Meter lang und ca. 56 Meter breit und lag innerhalb der Aurelianischen Mauer zwischen Herrenhäusern und Gärten, die überwiegend im Besitz des Kaisers waren. Zusammen mit der ca. 327 errichteten San Croce in Gerusalemme handelt es sich um die einzigen kirchlichen Bauwerke, die Konstantin und seine Familie am Rand des Stadtkerns errichten ließen. 9.3. St. Peter – ein typisches Beispiel konstantinscher Architektur Ursprünglich waren die meisten unter Konstantin errichteten Basiliken so genannte Begräbnisbasiliken, überdachte Friedhöfe. Dies gilt auch für die Petersbasilika. Noch um etwa 400 n. Chr. berichtet der heilige Ausgustinus von Totenmählern, die in der Basilika, deren Boden mit Gräbern bedeckt war, abgehalten wurden. Sie diente jedoch von Anfang an einem anderen Zweck, nämlich der Verehrung des Apostels Petrus. Anders als bei gewöhnlichen Begräbnishallen befand sich der Schrein des heiligen Petrus nicht in einer Katakombe außerhalb der Basilika, sondern in ihrem Zentrum. Wie viele Basiliken lag auch sie auf einem kaiserlichen Landbesitz außerhalb der Stadt. Für ihre Errichtung waren eine nichtchristliche Nekropole, sowie ein christliches Kultzentrum aufgeschüttet worden. Lediglich die Nische, die der Verehrung des heiligen Petrus diente, blieb in der neuen Basilika noch sichtbar. Dem Beispiel der Lateran Kathedrale folgend, verfügte die Petersbasilika über ein Hauptschiff und je zwei danebenliegende Seitenschiffe. Alle Schiffe wurden von Säulen getragen, die aus verschiedenen älteren Gebäuden entfernt worden waren. Aus diesem Grund wiesen die insgesamt 96 Marmor- und Granitsäulen unterschiedliche Kapitelle und Basen auf. Auch aus dem Circus Maximus wurde 7 Krautheimer, S.31 Seite 20 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter Baumaterial verwandt: Marmorplatten wurden als Schwellen der Basilika genutzt. Sie wiesen zum Teil noch Überreste ursprünglicher Inschriften oder nichtchristlicher Darstellungen auf. Anders als die Lateran Kathedrale war jedoch zwischen Apsis und Langhaus ein Querschiff errichtet worden. Während St. Peter im Inneren sehr prachtvoll ausgestattet war, zeugte die Fassade von der von Konstantin bevorzugten Schlichtheit. Diese Schlichtheit ist nicht zuletzt auch auf die Eile zurückzuführen, in der Konstantin seine christlichen Bauten ausgeführt sehen wollte. Die Größe der Kirche, sowie der davor liegende Säulengang deuten darauf hin, dass Konstantin dieses Gebäude als wichtigste Pilgerkirche ansah. Der Sage nach soll Konstantin sogar selbst den ersten Spatenstich für die Anlage der Fundamente getan haben und zwölf Körbe voll Erde herangetragen haben, um die zwölf Apostel zu ehren. 10. Zusammenfassung Nach den vorangegangenen Ausführungen könnte leicht der Eindruck entstehen, Konstantin hätte sich bei seinen Bautätigkeiten in Rom ausschließlich darauf konzentriert, der Stadt ein christliches Antlitz zu verleihen. Grundsätzlich ist dazu zu sagen, dass von allen römischen Kaisern erwartet wurde, dass sie der Stadt in architektonischer Hinsicht eine persönliche Prägung verliehen. In der Regel wurden aus diesem Grunde zum Beispiel Tempel, Basiliken und Thermen errichtet. Unter Konstantin traten Kirchen anstelle der Tempel. Darüber hinaus war er jedoch bemüht durch zahlreiche Profanbauten die an ihn errichteten Erwartungen zu erfüllen. Besonders bemerkenswert ist die Diplomatie mit der Konstantin es verstand „den christlichen Neigungen des Kaisers und den neuen Faktor im politischen Leben, der Kirchen und der großen christlichen Gemeinde, den gebührenden Respekt zu erweisen“8 und es gleichzeitig vermied, die nichtchristlichen Bevölkerungskreise zu provozieren. Der überwiegende Anteil der herrschenden Familien im Senat war nicht christlich. Sie betrachteten die neue Religion des Kaisers als seine Privatangelegenheit, die keinesfalls entscheidenden Einfluss auf die Kultur der Stadt nehmen sollte. Vielmehr verstanden sie sich als Wahrer der römischen Tradition und befürworteten daher nicht eine zu sichtbare Verbreitung des Christentums. So entstand ein sensibles Gleichgewicht, in dem beide Seiten sich durch religiöse Toleranz auszeichneten, ohne der jeweilig anderen Religion eine zu starke Machtposition in der Stadt einzuräumen. Diese Sensibilität zeigt sich deutlich in den Sakralbauten Konstantins, die sich äußerlich eher unauffällig ins Stadtbild 8 Krautheimer, S. 39 Seite 21 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter einfügten und ihre Pracht nur dem offenbarten, der sie betrat. Hinzu kommt, dass die Kirchen auf kaiserlichen Gütern am Rande der Stadt gebaut wurden. Natürlich gab es für die Platzierung der Kirchen auch praktische Gründe, wie zum Beispiel mangelnden Bauplatz im Stadtzentrum und geringere Baukosten in den Randgebieten. Ein einziges Mal wich Konstantin von diesem Grundsatz ab, nämlich als er im Winter 312/313 im Zentrum Roms seine Statue aufstellen ließ, die eine mit dem Christus – Monogram versehene Standarte trug. Es bleibt zu vermuten, dass die Reaktionen der nichtchristlichen Senatsfamilien gleich zu Beginn der Herrschaft Konstantins entscheidend für seine spätere Sensibilität in Bezug auf die Sakralbauten verantwortlich waren. 11. Quellen- und Literaturverzeichnis Gregorovius, Ferdinand. Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter. Vom V. bis zum XVI. Jahrhundert. Band 1. München, 1978. Herrmann – Otto, Elisabeth. Konstantin der Große. aus: Klauss, Manfred (Hg.). Gestalten der Antike. Darmstadt, 2007. Krautheimer, Richard. ROM. Schicksal einer Stadt, 312-1308. München, 1987. Lenski, Noel (Hg.). The Cambridge Companion to the Age of Constantine. Cambridge, 2006. Tönnismann, Andreas. Kleine Kunstgeschichte Roms. München, 2002. Seite 22 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter Der Freskenzyklus im Silvesterauratorium der Kirche Santi Quattro Coronati Carmen Lenhart 1. Einleitung: Die Fresken der Kapelle Santi Quattro Coronati Im Jahre 1935 bezeichnete Theodor Klauser Santi Quattro Coronati als “eines der Reizvollsten und Merkwürdigsten unter den mittelalterlichen Heiligtümern Roms:”9 Ferdinand Gregorovius wies ebenfalls auf “merkwürdige Fresken” in der, an die SS. Quattro Coronati angebauten Silvesterkapelle hin10. Was ist nun das Merkwürdige an den Fresken, die man in der Silvesterkapelle vorfindet? Von wem wurde der Anbau des Auratoriums in Auftrag gegeben und mit welchem politischen Hintergrund? Die Entscheidung des Kardinals Stefano Conti11 neue Residenzbauten12 bei SS. Quattro Coronati zu errichten, ergab sich aus der prekären politischen Lage: Kaiser Friedrich II hatte Rom umzingelt, und Papst Innozenz IV rettete sich durch Flucht nach Genua.13 Stefano Conti blieb als Vertreter des Papstes in Rom. Sicherlich hätte er auch im Lateranpalast residieren können, doch dieser war schwer zu verteidigen. So wandte er sich der SS. Quattro Coronati zu, die eher einer Festung als einer Kirche glich und ihm einen sicheren Rückzugsort bot.14 Auf ihn ist höchstwahrscheinlich auch der Auftrag des Freskenzyklus im kleinen, einschiffigen Silvesteroratorium zurückzuführen. Im Folgenden soll die Frage behandelt werden, was das Besondere an dem Freskenzyklus darstellt. 9 Klauser, Theodor: Ein Kirchenkalender aus der römischen Titelkirche der heiligen Vier Gekrönten, in: Scientia Sacra. Theologische Festgabe für Kardinal Schulte, KölnDüsseldorf 1935, S.11. 10 Sohn, Andreas: Bilder als Zeichen der Herrschaft. Die Silvesterkapelle in SS. Quattro Coronati, in: Archivum Historiae Pontificiae (1997), S. 7. 11 Die Quellen über den Neuanbau sind mit Inschriften an die Kapelle verzeichnet. Vgl.: Sohn, Andreas: Bilder als Zeichen der Herrschaft. Die Silvesterkapelle in SS. Quattro Coronati, in: Archivum Historiae Pontificiae (1997), S. 10. 12 Vgl.: Abbildung Nr. 1 13 Vauchez, André (Hg.): Die Geschichte des Christentums. Religion, Politik, Kultur, Bd. 5, Freiburg/Basel/Wien 1994, S. 680f. 14 Vgl. Abbildung Nr.2 Seite 23 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter 2. Beschreibung des Freskenzyklus Der Freskenzyklus ist eingebunden in einen ikonographischen Kontext: Von der grundlegenden Geschichte des Alten Testaments bis zu dem eschatologischen Endpunkt allen Seins, also dem Jüngsten Gericht.15 Zwischen der alttestamentlichen Vergangenheit und der ins Eschatologisch verlagerten Zukunft ist die visualisierte Papstgeschichte angesiedelt:16 Während des Pontifikats Sivester I (314- 335) trat Kaiser Konstantin der Große zum Christentum über. Aus den Legenden, die sich im 5. Jahrhundert um dieses Ereignis bildeten, ist der Inhalt der Malereien genommen. Im Vergleich zu anderen Silvesterdarstellungen beherrschen die Wandfresken das Innere des Sakralraumes.17 2.1. Szenen aus dem Leben Silvesters 2.1.1. Das Stierwunder/ Disput mit den Juden Auf der Südwand beginnt der Zyklus mit dem Stierwunder und dem Disput der Juden: Helena, die Mutter Konstantins, hatte versucht, Silvester zum Judentum zu bekehren und zu diesem Zweck eine theologische Disputation mit zwölf Rabbinern veranstaltet, von denen Silvester elf besiegte. Die Diskussion mit dem zwölften Rabbiner Zambri im Beisein der Kaisermutter bildet den Inhalt der Darstellung: Zum Beweis der Größe seinen Gottes tötet Zambri einen Stier, kann ihn aber nicht wieder zum Leben erwecken. Dieses gelingt indes Silvester, worauf Helena und die Rabbiner sich taufen lassen. 18 So wird das Christentum bildhaft über das Judentum gestellt. Schon hier wird die Intention der Fresken ersichtlich: die größtmögliche Legitimation der katholischen Kirche und des Papstes. 2.2. Kreuzauffindung und Translation des wahren Kreuzes 15 Darstellung ist an der Westwand aufzufinden. Zalthen, Johannes: Barocke Freskenkopien aus SS. Quattro Coronati in Rom. Der Zyklus der Silvesterkapelle und eine verlorene Kreuzigungsdarstellung, in: Römisches Jahrbuch der Bibliotheca Hertziana (29),1994, S. 34. 17 Vgl.: In der Apsis in Tivoli werden nur vier Szenen der Silvesterlegende abgebildet, wobei es im Silvesterauratorium elf Bildfelder gibt. 18 Zalthen, Johannes: Barocke Freskenkopien aus SS. Quattro Coronati in Rom. Der Zyklus der Silvesterkapelle und eine verlorene Kreuzigungsdarstellung, in: Römisches Jahrbuch der Bibliotheca Hertziana (29),1994, S. 32. 16 Seite 24 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter Das anschließende Feld unterstreicht wiederum die Bedeutung des Kirchenpatrons, die er durch sein theologisches Wissen, seine Wundertätigkeit und die Bekehrung Helenas errungen hatte. Papst Silvester ist persönlich anwesend als Helena das wahre Kreuz Christi auffindet und seine Heilswirkung durch die Erweckung an einem Toten erprobt. Mit der Auffindung des Kreuz Christi entsteht ein direkter Bezug zur Kapelle, die ebenfalls Kreuzreliquien besaß. Das letzte Bildfeld der Südwand stellt eine fragmentarische Szene der Kreuzlegende dar. Nach diesen mehr die Persönlichkeit des Papstes darstellenden Szenen beginnt die eigentliche Konstantin- Silvester- Geschichte.19 2.2. Der Konstantin- Silvester- Freskenzyklus Unter dem Jüngsten Gericht auf der Westwand beginnt die narrative Erzählung, die sich stark an die Legenda Aurea hält: Konstantin, der auf Grund seiner tyrannischen Verfolgung der Christen mit Lepra befallen wurde, sitzt in der Mitte des Bildes, links von ihm stehen drei heidnische Priester, die ihm den Rat geben im Blut unschuldiger Kinder zu baden, um die Krankheit zu besiegen. Rechts von ihm stehen die klagenden Mütter, die diese Tat verhindern wollen. Der Kaiser verschont letztlich die Kinder und kehrt in seinen Palast zurück.20 Die nächste Szene zeigt wie Petrus und Paulus Konstantin im Traum erscheinen und zu ihm sprechen: “Da du ja davor zurückgeschreckt bist, unschuldiges Blut zu vergießen, hat uns der Herr Jesus Christus geschickt, um dir einen Weg zu zeigen.”21 Daraufhin lässt Konstantin Boten zu dem Versteck Silvesters auf den Monte Soracte schicken, mit der Hoffnung, dass dieser ihn heilen kann. Nach der Ankunft Silvesters im Palast zeigt er Konstantin die Ikonen 22 der Apostelbildnisse und tauft ihn nach dessen conversio. 3. Der Papst, der Kaiser und die Machtfrage Untersucht man die Freskendarstellungen auf ihren zentralen Aussagewert, so sind vor allem die zwei Szenen der Konstantinischen Schenkung und die Abbildung des 19 ders., S. 33. Vgl. Abb. Nr. 3 21 Jacobus de Voragine: Legenda aurea, Stuttgart 1994, S. 89. 22 Vgl. Abb. Nr. 4 20 Seite 25 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter Stratordienst23 im Hinblick auf die politischen Tagesereignisse des Duecento aufschlussreich. 3.1. Wer steht über wem? Nimmt man die Frage wörtlich ist die Antwort sehr einfach: In beiden Bildern steht24 Silvester über Konstantin, genau wie in den vorangegangenen Bildern wird der Papst erhöht dargestellt. Wieso besteht die Notwendigkeit eindeutig sichtbar zu machen wer über wem steht? Betrachtet man die tagespolitischen Themen des Duecento fällt die Interpretation der Darstellungen leichter: seit Beginn des 13. Jahrhunderts stehen sich Sacerdotium und Imperium gegnerisch gegenüber. Als Friedrich II auf Veranlassung Innozenz III 1211 zum Kaiser ernannt wurde, beginnt der Konflikt zwischen Papsttum und Kaisertum. Vor allem Papst Gregor XI musste gegen Friedrich angehen, und belegt ihn zwei Mal mit einem Bann. Die Beschuldigungen nahmen extreme Ausmaße an: Der Papst fühlte sich als Vorkämpfer gegen den apokalyptischen Drachen, den er schon bald im Kaiser verkörpert sah.25 1241 wurde ein Konzil einberufen, das “wichtige Fragen der Kirche” behandeln sollte; tatsächlicher Anlass und beabsichtigtes Ziel dieses Konzils war die Absetzung des Kaisers. Vergeblich versuchte der Kaiser die Verhandlungen zu stoppen. Da er auf diplomatischer Ebene keinen Erfolg hatte, griff er zu Gewalt und ließ Kardinäle, Erzbischöfe und Prälaten verschleppen. Diese Aktion war ein Pyrrhussieg, da sich Friedrich damit vor der gesamten Christenheit ins Unrecht gesetzt hatte.26 Gregor XI starb im August des selben Jahres und nach einer langen Vakanz wurde der Genueser Kardinal Sinibaldo Fieschi als Papst Innozenz IV gewählt. Friedrich erhielt eine letzte Chance, den von Gregor XI erteilten Bann aufzuheben. Der Kaiser tritt jedoch nicht von seinen Besitzansprüchen zurück, weshalb sich der Papst gezwungen sieht aus Rom nach Genua zu fliehen, da die kaiserlichen Truppen unweit vor Rom lagen. Die sich steigernde Bedrohung durch den Kaiser veranlasst Innozenz IV dazu, am 24. Juni 1245 in Lyon ein Konzil einzuberufen, abermals mit dem Ziel der Absetzung des Kaisers. 23 Vgl. Abb. 5 und 6 bzw. sitzt 25 Vauchez, André (Hg.): Die Geschichte des Christentums. Religion, Politik, Kultur, Bd. 5, Freiburg/Basel/Wien 1994, S. 680. 26 ders., S. 680. 24 Seite 26 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter Schließlich wird Friedrich II am 17. Juli in allen Punkten für schuldig befunden, erneut exkommuniziert und all seiner Rechte enthoben. Doch erst mit dem Tod des Kaisers 1250 gewann das Papsttum wieder die Oberhand: “ Die Himmel sollen jauchzen und die Erde voll Freude sein, denn durch das Verschwinden des Tyrannen sind Blitz und Donner, die Gott der Allmächtige über euren Häuptern hielt, in frischen Zephyr und fruchtbaren Tau verwandelt!”27 3.2. Die Darstellungen der Szenen der Konstantinischen Schenkung 3.2.1. Die Übergabe der Insignien28 An dieser Aussage des Papstes Innozenz IV wird deutlich wie wichtig es für die Kirche war ihre Herrschaft zu legitimieren, und mehr noch, den theokratischen Anspruch des Papstes in propagandistischer Weise zu stützten. Dies wird auf den Fresken sehr deutlich dargestellt: Konstantin tritt ohne Kaiserkrone, die ein Begleiter auf der Stadtmauer in den Händen hält, aus einem Tor heraus, führt einen Schimmel in der Linken und überreicht dem thronenden Papst das Phrygium. Der Thron taucht zum dritten Mal in den Fresken auf, zuvor sind Christus als Weltenrichter und Konstantin auf dem Thron dargestellt. Diese Darstellung ist als hierarchisierendes Zeichen eingesetzt, um die Überordnung des Papstes und die Unterordnung des Kaisers auszudrücken, da er seine Herrschaft, die durch den Thron verkörpert wird, abgeben musste. Die Übergabe der Insignien von Kaiser Konstantin an Papst Silvester als Darstellung der Konstantinischen Schenkung ist neu: sie wird nicht mehr durch die Übergabe einer Schriftrolle wie im Narthex des Laterans zu sehen ist, sondern durch Überreichung des Phrygiums, eines Baldachins und eines weißen Pferdes.29 Der Schrift der Constitutum Constantinum zufolge hatte es Silvester abgelehnt, sich des Kaiserdiadems zu bedienen, da er über der Tonsur, der Krone des Heiligen Petrus, keine andere Krone tragen wollte. Anstelle der Krone erhält der Papst das Phrygium, eine ihm allein vorbehaltene Kopfbedeckung30. Die weiße Farbe des Phrygiums wird allegorisch mit der Auferstehung in Verbindung gebracht und stellt wiederum eine Erhöhung des Papstes über den Kaiser 27 Innozenz IV bekundet seine Freude über die Erlösung von Friedrich II in einem Brief, siehe: Vauchez, André (Hg.): Die Geschichte des Christentums. Religion, Politik, Kultur, Bd. 5, Freiburg/Basel/Wien 1994, S. 680. 28 Abb., Nr. 5 29 Sohn, Andreas: S. 31f. 30 Das Phrygium stellt das ikonographische Vorbild für die Tiara dar. Seite 27 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter dar. Außerdem ist die purpurne Farbe der päpstlichen Gewandung ein Investitursymbol, da Purpur bislang eigentlich nur des Kaisers Gewandt schmückte.31 3.2.2. Der Stratordienst Konstantins32 Das zweite Fresko zur Konstantinischen Schenkung stellt das ‘Officium stratoris’, den zeremoniellen Marschalldienst dar, den der Kaiser bei seiner ersten Begegnung mit dem Papst und der Kaiserkrönung leisten musste: Konstantin, mit kaiserlichem Ornat und Krone geschmückt, führt das weiße Pferd des reitenden Papstes am Zügel. Der Papst trägt nun das Phrygium und seine drei Begleiter tragen Mitren.33 Die politische Aussage der 1246 ausgeführten Darstellungen ist unübersehbar an Friedrich II gerichtet: Da man befürchtete, dass sich der Kaiser gegen Rom wenden könnte, schien es ratsam, die weltlichen Herrschaftsansprüche der Kirche durch Hinweise auf die Konstantinischen Schenkung zu betonen.34 Mit der Schenkung hatte Konstantin Silvester und all seinen Nachfolgern die Herrschaft über Rom, alle Provinzen Italiens und den gesamten Okzident anvertraut, sowie den eigenen Lateranpalast und die kaiserlichen Insignien.35 In der Konstantinischen Schenkung geht es also nicht nur um territoriale Abtretungen, um Standesvorrechte und Herrschaftszeichen, sondern darum, dass Kaiser Konstantin aus Ehrerbietung gegenüber dem seligen Petrus sogar den Stratordienst leistet. Das war vom Inhalt der Geste mehr, als je ein römischer Kaiser einem kirchlichen Würdenträger geleistet hat, zumal dieser Symbolakt Dienstbarkeit anzuzeigen scheint.36 Silvester erscheint also nicht nur als ‘vir Dei’, sondern auch als ein mit umfassender weltlicher Macht ausgestatteter Herrscher. 31 Schramm, Percy Ernst: Herrschaftszeichen und Staatssymbolik. Beiträge zu ihrer Geschichte vom dritten bis zum sechsten Jahrhundert, in Schriften der Monumenta Germaniae historica, (13/I), Stuttgart 1994, S. 56f. 32 Abb. Nr.6 33 Mitren sind ebenfalls Kopfbedeckungen, siehe: Schramm, Percy Ernst: Herrschaftszeichen und Staatsymbolik. 34 Zalthen, Johannes: Barocke Freskenkopien aus SS. Quattro Coronati in Rom. Der Zyklus der Silvesterkapelle und eine verlorene Kreuzigungsdarstellung, in: Römisches Jahrbuch der Bibliotheca Hertziana (29),1994, S. 34. 35 Fuhrmann, Horst (Hg.): Constitutum Constantini, Hannover 1968, S. 93f. 36 Fuhrmann, Horst: Einladung ins Mittelalter, München 1988, S. 121 ff. Seite 28 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter 4. Schlussbetrachtung Betrachtet man den gesamten Freskenzyklus wird deutlich in welchem Verhältnis Papst und Kaiser aus der Sicht der Kirche stehen. Der Papst bestimmt über den Kaiser, da er dessen seelisches und körperliches Heil in den Händen hält. Die Bekehrung und Taufe machen sichtbar, dass nur der Papst, in Vertretung Gottes, den Kaiser vor dem Tod bewahren kann. Die Ausführungen der Legenda Aurea stellen dar, welche Auswirkung die Taufe37 auf Konstantin hatte: Am ersten Tag nach seiner Taufe ordnete er an: Christus soll in Rom als wahrer Gott verehrt werden. Am zweiten Tag: Jeder der Christus schmäht soll bestraft werde. Am dritten Tag: Jeder, der einem Christen ein Unrecht angetan hat, soll die Hälfte seines Vermögens verlieren […].38 Diese Taten, geschehen als Dank für die Heilung durch den Papst und stellen gleichzeitig die Unterordnung des Kaisers unter die Gesetzte der Kirche dar. Die Legitimation des Papstes wurde im Bildprogramm der Kapellenausmalung von der Richterfunktion Christi abgeleitet und erhielt zugleich durch die, an die Herrscher dieser Welt gerichtete Mahnung Salomos39 seine Unterstützung: Diligite iustitiam qui iudicatis terram.40 Darin wird deutlich, dass die alttestamentlichen Medaillons den damaligen Herrscher, Friedrich II, belehren wollen. Die Aussage der Fresken setzt vor allem in den beiden Szenen der Konstantinischen Schenkung deutliche Zeichen: Die Gründungslegende des christlichen Roms wird eindeutig auf die Abgabe der kaiserlichen Macht an den Papst zurückgeführt, wodurch er seine weltliche Herrschaft begründet und unstreitbar macht. Würde sich jemand gegen ihn erheben, hieße das, die Strafen Gottes ertragen zu müssen, da der wahre Kaiser doch eigentlich der Papst ist.41 37 Abb. Nr. 7 Vgl.: Legenda Aurea , S. 91. 39 In einem Medaillon dargestellt, Vgl.: Abb. Nr. 8 40 „Liebet die Gerechtigkeit, ihr, die ihr über die Erde richtet.“ Vgl.: Sohn, Andreas: S.26. 41 Fuhrmann, Horst: Der wahre Kaiser ist der Papst. Von der irdischen Gewalt im Mittelalter, in: Das antike Rom in Europa, Regensburg 1985, S. 121. 38 Seite 29 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter 5. Literaturliste Barberini, Maria Giulia: Santi Quattro Coronati a Roma, in: Roma, 1989. Buchowiecki, Walter: Handbuch der Kirchen Roms, Bd. 3, Brüder Hollinek Wien, 1974. Claussen, Peter-Cornelius: Marmor und Glanz. Liturgische Räume und ihre Ausstattung, in: Römisches Mittelalter. Kunst und Kultur in Rom von der Spätantike bis Giotto, Darmstadt 2002, S. 151-174. Claussen, Peter-Cornelius: Die Kirchen der Stadt Rom im Mittelalter 1050 - 1300 Stuttgart 2002. Dankbolt, Gunnar: Visual Images of papal power. The Legitimation of papal power in the thirdteenth and fifeteenth centuries, in: Iconography, Propaganda and Legitimation, Oxford 1998. Demus, Otto: Romanische Wandmalerei, München 1968. Freedberg, David: Holy Images and Otter Images, in: The art of interpreting, 1995. Fuhrmann, Horst (Hg.): Constitutum Constantini, Hannover 1968. Fuhrmann, Horst: Der wahre Kaiser ist der Papst. Von der irdischen Gewalt im Mittelalter, in: Das antike Rom in Europa, Regensburg 1985. Fuhrmann, Horst: Einladung ins Mittelalter, München 1988. Klauser, Theodor: Ein Kirchenkalender aus der römischen Titelkirche der heiligen Vier Gekrönten, in: Scientia Sacra. Theologische Festgabe für Kardinal Schulte, KölnDüsseldorf 1935. Krautheimer; Richard: Rom. Schicksal einer Stadt, 312-1308,2. Aufl., München 1996. Krautheimer; Richard: Die Decanneacubita in Konstantinopel. Ein kleiner Beitrag zur Frage Rom und Byzanz, in: Tortulae. Studien zu altchristlichen und byzantinischen Monumenten, S. 195-199. Mitchell, John: St. Silvester and Constantine at the SS. Quattro Coronati, in: Federico Il e l’arte del Duecento Italiano, Galatina 1980, Bd. 2, S.15-32. Neuberger, Susanne: Zur Apsis der SS. Quattro Coronati in Rome, in: Storia del arte, in: Storia dell'arte, 58.1986, S. 207-222. Schramm, Percy Ernst: Herrschaftszeichen und Staatssymbolik. Beiträge zu ihrer Geschichte vom dritten bis zum sechsten Jahrhundert, in Schriften der Monumenta Germaniae historica, (13/I), Stuttgart 1994. Sohn, Andreas: Bilder als Zeichen der Herrschaft. Die Silvesterkapelle in SS. Quattro Coronati (Rom), in: Archivum historiae pontificiae, 35.1997(1998), S. 7-47. Seite 30 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter Vauchez, André (Hg.): Die Geschichte des Christentums. Religion, Politik, Kultur, Bd. 5, Freiburg/Basel/Wien 1994. Voragine, Jacobus de: Legenda aurea, Stuttgart 1994. Zalthen, Johannes: Barocke Freskenkopien aus SS. Quattro Coronati in Rom. Der Zyklus der Silvesterkapelle und eine verlorene Kreuzigungsdarstellung, in: Römisches Jahrbuch der Bibliotheca Hertziana (29),1994, p. 19-43. Seite 31 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter Die Konstantinische Schenkung – Rezeptionsphänomene im Mittelalter Elisabeth Schreiber 1. Einleitung Der vollständige Titel des Papstes lautet „Bischof von Rom, Statthalter Jesu Christi, Nachfolger des Apostelfürsten, Summus Pontifex der gesamten Kirche, Patriarch des Abendlandes, Primas von Italien, Erzbischof und Metropolit der römischen Kirchenprovinz, Souverän des Staates der Vatikanstadt...“42, um den Anfang zu nennen. Benedikt XVI. verzichtet 2006 auf die Bezeichnung „Patriarch des Abendlandes“, die gerade ein Titel von denen ist, die für die Vormachtstellung des Papsttums im Mittelalter stehen. Ab dem 9. Jahrhundert kann sich der Kirchenstaat in besonderem Maße unter Karl dem Großen und seinen Nachfolgern entfalten. Die Konstantinische Schenkung, eine der berühmtesten Fälschungen des Mittelalters, trägt zum Ausbau und Erhalt der herausragenden Stellung des römischen Bischofs bei, gerade im Konflikt zwischen Kaisertum und Papsttum wird auf sie zurückgegriffen. Rom als Sitz des Papstes ist wichtig. Hier finden sich auch künstlerische Ausformungen in Bezug auf die Konstantinische Schenkung, wie in der Silvesterkapelle der SS. Quattro Coronati. Dieser Freskenzyklus wird in dem an diesen Text anschließenden Essay ausführlich behandelt. Hier soll aber zuerst gezeigt werden, auf welche Weise und für welche Zwecke die Konstantinische Schenkung im Mittelalter genutzt wurde. 2. Hauptteil Der Hauptteil skizziert anfangs die Konstantinische Schenkung selbst, ihren Inhalt und die Entstehung und geht im Anschluss auf ihre Rezeption im Mittelalter in Bezug auf Politik, Literatur und Kunst ein. 42 Horst Fuhrmann, Die Päpste, 3. Aufl., S.34-35. Seite 32 Antike Grundlagen II u III 2.1. Seminar Rom im Mittelalter Die Konstantinische Schenkung Die Konstantinische Schenkung oder auch die Constitutum Constantini ist eine überlange Urkunde, die Kaiser Konstantin den Großen (306-337) als Aussteller und Papst Silvester I. (314-335) als Empfänger aufzeigt. Sie gibt vor eine Kopie der originalen Konstantinischen Urkunde aus der ersten Hälfte 4. Jahrhundert zu sein, ist tatsächlich aber eine Fälschung aus der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts, wobei eine genaue Datierung bisher nicht möglich ist. Als Entstehungsort wird Rom angenommen, wahrscheinlich ist sie als ein Gesamttext verfasst worden. Als handschriftlich ältester überlieferter Text ist sie aus den pseudoisidorischen Dekretalen, die Mitte des 9. Jahrhunderts zusammengestellt wurden, bekannt. Dadurch wurde sie weit verbreitet und überliefert. Paläographisch gibt es vor 850 keine anderen Nachweise für ihre Existenz. In den Papstbriefen taucht sie 979 das erste Mal wörtlich auf und wird in die frühmittelalterlichen Kirchensammlungen nur in Teilen aufgenommen. In der Reformzeit tauchen in der Kanonistik Exzerpte der Konstantinischen Schenkung auf, auch als Exzerpt erhält sie im Decretum Gratiani, einer Sammlung von kirchlichen Rechtstexten, kanonistische Geltung. Der Inhalt ist in zwei Teile gegliedert, der Confessio und der Donatio, dieser Teil ist namensgebend für das gesamte Dokument. In der Confessio wird die um 400 entstandene Silvesterlegende, nachzulesen in der Legenda Aurea, aufgenommen. Als Christenverfolger erkrankt Konstantin am Aussatz. Kapitolinische Heidenpriester raten ihm zu einem Bad im Blut unschuldiger Kinder, als dieser allerdings die weinenden Mütter sieht, bekommt er Mitleid und lässt sie gehen. In der darauffolgenden Nacht erscheinen Konstantin die Apostel Petrus und Paulus im Traum und wollen, dass er Silvester, der vor der Verfolgung geflohen ist, holt, damit er ihm hilft. Nachdem dies geschehen ist, tauft Silvester ihn und er ist auf wundersame Weise geheilt. Im ersten Teil bekennt der geheilte Konstantin den christlichen Glauben. Aus Dankbarkeit vollzieht er gegenüber Silvester die Donatio. Dem Papst wird der Primat über alle anderen Kirchen und die vier Patriarchate Antiochien, Alexandrien, Konstantinopel und Jerusalem zugesprochen. Die Salvatorkirche am Lateranpalast in Rom soll der Knotenpunkt aller Kirchen werden und der Papst erhält den Lateranpalast. Silvester und seine Nachfolger erhalten die Verfügungsgewalt über den konstantinischen Besitz in Judäa, Griechenland, Asien, Thrakien, Africa und Italien mit seinen Inseln. Des Weiteren darf der Papst kaiserliche Abzeichen tragen, Diadem, Seite 33 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter Frygium, Purpurmantel und –tunica, das kaiserliche Zepter und alles, was sonst noch zur kaiserlichen Hoheit gehört. Römische Kleriker können Senatoren werden und der Papst allein darf Senatoren zu Klerikern weihen. Dem Papst und seinen Nachfolgern wird die Befehlsgewalt über die Stadt Rom und alle Provinzen, Räumlichkeiten und Städte Italiens und des Westens gegeben. Es wird beschrieben, dass Konstantin als Zeichen der Ehrfurcht vor Petrus Silvester den Stratordienst erweist, d. h. das Pferd des Papstes wie ein Stallknecht ein Stück führt. Am Ende verlegt er aus Achtung vor dem Apostelfürsten seinen eigenen Sitz nach Byzanz, das spätere Konstantinope,l und legt fest, dass seine Nachfolger die Konstantinische Schenkung alle einzuhalten haben. 2.2. Die Rezeption im Mittelalter Welche Gründe für die Entstehung der Konstantinischen Schenkung gesorgt haben, lässt sich nicht mehr mit Sicherheit feststellen. König Pippin III. erweist Papst Stephan II. am Epiphaniastag 754 den Stratordienst, Ostern desselben Jahres macht er der römischen Kirche Schenkungsversprechungen. Karl der Große wird von den Päpsten als neuer Konstantin gefeiert und wird mehrmals zur Erfüllung des von ihm 774 erneuerten Schenkungsversprechen seines Vaters gedrängt. Es ist nicht auszuschließen, dass Papst Hadrian I. 778 die Konstantinische Schenkung im Hinterkopf hat, als er Karl dem Großen Konstantin als Vorbild vor Augen führt. Hier kann man nicht sagen, ob diese Gegebenheiten Folge oder Voraussetzung der Konstantinischen Schenkung sind, wie die ersten Spuren einer Benutzung im Allgemeinen aus diesem Grund schwer feststellbar sind. Auffällig ist jedenfalls eine wahrscheinlich für den Papst bestimmte Version des Divisio regnorum von 806, einem Reichsteilungsgesetz und gleichzeitig der Nachfolgeordnung Karls des Großen, bei der die Intitulatio von Karl identisch mit der von Konstantin im Constitutum Constantini ist. Prinzipiell steht die päpstliche Oberhoheit auch nach weltlichem Recht außer Zweifel, da der Papst dem Dokument zufolge die Rechtsnachfolge des römischen Kaisers hat, der dem Papsttum die Territorialhoheit über die oben in der Donatio genannten Gebiete übertragen hat. Die Benutzung der Fälschung ist nicht konstant, bei den Päpsten in der Karolingerzeit findet man Spuren davon, dabei sind der oben erwähnte Hadrian I., Nikolaus I. und Johannes VIII. zu nennen. Nikolaus I. hebt die besondere Stellung des Papsttums in mehreren Konfliktfällen hervor, so zwingt er 861 den Erzbischof Johannes von Ravenna dazu, sich zu unterwerfen, da dieser in römische Rechte eingegriffen hat. Besonders bei Hinkmar von Reims probiert er die Höherstellung der päpstlichen Entscheidung Seite 34 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter gegenüber Synodal- und Metropolitangewalt durchzusetzen. Sein Nachfolger Johannes VIII. versucht das, was Nikolaus aufgebaut hat, zu wahren, hat damit aber im zerfallenden Karolingerreich Probleme mit italienischen Widersachern. Im 10. Jahrhundert liegt die Konstantinische Schenkung in der päpstlichen Kanzlei zur Verwendung bereit. Bei der Kaiserkrönung Ottos I. 962 taucht sie auf, Papst Johannes XII. lässt den römischen Kardinal Johannes (Beiname: digitorum mutilus) auf Basis der bekannten Kopie der Konstantinischen Schenkung ein „Original“ fertigen, das man dem Kaiser vorlegt. Die eingerückte Pönformel der Urkunde findet sich in einem Brief Benedikts VII. von 979 wieder. Mehr als nur Andeutungen gibt es bis zur Rezeption durch Leo IX. zur Begründung des päpstlichen Primats nicht. Dieser schickt Kardinal Humbert zum byzantinischen Patriarchen Michael Kerullarios um ein Bündnis gegen das Vordringen der Normannen in Süditalien zu erwirken. Der Einigkeit steht das wachsende römische Selbstbewusstsein im Weg, denn es wird auf Grund der Konstantinischen Schenkung auf römischer Seite auf der Vorherrschaft des Papstes bestanden. Drei Monate nach Leos Tod verfestigt sich der Bruch der westlichen und östlichen Kirche endgültig. In der Folgezeit gibt es häufiger Hinweise auf die Verwendung der Schenkungsurkunde. 1081 liegt die Konstantinische Schenkung einem Treueidformular für den Gegenkönig zu Heinrich IV., Herman von Salm, gegenüber Papst Gregor VII. zugrunde. Außerdem ist er wie andere Päpste auch der Ansicht, der Zuständigkeitsbereich des Papstes reiche über das Römische Reich hinaus. Deshalb schreibt er den iberischen Fürsten am 28. Juni 1077 und erklärt, dass Hispanien wegen alten Satzungen dem Papst übertragen worden sei. Bei Urban II., Hadrian IV., Innozenz III. und Gregor IX. werden territoriale Forderungen damit begründet. Urban II. fordert beim Konzil von Clermont 1095 und auch in Frankreich und Italien zu einem Kriegszug für die Befreiung Jerusalems und aller orientalischen Christen und Kirchen auf. Hadrian IV. will Vorrang und Unabhängigkeit von Kaiser Friedrich I., sodass es zum Konflikt kommt, als Friedrich angeblich die Reichsrechte in Oberitalien an sich zieht. Innozenz III. vertritt die These, der Papst stehe nicht nur über allen Bischöfen, sondern auch über allen weltlichen Herrschern. In der Goldenen Bulle von Eger von 1213 erkennt König Friedrich II. die territorialen Ansprüche des römischen Bischofs in Mittelitalien an und verzichtet auch auf ein Mitbestimmungsrecht bei der Wahl der Bischöfe und Äbte. Innozenz geht soweit nicht nur die universale Kirche, sondern den ganzen Erdkreis als päpstliches Herrschaftsgebiet zu betrachten, mit ihm hat das Papsttum die größte mittelalterliche Seite 35 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter Machtentfaltung. Gregor IX. befindet sich im Konflikt mit Friedrich II., der seine Ansprüche auf die Mark Ancona und das Herzogtum Spoleto nicht anerkennt und Rechtsstellung und Besitz der Kirche in Sizilien angreift. Gleichzeitig wird das Constitutum Constantini als Beleg für das Weltherrschaftsanrecht des Papstes aufgefasst. Papst Bonifaz VIII. verlangt in seiner Bulle „Unam sanctam“ von 1302, dass jeder Mensch sich dem römischen Bischof unterwerfe, da dieser die uneingeschränkte Vollmacht gegenüber Königen besäße und es für jeden heilsnotwendig wäre. Obwohl die Päpste die Konstantinische Schenkung vor allem im Hochmittelalter zur Genüge für die Durchsetzung ihrer weltlichen Interessen gebrauchen, ist dieser Gebrauch vorsichtig bedacht, da das päpstliche Primat sonst als Geschenk eines römischen Kaisers erscheinen könnte und nicht als eine Stiftung Gottes. Mehrere Päpste nutzen sie aus diesem Grund nur als Ergänzung zur Bestätigung oder Wiederherstellung der gottgewollten Ordnung. Die römische Kirche hält sie aber offenbar trotzdem für so wichtig, dass der jeweils künftige Kaiser das Dokument stets bestätigen muss und diejenigen, die an seiner Echtheit zweifeln als Ketzer verurteilt werden. In der mittelalterlichen Literatur ist der zur Legendarik gehörende „Trierer Silvester“ im Zusammenhang mit der Konstantinischen Schenkung nennenswert. Er entstand in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts und liegt als fragmentarisch erhaltene Verslegende vor. Hier wird die hohe Stellung des Papsttums gestärkt und auf die Legitimierung der Alleinherrschaft des Papstes angespielt. Nachdem Silvester Konstantin geheilt hat, übereignet dieser ihm Krone und Herrschaft. Nur von ihm habe Konstantin seinen Herrschaftsanspruch sozusagen als Lehen wiederbekommen. Die am weitesten zurückreichende bildliche Darstellung der Konstantinischen Schenkung findet sich in einem Mosaikbild an der Fassadenvorhalle der römischen Bischofskirche S. Giovanni in Laterano und entsteht um 1190. Sie spiegelt den päpstlichen Wunsch, der höchste weltliche Herrscher würde sich dem Stellvertreter Christi unterordnen, wider. In der Zeit der Auseinandersetzung zwischen Papst Innozenz IV. und Friedrich II. entsteht der Freskenzyklus in der 1247 geweihten Silvesterkapelle an SS. Quattro Coronati in Rom. Friedrich ist seit 1239 wieder vom Papst gebannt und bedroht Rom mit Militär. Innozenz flüchtet mit der Kurie nach Lyon und setzt Friedrich von dort aus 1245 auf einem Konzil ab. Der Freskenzyklus zielt auf die Gehorsams- und Seite 36 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter Unterordnungspflicht des Kaisers gegenüber dem Papst ab und wird in eine Darstellung des Jüngsten Gerichts eingebunden. Dies verleiht der Konstantinischen Schenkung eine heilsgeschichtliche Unabdingbarkeit, deren Einhaltung von den Päpsten des 13. Jahrhunderts immer stärker gefordert wird. Seit dem 12. Jahrhundert tauchen in Rom auch Realien als Beweisstücke auf, um den Legenden um Konstantin Glaubwürdigkeit zu verleihen. In der römischen Bischofskirche gibt es eine Tiara zu bewundern, die Konstantin Silvester überreicht haben soll und eine Doppelikone von Petrus und Paulus zu bestaunen. Diese soll die Ikone sein, die Silvester Konstantin gezeigt habe und anhand derer er die Männer aus seinem Traum erkannt haben soll. 3. Zusammenfassung Die Konstantinische Schenkung ist als „großzügiges Programm zur Ausweitung der Macht Roms und seiner Bischöfe“43 anzusehen, als „eine großartige Planung der neue Wege gehenden Politik für die weitere Fundierung des Patrimonium Petri als Kirchenstaat und für die über das Kirchliche hinausgreifende Stellung des Papstes“44. Sie war „ein Symbol für die irdische Machtstellung der Kirche, für ihre Diesseitigkeit, kein Besitztitel für den Kirchenstaat“45. Die Forschung geht dahin, dass das Constitutum Constantini weniger als juristisches Dokument, sondern eher als Spiegel des sich verändernden Selbstverständnisses der römischen Kirche seit der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts betrachtet wird. Die Päpste nutzen sie aber solange es möglich ist, bis die Konstantinische Schenkung als Fälschung enttarnt wird. Die Echtheitskritik soll als Ausblick auf das Schicksal der Urkunde bis in die Neuzeit den Abschluss bilden: Schon 1001 lehnt Otto III. die von Kardinal Johannes geschriebene, falsche Fassung der Konstantinischen Schenkung ab. 1152 meint Arnold von Brescia sie stünde im Widerspruch zum göttlichen Heilsplan. Formal propagiert Nikolaus von Kues sie in seiner Reformschrift „ De concordantia catholica“ von 1433 als unecht. Durch philosophische und sprachliche Argumente beweist Laurentius Valla 1440 in seiner Schrift „De falso credita et ementita Constantini donatione“ ihre Unechtheit, welche aber erst durch die Aufnahme von 43 Karl August Fink, Papsttum und Kirche im abendländischen Mittelalter, S.23. Ders., S.23. 4 Horst Fuhrmann, Die Päpste, 3. Aufl., S.39. 44 Seite 37 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter Ulrich von Hutten und Martin Luther in ihren konfessionellen, gegen den Papst gerichteten Schriften eine weite Verbreitung findet. Die Meinung der römischen Kirche wird in der Echtheitsdiskussion durch Caesar Baronius vertreten, der 1592 darlegt, dass es eine Schenkung Konstantins an Silvester gegeben hat. Aber die Konstantinische Schenkung sei eine von den Griechen verfasste Fälschung, die später ins Lateinische übersetzt wurde. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kann Ignaz von Döllinger den lateinischen Ursprung der Constitutum Constantini nachweisen und damit die These des Baronius widerlegen. 4. Literaturverzeichnis Demandt, Alexander/Engemann, Josef (Hgg.), Imperator Caesar Flavius Constantinus. Konstantin der Große, Luxemburg 2007. Denzler, Georg, Das Papsttum. Geschichte und Gegenwart, 2. Aufl., München 2004. Fink, Karl August, Papsttum und Kirche im abendländischen Mittelalter, München 1981. Fuhrmann, Horst, Art. „Constitutum Constantini“, in: Gerhard Krause/Gerhard Müller (Hgg.), Theologischen Realenzyklopädie, Bd. 8, Berlin 1981, S. 196-202. Fuhrmann, Horst, Die Päste. Von Petrus zu Benedikt XVI., 3. Aufl., München 2005. Fuhrmann, Horst, Art. „Konstantinische Schenkung“, in: Bautier, Robert-Henri/Auty, Robert (Hgg.), Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, München 1991, Sp. 1385-1386. Fuhrmann, Horst, Art. „Konstantinische Schenkung“, in: Kasper, Walter (Hg.), Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 6, Freiburg im Breisgau u.a. 1997, Sp. 302-303. Hehl, Ernst-Dieter, 798 – ein erstes Zitat aus der Konstantinischen Schenkung, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 47 (1991), S. 1-17. Helmholz, Richard von u. a. (Hgg.), Grundlagen des Rechts. Festschrift für Peter Landau zum 65. Geburtstag, Paderborn u. a. 2000. Kreuzer, Georg/Weiß, Stefan (Hgg.), Bernhard Schimmelpfennig. Papsttum und Heilige. Kirchenrecht und Zeremoniell. Ausgewählte Aufsätze, Neuried 2005. Seite 38 Antike Grundlagen II u III Seminar Rom im Mittelalter Zusammenfassende Schlussbetrachtung Es waren mehrere Faktoren, die zur Wandlung Roms führten. Zum einen haben wir die religiöse Situation in Rom selbst, die es dem Christentum überhaupt erst ermöglichte einen starken und prägenden Charakter auszubilden. Die Galionsfiguren Petrus und Paulus bildeten für die Christenheit der Stadt im wahrsten Sinne des Wortes ein Fundament, auf dem die christliche Kirche gebaut werden konnte. Die politischen Veränderungen unter Konstantin zu Gunsten der stadtrömischen Christen, nach der Jahrelangen Verfolgung von Diokletian, trugen ihren Teil dazu bei, die Akzeptanz der neuen monotheistischen Religion auch in der höheren Gesellschaft zu verstärken. Diese höhere Akzeptanz und Konstantins Bemühungen manifestierten sich nicht zuletzt im Stadtbild Roms. Der Bau christlicher Stätten, nicht nur am Stadtrand, bildete ein wichtiges Fundament um eine strukturell gefestigte Ordnung des christlichen Glaubens auszubilden. Was aus den Ereignissen der Spätantike im mittelalterlichen Rückspiegel geworden ist, zeigt nicht zuletzt die Rezeption der Konstantinischen Schenkung, sondern auch der Freskenzyklus aus der Silvesterkapelle von Santi Quattro Coronati. Die Geistlichkeit im Mittelalter wusste die Ereignisse der Vergangenheit für ihre Zwecke perfekt zu instrumentalisieren. Man nutze diese, um die Vormachtsstellung der Kirche gegenüber der weltlichen Ordnung in eine künstliche Tradition einzubetten, um so vor allem in Krisenund Konfliktzeiten ein wirkungsvolles Werkzeug in Händen zu halten. Wir haben gehört, dass der Aufstieg Roms als religiös-politisches Machtzentrum von Konstantin nicht bis zum Höhepunkt weiterverfolgt wurde. Als Konstantin schließlich aus Rom verschwand hinterließ er eine Lücke, die von einer ganz bestimmten Institution perfekt ausgefüllt wurde – das Papsttum hatte seinen Geburtsort gefunden. Und diesen sollte es auch knapp 2000 Jahre später noch nicht wieder verlassen haben. Seite 39