"Sprachproduktion am Modell: Deutsche - Goethe

Werbung
Universität Mannheim, 6.7.2004
Sprachproduktion am Modell: Deutsche Lautsprache und Deutsche
Gebärdensprache im Vergleich
Daniela Happ & Helen Leuninger
Arbeitsbereich „Kognitive Linguistik’“, Institut für Deutsche Sprache und Literatur II,
Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt/Main
Email: [email protected]
[email protected]
1. Modalität
Sprachen sind perfekte Systeme: Grammatische Repräsentationen können
problemlos an den Schnittstellen gelesen werden (Chomsky, 2002)
Gebärdensprachen
Lautsprachen
Modalität, Verarbeitung
visuell-gestisch
aural-oral
Artikulatoren
grobmotorisch
manuell (Hände), nicht-manuell
(Mund, Gesicht, Körper)
feinmotorisch
Vokaltrakt
Dimension der Verarbeitung
vertikal
horizontal
Serialität in Perzeption und
Produktion
Periphere zeitliche Auflösung
gering
hoch
25-30 ms
2 ms
hoch
gering
230 km/s
331 m/s
Morphologischer Typ
überwiegend simultan-fusional
überwiegend seriell-konkatenativ
Produktionscharakteristika
viel Information in wenigen
großen Einheiten
wenig Information in vielen
kleinen Einheiten
Simultaneität in Perzeption und
Produktion
Geschwindigkeit der
Übertragung
Verarbeitungscharakteristika von Gebärden- und Lautsprachen
SIMULTANEITÄT: SECHS AUF EINMAL
„Zwei Lebewesen in feindseliger Absicht widerwillig langsam aufeinander zugehend“
„langsam, widerwillig, feindselig auf einander zugehend (Lebewesen)“
6. Adverb (feindselig)
5. Adverb (widerwillig)
4. Aktionsart
3. Derivation
2. Klassifikation
1. Wurzel
(Körperhaltung)
(Mimik)
(Bewegung)
(2-Hd-Konfiguration)
(Handform)
Sechs Morpheme in einer einsilbigen Gebärde
excl (feindselig)
widerwillig
langsam
AUFEINANDER-ZU-GEHCL: Lebewesen
GEHCL: Lebewesen
GEH- (unterspezifiziert)
Zeitstruktur
Wort / Gebärde pro Sekunde
Lautsprache
Gebärdensprache
4,7
2,37
Satz (Proposition) pro Sekunde 1,47
1,27
(Boyes Braem, 1995)
2. Skizze DGS
2.1 Manuelle Strukturen
2.1.1 Phonologie
Phonologische Merkmalsklassen Handform, Ausführungsstelle, Bewegung und
Handorientierung.
(1) und (2) unterscheiden sich allein in der Handorientierung, während (3) und (4)
sich nur in der Handform unterscheiden.
(1) SÜSS (2) ROT (redupliziert)
Minimalpaare der DGS
(3) STROM (4) HARMLOS
In der DGS gibt es 32 Handformen und eine bestimmte Menge von
Ausführungsstellen: u.a. am Kopf (1)-(4), am Hals (5) am Arm, am Oberkörper, an
der Hand (6), am Finger und im neutralen Gebärdenraum (7).
Hals
Hand
(5) ACH-SO
(6) BEZAHLEN
phonologische Merkmalsklasse Ausführungsstelle
neutraler Gebärdenraum
(7) TEUER
Darüber hinaus verfügt die DGS über verschiedene Bewegungsmuster, z.B.: vom
Körper weg (8), zum Körper hin (3), (4), (9), nach oben, nach unten (1), (2), (10),
nach rechts, kreisförmig,
vom Körper weg
zum Körper hin
(8) GEBEN
(9) (SICH) LEIHEN
phonologische Merkmalsklasse Bewegung
nach unten
(10) STUHL
über fünf Grundhandstellungen: Handfläche nach oben (8), (10), nach unten (6),
(11), nach innen, nach vorn, zum Gesicht (2), (5).
Handfläche unten
(11) MALER
phonologische Merkmalsklasse Handorientierung
Sprachspezifische Variation:
CAMP (ASL). Handform in DGS nicht zulässig
GROSSER-BRUDER (Japanische Gebärdensprache): in DGS nicht zulässig
Handform für CAMP (ASL)
Handform für GROSSER-BRUDER
(Japanische Gebärdensprache)
Allein sechs Handformen kommen in allen Gebärdensprachen vor:
Diese sechs Grundhandformen werden in einem natürlichen Gebärdenspracherwerb
auch als erstes erworben (siehe hierzu auch Boyes Braem, 1995; Leuninger, 2000).
DIE ZWEIHANDGEBÄRDEN
Im Gegensatz zu Lautsprachen verfügen Gebärdensprachen über zwei Artikulatoren,
die beiden Hände. Die beiden Artikulatoren können aber nicht beliebig kombiniert
werden, sondern unterliegen phonotaktischen (kombinatorischen) Beschränkungen,
nämlich der Regel der Symmetrie und der Regel der Dominanz.
a) Regel der Symmetrie
Wenn beide Hände sich gleichzeitig bewegen, haben sie dieselbe
Handform (9).
b) Regel der Dominanz
Wenn beide Hände unterschiedliche Handformen aufweisen, ist die
dominante Hand aktiv, die nichtdominante passiv (6).
SILBEN
Anders als in der deutschen Lautsprache besteht der native DGS-Wortschatz aus
maximal zweisilbigen Wörtern. Das gilt sowohl für monomorphematische Gebärden
als auch für Komposita.
Eine Silbe (in DGS) ist eine Kombination aus den Silbenpositionen Hold und
Movement. Der Hold wird als eine Kombination aus Handform und Handorientierung
(„Handkonfiguration“) an einer spezifischen Ausführungsstelle definiert. Die
Silbenposition Movement beinhaltet die Bewegung einer Handkonfiguration von
einem Hold weg ($=HM) oder auf einen Hold zu ($=MH) oder auch vom ersten zum
zweiten Hold ($=HMH), bzw. nur eine Bewegung ($=M). VATER bspw. besteht aus der
Silbe HMH. Diese ist die maximale Silbe in DGS (12)
(12) VATER
maximale Silbe der DGS
Minimale Silben: nur M oder H (13/14)
H-Silbe
M-Silbe1
(13) DEUTSCH
(14) FAHREN
Sekundäre Bewegung: Pfadbewegungen der Hände und/oder Arme werden von der
Silbenposition M dominiert, Bewegungen der Hand, wie Fingerwackeln, Abknicken
der Finger oder des Handgelenks, „Winken“ aus dem Ellbogen heraus werden als
handinterne Bewegungen klassifiziert und daher nicht als zusätzliche Silben
berechnet. Sekundäre Bewegung kann im Silbengipfel, also in M, auftreten. Besteht
die Silbe nur aus einem H, so kann auch diese Silbenposition mit einer sekundären
Bewegung verknüpft sein.
Die Übergangsbewegungen von einer Silbe zur nächsten (bei reduplizierten Silben)
oder von einer Gebärde zur nächsten sind vorhersagbar, also phonetisch, und daher
nicht Teil des lexikalischen Eintrags des entsprechenden Items.
2.1.2 Morphologie
KOMPOSITION
Kompositionen: phonologisch beschränkt, maximal zweisilbig
Regel der Verkürzung: Hat das zusammengesetzte Gebärdenwort mehr
als zwei Silben, so werden Silben oder Silbenbestandteile des ersten
und/oder des zweiten Wortes getilgt.
Regel der gleichgerichteten Bewegung: Innerhalb eines Kompositums
findet kein Wechsel der Bewegungsrichtung statt.
Regel der Antizipation: Ist der zweite Teil des Kompositums eine
Zweihandgebärde, so wird die nichtdominante Hand bereits bei der
Ausführung des ersten Teils des Kompositums antizipiert (vgl. Vorköper &
Happ, i.Dr.).
DERIVATION
Gebundene Morpheme der Bewegung (Hinzufügung (16), Veränderung (18))
SCHLAFEN (15) – EINSCHLAFEN – VERSCHLAFEN (16)
Negationen wie z.B. BRAUCHEN (17) – NICHT BRAUCHEN (18) (sog. -Bewegung)
(15) SCHLAFEN
(16) VERSCHLAFEN
(17) BRAUCHEN
(18) NICHT BRAUCHEN
FLEXION
Verben
Verben: reiches Lokal-, Personal-, Klassifikations-, Aspekt- und Numeralparadigma.
Verbalflexion wird durch Anordnung der jeweiligen Morpheme im Gebärdenraum
ausgedrückt, d.h. Subjekte, Objekte und Orte werden im Gebärdenraum verortet und
auf die einzelnen Raumpunkte wird verwiesen, sobald die jeweilige Referenz wieder
aufgezeigt werden soll. „einfache Verben“ : ohne sichtbare Kongruenzmarkierung
Transitive Verben mit belebtem Objekt können ein ungebundenes
Kongruenzmorphem erhalten (PAM, personal agreement marker), (Rathmann,2001),
um eine Kongruenz zwischen Verb und direktem Objekt herzustellen und dem
direkten Objekt einen Raumpunkt zuzuweisen (19).
(19) MANN1 [DETPOSS]1 FRAU2 [V LÜG] PAM2.
Der/ein Mann belügt seine Frau.
Raumkongruente Verben verlangen einen Raumpunkt (lokale Raumverben), stellen
eine Verbindung zu einem Raumpunkt her bzw. verbinden zwei und mehrere
Raumpunkte miteinander (direktionale Raumverben) (vgl. Vorköper & Happ, i.Dr.)
(20) TISCHA PROFESSOR1 [DETPOSS]1 UNTERLAGENµ [LEGCL:µ]AUF-A.
Der Professor legt seine Unterlagen auf den Tisch.
(21) TISCHA REGALB FRAU BUCHµ A[STELLCL:µ]IN-B.
Eine Frau stellt das Buch vom Tisch in das Regal.
DGS: typologisch eine pro-drop- und Topik-drop-Sprache
KLASSIFIKATION
zwei Arten der Klassifikation
a) adjektivische Klassifikation
b) verbale Klassifikation
a) „Size and shape-Specifier (SASS)“ :bestimmte Eigenschaften der durch die NP
bezeichneten Referenten werden spezifiziert, wie etwa deren Form, Größe und
Ausdehnung, ggf. auch deren Muster oder Dekor
Handformen sind nicht beliebig, sondern lexikalisch genau spezifiziert. So werden
beispielsweise „zweidimensionale“ Gegenstände wie z.B. ein Bilderrahmen oder ein
Plakat , ebenso wie geometrische Formen in ihrer Ausdehnung dargestellten
Handform ausgeführt, ebenso wie geometrische Formen in ihrer Ausdehnung, z.B.
eine Wendeltreppe, mit der folgenden Handform spezifiziert
SASS-Klassifikatoren
zweidimensionale
Gegenstände2
z.B. ein Blatt Papier
lange und schmale
Gegenstände
z.B. ein Lineal
lange, tiefe und schmale
Gegenstände
z.B.
HEIZUNG
b) verbale Klassifikation:
- Subjektklassifikation (Class-Klassifikatoren): Verben, die einen Klassifikator
annehmen können, werden nach inhärenten Eigenschaften des vorher
eingeführten Subjekts flektiert. Die hierfür zur Verfügung stehenden
Handformen sind nicht beliebig, sondern einzelsprachspezifisch
grammatikalisiert.
- Objektklassifikatoren (Handle-Klassifikatoren): das klassifizierende Verb
kongruiert mit der Objekt-NP (THEMA-NP):
Objektklassifikatoren
lange,
dünne Gegenstände
z.B. MANN1 FRAU2 BLUMEµ 1[GEBCLµ]2.
Ein Mann gibt einer Frau eine Blume.
hohle, kegelförmige
Gegenstände
z.B. REGALA MÄDCHEN VASEµ [STELL-INCLµL]A.
Ein Mädchen stellt eine Vase in ein Regal.
massive, kegelförmige
Gegenstände
z.B. SPORTLER SPEERµ TRAGCLµ.
Ein Sportler trägt einen Speer
ASPEKT UND AKTIONSART
Veränderung des phonologischen Merkmals Bewegung
Adverbien, die ein Empfinden beschreiben, treten als nichtmanuelle Markierung
gemeinsam mit der Verbgebärde auf. Dabei kann sich, je nach Adverb, auch die Art
der Ausführung ändern, das Verb kann langsamer oder schneller ausgeführt werden.
2.1.3 Syntax
Gebärdenwortordnung: V-End
Matrixsätze
(22) M-O1 WEIN FLASCHE [V KAUF], DANIELA2 1SCHENK2.
M-O kauft eine Flasche Wein und schenkt sie Daniela.
Konstituentensätze
adv
(23) HELEN1 [DETPOSS]1 KOLLEGE2 1SAG2: VORHIN [N STUDENT] DIE1-N DISKUTIER.
Helen sagt zu ihrem Kollegen, dass die Studenten vorhin lebhaft
diskutiert haben.
FIGUR-GRUND
NPs, die auf große, feste Gegenstände referieren, stehen vor NPs, die auf kleine,
bewegliche Gegenstände referieren (24).
(24) REGALA M-O1 BUCH HOL-AUSA, HELEN2 1[GEBCL]2.
M-O holt ein Buch aus dem Regal und gibt es Helen.
3 Nicht manuelle Strukturen
3.1 Nicht-produktive Komponenten
MUNDGESTIK
Einzelne Gebärdenwörter und -phrasen werden von einer Mundgestik begleitet.
Hierbei handelt es sich nicht um stumm artikulierte Wörter der Deutschen
Lautsprache, sondern um eine lexikalisch spezifizierte Mimik des Mundes
a) synchronisiert mit der Gebärde bzw. Phrase: vom Beginn bis zum Ende ihrer
Ausführung (Brentari, 1998)
b) Echo-phonologisch: erfordert die entsprechende Gebärde einen
Handformwechsel, so folgt die Mundgestik der Hand, ist bspw. die
Anfangshandform eine offene Hand und die Endhandform geschlossen, so ist der
Mund bei der Anfangshandform geöffnet und bei der Endhandform geschlossen:

geöffnete Anfangshandform, geschlossene Endhandform
Im umgekehrten Fall (Anfangshandform geschlossen, Endhandform geöffnet) ist
der Mund zuerst geschlossen, dann geöffnet:

geschlossene Anfangshandform, geöffnete Endhandform
LEXIKALISCHE MIMIK
Bestimmte Gebärden, z.B. Adjektive wie TRAURIG, FROH, LANGWEILIG, INTERESSANT
oder Verben wie HERAUSFORDERN, VERULKEN, BEGRÜSSEN, ABLEHNEN werden mit einer
entsprechenden Mimik ausgeführt. Gebärde und Mimik sind gemeinsam im mentalen
Lexikon gespeichert und werden dementsprechend gleichzeitig abgerufen. Werden
diese Einträge mit einer abweichenden Mimik gebärdet, so werden sie bspw. als
ironisch verstanden.
3.2 Produktive Mimik
SYNTAKTISCHE MIMIK
Satzarten werden mimisch unterschieden. Jeder Satztyp wird von einer eigenen
syntaktischen Mimik begleitet. Diese kann sich, je nach Satztyp, über den gesamten
Satz (Q-Frage (25), W-Frage (26)) oder nur über bestimmte Satzteile (TopicComment-Satz (27), Konditionalsatz (28)) ausdehnen.
(25)
q
[N ARTIKEL]1 [DETART]1 INTERESSANT.
Ist der Artikel interessant?
(26)
w
WANN [PRONPERS]1-N GEBÄRDENSPRACHE [V LERN] [V WÜNSCH] WANN.
Wann möchten Sie alle Gebärdensprache lernen?
(27)
t
VOGEL, BAUMA SITZ-AUFA.
Ein Vogel sitzt auf einem Baum. (i.S.von „Was den Vogel betrifft, er sitzt
auf einem Baum.)
(28)
cond: ant
cond:cons
asp:t
[DETART]1 [N GEBÄRDE]2 [DETDEM]2 [V VERSTEH], [PRONPERS]3 FROH.
Wenn Sie diese Gebärde verstanden haben, freue ich mich.
KÖRPERHALTUNG
Körper leicht nach hinten:
Exklusion
nicht produktiv
excl
excl
MORGEN [PRONPERS]1-N DISCOA
Körper leicht nach vorne:
Inklusion
incl
FASZINIERT-SEIN
incl
MORGEN [PRONPERS]1-N DISCOA
GEHZU-A
GEHZU-A
Morgen geht ihr in die Disco
(mich ausgeschlossen).
Morgen gehen wir in die Disco
(mich eingeschlossen).
ABLEHNEN
produktiv
Kombination manueller und nicht manueller Komponenten
Körperhaltung:
excl
Kopfhaltung:
leicht nach oben
Mimik:
verächtlich
Mundmimik:
[p]
JEMANDEN-NICHT-FÜR-VOLLNEHMEN
4. Sprachproduktion im Modell
4.1 Kontextuelle Fehler
4.1.1 Phonologische Fehlleistungen
ANTIZIPATIONEN
Konsonanten/Handformen
(29) Belamtenbeleidigung  Beamtenbeleidigung
(30) SEINE ELTERN (Antizipation der Y-Handform)
Fehler
SEINE
ELTERN
Vokale/Bewegungen
(31) Meßstände  Mißstände
(32) REZEPT BUCH
Fehler
BUCH
REZEPT
PERSEVERATIONEN
Konsonanten/Handorientierung
(33) Ich hab‘ mir jetzt den Cosmopolitan getauft  gekauft
(34)
w
(Die Frau)1 LOCH WO pro1 SUCH
LOCH
Fehler
WO
SUCH
Ausführungsort
neg
Kopfnicken
(35) ACHSO, DAS MANN, FRAU
„Ach so, das ist kein Mann, sondern eine Frau.“
MANN
Fehler
Beidhändigkeit
(36) KOPF SALAT
Fehler
SALAT
VERSCHMELZUNGEN
(37) Setz Dich auf den Stulrich  auf den Stuhl, Ulrich
(38) Fachbereich für evangelische Kathologie  für evangelische und katholische
Theologie
(39) HALBACHT ABEND
„Halb acht am Abend“
Fehler
ABEND
HALB
VERTAUSCHUNGEN
(40) nun liebe Lina, schlammere sunft  schlummere sanft
(41) ich hätte gerne einen herrenlosen Ärmelpullover  ärmellosen Herrenpullover
(42) er hat ‘ne Frau als Holländerin  er hat ‘ne Holländerin als Frau
(43) 5 UHR MANN COMPUTER ZUSAMMENKEHR  LAUB
(44) UMZIEH+++, JETZT AUFSTELL+++ SASS+++ (und) AUSPACK+++  AUSPACK (und)
AUFSTELL
4.2 Paradigmatische Fehler
SEMANTISCHE SUBSTITUTIONEN:
(45) Das ist der Hund von Sabine  die Katze
(46) (das) HOCHZEITSPAAR SITZa//STEHa
SITZ
STEH
KONTAMINATIONEN
(47) Zuchthauszitronen  Zuchtzitronen/Gewächshauszitronen
(48) PAAR//HOCHRAT-HEIRATSPAAR
└─ Fehler (B)─┘
└─Fehler (A)─┘
Verteilung
Versprechertyp
N
184
214
48
56
156
31
3
188
1
11
43
9
%
19.5
22.7
5.1
5.9
16.5
3.3
0.3
20
0.1
1.2
4.5
1
N
139
157
38
31
113
8
5
68
50
11
12
%
21.7
24.5
5.9
4.8
17.7
1.3
0.8
10.6
7.8
1.7
1.9
Antizipation
Perseveration
Harmonie
Substitution
sem
form
sem+form
Kontamination
Verschmelzung
Vertauschung
Tilgung
Hinzufügung
Spreading
8
1.3
Summe
944
640
Summe in %
100
100
weiße Felder: DLS; graue Felder: DGS
Betroffene Einheit
Wort
Phonem
42
16
95
114
56
44
113 102
3
35
44
25
23
6
121 106
16
4
8
3
3
4
1
38
62
2
1
49
1
1
8
5
19
4
9
6
1
6
8
327 322 286 264
34.6 50.3 30.3 41.3
Morphem
44
12
44
7
1
1
25
7
35
7
7
1
1
4
13
1
3
2
174
18.4
41
6.4
Phrase
1
1
Andere
3
2
4
1
150
3
2
1
151 5
15.9 0.8
6
6
0.3 0.9
Morphologie: gebundene/freie Morpheme/mehrere Artikulatoren
SASS-KLASSIFIKATOR
(49) SCHWIMM SASS:RAHMEN//SASS:BECKEN
Schwimm“rahmen“//becken
„Schwimmbecken“
LEXIKALISCHE MIMIK
(50) Diskurs-Topiks: Junge; Schuh
neg
Mimik:überlegen Mimik:überlegen
ZWEITER NICHT-DA. (ER) SUCH//
ÜBERLEG:
WO ZWEITER SCHUH
Morphemfehler
Fehlerkategorie
DLS
DGS
N
%
N
%
Antizipation
44
25,3
12
29,3
Perseveration
44
25,3
7
17,1
Harmonie
1
0,5
1
2,4
Substitution
25
14,4
7
17,1
semantisch
35
20,1
7
17,1
Formal
7
4
1
2,4
Kontamination
-
-
-
-
Verschmelzung
-
-
1
2,4
Vertauschung
4
2,3
3
7,3
Tilgung
13
7,5
2
4,9
Hinzufügung
1
0,5
-
-
Summe
174
100
41
100
Gesamtkorpus
944
18,4
640
6,4
Lemma-Lexikon
(51) Da bin ich aus allen Socken gefallen  da bin ich aus allen Wolken gefallen/da
war ich von den Socken
SEMANTISCHE SUBSTITUTIONEN
(45) Das ist der Hund von Sabine  die Katze
(46) (das) HOCHZEITSPAAR SITZA//STEHA
Lexem-Lexikon
(47) Zuchthauszitronen  Zuchtzitronen/Gewächshauszitronen
(52) mein Schautzi  mein Schatzi/mein Schnauzi
(48) PAAR//HOCHRAT-HEIRATSPAAR
4.3 Kontextuelle Fehlleistungen
Wortvertauschungen (vgl. (42/44)): fehlerhafte Zuordnungen von Formen zu
Lemmata und zeigen sich daher in der Oberflächenstruktur; hier ist nur die
Kategorienzugehörigkeit von Belang.
Lexem-Lexikon
Stranding-Irrtümer und phonologische Vertauschungen (40, 43)
Verschmelzungen
Fehler bei der morphophonologischen Ausbuchstabierung der syntaktischen
Oberflächenstruktur
Korrekturen
EDITING
(53) der hessische Jusmiti < Lachen>  Justizminister
t
<Signer schaut nach oben>
(54) BUB BETT VERSCHWUNDEN.
 SCHUH
„Der Junge (er stellt fest), das Bett ist verschwunden  Schuh.
BUB
BETT
VERSCHWUNDEN
mit Editing-Ausdruck
4.4 Plätze für Neustarts
(55) Was haßt das denn, was heißt das denn?
(56) zum Abschluß des sechstägigen Handy, Händel-Festivals
(57) Die Brie, ä, Quä, äh, die Bremsen quietschen
(58) der Tee schn, der Schnee taut
(48) PAAR//HOCHRAT-HEIRATSPAAR
(36) KOPF SALAT
CONDUITE
(59) VA(TER) TOCH(TER) BUB
VA(TER)
TOCH(TER)
BUB
(60) Das Brett, äh, das Tablett, äh, das Blech ist sowieso voll.
(61) Sie haben sich an der Ente unschädlich getan, gemacht, gehalten  schadlos
gehalten
Ein noch früher einsetzender Neustart ist in der folgenden Korrektur zu beobachten:
(62) Y-Handform (geplant: ELTERN)// VATER MUTTER
(63) METALL1.Silbe//GLAS2.Silbe CLrechteckig
(64) chiplem  chichi/plemplem
Verteilung von Stellen für Neustarts in Lautsprachen (Daten aus Levelt, 1989) und
DGS:
Abbruchsort
N
DLS
vor Wort
im Wort
nach Wort
verzögert
andere
 Korrekturen
Verhältnis
Korrektur/Slip
139
86
52
15
292
292/55
0
DGS
20
92
63
18
193
193/39
9
%
DLS
47,60
29,45
17,81
5,14
100
53,09
DGS
10,36
47,67
32,64
9,33
100
48,37
50
40
30
DGS
DLS
20
10
35
3030
30
2525
25
2020
20
1515
15
1010
10
55
5
00
0
vor dem
Wort
delayed
40
3535
delayed
45
4040
bef or e wor d
50
4545
bef or e wor d
5050
bef or e wor d
0
im Wort
nach dem verzögert
Wort
andere
Fazit
Die menschliche Sprachproduktion durchläuft unabhängig von der Modalität der
jeweiligen Sprache dieselben Stadien und hat Zugang zu denselben Komponenten.
Modalitätsunterschiede zeigen sich immer dann, wenn formales Design und
struktureller Gehalt sich dramatisch voneinander unterscheiden. Dies spiegelt sich in
der Verteilung der Fehlleistungstypen wider
Boyes Braem, P. (1995): Einführung in die Gebärdensprache und ihre Erforschung.
Hamburg: Signum
Brentari, D. (1998): A Prosodic Model of Sign Language Phonology. Cambridge, MA:
MIT Press
Brentari, D. (2002): Modality differences in sign language phonology and
morphophonemics. In: Meier, R., Cormier, K. & Quinto-Pozos (eds.): Modality and
structure in signed and spoken languages. Cambridge:Cambridge University Press,
27-34
Chomsky, N. (2002): An interview on minimalism. In: Belletti, A. & Rizzi, L. (eds.):
Noam Chomsky. On nature and language. Cambridge: Cambridge University Press,
92-161
Hohenberger, A., Happ, D. & Leuninger, H. (2002): Modality-dependent aspects of
sign language production: Evidence from slips of the hand and their repairs in
German Sign Language. In: Meier, R., Cormier, K. & Quinto-Pozos (eds.): Modality
and structure in signed and spoken languages. Cambridge: Cambridge University
Press, 112-142
Leuninger, H. (2003): Sprachproduktion im Vergleich: Deutsche Lautsprache und
Deutsche Gebärdensprache. In: Rickheit, G. (u.a. eds.): Psycholinguistik. Ein
internationales Handbuch. Berlin: de Gruyter. 707-729
Leuninger, H., Happ, D., Hohenberger, A., Menges, E. & Waleschkowski, E. (2004):
The impact of modality on language production: Evidence from slips of the tongue
and the hand. In: Pechmann, T. & Habel, C. (eds.): Trends in linguistics. Berlin:
Mouton, 219-278
Leuninger, H., Hohenberger, A., Menges, E. (2004): Zur Verarbeitung
morphologischer Informationen in der Deutschen Gebärdensprache (DGS). In:
Leuninger, H. (ed.): Gebärdensprachen: Struktur, Erwerb, Verwendung. Sonderheft
Linguistische Berichte. Opladen: Westdeutscher Verlag
Leuninger, H., Vorköper, M.-O. & Happ, D. (2004): Schriftspracherwerb und
Deutsche Gebärdensprache. Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie 67, 31-68
Rathmann, Christian (2001), The optionality of agreement phrase: Evidence from
signed languages. Paper presented at the Conference of the Texas Linguistic
Society (TLS 2001), March 2001.
Vorköper, M.-O. & Happ, D. (in prep.): Einführung in die Deutsche Gebärdensprache:
Ein Lehr- und Arbeitsbuch. Frankfurt/Main: Fachhochschulverlag
Notation
repräsentiert eine Gebärde
WORT
adv
zeigt Ausdehnung und Art der Mimik an
MANN1
numerische Indizes sind Stellvertreter von Raumpunkten
für personenkongruente Verben
TISCHA
alphabetische Indizes sind Stellvertreter für Ortsmerkmale
[[DETPOSS]1
Possessivpronomen
BUCHµ [STELLCL:µ]IN-B
herabgesetzte griechische Buchstaben zeigen Kongruenz
zwischen Objekt und klassifiziertem Verb
HOL-AUS
mit Bindestrich verbundene Glossen repräsentieren eine
Gebärde, für die in DLS zwei (oder mehr) Worte benötigt
wird
Q
Ausdehnung einer Entscheidungsfrage (syntaktische
Mimik: hochgezogene Augenbrauen)
W
Konstituentenfrage (syntaktische Mimik:
zusammengezogene Augenbrauen)
t
Topikalisierung (syntaktische Mimik: hochgezogene
Augenbrauen)
asp:t
abgeschlossener Aspekt, bei Wahrnehmungsverben
mittels Kopfnicken realisiert
FRAU
kursive Glossen stehen für Vergebärdler
+++
Reduplikation einer Gebärde, i.Allg. Pluralmarkierung
SITZa//STEHa
Vergebärdler mit Abbruch und Korrektur
Herunterladen