Kunststoffe von Werner Schötschel Als „Kunststoffe“ oder „Plaste“ bezeichnet man Materialien, die in ihren wesentlichen Bestandteilen organischer Natur sind, aus Makromolekülen aufgebaut sind und durch Umwandlung von Naturprodukten oder durch Synthese entstehen. Makromoleküle sind aus vielen (mindestens 103) gleichartigen kleinen Molekülen („Monomeren“) zusammengesetzt, die sich aneinander gelagert haben. Man spricht daher auch von Polymeren. Merke: Monomere sind Verbindungen geringer Molekülmasse, die fähig sind, Makromoleküle zu bilden. Polymere sind makromolekulare Verbindungen, die aus Monomeren aufgebaut sind. Beispiele für Kunststoffe, die aus Naturprodukten hergestellt werden: Celluloid: hergestellt aus Campher und niedrig nitrierten Nitrocellulosen („Dinitraten“); zur Herstellung von Filmen, Tischtennisbällen, Puppen u.a.m. Kunstseide (Reyon): Viskoseseide: Holzzellstoff wird in Natronlauge getaucht. Die „Natroncellulose“ ergibt mit Kohlenstoffdisulfid zähes Cellulosexanthogenat („Viskose“). Die Viskose wird in Natronlauge gelöst und durch Spinndüsen in ein Fällbad (z.B. H2SO4 + Na2SO4) gepresst. „Kupferseide“: Baumwollabfälle oder Holzzellstoff werden in einer Lösung aus Kupferoxid und Ammoniakwasser („Schweizers Reagenz“: [Cu(NH3)4](OH)2 = Tetraamminkupfer(II)-hydroxid) gelöst und durch feine Spinndüsen in strömendes, warmes Wasser gepresst, wobei durch das schnell fließende Wasser eine Streckung des Fadens erfolgt („Streckspinnverfahren“). Anschließend kommen die Fäden in eine „Härteflüssigkeit“ aus verdünnter Schwefelsäure. Werden die endlosen Fäden der Kunstseiden in 10 bis 15 cm lange Stücke zerschnitten und zu Garn versponnen, so entsteht Zellwolle (z.B. Vistrafaser aus Viskoseseide; Kupfer-Zellwolle aus Kupferseide). Galalith: Kunsthorn, hergestellt aus Casein (aus frischer Milch mit Lab ausgefällt) und Methanal-Lösung; zur Herstellung von Kämmen, Knöpfen, Klaviertasten u.a.m. Eigenschaften der Kunststoffe Als Kohlenstoffverbindungen weisen die Kunststoffe folgende allgemeine Merkmale auf: 1.) geringe Dichte; 2.) relativ hohe chemische Beständigkeit; 3.) hohes elektrisches Isoliervermögen. Bei der Verwendung der Kunststoffe spielen die wärmetechnischen und akustischen Eigenschaften eine große Rolle: Kunststoffe - vor allem Schaumstoffe - sind sehr gute Wärmeisolatoren; Schaumstoffe und Faserstoffe sind ideale Schalldämmstoffe. Andere Eigenschaften sind in der Regel nachteilig für die Verwendung der Kunststoffe: eine meist nur geringe Temperaturbeständigkeit, eine geringe Kratzfestigkeit und die Neigung zu elektrostatischer Aufladung. Die einzelnen Makromoleküle eines Kunststoffs haben zwar das gleiche Bauprinzip, unterscheiden sich aber in der Kettenlänge. Man kann daher für die Kunststoffe nur eine durchschnittliche Mole- - 2 külmasse angeben. Da Kunststoffe Gemische unterschiedlich großer Moleküle sind, besitzen sie keine scharfen Schmelztemperaturen, sondern erweichen beim Erwärmen innerhalb eines bestimmten Temperaturbereiches. Wegen der großen zwischenmolekularen Kräfte sind Kunststoffe nicht verdampfbar, sondern zersetzen sich, wenn sie über den Schmelzbereich hinaus erhitzt werden (bisweilen sogar schon vor dem Erreichen der Erweichungstemperatur). Ebenfalls als Folge der starken zwischenmolekularen Kräfte ergeben Kunststoffe keine echten Lösungen, sondern sind höchstens kolloid löslich. (Bei geringer Konzentration entsteht ein dünnflüssiges Sol, bei höherer Konzentration ein viskoses Gel.) Manchmal sind Kunststoffe sogar nur quellbar (durch Aufnahme des Lösemittels in den hochmolekularen Körper). Dadurch wird das Aneinandervorbeigleiten der Makromoleküle erleichtert, d.h. der Kunststoff wird geschmeidiger und weicher. Durch Zusatz von Weichmachern (meist organische Ester) werden spröde Kunststoffe weicher und dadurch leichter verformbar. Die Moleküle des Weichmachers werden dabei zwischen die Makromoleküle des Kunststoffs eingelagert und schwächen dadurch die zwischenmolekularen Kräfte. (Da aber Weichmacher durch unpolare Lösemittel herausgelöst werden können und giftig sind, sind z.B. Folien aus Weich-PVC zur Verpackung von Lebensmitteln nicht zugelassen.) Die Kettenmoleküle sind im Allgemeinen ungeordnet und ineinander verschlungen. Nur in kleineren Bereichen können sich Kettenabschnitte ähnlich wie in einem Kristall zusammenlagern (kristalline Bereiche = Kristallite = Micellen): Die geordneten Bezirke besitzen hohe Festigkeit (da hier die zwischenmolekularen Kräfte besonders wirksam sind), während die ungeordneten Bereiche elastisch sind. Wird der Kunststoff gestreckt, so wird die Orientierung der Makromoleküle in der Längsrichtung der Faser verstärkt, was zu einer höheren mechanischen Festigkeit führt, insbesondere zu größerer Zerreißfestigkeit. Nach ihren wichtigsten Eigenschaften kann man die Kunststoffe (Plaste) in drei Gruppen einteilen: a) Thermoplaste (Plastomere): z.B. Polyethen (PE), Polyvinylchlorid (PVC), Polystyrol (PS); Nylon, Perlon; ferner Cellulose-Derivate fadenförmige Makromoleküle; erweichen in der Hitze und erstarren beim Abkühlen wieder Verarbeitung: Extrudieren (Strangpressen mit Hilfe von Schneckenpressen): z.B. Rohre, Folien, Kabelummantelungen Kalandrieren: Die heiße, plastische Formmasse wird auf dem Kalander (einem System von mehreren gegenläufigen Walzen) zu Folien gewalzt; häufig wird die Folie anschließend gereckt (z.B. aufgeblasen) oder bedruckt. Spritzgießen: Das erhitzte, plastische Material wird in eine geschlossene, gekühlte Form gespritzt. Dieses Verfahren ist für die Massenfertigung besonders geeignet. Pressen: Das Material wird als Pulver, Granulat oder Gießharz eingegeben und in beheizte Stahlformen gepresst. - 3 Zustände und Übergangsbereiche einiger thermoplastischer Kunststoffe: PVC Polyvinylchlorid (ohne Weichmacher) PS Polystyrol PE Polyethen (Dichte ca. 0,95 g.cm-3) PP Polypropen PVC Polyvinylchlorid (mit Weichmacher) BE FB EB FB KS FB EB EB EB FB kein Warmformbereich -50 0 50 100 Gebrauchsbereich Erklärungen: EB Erweichungsbereich FB Fließbereich KS Kristallitschmelzpunkt glasiger Zustand = hartelastisch spröde kristalliner Zustand verhärtet kristalliner Zustand = hornartig zäh weichelastischer Zustand optimale Warmformtemperatur plastischer Zustand (nach oben hin Zersetzung) Temperaturbereich der thermoplastischen Verarbeitung 150 200 300 °C - 4 b) Duroplaste (Duromere): z.B. Galalith, Phenoplaste, Aminoplaste vernetzte Makromoleküle; zwischen den einzelnen Molekülketten bestehen chemische Bindungen, die das ganze Makromolekül zu einem dreidimensionalen Netz verknüpfen; härter als Thermoplaste und meist nicht ohne Zersetzung schmelzbar Die Vernetzung reaktionsfähiger linearer und verzweigter Makromoleküle nennt man Härtung. Das Harz wird vor der Härtung plastisch verformt. Da die Duroplaste bis an den Zersetzungsbereich im Glaszustand bleiben, kann keine Weichverformung, sondern nur eine spanabhebende Bearbeitung erfolgen. c) Elastoplaste (Elastomere): z.B. Kautschuk (Monomer: 2-Methyl-1,3-butadien = Isopren), Buna (Monomer: 1,3-Butadien) gummielastische Kunststoffe; die nur wenig vernetzbaren Makromoleküle bilden Knäuel, die sich bei Zug strecken und bei Entlastung zurückschnellen Naturkautschuk ist der eingetrocknete Milchsaft des tropischen Federharzbaumes (Hevea brasiliensis). Die beim Anritzen der Rinde ausfließende „Milch“ (Latex) wird durch Zusatz von Ethansäure zum Gerinnen gebracht, durch Räuchern konserviert und - zu „Fellen“ ausgewalzt - als Rohkautschuk in den Handel gebracht. Zur Herstellung von Gummi wird der Rohkautschuk durch Beimischen von etwa 4 Massenanteilen Schwefel und anschließendes Erhitzen auf 140 °C „vulkanisiert“ (Goodyear; 1839). Um bei Autoreifen die Reiß- und Abnutzungsfähigkeit zu erhöhen, werden rund 40 Massenanteile Ruß zugesetzt. Der Name Buna für synthetischen Kautschuk ist aus den Anfangsbuchstaben von Butadien und Natrium zusammengezogen, da die Polymerisation des Butadiens zuerst mit gepulvertem Natriummetall als Katalysator durchgeführt worden ist. Heute wird Buna vor allem durch Emulsionspolymerisation hergestellt, und zwar als „Mischpolymerisat“, z.B. mit Styrol (Buna S) oder mit Acrylnitril (Perbunan). Eine besondere Gruppe von Kunststoffen sind die Silicone, bei denen das Gerüst der Makromoleküle nicht aus Kohlenstoffatomen besteht, sondern aus Silicium- und Sauerstoffatomen. An die Siliciumatome sind organische Gruppen gebunden: O R R R R R Si O Si O Si O Si O Si R R R R R Da die kettenförmigen Makromoleküle in verschiedenem Ausmaß vernetzt werden können, kann man sowohl Siliconöle, als auch feste Siliconharze oder sogar Siliconkautschuke erhalten. Silicone zeichnen sich durch hohe Wärmebeständigkeit und durch ein extrem hydrophobes Verhalten aus. Schon in dünnster Schicht wirken sie wasserabstoßend und finden daher zum Imprägnieren von Geldscheinen, Landkarten usw. sowie als Schuhpflegemittel Verwendung. Da durch Zusatz von Siliconen eine Schaumbildung im Wasser verhindert wird, verwendet man sie als Antischaummittel. Ferner dienen Silicone auch als Trennmittel (in Pressformen oder bei Schutzpapieren für Heftpflaster usw.), weil klebrige Substanzen an Flächen, die mit Siliconen behandelt sind, nicht haften. - 5 Nach der Verknüpfungsart der Monomere kann man folgende Einteilung der hochmolekularen Stoffe vornehmen: Art der Bindung Symbol C-C-Bindung C C Beispiele synthetisch natürlich Polyethen, Kautschuk Kautschuk O C Esterbindung O C Polyesterfasern Nucleinsäuren N C Nylon, Perlon Eiweiße O C Amidbindung H O Urethanbindung N H C O Polyurethane -------------------- Etherbindung C O C Polymerisate von Methanal Cellulose, Stärke, Glycogen Reaktionen zur Kunststoffherstellung a) Polymerisation: bei Molekülen mit Mehrfachbindungen (z.B. Alkene und Alkanale = Aldehyde); Bildung langer Ketten ohne Austritt niedrigmolekularer Verbindungen Beispiele: n H H H H C C C C H H H H n Ethen Polyethen Handelsnamen für Polyethen: z.B. Lupolen (BASF), Hostalen (Hoechst) für plastisches Geschirr, Flaschen, Kabelisolierungen, Folien usw. Teflon ist Polytetrafluorethen; schmilzt erst bei 327 °C. Polypropen (z.B. Trespaphan aus Neunkirchen-Wellesweiler) findet vor allem zur Verpackung von Lebensmitteln und in der Elektroindustrie zur Herstellung von Kondensatoren Verwendung. - 6 - n H H H H C C C C H Cl H Cl n Polychlorethen = Polyvinylchlorid (PVC) Chlorethen = Vinylchlorid Handelsnamen für PVC: z.B. Vinoflex, Hostalit, Igelit, Mipolam für Folien, Kunstleder, Rohre, Schläuche, Isoliermaterial usw. n H H H H C C C C H H n Styrol Polystyrol Handelsnamen für Polystyrol: z.B. Luran, Trolitul; mit Treibmittel entsteht der Schaumstoff Styropor [Napalm B: gallertartige Flüssigkeit aus 50 % Polystyrol, 25 % Benzin und 25 % Benzol; Aufschlagzünder. - Der Brennstoff verspritzt in weitem Umkreis, bleibt überall kleben und verbrennt mit einer Temperatur von über 2000 °C. Brennendes Napalm kann durch nichts gelöscht werden.] n H H H H C C C C H C H C N N n Polyacrylnitril Acrylnitril Handelsnamen für Polyacrylnitril: z.B. Orlon, Dralon für Kunstfasern „Acrylglas“ (z.B. „Plexiglas“ der Firma Röhm) ist das Polymerisationsprodukt des Methacrylsäuremethylesters: H CH3 C C H COCH3 O - 7 Nach dem angewandten Verfahren unterscheidet man: Polymerisation in Substanz („Blockpolymerisation“) (Die Monomere reagieren spontan bei bestimmtem Druck und bestimmter Temperatur.) - Lösungspolymerisation (Die Monomere und die Polymere liegen gelöst vor. Das Lösemittel muss nach der Polymerisation entfernt werden.) - Fällungspolymerisation (Die Polymere fallen aus der Lösung aus.) - Suspensionspolymerisation (Feste Polymere bilden mit dem Lösemittel eine Suspension.) - Emulsionspolymerisation (Flüssige Polymere bilden mit dem Lösemittel eine Emulsion.) Die Polymerisation wird durch Katalysatoren („Starter“) eingeleitet und durch Zugabe von „Reglern“ (vor allem Halogenverbindungen) abgebrochen. - Als Beispiel für den Reaktionsmechanismus sei eine radikalische Polymerisation näher besprochen. Hierbei zerfällt der verwendete Katalysator in Radikale, die dann mit den Monomeren reagieren. z.B. radikalische Polymerisation von Ethen mit Benzoylperoxid als Katalysator 1.) Radikalbildung: Das Benzoylperoxid bildet Radikale: C O O O C 2 C O O• O (Das Benzoylperoxidradikal wird im Folgenden mit R• gekennzeichnet!) 2.) Startreaktion: Das Radikal reagiert mit der Doppelbindung: R• + H2C CH2 R CH2 CH2• 3.) Wachstumsreaktion: Das neue Radikal reagiert weiter mit anderen Doppelbindungen: R CH2 CH2• + H2C CH2 R CH2 CH2 CH2 CH2• 4.) Abbruchreaktion: Die Polymerisation kommt zum Stillstand, wenn das Radikal R –[CH2-CH2]n• mit einem anderen derartigen Radikal oder mit einem Benzoylperoxidradikal reagiert. (Außer radikalischen Polymerisationen gibt es auch ionische (kationische und anionische) Polymerisationen, die aber hier nicht näher besprochen werden sollen.) Je nach der Art der Monomere und nach den Reaktionsbedingungen lassen sich Kunststoffe „nach Maß“ herstellen: (1) linearer oder verzweigter Aufbau: lösliches Polymer vernetzter Aufbau: unlösliches Polymer - 8 (2) Bei substituierten Monomeren gibt es verschiedene Möglichkeiten der Zusammenlagerung, z.B. bei Vinylpolymeren: H H H C C C H Cl H H C C Cl H Cl H H C C H H C C H H unregelmäßige Anordnung Cl H H C C Cl H H H H C C H H H H C C Cl H C C Cl H H C Cl H Cl 1,3-Anordnung („Kopf-Schwanz“) 1,2-Anordnung („Kopf-Kopf“) (seltener Ausnahmefall) (3) Bei der 1,3-Anordnung können durch die Wahl geeigneter Beschleuniger Makromoleküle mit ganz bestimmten Konfigurationen aufgebaut werden (stereospezifische Polymerisation): CH3 H CH3 H C C C H H CH3 CH3 H C C H H H C H CH3 H CH3 H CH3 H CH3 H C C C C C C C H CH3 H H C H ataktische Struktur H C H H C H H C H H H H isotaktische Struktur H H CH3 C C H H C C H CH3 H C C H H C H H H syndiotaktische Struktur Regelfall! eutaktische Struktur (Die Konfigurationen der tertiären C-Atome haben keine regelmäßige Reihenfolge.) (Alle tertiären C-Atome besitzen dieselbe Konfiguration.) (An den tertiären C-Atomen wechseln regelmäßig entgegengesetzte Konfigurationen ab.) Polymere mit ataktischer Struktur sind stets weniger hart und haben eine niedrigere Erweichungstemperatur als die entsprechenden isotaktischen Polymere. Manche ataktischen Polymere sind sogar klebrig oder dickflüssig. (4) Zwei oder mehr Monomere können gemeinsam polymerisiert werden (Copolymerisation oder Mischpolymerisation, im Gegensatz zur „Homopolymerisation“): statistische Copolymerisation alternierende Copolymerisation Block-Copolymerisation = Segmentpolymerisation - 9 (5) Polymerketten können auch auf ein Gerüstpolymer „aufgepfropft“ werden (Pfropfpolymerisation): b) Polykondensation: bei Molekülen mit mindestens 2 funktionellen Gruppen; Bildung langer Ketten unter Austritt niedrigmolekularer Verbindungen (meist H2O) Beispiele: Dicarbonsäure + Diole (im Beispiel: Hexandisäure = Adipinsäure + 1,2-Ethandiol = Glycol) … OH + HOOC (CH2)4 COOH + - H2O … O C O HO CH2 CH2 OH + - H2O (CH2)4 C O HOOC (CH2)4 COOH + - H2O CH2 CH2 O O C (CH2)4 ein Polyester Namen für Polyesterfasern, z.B. aus Terephthalsäure + Glycol: Terylene (England), Trevira (Hoechst), Dacron (USA), Diolen (Glanzstoff) COOH Terephthalsäure … - H 2O O COOH HO C O O … - 10 Dicarbonsäuren + Diamine (im Beispiel: Hexandisäure = Adipinsäure + 1,6-Diaminohexan = „Hexamethylendiamin“) … NH + 2 HOOC - H2O - H2O H … H2N (CH2)6 NH2 (CH2)4 COOH + C (CH2)4 HOOC (CH2)4 COOH N O (CH2)6 N O C (CH2)4 C … N O H H2N … - H2O H C + - H2O O N + H ein Polyamid (Nylon 6,6) (1. Zahl: Anzahl der C-Atome des Diamins; 2. Zahl: Anzahl der C-Atome der Dicarbonsäure) Ähnlich aufgebaut wie das Nylon ist das Perlon, das sich von einem einzigen Baustein ableitet, der 6-Aminohexansäure = -Aminocapronsäure bzw. von ihrem inneren Amid (= Lactam): Erster Schritt: Spalten des Lactamrings durch Erhitzen von -Caprolactam mit etwas Wasser: H2C CH2 H2C CO + H2O H2N (CH2)5 COOH H2C CH2 NH 6-Aminohexansäure (= -Aminocapronsäure) „-Caprolactam“ Zweiter Schritt: Polykondensation: … COOH + H2N (CH2)5 COOH + - H2O - H2O O … C H2N (CH2)5 COOH + H2N - H2O H (CH2)5 C N (CH2)5 O C + H2N … - H2O O H N (CH2)5 COOH H N H (CH2)5 C N … O Perlon (Dasselbe Polymer kann aus -Caprolactam in Abwesenheit von Wasser durch Polymerisation (!) entstehen.) - 11 Unterscheide: Nylon: Die CH2-Gruppen sind abwechselnd auf beiden Seiten von der Gruppe C N bzw. O H umgeben. Perlon: Die CH2-Gruppen sind stets von einer Gruppe C und einer Gruppe O umgeben. N H (Sind bei Polykondensationen trifunktionelle Moleküle beteiligt, so entstehen vernetzte Makromoleküle.) Weitere Beispiele für durch Polykondensation hergestellte Kunststoffe: Phenoplaste = „Bakelite“ (nach dem Erfinder L. H. Baekeland): Methanal + Hydroxybenzol = Phenol oder 1,3-Dihydroxybenzol = Resorcin OH OH z.B. + 3 CH2O CH2OH HOH2C Methanal Phenol CH2OH OH OH CH2OH + OH OH HOH2C CH2 O CH2 + H2O (eine Etherbrücke!) beim Erhitzen: OH OH CH2 O CH2 OH OH CH2 + CH2O (eine „Methylenbrücke“) Bei dem Polykondensat handelt es sich um ein vernetztes Makromolekül. Phenoplaste finden als Ionenaustauscher Verwendung, ferner mit Füllstoffen (z.B. Talk, Ruß, Holzmehl, Baumwolle, Kaffeesatz) zur Herstellung von Schaltern, Steckdosen, Telefonapparaten, Flaschen- und Tubenverschlüssen usw. - 12 Aminoplaste: Methanal + Amine oder Harnstoff; z.B. Kauritleim zur Holzverleimung O O H 1.) H 2N C N O + H C H H 2N H C N CH2OH H O … + HN 2 2.) C O N CH2OH + H2N C N H CH2OH + … H - H2O H O … + HN 2 C O N C N H H H C N CH2OH + … H c) Polyaddition: wie bei der Polymerisation Bildung von Makromolekülen durch fortgesetzte Addition; es werden aber nicht gleiche, sondern verschiedenartige, mindestens bifunktionelle Moleküle miteinander umgesetzt; dabei werden - im Unterschied zur Polykondensation - keine niedrigmolekularen Verbindungen abgespalten; kennzeichnend ist, dass bei der Polyaddition Wasserstoffatome von einem Reaktionspartner zum anderen wandern Beispiel: Diole + Diisocyanate OCN-R-NCO — Polyurethane … + HO (CH ) OH + O C N (CH ) N C O + HO (CH ) OH + … 2 y 2 x 2 x … O (CH2)x O C N (CH2)y N C O H O (CH2)x O … H O Urethan-Gruppe Setzt man dem Reaktionsgemisch Wasser zu, so wird während der Reaktion CO2 abgespalten. Dieses Gas treibt den Kunststoff zu einem elastischen Schaumstoff auf: z.B. „Moltopren“. Verwendet man statt der zweiwertigen Alkohole trifunktionelle Moleküle, so erhält man vernetzte Makromoleküle (Duroplaste). - 13 Kunststoffe galten früher als Ersatzstoffe für fehlende Werkstoffe. Moderne Kunststoffe sind aber für viele spezielle Anwendungsgebiete ebenso gut oder sogar besser geeignet als die herkömmlichen Werkstoffe. Ihre Verwendung führt allerdings auch zu Problemen (z.B. Umweltbelastung durch den bei der Verbrennung von PVC-Abfällen entstehenden Chlorwasserstoff). In „Verbundwerkstoffen“ werden die Festigkeit und die Elastizität von Kunststoffen gesteigert, z.B. durch Einlagerung von Glasfäden (Stränge oder gewebte Matten), Kohlenstoff-Fasern (hergestellt durch Verkohlen von Kunstfasern), Metallfäden oder „Whiskers“ (Fäden aus einheitlichen Kristallen von Eisen, Aluminiumoxid oder Siliciumcarbid). Kunststoffe sind heute ein bedeutender Wirtschaftsfaktor: Produktion 2000 Welt: 180 Mill. t (einschließlich Leime, Lacke, Dispersionen, Fasern usw.) Westeuropa: 47,2 Mill. t Deutschland: 15,5 Mill. t (davon 4,1 Mill. t Duroplaste (vor allem Aminoplaste und Phenoplaste) 2,4 Mill. t Polyethen 1,6 Mill. t PVC 1,5 Mill. t Polypropen) Einsatzgebiete von Kunststoffen in Deutschland (im Jahre 2000) Verpackung Bau Möbelindustrie Fahrzeugindustrie Elektroindustrie Haushaltswaren Landwirtschaft Sonstige 27,0 % 27,0 % 8,0 % 8,0 % 7,0 % 4,5 % 2,0 % 16,5 % Hinweis: Aktuelle Daten und Grafiken zu Kunststoffen (u.a. Produktion und Verbrauch, Außenhandel, Preise, Hersteller, Einsatzgebiete, Abfall und Verwertung) können vom Verband Kunststofferzeugende Industrie (seit 1.1.2005 umbenannt in PlasticsEurope Deutschland) erhalten werden, zurzeit (Februar 2005) noch unter der Internet-Adresse http://www.vke.de und dort unter Informationsmaterialien / für Schulen / Downloadfiles / Aktuelle Wirtschaftsdaten (Stand vom 7.10.2004). Empfehlenswert ist die Broschüre „Kunststoffe - Werkstoffe unserer Zeit“, die in Klassenstärke kostenlos bezogen werden kann (PlasticsEurope, Karlstraße 21, 60329 Frankfurt am Main). Die neue Internet-Adresse ist http://www.plasticseurope.org. Allerdings gibt es in dieser Homepage zurzeit noch keine Seiten in deutscher Sprache.