Universität zu Köln 14.06.2006 Philosophisches Seminar Sandra Elster HS: Theorien des Selbstbewusstseins in Phänomenologie und analytischer Philosophie Dozent: Dr. Johannes D. Balle SS 2006 Textgrundlage Franz Brentano: Vom Selbstbewusstsein 1. Definition ∙ Selbstbewusstsein als eine „Kenntnis, welche sich auf das, was die Kenntnis hat, bezieht.“ ∙ Das, was die Kenntnis (das Akzidens) hat, ist die Substanz ∙ „Selbstbewusstsein [ist] eine Kenntnis, welche sich auf die Substanz, deren Eigenschaft die Kenntnis ist, bezieht.“ (jedoch nicht ausschließlich Bsp.: das Bewusstsein, einer zivilisierten Nation anzugehören) ∙ Unterscheidung zwischen distinktem, explizitem Selbstbewusstsein und indistinktem, implizitem Selbstbewusstsein Bsp.: distinktes Bewusstsein bei Wahrnehmung der einzelnen Töne eines Mehrklanges Fühlen von Schmerzen: die Substanz / das Selbst tritt indistinkt ins Bewusstsein ∙ Mensch ist sich der Substanz, die in ihn denkt, bewusst 2. Verhältnis von Substanz und Akzidens phänomenologisch ausgedrückt ∙ dieses Verhältnis nicht gleichzusetzen mit dem Verhältnis vom Ding an sich und Phänomen ∙ so kann man höchstens behaupten, das Denken sei kein bloßes Phänomen, nicht aber, es sei nichts Akzidentielles 3. Verhältnis von Substanz und Akzidens bei Aristoteles und Descartes ∙ Fehler Aristoteles: Qualitäten, Quantitäten und örtliche Differenzen erscheinen uns nicht als Akzidentien einer gleichbleibenden Substanz Bsp.: ○ ● unterscheiden sich durch Ort und Qualität, somit nicht akzidentielle, sondern substanzielle Differenzen ∙ Gebiet des Psychischen: X ↔ Y bei Veränderung der Gefühle bleibt das Individuum dasselbe, nur mit veränderten Akzidentien ∙ „Sowohl örtliche Bestimmtheit, als [auch] Art der räumlichen Erfüllung [sind] substanzielle körperliche Differenzen“ 1 ∙ Fehler Descartes’, denn Individualität ist nicht von unserem Denken bedingt ∙ Jedoch: nicht denken bedeutet, ohne Selbstbewusstsein sein, den ein Selbst ist eine Substanz mit Kenntnis, die sich auf diese bezieht 4. Äußere Wahrnehmung der Substanz ∙ ein Begriff a posteriori ∙ äußere Wahrnehmung zeigt uns örtliche und qualitative körperliche Substanzen (zwei Linien der Spezifikation) ∙ Aristoteles begeht Kategorienfehler, denn es gibt sowohl Akzidentien der Substanz, als auch Akzidentien von Akzidentien „Wenn einer mit Evidenz urteilt, so ist nicht bloß eine Substanz Subjekt des Urteilens, sondern auch dieses Urteilen Subjekt der Evidenz“ 5. Innere Wahrnehmung der Substanz ∙ innere Wahrnehmung zeigt uns die Substanz weder örtlich noch qualitativ bestimmt ∙ Wahrnehmung der Substanz als Nulldimensionales, „ohne jeden Zusammenhang als ein Ding für sich“ bestehend ∙ geistige (im Gegensatz zur körperlichen) Substanz ist unausgedehnt, aber dennoch Ding für sich 6. Begriff der Substanz im Allgemeinen 7. Zeigt uns die innere Wahrnehmung die Substanz als individualisiert? ∙ wenn wir von unserem Selbst sprechen, meinen wir ein einzelnes Individuum ∙ jedoch können wir keine substanzielle Differenz angeben, welche unser Selbst von dem anderer Personen unterscheidet ∙ wir nehmen ein anderes Selbst nicht direkt wahr sondern erschließen es in Analogie zu dem unsrigen ∙ es scheint, dass wir das, was dieses Selbst individualisiert, von dem, was dem Selbst mit anderen gemeinsam zukommt unterscheiden können ∙ allerdings: wir scheinen die Substanz unseres Selbst spezifiziert zu erfassen, jedoch „nicht durch letzte substanzielle Differenzen individualisiert“ 8. Wie kann es uns bewusst sein, ein bestimmtes Individuum zu sein? ∙ „Was ist, kann nicht anders als individualisiert bestehen“ ∙ wir erkennen, dass wir eine Substanz sind, da wir uns mit unmittelbarer Evidenz wahrnehmen ∙ Es kann nur ein Ding von einem Ding unmittelbare Evidenz haben, wenn es mit ihm selbst identisch ist; so erkennen wir uns als ein einziges Ding 2 ∙ „Die Erfassung unserer individuellen Differenz in ihrer Besonderheit ist also dazu gar nicht nötig.“ 9. Unser Selbst erscheint uns als eine rein geistige Substanz ∙ Aristoteles: Keine ausgedehnte Substanz kann unausgedehnte Akzidentien haben und keine unausgedehnte Substanz kann ausgedehnte Akzidentien haben Substanz als Subj. des Denkens unausg. Denken unausgedehnt Bild ausgedehnt Sehen des Bildes ausgedehnt Substanz, welche unser Selbst ausmacht, ist unausgedehnt und ausgedehnt ∙ Brentano: Stimmt zu, dass keine ausgedehnte Substanz unausgedehnte Akzidenzien haben kann, widerspricht jedoch dem zweiten Teil ∙ „Wenn viele Substanzen [das gleiche]denken, kann ihr Denken nicht individuell eines sein“ X X X ∙ Eine Substanz kann jedoch eine Vielzahl an Akzidentien haben XYZ ∙ Analogie absurd: einer Kontinuität von Substanzen kommt ein nicht kontinuierliches Akzidens zu nicht absurd : einer unausgedehnten Substanz kommt eine Kontinuität von Akzidentien zu ∙ Aristoteles weiteres Argument: Empfindungen und Affekte haben wir mit den Tieren gemein, deren Substanz körperlich zu sein scheint; Aristoteles gibt jedoch keinen Beweis dafür 10. Eigenschaften des Selbstbewusstseins ∙ distinktes Bewusstsein setzt das Wissen voraus, dass eine Substanz seine psychischen Tätigkeiten als Akzidentien an sich hat ∙ Selbstbewusstsein ist unvollständig ∙ Solange irgendetwas gedacht wird, ist Selbstbewusstsein vorhanden (ist der Denkende sich als Denkender zumindest indistinkt bewusst) ∙ So kann es ohne Willensaktivität zu einem (indistinkten) Selbstbewusstsein kommen, „[d]agegen kann der Wille unleugbar ... dahin wirken, daß etwas ... zu distinktem Selbstbewusstsein gelangt“ 11. Selbstbewusstsein per se und per accidens ∙ die Erörterungen beziehen sich auf Selbstbewusstsein an sich 3 4