I ) Wie ich mit den vorliegenden Texten beten kann 1) Ich übe mich täglich in folgenden Punkten ich richte den äußeren Raum ein ich werde ruhig und öffne meinen inneren Gebetsraum ich spüre mich in meinem Leib und werde gegenwärtig und still ich nehme Beziehung zu Gott in mir auf. Anfänglich wird mir dies wahrscheinlich mehr Mühe bereiten, da ich mit den Strukturen noch nicht so vertraut bin, als mit der Zeit, wenn die Abläufe geläufiger werden. In all diesen geistlichen Übungen verkrampfe ich mich nicht. Ich setze mich selbst nicht unter Druck und unterwerfen mich keinem Leistungsprinzip (z. B. „Ich darf ja keinen Fehler machen!“). Ich versuche das zu berücksichtigen und zu achten, was sich in mir aktuell zeigt bzw. zu Wort meldet. Achtsamkeit mir selbst, den anderen und dem, was Gott mir mit auf meinen Weg geben will, steht jetzt - und eigentlich immer - im Mittelpunkt der Spiritualität des Alltags, also meines täglichen Lebens. Vor mir liegt eine Sammlung von unterschiedlichen Texten und Bildern, angereichert mit vielen Impulsen für jeden Tag der kommenden fünf Wochen. Die Fülle an Texten kann mitunter verunsichern: wie soll ich das nur bewältigen? Indem ich ohne Stress das Maß und den Inhalt meiner Gebetseinheit selbst ertaste, ausprobiere und letztlich selbst bestimme. Ich nehme mir, wenn möglich, täglich eine fixe Zeit fürs Gebet. Das gute Maß könnte ca. 30-60 Minuten sein (verteilt auf eine z. B. Zeit am Morgen, eventuell eine Zeit mitten am Tag und die abschließende Zeit am Abend). Aber erneut ist es mir bewusst, dass ich auch mit kleinen Schritten ans Ziel komme. Wenn mir „nur“ zehn bewusste Minuten am Tag möglich sind, dann seien Sie in diesen zehn Minuten vor Gott ganz gegenwärtig und so mit Gott unterwegs. 2) Der Aufbau der spirituellen Einheiten Das Tagesthema: Ich finde ein Tagesthema zu Beginn des jeweiligen Tages. Es soll mir dabei helfen, mich inhaltlich auf die nun folgenden Gebetsteile einzustellen. Das tägliche Eröffnungsgebet: Ein Wochengebet kann das Gebet sein, mit dem ich nach meiner inneren Vorbereitung die tägliche Gebetszeit beginne. Die Leibübung: Mein Körper funktioniert nicht einfach nur, sondern ist Heimat für Emotionen, Herz und Seele. Der beseelte Körper wird in der Theologie und Philosophie als Leib bezeichnet. Jeden Tag konzentriere ich mich bei einer Übung auf einen anderen Aspekt meines Leibes, komme ihm näher. Dieser Leib-Impuls führt hin zum biblischen Text des jeweiligen Tages. Die Öffnung für meinen Leib (Körper) und die Identifizierung mit ihm wird hier angestrebt. Die Übungen zielen darauf, dass ich mir meiner verschiedenen Sinne und Körperteile bewusster werde. In meinem Körper sind alle meine Empfindungen und Erinnerungen an Vergangenes gespeichert. Diese kommen zum Teil bei einzelnen Übungen in Schwingung. Ein Ziel kann sein, dass ich daraus einen wohlwollenden Zugang zum meinem körperlichen Sein finde. Der biblische Text: Im Zentrum des fünfwöchigen Prozesses stehen neutestamentliche Heilungsgeschichten. Für jeden Tag gibt es einen oder mehrere Bibelverse, die von der körperlichen und/oder psychischen Einschränkung zur körperlichen und/oder psychischen Heilung führen. In diesen Texten ist die Lebens- und Glaubenserfahrung einzelner Gläubiger in der Begegnung mit Jesus verdichtet. Die Impulse zum biblischen Text: Die biblische Heilungsgeschichte wird auf der symbolischen Ebene des Glaubens tiefgründiger betrachtet und auf eine persönliche Ebene gebracht. Fragen und Impulse, die aus dem Thema erwachsen, werden benannt und fordern heraus, mich eingehender damit zu beschäftigen. Lyrische Texte: Ein lyrischer Text greift Gedanken und Emotionen auf und verdichtet sie. Die Stille: Ich baue vor Beginn der Gebetszeit und im Gebetsablauf immer wieder Zeiten, Momente der (inneren) Stille ein. In dieser Stille bin ich bei mir selbst und auch bei Gott. Ich bin ungestört, nicht abgelenkt und daher offen für das, was sich in mir zu Wort meldet, was sich an Gefühlen und Bildern in mir zeigt. In dieser Stille kann der biblische Text, die bildliche Gestalt, das, was beim Hören Schwingungen in mir hervorruft, der Impuls – der mich zu mir selber führen möchte – nachklingen und Heimat finden. In diesem Begegnungsraum kann Gott mich berühren, aufrütteln, beheimaten. Tagesrückblick und/oder Gebet: Den Abschluss des Tages (oder der täglichen Gebetszeit) bilden rückblickende Gedanken und/oder ein Gebet. II) Vertiefung der einzelnen Schritte Im Folgenden werden die einzelnen Schritte der Tagesstruktur noch klarer erläutert und ergänzt. 1) Meine innere Vorbereitung auf das Gebet a) Meinen Gebetsraum entdecken Ein Raum in meiner Umgebung wird mir zum Gebetsraum. Der Äußere Raum Mit diesem Raum ist jener Raum bezeichnet, der mich umgibt: mein Zimmer, meine Wohnung/mein Haus, mein Garten, der Wald, ein Platz am See, ein Platz auf dem Berg, ein Gebetsraum … Der Innere Raum Mit diesem eher symbolischen Raum ist jener Raum gemeint, den meine inneren Bilder, Gefühle, Erinnerungen und Gedanken, Empfindungen, mein Bewusstsein … einnehmen. Der Glaubensraum Unter diesem Raum versteht sich zum Einen die biblische (äußere) Wirklichkeit, die mir in den biblischen Texten begegnet; zum anderen aber auch jener (innere) Raum, in dem ich mich öffne für die Erfahrungen mit Gott, die mit Staunen, Zweifeln, Vertrauen, Warten, Hoffen, Anbeten … umschrieben werden können. Wenn ich mich auf Gott bewusst einlassen möchte, dann können klar gesetzte Schritte den Boden ebnen (auch wenn Gott mitten in meinen Alltag einfach – unvorhergesehen und unerwartet – „einbrechen“ kann!). Einer dieser Schritte ist es, sich für die Dauer der geistlichen Übungen der kommenden Wochen einen äußeren Raum zu suchen und diesen auch zu gestalten, damit das Geschehen in meinem inneren Raum offen und weit wird, so dass ein Glaubensraum erfahrbar werden kann. Die Gestalt des äußeren Raumes wird meinem WohlEmpfinden entsprechen. Dieser äußere Rahmen soll mich dabei unterstützen, zur Ruhe und zur Entspannung zu kommen. Telefon und andere Eindringlinge in meine Stillephase sollen, wenn möglich, ausgeklammert werden. Das allgemeine Wohlbefinden sollte vorhanden sein. Eine Decke, eine Kerze, eine gute Sitzunterlage, angenehme Lichtverhältnisse bei wohltuender Raumtemperatur sind unterstützend. Alles, was mich vom Eigentlichen ablenken könnte, stört. Es ist hilfreich, diesen Platz während der fünf Wochen zu „bewohnen“, wenn er sich vielleicht auch etwas verändern mag. Es gibt auch Schutz, wenn ich immer ungefähr zur selben Zeit diesen Raum aufsuche. Diese Regelmäßigkeit hilft unserem etwaigen Umfeld, die Grenze der Stille, des Ungestörtseins, zu achten. Anselm Grün schreibt in seinem Buch über Exerzitien für den Alltag (Vier-Türme-Verlag, Münsterschwarzach 2009), dass am Ende der Exerzitien die Entscheidung stehen soll, Gott in mir mehr Raum zu geben, damit Gott mich wandeln kann, damit Christus in mir wachsen und Gestalt annehmen kann. Das Ziel dieses „Glaubensraumes“ ist es also, ein wachsendes Gespür für die Liebe Gottes zu entwickeln. b) Gebet der Woche Das Wochengebet kann zu Beginn der Gebetszeit gebetet werden. Es soll die Gebetszeit bewusst eröffnen und zum kommenden Dialog mit Gott hinführen. Es passt sich inhaltlich an die Themen der Woche an und begleitet die einzelnen Gedanken des Tages. c) Meinen Leib als Raum des Gebetes entdecken Mein Leib ist Wohnort des Heiligen Geistes, der Ruach – jener Schöpferkraft, die ins Leben ruft und lebendig macht. Dieser Leib kann das innere Empfinden in verschiedenen Gebärden nach außen verkörpern und somit ohne Worte ausdrücken, was im Innersten gefühlt wird. Der Mensch reagiert unbewusst mehr auf Haltungen und Körpergebärden des Gegenübers als aufs gesprochene Wort. Der Leib umfasst die Ganzheit des Menschen (er wird zum Ausdrucksbild der Seele, damit auch innerster Gefühle). Der Leib ist das Gefäß, in dem Begegnung mit der göttlichen Wirklichkeit gefasst ist. Gebärden, die dem eigenen Gefühl entspringen und nach außen gezeigt werden, können im Inneren wandeln und sind heilsam. Ganzheitliches Beten ist auch Leib-Präsenz: ich nehme die Wirklichkeit, diesen Augenblick, mit allen Sinnen wahr und schenke ihr/ihm einen Ausdruck meines Seins. Das Stehen Der Fuß am Boden versinnbildlicht die Erdverbundenheit, den Lebensweg, den eigenen Standpunkt, die Heimatverbundenheit, aber auch das Pilgerdasein, die Beweglichkeit … Verwurzelt kann ich geradestehen, eintreten und auftreten für etwas/jemanden, kann ich Ehrfurcht und Konzentration ausdrücken. Im Heben meines Fußes zeige ich meine Beweglichkeit, die Möglichkeit des Aufbrechens, der Flexibilität, aber auch meine Verletzlichkeit, wenn mir der Boden unter den Füßen fehlt. Im aufrechten Stehen zeige ich meine Aufrichtigkeit, meine Verbundenheit mit dem Göttlichen und nehme das Geschenk an, dass Gott zu mir steht. Das Stehen vor Gott drückt Aufmerksamkeit, Hören und Verehren dem/der Höchsten gegenüber aus. Das Sitzen Dies ist eine Haltung des aufnehmenden und betrachtenden Hörens. Ich sitze vor Gott, der/dem ich mein Sein verdanke. o Bequeme Kleidung, kein Gürtel o Ein geeigneter Stuhl ist einer, der eine feste, waagrechte Sitzfläche hat. Die Sitzhöhe sollte so sein, dass beide Füße gut auf dem Boden stehen können. o Der Oberkörper ist aufgerichtet. Zur Stuhllehne hat nach Möglichkeit nur das Becken mit dem Kreuzbein Kontakt. o Oberkörper, Beine und Füße sollten in einer ausgeglichenen Spannung im rechten Winkel zueinander sein, also: Oberkörper senkrecht, Oberschenkel waagrecht, Unterschenkel senkrecht und Füße wiederum waagrecht auf dem Boden. o Knie und Füße sind dicht beieinander; die Füße stehen parallel, so dass beide Fußsohlen guten Kontakt zum Boden haben. o Der Scheitel des Kopfes ist nach oben ausgerichtet. o Die Augen schauen geradeaus unter den geschlossenen oder offenen Lidern. o Die Oberarme liegen senkrecht am Oberkörper; die Handflächen ruhen auf den Oberschenkeln oder als Schale im Schoß. Das Knien und die Verbeugung Indem ich in die Knie gehe, erkenne ich meine Grenzen/ Schwächen an und verneige mich vor der Kraft, die mich erlöst. Die Hand und ihre Gebärden Hände legen Zeugnis ab für das innere Befinden des Menschen. Hände sind Instrumente menschlichen Handelns und Zeichen der menschlichen Aktivitäten. o erhobene Hände: Ich bete, ich rufe zu Gott, ich weite mich auf Gott hin, ich versuche Gott zu „erfassen“, ich strecke meine Hände hilfesuchend nach Gott aus. Gott wird als jene/r anerkannt, der/die segnend handelt. o ausgebreitete Hände - Orantenhaltung: Der gekreuzigte Christus wird in dieser Haltung angedeutet. Er hält den vorhandenen Spannungen stand und verbindet sich mit allen Menschen (in Not). o geöffnete Hände: Ich bin bereit auch zu empfangen, meine Bedürftigkeit, meine Grenzen anzuerkennen. Wenn ich mich für das Gebet öffne, dann tue ich es mit meinem ganzen leiblichen Sein. Es ist sinnvoll, für mich (evtl. am Beginn der fünf Wochen oder auch am Beginn der Gebetszeit) eine passende Gebärde zu suchen bzw. zu finden, die einerseits aufschließt/öffnet, andererseits auch wieder konzentriert/sammelt. Diese Gebärde kann ich zu Beginn der Gebetszeit einsetzen, ihr auch ganzheitlich nachspüren (Was empfinde ich in dieser Haltung? Was sagt sie über meine momentane Befindlichkeit aus?) – ich kann sie aber auch während meiner Gebetszeit einnehmen – oder aber der neuen Situation entsprechend anpassen, wenn meine Empfindungen sich während der Gebetszeit veränderten. Zur Vertiefung der Bibelstelle ist es empfehlenswert, mal eine Haltung zu suchen, die der Lebenssituation der dargestellten Gestalt entsprechen könnte – und sich über diese Haltung noch intensiver mit dieser Gestalt als konkret geschichtlicher Person auseinander zu setzen: Gefühle zulassen, benennen und mit meiner eigenen Lebenserfahrung vergleichen. 2) Die Stille Gott wirkt in mir/ Gott atmet in mir Es ist gewinnbringend, während der Zeit der Exerzitien auf zu viel äußere Aktivität (Besuche, Fernsehen, Bücher etc.) zu verzichten und die Aufmerksamkeit nach innen zu richten. Die Stille Stille Zeiten, ohne Geräusche, ohne Stimmengewirr, ohne Medien und Kommunikationsmittel sind rar geworden. Die Nachfrage nach Orten der Stille steigt. Eine lebendige Stille wie sie die Natur bietet, wie sie ein Gebetsraum bietet, wird oft als Erholungsraum herbeigesehnt, manchmal sogar real aufgesucht. Während der Zeit der Exerzitien soll es eine tägliche Übung sein, sich Zeiten der Stille zu gönnen, Stille zu erobern. Dies mag zu Beginn befremden, möglicherweise sogar Unlust oder Überwindung kosten. Sich für diese stillen Zeiten einzusetzen, ist jedoch notwendig, damit das Gebet als Beziehungsraum mit Gott Raum erhält. Diese Zeiten der Stille sind in den Impulsen für den Tag eingebettet, können aber während des bewusst gelebten Tages immer wieder selbst eingefügt werden, wo Stille mich wieder mehr mir selber annähern kann. Ein paar Minuten des Innehaltens, des bewussten Durchatmens lösen Spannungen, führen zur eigenen Mitte (zurück). Der Preis der Stille Die Stille ist der Ort der Begegnung. Sie ist der Ort, an dem ich nicht mehr ausweichen kann vor der Wahrheit, der Einsicht, dem Glauben oder Unglauben. Die Zeit der Stille ist eine „brennende Dornbusch-Erfahrung“ (Exodus 3,1-14): Gott ist anwesend, ich muss mich ihm/ihr nackt zeigen, die Schuhe – das, was mich vom Boden trennt – ausziehen, mich zeigen. Dabei kann ich innerlich brennen vor Freude, Leid, Zweifel, Glaube u.v.m. Ich kann aber auch dem Dornengestrüpp in mir und um mich herum begegnen. Die Stille wird mich aber sicherlich mit dem konfrontieren, was ist. Das kann beglückend aber auch schmerzlich sein. Das macht mir vielleicht sogar Angst. Der Wert der Stille In der Stille komme ich zu mir selbst, und damit ist der Raum geöffnet, in dem mir Gott begegnen kann. Die leisen, zögerlichen, zarten Stimmen in mir werden hörbar. Gott kann in dieser Stille in mir zu Wort kommen. Wege, Einsichten können sich so öffnen, dass sie auch keimen, wurzeln, wachsen und später Frucht bringen können. Die Stille eröffnet den Raum der Heilung, Wandlung und Erneuerung. Aus dieser erfahrenen Mitte heraus kann ich den Alltag bewältigen, auch wenn er dornig ist, mich bis ins Tiefste erschüttert. So entdeckt, ist die Stille Quelle des Heils. 3) Das Wort Gottes Jeder Mensch hat einen ganz persönlichen Zugang zum Wort und besonders zum Wort Gottes. Gott offenbart sich darin als Gegenüber, das in Beziehung kommen möchte mit dem hörenden Menschen. Um eine kostbare Begegnung zu ermöglichen, gilt es sich ansprechen zu lassen und letztlich auch zu antworten: mit ganzer Seele, mit ganzem Herzen und auch mit dem Leib. Es gibt verschiedenste Möglichkeiten, mit dem biblischen Text in Kontakt zu treten – ich lade ein, die eine oder andere Möglichkeit auszuprobieren und sich und Gott darin zu finden. Mit meinem Atem beten Der Atem Atmen bedeutet leben. Am Beginn der Schöpfung hauchte Gott seinen/ihren Atem in den Menschen ein, rief ihn so ins Leben. Im Einatmen lasse ich mich beschenken, nehme ich an, im Ausatmen gebe ich etwas von mir und meiner Lebenskraft weiter, ich lasse los. Zwischen Ein- und Ausatmen gibt es eine kleine natürliche Pause, die mich daran erinnern will, dass ich Ruhephasen in meinen Lebensrhythmus einbauen soll. Der Atem und dessen Rhythmus ist auch ein Zeichen für die innere Befindlichkeit oder die Belastbarkeit des Körpers. In Zeiten der Angst halte ich den Atem geschockt an, im (körperlichen) Stress kann ich sogar außer Atem geraten. Der Atem spiegelt daher auch die Befindlichkeit der Seele wider. Gleichmäßiges, ruhiges Atmen unterstützt meine Meditation, ist selbst schon in seiner entspannenden Kraft Gebet. Meine Allgemeinbefindlichkeit wird dadurch reguliert und aufgeheitert. Leib und Seele können im Atem (hebräisch Ruach: Geist, Atem Gottes) als eine spirituelle Einheit erfahren werden. Über meinen Atem verbinde ich mich gleichzeitig mit der Außenwelt – mit dem Atem des Nächsten/der Nächsten und mit der ganzen Schöpfung, die selbst den Atem für mich spendet. Der Kreislauf des Nehmens und Gebens ist dadurch gefestigt und das Leben gesichert. Das Atemgebet Ich finde mich vor Gott ein: Ich sitze so, dass mein Atem ruhig und frei strömen kann. Ich nehme wahr, wie mein Atem kommt und geht, ohne dass ich etwas dafür tun muss. Ich lasse den Atem geschehen, steuere nichts und nehme nur wahr, wie die Luft durch meine Nase ein- und ausströmt … Wahrnehmen und geschehen lassen … Jetzt beginne ich mit dem Atemgebet. Ich wähle ein oder mehrere Wort/e aus biblischen Texten und bete damit einige Zeit: Einzelne Worte aus Psalm 73 könnten sich zum Beten eignen: Gott nahe zu sein ist mein Glück. Ich setze auf Gott mein Vertrauen. o Beten mit einem Wort: Wenn ich ein einzelnes Wort wähle, z. B. „Glück / Vertrauen“, bete ich dieses Wort beim Einatmen, das Ausatmen geschieht dann ohne Wort. o Beten mit mehreren Wörtern: Mehrere verteilen sich auf das Ein- und das Ausatmen, „mein“ beim Einatmen „Glück“ beim Ausatmen „ich setze auf Gott“ beim Einatmen „mein Vertrauen“ beim Ausatmen Wörter Wenn ich merke, dass ich mit meinen Gedanken abgeschweift bin, lenke ich meine Aufmerksamkeit wieder auf meinen Atem und kehre zum gewählten Gebetswort oder Gebetsruf zurück. 4) Der Tagesrückblick Am Ende des Tages ist es gewinnbringend, wenn ich mich noch einmal zurück besinne auf das heute Erlebte. Im Text finde ich konkrete Fragen, die das Thema des Tages abrunden helfen. Ich kann mit dem Gebet der liebenden Aufmerksamkeit nochmals den Blick nach innen wenden und den Tag so noch einmal würdigen. Als Abschluss eines jeden Tages kann ein vorgegebenes Gebet (wie im Buch) oder ein selbst formuliertes Gebet dienen. Das Gebet der liebenden Aufmerksamkeit Ich gönne mir wieder einige Zeit der äußeren und inneren Ruhe. Ich sammle mich und richte meine Aufmerksamkeit auf Gott – dazu kann ich den Hl. Geist, die Ruach, um Unterstützung bitten: „Öffne du, Gott, die Augen meines Herzens für den Verlauf meines Tages.“ Ich lasse innere Bilder zum Tag auftauchen und versuche die inneren Bewegungen, Gefühle, Empfindungen und Gedanken in meiner persönlichen „Tagesschau“ zu entdecken. Ich bleibe bei dem, was mich stärkt und was mich zum Dank befähigt. Dann aber konzentriere ich mich auch auf Spuren der Neuorientierung oder Wandlung in mir. Diese können auch durch gemachte Fehler ausgelöst werden. Hierin ist auch das Zukunftspotential und die Möglichkeit einer Umorientierung begründet. In allem versuche ich dem Leben zu trauen, weil Gott es mir zutraut und geschenkt hat. 5) Der Sprachgebrauch Unsere Kommunikation stützt sich neben der Körpersprache auch auf die durch konkrete Worte geäußerte Sprache. Der Gebrauch des Wortes ist vom Umfeld, dem Zeitgeist, der Bildung, der persönlichen Erfahrung, den wahrgenommenen Emotionen, den inneren Bildern etc. geprägt. Diese Prägungen können fixieren, können aber auch aufgebrochen werden. Die zitierten biblischen Texte entstammen unterschiedlichen Quellen: der Lutherbibel, der Revidierten Elberfelder Übersetzung, der Neuen Genfer Übersetzung und der Einheitsübersetzung. Durch den bewussten Gebrauch verschiedener Übersetzungen wird versucht manches Gewohnte zu durchbrechen und somit die eigenen oder übernommenen Erfahrungen, die individuellen inneren Bilder zu weiten. In den nicht-biblischen Texten dieses Buches werden Gott sowohl weibliche als auch männliche Attribute zugeschrieben. So wird sich immer wieder das männliche Gottesbild zwar durchsetzen – es ist auch das uns Vertraute – aber es wird bewusst immer wieder mit dem weiblichen erweitert. Gott ist ein Geheimnis, unergründlich und nicht beschreibbar. Wir sind aufgerufen, Gott nicht in herkömmlichen oder einseitigen Bildern einzusperren, sondern Gott immer weiter, immer tiefer und immer neu und anders zu sehen. Dies wird durch den verwendeten Sprachgebrauch versucht. 6) Beten mit Bildern zu biblischen Texten a) Bilder als Anregung für Kommunikation: Assoziationen, Emotionen, Konfrontation b) Verschiedene Wege, Bilder zu betrachten: Bildbetrachtung ist eine Wahrnehmungsübung, die die Fantasie anregt. Betrachtendes Da-Sein mit dem Bild: in Stille das Bild wahrnehmen Entdeckendes Betrachten: Bildteile werden sukzessive aufgedeckt Aktives Betrachten: weitermalen, Schriftworte ergänzen … Das Bild unter formalen Aspekten betrachten: (Farben, Formen, Anordnung, Vordergrund, Hintergrund, Mitte, …) Das Bild unter inhaltlichen Aspekten betrachten: (Wirkung, Deutung, Assoziationen, Titel und Geschichte erfinden/schreiben, zur eigenen Geschichte kommen) 1. Das Fremde zulassen (=das Wesen Gottes umkreisen): Bilder wollen einladen zur Begegnung mit einer Wirklichkeit, die immer neue Perspektiven eröffnet. Ein Bild kann uns neu in Bewegung setzen und uns für neue Gottesbilder öffnen. 2. Einladung vom Bildbetrachten zum Beten mit Bildern: Beim Betrachten eines Bildes werde ich mit mir selbst konfrontiert – dem was ich glaube, hoffe, liebe, was mich ängstigt, was in mir verkümmert und verleugnet ist … Beim Betrachten eines Bildes bleibt das Geheimnis bestehen. Mit Bildern kann ich kommunizieren und der Geist Gottes kann mich zum Gebet führen. Aus: Kyrilla Schweitzer. Spiritualität der Exerzitien. Bilder tun der Seele wohl. Von der Bildkraft in Exerzitien. GCL, Nr. 91, 2007. Angelika Gassner, Referat für Spiriutalität und Exerzitien. Erzdiözese Salzburg.